Yoga der Bhagavad Gita

Aus Yogawiki
Krishna (Inkarnation Gottes) unterweist Arjuna auf dem Schlachtfeld

Yoga der Bhagavad Gita - Die Selbstverwirklichung als Ziel im Yoga wird durch den Weg der Selbstbeschränkung erreicht. Die Bhagavad Gita beschreibt dies und so wird es von Swami Krishnananda in seinen Texten "Yoga der Bhagavad Gita" erklärt. Krishnananda geht hier darauf ein, wie aus der Sicht der Bhagavad Gita Yoga gelebt werden soll, um die Einheit mit Gott zu erfahren. Für Sucher auf dem Pfad des spirituellen Lebens sind Krishnanandas Schriften erhellende und inspirierende Botschaften.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
1. Yoga der Bhagavad Gita
2. Die Handlung und die Ruhe
3. Evangelium und Entsagung
4. Das Selbst
5. Schwierigkeiten in der Praxis
6. Yoga der Sorgen des Suchers

Vorwort

Dieses Yoga (Einheit mit Gott) ist dazu gedacht, vor allen Suchern die Hauptprinzipien auszubreiten, die dem Evangelium der Bhagavad Gita in ihrem praxisbezogenen Aspekt, das heißt dem Yoga der Meditation, zu Grunde liegen.

Es dürfte jedem bekannt sein, dass dieses Himmlische Evangelium, das Göttliche Lied des Herrn, eine Botschaft ist, die der Menschheit in ihrer Gesamtheit übermittelt worden ist; und es handelt sich hierbei um wesentlich mehr als nur um ein historisches Ereignis im Umfeld des ‘Mahabharata’ (indisches Epos im Umfang von acht Büchern), wie es gemeinhin von den Leuten vermutet wird.

Die Bhagavad Gita hat eine vielseitige Bedeutung. Sie ist eine soziale Botschaft und ein politisches Evangelium; Sie ist eine historische Erzählung, ein Epos von höchst vorstellbarer Pracht, die Verkündigung eines Spirituellen Prinzips und eine äußerst wertvolle Unterweisung für den Weg durchs Leben im Allgemeinen, die gleichermaßen, - ohne Ausnahme -, auf jedes menschliche Wesen angewendet werden kann.

Es ist schwierig, die wahre Bedeutung der Gita zu verstehen und nicht minder problematisch, die vielseitige Persönlichkeit von Bhagavan Shri Krishna (Inkarnation des Absoluten) zu erfassen. Es wurde schon oft gesagt, dass der beste Kommentar zur Gita das Leben Shri Krishnas selbst ist, - das nicht in irgendeinem heutzutage erhältlichen Buch nachzulesen ist.

Die Idee hinter diesem Blick auf das Bhagavad Gita-Evangelium berührt jede Art von Sein im Universum und markiert jede Art von offenkundigem Problem; Sie stellt die Lösung aller Schwierigkeiten dar, unabhängig davon, ob diese durch äußere Faktoren oder innere Ursachen veranlasst worden sind. Dieses Evangelium zu verstehen, ist deshalb jedem möglich. Sie ist eine Botschaft des Allmächtigen an die Menschheit und nicht das Gespräch von einem Individuum zu einem anderen. Sie spricht nicht in einer weit zurückliegenden geschichtlichen Zeitepoche durch die Person Krishna zu einem Individuum namens ‘Arjuna’ (einer der Pandava-Brüder). Sie ist grundsätzlich eine Botschaft an den strebenden Geist und für ‘Jiva’, die individuelle Seele des Menschen, die darum ringt, ihre verlorene Würde wieder zu gewinnen. Sie ist eine Beschreibung des Pfades, der von der Erde hin zum Höchsten Absoluten führt. Sie ist eine detaillierte Aufzählung der verschiedenen Wechselfälle und Veränderungen, die jemand in seinem Ringen um den Aufstieg vom Relativen zum Ewigen Sein zu durchlaufen hat. Sie ist eine wunderbare, kunstvolle Darstellung der vielseitigen Versuche der menschlichen Seele in ihrem Bemühen, das Ziel des Lebens auf jeder Stufe ihres Aufstieges neu zu erringen.

