Übertriebenes Nationalgefühl
Übertriebenes Nationalgefühl ist heutzutage die Quelle vieler Konflikte, Streitigkeiten, Unruhe, Bürgerkriege und Kriege. Waren in früheren Jahrhunderten Machtstreben einzelner Menschen, Dynastien oder auch Religionen Hauptquelle von Kriegen, so war im 19. und 20. Jahrhundert übertriebenes Nationalgefühl Quelle vieler kriegerischer Auseinandersetzungen. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (1948-1989) haben Ideologien dem Nationalgefühl als Ursache von Kriegen den Rang abgelaufen. Ab 1989 erheben wieder Nationalismus und religiöser Fanatismus vermehrt ihr Medusenhaupt - bringen Leid und Schrecken in die Welt.
Positive Aspekte eines Nationalgefühl
Ein Nationalgefühl in Gestalt von Patriotismus und Heimatliebe veranlasst einen Menschen dazu, für andere da zu sein. Nationalgefühl kann dazu beitragen, vom individuellen Egoismus zu kollektiver Nächstenliebe, Liebe zu anderen, zu gelangen. Bestimmung des Menschen ist unter anderen, auch für andere da zu sein. So ist der Mensch immer Teil einer größeren Einheit:
- Der einzelne ist meist Teil einer Familie
- Er ist Teil einer Ortsgemeinschaft, z.B. Dorfgemeinschaft oder Ortsteil
- Das Dorf, der Stadtteil ist Teil einer Gegend, einer größeren Stadt - hier kommt die Heimatliebe ins Spiel
- Diese Gegend wiederum ist Teil eines Staates, einer Nation
- Die Nation ist Teil einer größeren Einheit, oft als Kontinent gefasst: Z.B. ist Deutschland Teil von Europa
- Der Kontinent ist Teil der Erde - so sind wir alle Teil von Mutter Erde
- Mutter Erde ist Teil des Sonnensystems - dieses Teil Sonnensystem ist Teil dieser Galaxie, welche wiederum Teil des ganzen Kosmos, der ganzen Schöpfung, ist
Wenn Nationalgefühl sich versteht als eine Einheit eines immer weiter sich ausdehnenden Bewusstseins, hat es etwas sehr Positives.
Wenn Nationalgefühl sich hauptsächlich in Abgrenzung zu anderen Nationen definiert, dann wird es gefährlich.
Das Individuum ist bereit, sich aufzuopfern für ein größeres Ganzes. So wie Eltern bereit sind, ihr Leben für ihr Kind zu geben, so sind Individuen auch bereit (oder werden dazu gezwungen), ihr Leben für eine Nation zu geben.
Menschen sind jedoch nicht nur Teil von immer größeren geografischen Einheiten. Menschen sind auch Teil anderer Einheiten Gnn:
- Menschen sind Mitglieder von Vereinen und Bürgerinitiativen
- Menschen sind Mitglieder von Kirchengemeinden, Religionsgemeinschaften
- Menschen fühlen sich einer bestimmten Weltanschauung zugehörig
Letztlich ist das Individuum eingewoben in ein Gewebe verschiedener größerer Zusammenhänge. Wenn da ein gewisses Gleichgewicht herrscht, dann fühlt sich das Individuum gut aufgehoben.
Wenn einer dieser Kontexte übertrieben wird, z.B. das Nationalgefühl (oder die Religionszugehörigkeit, die Ideologie etc.), dann kommen die verschiedensten Probleme.
Was ist überhaupt eine Nation
Manchmal wird so getan, als ob eine Nation etwas Naturgegebenes oder gar Gottgegebenes ist.
Letztlich ist Nation eine Gemeinschaft von Menschen ähnlicher Kultur, manchmal gleicher Sprache, eventuell gleicher Religion, manchmal ähnlicher ethnischer Herkunft, die sich zusammengehörig fühlen, ihr Leben selbst organisieren.
Nation ist im Unterschied zur Dorfgemeinschaft oder Gegend meist eine größere Einheit.
Das Wort Nation kommt vom lateinischen natio, Volksstamm, Menschenschlag,. Sippschaft, Schar. Natio wiederum kommt von naci, geboren werden, entstehen, wachsen. Nation ist also etwas ähnlicher Herkunft - bzw. etwas das wächst.
