Empfindsamkeit
Empfindsamkeit ist die Fähigkeit zu subtilem Empfinden. Empfindsamkeit wurde gerade in der Periode der Romantik besonders wertgeschätzt. Gegen eine Welt der vernunftmäßigen Kälte oder auch der aggressiven Gefühle bietet Empfindsamkeit einen gesunden Gegenpol.
Zu viel Empfindsamkeit kann jedoch auch in Gefühlsduselei oder Hypersensibilität umschlagen. Empfindsamkeit ist etwas anderes als Empfindlichkeit, was oft mit Verletzlichkeit verbunden ist. Empfindsamkeit dagegen ist Feinfühligkeit, Zartgefühl.
Empfindsamkeit - eine Tugend. Was ist Empfindsamkeit? Woher stammt das Wort? Wozu ist Empfindsamkeit gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Empfindsamkeit? Mit vielen praktischen Tipps, Videos und Anleitungen.
Empfindsamkeit als hilfreiche Tugend
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Empfindsamkeit hat verschiedene Bedeutungen. Vom Etymologischen kommt es erstmal von Empfinden. Empfinden heißt Fühlen, Empfindsamkeit würde heißen, die Fähigkeit, zu fühlen. Empfindsamkeit heißt aber auch, ein tieferes Empfinden zu haben und ein subtileres Empfinden. Manche Menschen haben hohe Empfindsamkeit, sie sind sehr feinfühlig, sie sind sensibel. Heute würde man eher sagen, Sensibilität.
Empfindsamkeit war in der deutschen Romantik etwas Wichtiges, da galten Gefühle als besonders wichtig, da war es wichtig, zu spüren und nicht nur intellektuell zu denken. Die deutsche Romantik um 1800 war sowohl eine Gegenbewegung zur Aufklärung als auch zu den traditionellen Gesellschaften. Und deshalb wird die deutsche Romantik manchmal auch als Zeitalter der Empfindsamkeit bezeichnet. Die traditionellen Strukturen, konservativ, "das ist die Ordnung, gottgegeben und man hat sich daran zu halten". Dann kam die Aufklärung, das Zeitalter der Aufklärung mit Immanuel Kant und Voltaire und Hobbes und so vielen anderen, Locke, und die haben gesagt: "Der Mensch soll denken, er soll seinen Verstand gebrauchen." Kant hat gesagt: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Sapere aude, wage es, zu wissen." Also, Wissen, Einsicht, Vernunft, das war dort wichtig. Und das ist auch etwas Wichtiges, bis heute sind die Grundsätze der Aufklärung so wichtig, um aus religiöser Intoleranz, Fanatismus, herauszukommen, auch aus Machthunger usw. Die Aufklärung, mit ihren hohen Idealen.
Aber dazu muss dann auch Empfindsamkeit kommen, nämlich vom Gefühl her, mit Liebe auch zu spüren. Die Romantiker hatten eben genau das, sie wollen nicht natürlich die traditionelle Ordnung beibehalten, sie wollten aber auch nicht alles nur mit dem Intellekt, sondern ihnen war es wichtig, hohe Gefühle zu haben. Und so entstanden auch die Liebe zur Natur und zu Spaziergängen, zu Kraftorten, das Mittelalter wurde wiederentdeckt, die romantische Liebe wurde erstmals postuliert, Blumen und Mondschein usw., all das wurde wichtig. Und diese Dinge auch zu kultivieren, ist auch eine Fähigkeit, eben Empfindsamkeit, auch dafür sollte man sich Zeit nehmen. Gerade jemand, der viel zu tun hat, und der viel Energie hat und viel loslegt, da ist auch wichtig, zwischendurch mal einen Gang runterzuschalten, zu fühlen, zu spüren, die Empfindsamkeit zu kultivieren. Natürlich, man sollte auch nicht in Empfindungen einfach nur schwelgen, es hat alles seine Zeit und alles seinen Platz.