Was in diesem Umfeld des Evangeliums der Bhagavad Gita besonders hervorgehoben werden muss, ist die Tatsache, dass sie eine Botschaft für alle Ebenen des Lebens ist, für jeden Schritt, - selbst für den kleinsten und allerersten, den wir in unserem Bestreben aufzusteigen, tun - , sodass nicht gesagt werden kann, Sie sei bloß eine religiöse Botschaft, ein ‘Hindu’-Evangelium, eine Schrift des Yoga aus Indien, die nur auf eine bestimmte Gruppe von Menschen oder einen speziellen Menschentyp beziehungsweise irgendwelche Klassen oder Orden und so weiter anwendbar ist. Sie ist eine Botschaft für dich, für mich, für jedermann, unter allen Bedingungen und Umständen im Leben und auf jeder Lebensstufe, angefangen bei der niedrigsten bis zur höchst vorstellbaren, - Sie ist das Ziel menschlichen Strebens schlechthin.

Mit dieser kleinen Einführung bezüglich der Bedeutung von der Botschaft der Gita, möchte ich zur zentralen Lehre dieser großen Botschaft des Höchsten Meisters, - Bhagavan Shri Krishna - , an die suchende Seele überleiten. Sie ist, um dies präzise in einem Satz auszudrücken, „die Botschaft vom praktischen Umgang mit der Gegenwart Gottes im Leben eines Individuums“. Sie ist die Botschaft davon, wie wir uns im täglichen Leben mit Augenmerk auf unsere Beziehung zur letztendlichen Wirklichkeit verhalten müssen. Das ist vielleicht das Wesentliche, die Innerste Essenz der Gita-Botschaft. Während Sie ein Evangelium des Yogas ist, - die Essenz der Praxis des Spirituellen Lebens schlechthin - , ist Sie auch eine umfassende und kunstvolle Berührung mit der vielseitigen Persönlichkeit Bhagavan Shri Krishnas auf diesem einzigartigen Weg der Annäherung, den man die ‘Wissenschaft des Lebens’ nennen kann. Das religiöse Individuum, der ‘Sadhaka’, der Entsagende, der Spirituelle Sucher, - ein jeder wird wahrscheinlich die Gegenwart Gottes im praktischen Leben durch eine übereifrige Annäherung an die idealistische Vorstellung von Gottes Existenz missdeuten und Gott auf Grund dieses grundlegenden Irrtums sehr wahrscheinlich vom praktischen Leben des einfachen Individuums in der Welt abtrennen.

Wie schon erwähnt, das Leben Bhagavan Shri Krishnas ist der beste Kommentar zur Bhagavad Gita und eine lebendige Darstellung ihrer wahren Bedeutung. Wer wirklich wissen möchte, was die Botschaft der Gita ist, der muss sowohl dem Lebensweg Shri Krishnas, als auch dessen täglichem Verhalten und Lebensprogramm folgen.

Kann man Ihn einen ‘Sannyasin’ (Mönch, der allem entsagt hat) nennen? Kann man Ihn als ‘Yogin’ (Strebender, der die Einheit mit Gott sucht) bezeichnen? Kann man von Ihm sagen, dass er ein Krieger oder ein Familienvater war? Wie kann man sich Ihn als Persönlichkeit vorstellen? War Er ein weltzugewandter Mensch oder war Er ein eingetauchter, völlig zurückgezogener Geist, der das Transzendente Absolute unbeeinflusst vom Tumult des praktischen Lebens verinnerlichte? Was ist eure Ansicht hinsichtlich dieses rätselhaften Lebenscharakters von Bhagavan Shri Krishna?

Das Ergebnis davon entspricht letztendlich genau der Botschaft der Bhagavad Gita. Shri Krishna lebte, was Er lehrte, und Er lehrte, was Er lebte. Es gab keine Kluft zwischen Seiner Lehre und Seinem Leben. Dahinter ist die Aufforderung verborgen, unser Leben an das Leben, das Er uns als ideales Beispiel vorlebte, anzunähern. Es mag sein, dass uns dieses Ideal als überholt erscheint, dennoch ist dies genau die Lehre der Gita, nämlich dieses von Bhagavan Shri Krishna vorgelebte und so genannte überholte Ideal der Vollkommenheit auf die am niedrigsten erscheinende individualistische Ebene des praktischen Lebens zurückzuführen und sowohl das ‘Ideal’ als auch den ‘Alltag’ in einen verträglichen und harmonischen Einklang miteinander zu bringen.