Erst im 18. Jahrhundert hat der Begriff Nation eine ähnliche Bedeutung erhalten wie heute.
Übertriebenes Nationalgefühl überwinden
Wie man übertriebenes Nationalgefühl überwinden soll, daran verzweifeln die Gelehrten und Weisen. Denn Nationalgefühl, Nationalismus, Patriotismus, ist eben nicht etwas, das reflektiert da ist. Vielmehr speist sich Nationalgefühl aus dem Urtrieb des Menschen der Zugehörigkeit und der Opferbereitschaft. Wenn man sich in seinem Nationalgefühl gekränkt fühlt, dann ist man für vieles bereit.
Der spirituelle Aspirant=
Der einzelne spirituelle Aspirant wird keine Probleme haben, sich von eigenem übertriebenem Nationalgefühl zu lösen: Es reicht, das zu erkennen, sich bewusst zu machen, wie absurd ein übertriebenes Nationalgefühl ist.
Bewusstsein für übertriebenes Nationalgefühl
Die Schwierigkeit ist das Bewusstwerden des Nationalgefühls. Wenn einzelne ein übertriebenes Nationalgefühl hegen, muss das noch nicht problematisch sein - auch wenn es Terrorismus begünstigt. Wenn aber eine ganze Gruppe von Menschen in eine Art kollektivem Nationalismus-Wahn gerät, dann wird es gefährlich. Menschheitsverführern und Demagogen gelingt es seit dem 19. Jahrhundert immer wieder, Menschen zu einem Massenwahn von Nationalismus zu verführen.
Erziehung gegen übertriebenes Nationalgefühl
Wenn man schon Kinder im Gefühl erziehen könnte, Teil der ganzen Menschheit zu sein, Teil der ganzen Schöpfung, weniger Teil einer bestimmten Nation, dann könnte das ein gutes Gegenmittel gegen übertriebenes Nationalgefühl werden.
Das Konstrukt der Nation
Wenn man geschichtliche Zusammenhänge versteht und dabei erkennt, dass jede Nation letztlich ein Konstrukt ist, dass es keine "natürliche Nation" gibt - sondern nur ein historisch entstandenes Zusammengehörigkeitsgefühl, kann das auch hilfreich sein.
Die Probleme unserer Zeit sind nicht innerhalb einer Nation zu lösen
Wenn Menschen erkennen, dass die Probleme unserer Zeit nicht innerhalb eines Staates sondern nur in Zusammenarbeit mit allen Menschen gelingen kann, dann kann das auch helfen.
Nationalgefühl, Nationalismus und Patriotismus sind irrational
Allerdings ist übertriebenes Nationalgefühl nichts Intellektuelles sondern etwas hochgradig Emotionales. So ist das, was das Zusammengehörigkeitsgefühl in kleineren Einheiten (z.B. die Gegend wie Lipperland, Rheinhessen, Oberbayern, Fanclub FC Bayern) und größeren Einheiten (z.B. Europa, katholische Kirche, Yoga-Bewegung) fördert, sehr wichtig. Wenn andere Identitäten das Nationalgefühl ausbalancieren, dann erhält das Nationalgefühl keine solche übertriebene Bedeutung.
Fühle die Einheit der Schöpfung
Zum Abschluss hier noch ein Absatz aus der Feder von Swami Sivananda (1887-1963):
Sieh das Leben als Ganzes. Sieh das Leben umfassend. Alles Leben ist eins. Alles Leben kommt aus Brahman, dem Absoluten, der einzigen und alleinigen Realität. Gott atmet in allem Leben. Alles ist eins. Die Welt ist ein einziges Heim. Jeder gehört zur Familie der Menschen. Die ganze Schöpfung ist ein organisches Ganzes. Der Mensch macht sich unglücklich, wenn er sich von den anderen trennt. Trennung ist Tod. Einheit ist universelles Leben. Pflege kosmische Liebe. Schließe alle ein. Umfange alle. Erkenne den Wert der anderen. Überwinde alle Barrieren, die Menschen von Menschen trennen. Erkenne das nichtduale Prinzip, die unsterbliche Essenz in allen Geschöpfen. Schütze die Tiere. Alles Leben sei Dir heilig. Dann wird diese Welt ein Paradies der Schönheit sein, ein Himmel des Friedens und der Stille.
(Aus: Göttliche Erkenntnis)