Yoga der Bhagavad Gita - Kapitel 1 - Yoga der Bhagavad Gita
Yoga der Bhagavad Gita - Kapitel 1 - Yoga der Bhagavad Gita
Yoga der Bhagavad Gita
Während Yoga so viel wie ‘Vereinigung’ bedeutet, lassen wir vorerst die Frage nach der Definition dessen, wer oder was vereinigt wird, beiseite. Außerdem bedeutet Yoga auch ‘Rückzug’. Um zwei gewichtige Begriffe aus der Bhagavad Gita zu gebrauchen, könnte man sagen, dass das Yoga der Bhagavad Gita eine schöne Mischung aus ‘Vairagya’ (Leidenschaftslosigkeit) und ‘Abhyasa’ (wiederholte Übung) ist. Diese beiden Begriffe begegnen uns im 6. Kapitel der Gita. Vairagya und Abhyasa bilden das Yoga der Gita, wobei es einen delikaten Beigeschmack hat, das Wörtchen ‘und’ zwischen diese beiden Begriffe zu stellen, da es sich bei ihnen nicht um zwei voneinander getrennte und verschiedene Dinge handelt, wie dies zum Beispiel bei zwei nebeneinander befindlichen, wasserundurchlässigen Kanistern der Fall ist.
Vielmehr handelt es sich bei ihnen um die zwei Flächen des einen ‘Kristalls der Yoga Praxis’, oder anders formuliert, um die Vorder- und Rückseite von ein und derselben Münze. Wir sind dazu aufgerufen, unmittelbar und auf einen Schlag sowohl Vairagya als auch Abhyasa zu praktizieren, und nicht heute ein wenig Vairagya und morgen etwas Abhyasa. In der Ausübung der beiden gibt es keinerlei zeitlichen Abstand oder Abweichung. Sie verlaufen gleichzeitig, sodass wir richtige Experten im Schaffen dieses wahren Yoga oder der tatsächlichen Vereinigung in unserem praktischen Leben sein müssen. Wir müssen in jedem Moment des Lebens Experten, Kenner und Fachleute hinsichtlich der Praxis von Vairagya und Abhyasa sein. Wir müssen zurückgezogen und zur gleichen Zeit höchst konzentriert sein. Dies ist die Bedeutung hinter der Praxis der ‘Nicht-Anhaftung’ und der ‘Standhaftigkeit’ gemäß den Prinzipien des Yoga der Bhagavad Gita.
Wir müssen immer sehr wachsam und dürfen zu keiner Zeit geistesabwesend sein. Die Yogins, - auch jene, die danach streben, diesen Weg zu beschreiten -, können es sich nicht erlauben, diese wichtige Erfordernis, auch nur für einen Moment zu vergessen. Es bedarf einer beständigen Vorsicht. ‘Pramada’ oder ‘Vergesslichkeit und Schwäche’ ist als ein großer Irrtum, ja mehr noch, als ein unverzeihlicher Fehler auf dieser erhabenen Reise der Seele zum Ziel ihrer Vollkommenheit hin, anzusehen. Deshalb setzt die Verbindung von Vairagya und Abhyasa auch einen ausgeprägten Sachverstand voraus. Verschiedentlich lehrt uns die Gita, dass dieses Sachverständnis bezüglich des rechten Verhaltens im Leben selbst schon Yoga ist:
- Yogah Karmasu Kausalam!
Yoga ist die Fähigkeit, sich selbst im täglichen Leben an jede Bedingung anzupassen, da jede Bedingung vom Standpunkt der Gita-Botschaft aus betrachtet, ein zeitloses Ereignis ist.