Es ist die Schönheit des Evangeliums der Gita, dass es vom erhabenen Podest der Höchsten Vollkommenheit bis zur untersten Ebene des Daseins hinabsteigen kann, ohne dabei die Lebenskraft dieser Erhabenheit zu verlieren. Dieser Abstieg vom Höchsten Vollkommenen Sein auf die Ebene des Niedrigeren führt keineswegs zu einer Verminderung der Göttlichkeit in Relation zum Grad der Vollkommenheit, den jemand erreicht hat. Und genau das ist die Schwierigkeit im Verständnis der Gita, nämlich, diese selbstverständliche Schönheit richtig zu erfassen. Für gewöhnlich erachtet man den Abstieg einer erhabenen Persönlichkeit auf eine niedere Ebene als Erniedrigung, ja als einen Verlust des wahren Wertes dieser Person; hier jedoch besteht die Eigentümlichkeit und Schönheit darin, dass die Bedeutung, der Wert, das Ansehen und das Ausmaß wie auch die Kraft dieser Vollkommenheit nicht im Geringsten verloren geht, obwohl es so erscheinen mag, als hätte sie sich auf die niedrigste aller Ebenen hinabbegeben.

Man kann sich leicht vorstellen, wie atemberaubend es ist, dieser Bedeutung, die hinter der Gita-Lehre verborgen scheint, nachzusinnen. Manche mögen sich vielleicht denken, ‘dies ist nicht für uns gedacht’ oder, ‘das ist nichts für mich, mein Verstand ist nicht daran gewöhnt, so zu denken’; oder ‘ich bin nicht in dieser Weise erzogen worden’; ‘mein Wissen reicht für diesen Zweck nicht aus’; oder ‘was ich gelernt habe, ist weit entfernt von dieser Auslegung der Bhagavad Gita und der erwähnten Bedeutung hinter dem Leben Shri Krishnas’. All diese Einwände deuten aber genau auf die Größe und Anwendbarkeit dieser Botschaft hin, die zwar höchst transzendent und schwierig zu erfassen, zugleich aber und gerade deshalb am einfachsten und besten zu praktizieren ist. Während die atemberaubende Größe der Höchsten Vollkommenheit des Absoluten hinter dem Evangelium der Gita verborgen ist, ist sie ebenso die mütterlichste, zärtlichste und zutraulichste Lehre, die verstanden, geschätzt und selbst von einem Kind, entsprechend seinem eigenen Entwicklungsstand, angewendet werden kann.

Es gibt da etwas in der Gita, das für jeden segensreich ist. Die Gita hat jedem Wesen etwas zu geben; - den hoch gestellten und den kleinen Persönlichkeiten, den Reichen und den Armen, den Alten und den Jungen, Männern und Frauen, Studierten und Analphabeten. Unabhängig von den jeweiligen Umständen einer Person, muss diese etwas von Shri Krishna empfangen. Die Gita gibt jedem etwas und beinhaltet eine Art Trost, den zu erhalten man sich von diesem Allumfassenden Ozean nur erhoffen kann; denn Sie ist der wirkliche ‘Ratnakara’ (wirklicher Besitz, der Wissen ist; auch Name Valmikis, bevor Er Narada begegnete; ), den Gott über uns ausgeschüttet hat.

Doch es gibt noch einen anderen Aspekt in dieser Botschaft, den ich nun gerne hier aufzeigen möchte; ein Aspekt, der von ‘Sanjaya’ (Ratgeber des blinden Königs ‘Dhritarashtra’) wunderschön in der Form eines Hinweises an den König im Kontext der ‘Udogya-Parva’ (5. Buch des Mahabharata-Epos) gegeben wurde. Und zwar wird uns dort erzählt, dass am Vorabend, bevor Shri Krishna zur Erfüllung Seiner Friedensmission den Lagerplatz der ‘Kauravas’ (die, den ‘Pandavas’ feindlich gesinnten Brüder und Verwandte) erreichte, Dhritarashtra nach Sanjaya rufen lässt und zu diesem sagt: „Mir kam zu Ohren, dass Krishna morgen kommt. Ich weiß nicht, warum Er kommt, was Er von uns erwartet und was wir für Ihn tun können. Was ist Er für eine Person und was können wir tun, um Ihn zufrieden zu stellen? Würdest du mich bitte darüber aufklären, wer Er ist und warum er kommt? Kann ich Ihn sehen? Darauf erwidert Sanjaya, der Dhritarashtra bereits ausführlich auf die Notwendigkeit eines Friedensangebotes an die Pandavas und die Vermeidung eines bevorstehenden Krieges hingewiesen hat, nur kurz: „du wünschst Krishna zu sehen. Es überrascht mich, diese Äußerung hier von dir zu hören“.

