Platonische Liebe
Liebe zwischen Mann und Frau ohne Sexualität wird als platonische Liebe bezeichnet. Platonische Liebe kann mit Freundschaft, aber auch ohne Freundschaft sein: Eine rein platonische Liebe ist eine Liebe, die auf ein Ideal ausgerichtet ist. Eine platonische Liebe kann eine gemeinsame Liebe für eine Wissenschaft sein, für die Philosophie, für einen gemeinsamen spirituellen Weg, für ein gemeinsames Engagement.
Platonische Liebe und Platon
Platonische Liebe bezieht sich auf eine Form der Liebe, die nach dem antiken Philosophen Platon (ca. 428-347 v.Chr.) benannt wird. Seit der Renaissance wird der Ausdruck platonische Liebe auch so verwendet. Platon hatte ein Konzept bezüglich der Liebe, auf das sich das Konzept der platonischen Liebe bezieht. Was allerdings heutzutage unter platonischer Liebe verstanden wird, hat nicht mehr allzuviel mit dem Konzept Platons zu tun. Das Konzept der platonischen Liebe ist trotzdem wichtig: So können Männer und Frauen einander in Liebe zugetan sein, sich durch die Liebe gegenseitig beflügeln, sich für eine gute Sache inspirieren, ohne dass daraus eine sexuelle Beziehung und damit Gefährdung der bisherigen Beziehung bzw. emotionelles Chaos wird...
Das platonische Konzept der Liebe von Platon selbst
Platon erkannte, das der Mensch im Beschränkten unzufrieden ist. Diese Unzufriedenheit manifestiert sich in der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Diese Sehnsucht nach dem Unendlichen manifestiert sich im Eros, in der mit heftigem Begehren verbundenen Liebe. Diese Liebe wird Triebkraft des Handelns.
Platon sah in der Liebe (Eros) ein Streben des Liebenden, das ihn aus der Beschränktheit, aus dem Individuellen zum Umfassenden, zum Überpersönlichen führt. Die erotische Liebe macht das auf beschränkte Weise, indem er sich in Liebe mit einem anderen Menschen verbindet. Die platonische Liebe im Sinne Platons heißt, die Liebe auf den Erkenntnisweg zu richten. Von der auf einen Menschen gerichteten Liebe gilt es laut Platon weiter fortzuschreiten zu einer Liebe auf umfassendere allgemeinere, hochrangigere und lohnendere Objekte. Insbesondere kann die Liebe auf schöne Dinge, schließlich auf die Schönheit an sich gerichtet werden. Schließlich erfährt der Philosoph, also der Wahrheitssucher, in der Liebe des Unendlichen die Erfüllung seines Strebens.
Das Platonische Konzept der Liebe und Yoga
Platons Konzept der Liebe deckt sich mit dem Yoga Konzept der Liebe, wie es z.B. Ramakrishna Paramahamsa, Swami Vivekananda und Swami Sivananda beschreiben: Liebe ist Ausdruck der Sehnsucht des Individuums (Jiva) nach dem Göttlichen (Brahman). Jede Liebe ist daher göttlich. Es gilt, die Liebe auszudehnen. Aus der egoistischen Liebe, sie auf sich selbst und die Befriedigung eigener Bedürfnisse bezogen ist wird uneigennützige Liebe, bedingungslose Liebe. Aus der Liebe zu einem Menschen bzw. einer ganz kleinen Menschengruppe wächst eine größere Liebe, Liebe zur Familie, Liebe zur Sippe, Vaterlandsliebe, Menschenliebe. Aus der Menschenliebe wird Allumfassende Liebe, Kosmische Liebe, Gottesliebe.
Homoerotische Liebe laut Platon
Für Platon ist gerade die homoerotische Liebe, die homosexuelle Liebe, von besonderer Bedeutung. Gerade diese homoerotische Liebe gilt es laut Platon zu sublimieren, zu verfeinern. Aus einer Anziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Menschen kann große Sehnsucht zum Absoluten kommen - und erfüllt werden. Platon schreibt über homoerotische bzw. homosexuelle Liebe als über etwas ganz Normales. Allerdings empfiehlt er auf homosexuelle Handlungen zu verzichten und stattdessen diese Liebe zu transformieren zur Liebe zu etwas Höherem.
