Tantrismus

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Assamesischer Tantrismus: seine Bedeutung - Erläuterungen von Sri Anwarul Hasan

Auszug aus dem Buch „Tantra Yoga, Nada Yoga and Kriya Yoga“ von Swami Sivananda, Buch I - Tantra Yoga, 5. Auflage, 2000, Shivanandanagar, S. 83 - ??. Divine Life Society

Wie Malabar ist Assam die Wiege der hinduistischen tantristischen Philosophie und Religion. In den Tantra Sastras wurde Kamarupa in Assam als Juwel unter allen Orten bezeichnet. Der berühmte Tempel der Göttin Kamakhya hat Millionen von Gläubigen aus ganz Indien angezogen. In den Texten des Tibetischen Buddhismus, übersetzt von Dr. Evan-Wentz, gibt es Belege, dass viele Lamas und Yogis von Tibet für ihre Einweihung nach Kamarupa kamen.

Assam hatte auch den Ruf, ein Land des Okkultismus und der Erforschung der Psyche zu sein. Unter den einfachen Leuten in Indien war "die Magie von Kamarupa" berühmt. Die Historie erzählt, dass im Mittelalter ein Moslem, von göttlicher und mystischer Gesinnung, mit Namen Hazrat Muhammad Gahuth, dessen Grabstätte in Gwalior ist, nach Assam ging, um die hinduistische Philosophie der Tantriker zu studieren. Das Ergebnis seiner Forschungen brachte er in dem persischen Buch "Abi-Hyat" oder "Wasser des Lebens" zum Ausdruck.

Obwohl oftmals missverstanden, so ist die Philosophie des Tantrikers ein wundervolles Produkt der spirituellen Genialität der Hindus. Sie eignet sich sehr für subtile und philosophische Köpfe. Da diese Philosophie nicht für die gemeine Masse gemeint war, drückten die Eingeweihten des Tantrismus ihre Lehrsätze vielfach in einer obskuren und symbolischen Sprache aus. Die Kenntnis der folgenden grundlegenden Begriffe wird eine Hilfe sein, viele Missverständnisse zu klären:

  1. Mutter-Verehrung,
  2. Symbol des Unterbewusstseins,
  3. Symbole der Sexualität,
  4. Verehrung von Idolen und
  5. Kundalini Shakti.

Wir werden uns nun mit jedem Begriff einzeln befassen:

Mutter-Verehrung

Andrea Solario: Madonna mit dem grünen Kissen, um 1507, Tempera und Öl auf Holz

In der tantrischen Philosophie wird Gott in Gestalt der Göttlichen Mutter oder Devi verehrt. Sie wird mit verschiedenen Namen angerufen, als da sind: Lakshmi, Sarasvati, Maha Kali, Durga oder Tripurasundari.

In den semitischen Religionen wie im Islam, im Judentum oder im Christentum wird Gott als Vater verehrt. Die Mutter-Verehrung erscheint den Anhängern dieser Religionen als ein Novum und als etwas Befremdliches.

Tatsächlich aber ist die Verehrung der Göttlichen Mutter älter als die Verehrung Gottes als Vater. Im Kern ist Gott weder männlich noch weiblich. Er ist die absolute Realität. Aber die menschliche Sprache kommt nicht umhin, ihre Ideen über Gott in relativen Begrifflichkeiten auszudrücken. In einer Gesellschaft, in der der Vater der Kopf der Familie ist und das Kind daran gewöhnt, seinen Vater als Autorität anzusehen, ist es natürlich leicht, sich Gott in Gestalt eines Vaters vorzustellen.

Diese Art der Vorstellung ist aber erst viel später entstanden. Anthropologische Forschungen zeigen, dass der primitive Mensch überall in einer matriarchalischen Gesellschaft lebte. In dieser Art von Gesellschaftsform war die (Ehe-)Frau oder Mutter der Kopf der Familie. Nach der Heirat wurde die Ehefrau nicht Teil der Familie des Ehemannes, sondern der Ehemann ging und lebte mit der Familie der Ehefrau. Solche Gesellschaftsformen existieren heute noch in Malabar und sind auch in Tibet sehr verbreitet. Der renommierte Sanskrit-Gelehrte und frühere Sanskrit-Professor der Universität Leningrad, Rahul Sankrityayan, hat belegt, dass diese matriarchalischen Muster unter den Ariern des Altertums tatsächlich existierten.

Und in eben solchen Gesellschaften entwickelte sich die Verehrung der Göttlichen Mutter. Die Art und Weise der Ehrerbietung wurde sehr populär und war sehr beruhigend, da es nichts gab, was die zärtliche Zuneigung einer Mutter für ihr Kind übertraf. Diese Vorstellung war eine große Hilfe für den Gläubigen. Genau so, wie ein Kind sich mehr bei seiner Mutter als bei seinem Vater wohlfühlt, so wurde der Gläubige auch mehr als von irgendetwas anderem von der Göttlichen Mutter angezogen. Die absolute Hingabe der Seele wurde ein Hauptmerkmal. Somit ist signifikant, dass auch in anderen Formen der Hindu-Religion die Mutter-Verehrung und die Vater-Verehrung Gottes als Synthese aufgebaut wurden. Sita und Rama, Radha und Krishna werden zusammen verehrt.

Devi-Verehrung ist ein mächtiges Instrument, sexuelles Verlangen abzubauen. Der Aspirant sieht in jeder weiblichen Gestalt die Göttliche Mutter und versucht, seine Einstellung zu Ihr demensprechend beizubehalten. Fleischliche Gelüste können in diesem Falle nicht zur Entfaltung kommen, denn jeder mag sich vorstellen können, wie heilig einem die Person seiner eigenen Mutter ist.

Das heilige Wort "Om" ist auch ein Überbleibsel der arischen Mutter-Verehrung des Altertums. In allen Sprachen der Welt drücken die Silbe und der Klang "Ma" das Bild von Mutter aus, z. B.: Mother im Englischen, Mater im Lateinischen, Matri im Sanskrit, Mammon im Französischen, Matri im Persischen usw. Dieser Klang kommt tatsächlich auf natürliche Weise zum Kind, während es an der Brust seiner Mutter trinkt. Wenn es versucht, einen Laut von sich zu geben, dann wird dieser Laut "Ma" erzeugt, weil die Nase des Kindes von dem Busen seiner Mutter versperrt und sein Mund mit Saugen beschäftigt ist.

Das heilige Mantra "Om" taucht in jeder Religion dieser Welt auf. Im Christentum kommt es als Amen und im Islam als Amin vor; die Buddhisten singen "Om Mani Padme Hum". Om ist wirklich ein universeller Name für Gott.

s.a. Tantra