Nakritatma Kritatmanam Jatuvidyat Janardanam

„O König, ‘Kritatman’(äußerst reine Seele), - Bhagavan Shri Krishna Selbst - , kann nicht von irgendeinem ‘Akritatman’ (nicht reine Seele) erkannt werden. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen. Niemand kann Kritatman sehen, solange er nicht selbst ein Kritatman ist!“

Was er wohl mit Kritatman meint? Die entsprechende Erklärung folgt in der zweiten Hälfte dieses Verses:

Atmanas Tu Kriyopayo Nanyatrendriyanigrahat

Selbstkontrolle ist das bestechende Kennzeichen von Kritatman. Ein unkontrolliertes Wesen kann dieses kontrollierte Wesen, das Krishna ist, nicht erschauen, - König! das ist alles, was ich dir auf deine Frage entgegen kann“.

Hier handelt es sich um ein Prinzip, das lautstark auf die Vollkommenheit durch ‘Atma-Vinigraha’ oder ‘Selbstkontrolle’ hinweist. Shri Krishna ist die sichtbare Verkörperung der Selbstkontrolle. In Ihm siehst du - bildhaft in Farbe, Form und Umriss - mit deinen physischen Augen, was Selbstkontrolle ist. Das ist Shri Krishna. Er ist wahrlich eine Verkörperung von Atmavinigraha, von Selbstkontrolle, - und niemand, der sich nicht selbst beherrscht, kann Ihn sehen.

Solch ein Wesen befindet sich hinter diesem Evangelium und in gewisser Weise kann man sagen, dass die Lehre der Gita eine Lehre über Atmavinigraha und ‘Atmasamyama’ oder die ‘Zurückhaltung des Selbst’ in seinen verschiedenen aufsteigenden Graden und Stufen ist. Sie ist das Evangelium von der Kontrolle des Selbst zum Zweck der Verwirklichung des Selbst. Es erscheint wahrhaftig befremdlich, dass wir zur Erfahrung des Selbst zuerst das Selbst beherrschen müssen.

Ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst, - ein unlösbares Rätsel?

Während es unser Ziel ist, das Selbst zu verwirklichen, zu erfahren und Eins mit Ihm zu werden, besteht der Zweck des Weges darin, das Selbst zurückzuhalten! „Was soll dieser Widerspruch in der Lehre bedeuten? Muss ich ‘Das’, was ich zu verwirklichen wünsche, beherrschen? Wird von mir erwartet, dass ich mit den Zügeln des Geistes ‘Das’ zurückhalte und überprüfe, in ‘Das’ ich einzutauchen versuche und ‘Das’ ich als Ziel meiner Existenz und Sehnsucht anstrebe? Wo ist da der Sinn? Wie kann man versuchen, ‘Das’ zu beherrschen, nach dem gestrebt und verlangt wird?“ ‘Atmasakshatkara’ (Selbstverwirklichung) ist das Ziel und Atmavinigraha (Selbst-Beschränkung) ist das Mittel. Das ist es, was uns die Bhagavad Gita mitzuteilen wünscht und was Sie in wunderbarer Weise ganz besonders im sechsten Kapitel, wie auch an anderen Stellen, erläutert.

Es ist tatsächlich schwierig, die Bedeutung dieser so genannten widersprüchlichen Gegenüberstellung von Werten zu erfassen, - dass Atmavinigraha die Vorbedingung zu Atma-Sakshatkara ist. Doch diese Schwierigkeit verschwindet wie Nebel vor der Sonne, wenn wir zu verstehen beginnen, was dieser ‘Atman’ oder dieses ‘Selbst’ ist, das wir zu beschränken und zu verwirklichen beabsichtigen.

Bei Atman, der beherrscht und verwirklicht werden soll, handelt es sich nicht um zwei verschiedene Atman’. Es ist ein und derselbe Atman, der in einem Seiner Aspekte beschränkt und in einem anderen verwirklicht werden soll. Was ist nun die Besonderheit an dem Atman der überprüft, unter Vinigraha gestellt und dort als Mittel Verwendung finden soll, was wir Yoga-Praxis nennen. Yoga-Praxis ist dasselbe wie Atmasamyama oder Selbstkontrolle. Während Yoga als Vereinigung oder das Zusammenkommen der Essenz des Einen mit der Essenz des Anderen definiert wird, beinhaltet es auch die nötigen Mittel und Vorbedingungen, die zum Erreichen dieses Zweckes notwendig sind. Deshalb ist Yoga auch beides, - Mittel und Zweck. Yoga ist sowohl das Mittel, das wir benutzen, als auch das Ziel, das wir erreichen. Beide Dinge werden mit dem einen Begriff ‘Yoga’ definiert.

© Divine Life Society

Siehe auch

Literatur

Seminare

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