Platonische Liebe als auf ein Ideal gerichtete Liebe zwischen zwei Menschen ohne Sexualität und Zärtlichkeit
Heutzutage versteht man unter platonischer Liebe die Liebe zwischen zwei Menschen ohne Sexualität und ohne Zärtlichkeiten. Im Speziellen enthält der Begriff platonische Liebe noch den idealistischen Ansatz, in einer allgemeineren Wortbedeutung ist platonische Liebe jede Art der Liebe zwischen zwei Menschen, die auch eine emotionale, ja erotische, Anziehung enthält oder enthalten könnte, in der aber entweder bewusst darauf verzichtet wird, oder von vornherein keine erotische Komponente enthalten hat.
Zwei Menschen können gemeinsam nach einem Ideal streben. Sie können in ihrem Engagement für eine gute Sache sich gegenseitig unterstützen. Eine platonische Liebe zwischen diesen zwei Menschen kann große Energie und Inspiration für die beiden geben, andere mitreißen und beflügeln, und so die gute Sache voranbringen. Platonische Liebe in diesem Sinne kann herrschen zwischen Mann und Frau, zwischen Mann und Mann und zwischen Frau und Frau. Platonische Liebe ist tatsächlich Liebe der beiden zueinander, die aber nicht mit körperlicher Zärtlichkeit bzw. Sexualität verbunden ist. Platonische Liebe kann es in diesem Sinn geben in folgenden Kontexten:
Auf philosophische Wahrheit gerichtete Platonische Liebe
Zwei Menschen können sich in philosophischem Interesse gefunden haben. Sie können sich gegenseitig inspirieren in ihrem philosophischen Suchen. Sie können miteinander die philosophischen Fragen besprechen. Das ist eine in der Philosophie gar nicht mal seltene platonische Liebe.
Platonische Liebe in der Kunst
Zwei Künstler können sich in Liebe miteinander zugetan sein und beflügeln sich gegenseitig in ihrer Kunst. Künstler werden oft aus Liebe heraus zu künstlerischer Kreativität angeregt. Da gibt es verschiedene Arten der Liebe:
- Unerfüllte Liebe, nicht erwiderte Liebe oder gesellschaftlich nicht aktzeptierte Liebe: Diese ist sehr häufig Inspiration für Künstler
- Junge Liebe, also Verliebtheit: Gerade in der Phase des Verliebtseins sind Künstler besonders kreativ
- Liebeskummer: Manche Künstler, darunter Schriftsteller, Maler etc. verarbeiten ihren Liebeskummer mit Kunst
- Platonische Liebe: Man findet immer wieder Künstler, die mit einem anderen Künstler/in oder Kunstliebhaber/in in platonischer Liebe verbunden sind. Das kreative Schaffen des Künstlers wird stark beflügelt durch den Austausch und die Liebe zu diesem anderen Menschen. Manchmal wird vom anderen Menschen auch als "Muse" gesprochen, wobei die Abgrenzung zwischen platonischer Liebe und dem Konzept der Muse schwer ist
- Bewundernde Liebe: Manche Künstler brauchen Bewunderung, um Kreativität zu haben. Manche brauchen das Bad in der Menge...
Platonische Liebe im Engagement für die gute Sache
Wenn zwei Menschen sich gemeinsam einsetzen für eine gute Sache, kann sich dabei eine platonische Liebe entwickeln: Die beiden entwickeln eine Zuneigung, eine Liebe füreinander. Sie beflügeln sich gegenseitig. Sie empfinden ihre Gegenwart, ihren Gedankenaustausch als große Energiequelle, Kraftquelle. Recht häufig werden Engagements erfolgreich dadurch dass zwei Menschen in platonischer Liebe zusammenarbeiten. Beispiele platonischer Liebe gibt es in Parteien, Umweltbewegung, in Stadträten, in Bürgerinitiativen, im Tierschutz etc.
Platonische Liebe für ein religiöses bzw. spirituelles Ideal
In allen Religionen wird Liebe sehr stark geschätzt - und manchmal werden bestimmte Formen der Liebe auch als Sünde erklärt. Die platonische Liebe als Liebe zwischen zwei Menschen ohne Zärtlichkeit findet man in allen Religionen wieder. In Indien findet man das Konzept der Gurubhais, d.h. der Schüler eines Gurus, eines Meisters, die sich in gegenseitiger Liebe zugetan sind. Da gibt es immer wieder zwei Schüler eines Meisters, die gemeinsam besonders harmonieren, von denen gemeinsam eine starke Energie ausgeht.
Christliche Beispiele für platonische Liebe sind z.B.