Empfindsamkeit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Empfindsamkeit in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Empfindsamkeit
Ähnliche Eigenschaften wie Empfindsamkeit, also Synonyme zu Empfindsamkeit sind z.B. Feingefühl, Sensibilität, Taktgefühl.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Empfindsamkeit übertrieben kann ausarten z.B. in Gefühlsduselei, Weinerlichkeit, Rührseligkeit. Daher braucht Empfindsamkeit als Gegenpol die Kultivierung von Klarheit, Vernunft, Verlässlichkeit.
Gegenteil von Empfindsamkeit
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Empfindsamkeit, Antonym zu Empfindsamkeit:
- Positive Gegenteile von Empfindsamkeit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Klarheit, Vernunft, Verlässlichkeit
- Negative Gegenteile von Empfindsamkeit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Gefühlskälte
Empfindsamkeit im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Empfindsamkeit gehört zur Tugendgruppe 3 Liebe, Zuneigung, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Großzügigkeit. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Liebe und Empathie
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Empfindsamkeit zum Persönlichkeitsfaktor N1 Neurotizismus/Labilität hoch: emotional, verletzlich, ängstlich, auch A1 Verträglichkeit hoch: kooperativ, liebevoll, freundlich, mitfühlend
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Empfindsamkeit zur Grundverhaltenstendenz S - Stetigkeit, Mitgefühl, Teamfähigkeit
- Im Ayurveda zählt man Empfindsamkeit zum Kapha Temperament bzw. Dosha
Entwicklung von Empfindsamkeit
Empfindsamkeit kann man sehen als Tugend, als eine positive Eigenschaft. Vielleicht willst du ja Empfindsamkeit in dir stärker werden lassen. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Empfindsamkeit zu kultivieren. Du kannst nicht mehrere Tugenden auf einmal entwickeln. Aber es ist möglich, jede Woche eine Tugend, eine Eigenschaft, wachsen zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Tugend, die Eigenschaft, Empfindsamkeit kultivieren, wachsen lassen, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein empfindsamerer Mensch zu sein."
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Empfindsamkeit ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle Empfindsamkeit". Mehr Möglichkeiten zu Affirmationen findest du weiter unten
- Am Tag wiederhole immer wieder eine solche Affirmation: "Ich bin empfindsam".
Klassische Autosuggestion für Empfindsamkeit
Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin empfindsam
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
Entwicklungsbezogene Affirmation für Empfindsamkeit
Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich bin empfindsam" - und sie sind es gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Empfindsamkeit
- Ich werde empfindsam
- Jeden Tag werde ich empfindsamer
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Empfindsamkeit
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag empfindsamer werde.
Wunderaffirmationen Empfindsamkeit
Du kannst es auch mit folgenden Affirmationen probieren, die Sukadev Volker Bretz als Wunderaffirmationen bezeichnet:
- Bis jetzt bin ich noch nicht sehr empfindsam. Und das ist auch ganz verständlich, ich habe gute Gründe dafür. Aber schon bald werde ich Empfindsamkeit entwickeln. Jeden Tag wird diese Tugend in mir stärker werden.
- Ich freue mich darauf, bald sehr empfindsam zu sein.
- Ich bin jemand, der empfindsam ist.
Gebet für Empfindsamkeit
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Empfindsamkeit:
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Empfindsamkeit
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein empfindsamer Mensch werde
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Empfindsamkeit mehr und mehr zum Ausdruck bringe
Was müsste ich tun, um Empfindsamkeit zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Was müsste ich tun, um Empfindsamkeit zu entwickeln?
- Wie könnte ich empfindsam werden?
- Lieber Gott, bitte zeige mir den Weg zu mehr Empfindsamkeit
- Angenommen, ich will empfindsam sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre empfindsam, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Empfindsamkeit kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als empfindsamer Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Vortragsmitschnitt zu Empfindsamkeit - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Empfindsamkeit, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Weitere Infos
Eigenschaften im Alphabet vor Empfindsamkeit
Eigenschaften im Alphabet nach Empfindsamkeit
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