Manchmal ist es auch nicht klar, ob man die Liebe zwischen zwei Menschen als Liebe zwischen Lehrer und Schüler(in) bzw. als platonische Liebe, also Liebe zwischen Gleichgestellten, deuten soll. Ein Beispiel dafür ist Sri Aurobindo und Mira Alfassa, genannt Die Mutter. Mira Alfassa hat sich sicherlich zunächst als Schülerin von Sri Aurobindo gesehen. In späteren Jahren kann es aber sein, dass sich daraus eine echte platonische Liebe entwickelt hat.
In Indien heißt es auch, dass manche Heilige zwar verheiratet waren, aber keine geschlechtliche Beziehungen gehabt haben. Zwei Beispiele:
- Ramakrishna und Sarada Devi
- Ananda Mayi Ma und Bolonath
Ganz sicher kann man sich aber in vielen Fällen nicht sein, ob es wirklich rein platonische Liebe war, oder ob es nicht auch zärtliche Liebe gegeben hat.
Platonische Liebe als unerfüllte Liebe
Von Platon ausgehend ist platonische Liebe ein auf ein höheres Ideal ausgerichtete Liebe. Heute wird der Ausdruck platonische Liebe noch weiter gefasst: Fühlen zwei Menschen eine erotische Anziehung zueinander, aber verzichten bewusst auf Zärtlichkeiten und Sex, meiden aber nicht ihre Gegenwart, dann wird das heutzutage auch als platonische Liebe bezeichnet. Platonische Liebe in diesem Verständnis kann es aus verschiedenen Gründen geben. Grundsätzlich sind sich beide Partner in Liebe zugetan, empfinden eine Anziehung, erfreuen sich an ihrer Gegenwart und habe Sehnsucht, sich zu sehen, etwas zusammen zu tun. Die beiden meiden aber Zärtlichkeiten. Das kann unter anderem folgende Gründe geben:
- Einer oder beide Partner sind schon in einer Beziehung, wollen in dieser Beziehung bleiben
- Die beiden wissen, dass sie nicht wirklich auf allen Ebenen zueinander passen, dass ein Zusammenleben sehr konfliktreich sein würde - und ziehen es vor, diese Spannung als Quelle von Inspiration zu sehen
- Die beiden haben sehr unterschiedliche Lebensentwürfe und wissen, dass ihre Beziehung nicht von Dauer sein könnte
- Die beiden leben in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten
- Beide sind engagiert in einer gemeinsamen Sache (Gemeinderat, Bürgerinitiative, Verein) oder sind Kollegen - und wissen, dass eine "normale" Zweierbeziehung das gemeinsame Engagement gefährden würde
- Beide Partner waren mal zusammen, haben sich aber getrennt - wollen sich aber weiter in Freundschaft bzw. platonischer Liebe zugetan fühlen
Das Konzept der platonischen Liebe kann in all den oberen Fällen der unerfüllten Liebe einen Sinn geben. Menschen haben, biologisch gesehen, die Neigung, sich öfter mal zu verlieben. Durch das Konzept von platonischer Liebe kann man einem Partner treu bleiben und anderen Menschen in ideeller Liebe zugetan sein. Auch wenn in der Anziehung zu einem Menschen, der nicht "der" Partner ist, eine erotische Komponente ist, kann man diese Anziehung, diese Liebe, gerade in ihrer körperlichen Unerfülltheit, also etwas sehr Wertvolles begreifen. So kann das Konzept der platonischen Liebe sehr wertvoll sein.
Platonische Liebe und Yoga Spiritualität
Platonische Liebe im Sinne von Herzensverbindung zu einem anderen Menschen und gemeinsamer Einsatz für ein hohes Ideal wird im Yoga hoch geschätzt. Platonische Liebe kann spirituell beflügeln, Energie geben um sich besser engagieren zu können, Kreativität und Freude erhöhen.
Allerdings gibt es auch bei der platonischen Liebe das Element der Verhaftung. Wenn zwei spirituelle Menschen sich in platonischer Liebe zugetan waren und gemeinsam viel auf die Beine gestellt haben, und einer von beiden andere Wege geht, kann in dem Zurückgelassenen Niedergeschlagenheit, Trauer, ja Depression entstehen. Wenn man das weiß, kann man die Trauerphasen bewusst annehmen und durchleben - und so Depression vermeiden.
Im Yoga gibt es als Ideal die uneigennützige Liebe, die erwartungslose Liebe, die verhaftungslose Liebe, die bedingungslose Liebe, die allumfassende Liebe, die Nächstenliebe, die Gottesliebe. Platonische Liebe, wie sie im heutigen Sprachgebrauch verstanden wird, ist da nur ein Teilbereich der allumfassenden Liebe. Der platonische Ansatz, die Liebe auf immer Höheres auszurichten, und Liebe als das Streben des Individuums nach Einheit mit allem zu interpretieren, entspricht ziemlich genau dem Ansatz von Yoga Vedanta.
Auch im Yoga gibt es das Ideal der ehelichen Treue. Auch hier kann man andere Formen von Liebe, die erotische Elemente vom Gefühl her hat, als platonische Liebe, als Kraft für ein gemeinsames Ideal, sehen und nutzen - und so dem Ideal von Brahmacharya, hier interpretiert als Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten, treu bleiben.
Platonische Liebe im Mönchstum
Im Christentum, im Hinduismus, im Buddhismus gibt es monastische Traditionen mit Mönchen und Nonnen. Dabei geschieht es gar nicht selten, dass zwei Menschen in tiefer Liebe miteinander verbunden sind. Aus gutem Grunde bemühen sich die monastischen Traditionen, Männer und Frauen voneinander getrennt zu halten. Das führt dann manchmal dazu, dass enge Männer- und Frauenfreundschaften entstehen, die als platonische Liebe gelebt und sublimiert werden.
Platonische Liebe und andere Formen der Liebe
Da der Begriff der platonischen Liebe in so unterschiedlicher Weise gebraucht wird, hat platonische Liebe viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Ausdrucksformen der Liebe:
- Freundschaft bzw. Freundschaftliche Liebe: Freundschaften, auch Männerfreundschaften und Frauenfreundschaften können homoerotische Züge im Sinne der platonischen Liebe enthalten, müssen es aber nicht
- Liebe/Freundschaft zum Ex: Diese kann Elemente der Platonischen Liebe haben
- Lehrer-Schüler-Liebe, egal ob im schulischen Kontext oder auch in der Guru-Chela-Beziehung: Zwischen Lehrer und Schüler sollte kein sexuelles Verhältnis entstehen. Erotische Anziehung kommt durchaus ab und zu mal vor. Diese auf ein höheres Ideal auszurichten und jedes körperliche Näherkommen gänzlich zu vermeiden, kann man als platonische Liebe interpretieren - auch wenn platonische Liebe im modernen Sprachbegriff eher eine Liebe auf gleicher Ebene ist zwischen zwei Menschen, von denen man erwarten würde, dass sie auch eine sexuelle Beziehung eingehen könnten
Siehe auch
- Freundschaft
- Liebe
- Eros
- Erkenntnis
- Absolute
- Brahman
- Aham Brahmasmi
- Platon
- Nächstenliebe
- Karma Yoga
- Bhakti Yoga
- Hingabe
- Gottesliebe
Literatur
- Anselm Grün, Das Hohelied der Liebe: Münsterschwarzacher Geschenkheft (2011)
- Stephan Hachtmann, Berührt vom Klang der Liebe: Wege zum Herzensgebet (2012)
- Thich Nhat Hanh, Jesus und Buddha - Ein Dialog der Liebe (2010)
- Franz Jalics, Der kontemplative Weg (2010)
- Johannes XXIII., Das Herz muss voll Liebe sein (2013)
- Ayya Khema, Das Größte ist die Liebe: Die Bergpredigt und das Hohelied der Liebe aus buddhistischer Sicht (2009)
- Margarethe Randow-Tesch u.a., Ein Kurs in Wundern: Textbuch, Übungsbuch und Handbuch für Lehrer (2012)
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda, Inspirierende Geschichten (2005)
- Swami Sivananda, Japa Yoga (2003)
- Swami Sivananda, Göttliche Erkenntnis (2001)
- Swami Sivananda, Gedanken zur Kontemplation (1996)
- Swami Sivananda, Hatha-Yoga. Der sichere Weg zu guter Gesundheit, langem Leben und Erweckung der höheren Kräfte (1964)
- Swami Sivananda, Sadhana – Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Christopher West u.a., Die Liebe, die erfüllt: Gedanken zu Eros & Agape - Papst Benedikt XVI. und die menschliche Liebe (2011)
Weblinks
- Swami Sivananda: Diene, liebe, gib, reinige dich, meditiere, verwirkliche
- Swami Sivananda: Bhakti
- Bhakti Yoga
- Tantra Portal
- Swami Sivananda
- Artikel von Swami Sivananda
- Swami Sivanandas Integraler Yoga
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