Während es uns so vorkommt, in der Zeit zu leben, - sozusagen in einer Abfolge von Zeitabschnitten - , sind wir fortwährend in Kontakt mit einer zeitlosen Bedeutung, die hinter diesem andauernden Zeitprozess, in den wir verwickelt zu sein scheinen, verborgen ist. Wir sind in keinem Moment von der Lebenskraft des Zeitlosen abgeschnitten. Niemand sollte sagen, dass wir zu irgendeiner Zeit nicht mit der Gegenwart Gottes in Berührung sind, - was nicht einmal für die niedrigste aller Seins-Ebenen und auch nicht für einen abgefallenen Zustand gilt. So etwas wie ein Abfallen von Gott gibt es nicht und kann es nicht geben, geschweige denn sein. Die Praxis dieses ‘Atma-Samyama-Yoga’ des 6. Kapitels der Bhagavad Gita ist deshalb durch bestimmte erzieherische Prozesse bedingt, die alle dazu beitragen, ein Sachverständiger im Zusammenfügen von Vairagya und Abhyasa zu werden. In der anfänglichen Ermahnung dieses Kapitels wir uns eine ausführliche Definition dieser Vorbedingung in Form der notwendigen und zu praktizierenden Disziplin gegeben.
- Yam Samnyasamiti Pralur Yogam Tam Viddhi Pandava
- Na Hyasamnyasamkalpo Yogi Bhavati Kaschana
‘Samnyasa’ wird hier als Verzicht auf eine Willenshaltung oder auf das psychologische innere Organ definiert, was wiederum schwer zu erfassen ist. Samnyasa wird in der Bhagavad Gita in einer ungewöhnlichen Art und Weise wie etwas beschrieben, worüber man für gewöhnlich nicht nachdenkt. Niemand würde sich ausreichend Gedanken über diesen speziellen Aspekt der Definition von Samnyasa machen.
‘Sankalpa-Tyaga’ wird als Samnyasa betrachtet, was so viel bedeutet wie ‘Aufgabe der üblichen Gewohnheit des wunscherfüllten Willens des Individuums’ und ‘das Einsetzen dieser Willenskraft zur Bewältigung von Abhyasa’. Dies wird ‘Yoga’ genannt!
Die Essenz des ‘Yoga der Bhagavad Gita’ besteht im Zurückhalten des Willensflusses in die Richtung einer Vielzahl von Vollständigkeiten, - wodurch die Energie des Individuums zerstreut wird - , und dem Anwenden dieser Energie, die auf diese Weise zum Zweck der Meditations-Praxis konserviert wird.
Das bedeutet den Vollzug einer doppelten Anstrengung, die zur selben Zeit stattfindet, nämlich: - den Rückzug der Persönlichkeit, die Kontrolle des Willens und der Verzicht auf die schöpferische Gewohnheit des psychologischen Organs zum einen, und das Abstimmen dieser kontrollierten Energie zum Zweck der Konzentration des ganzen Wesens auf das Ganze zum anderen, was Ziel oder die Absicht des Yoga ist. Dies ist die tiefe philosophische Bedeutung des oben zitierten Verses. Falls dem abgesonderten Willen erlaubt wird, sich selbst als eine eigene Wirklichkeit zu bestätigen, ist kein Yoga möglich.
Das Kapitel geht noch auf weitere Einzelheiten ein, die uns einige Informationen darüber schenken, wie wir uns tatsächlich in unserem täglichen Leben für diese einzigartige Praxis rüsten können. Der unmittelbar folgende Vers teilt uns hierzu bereits etwas sehr Bedeutungsvolles mit:
- Arurukshor Muner Yogam Karma Karanam Uchyate,
- Yogarudhasya Tasyai'va Samah Karanam Uchyate
Es gibt allgemein, selbst unter den fortgeschrittenen Suchern auf dem Pfad des spirituellen Lebens, ein Gefühl, dass augenscheinlich ein großer Unterschied zwischen dem Leben des Rückzuges und dem Leben der Handlung in dieser Welt besteht, - eine Haltung, die die Ursache hinter all den unglückseligen Problemen ist, denen die Menschheit heutzutage gegenübersteht. Das Problem ist das eines Konfliktes zwischen dem religiösen und dem sozialen Leben, - jenem Phänomen, das die Bhagavad Gita zu lösen, ja mehr noch, regelrecht zu durchbrechen versucht. In diesem Vers ist ein Hinweis zur Bedeutung dieser Auflösungstechnik enthalten:
Wenn jemand, nach außen hin, mit dieser Praxis, mit diesem großen Yoga des spirituellen Lebens beginnt, erscheint die ‘Handlung’ gleichzeitig auch das entsprechende Mittel zu sein, -
- Karma Karanam Uchyate-,
im weiteren Aufsteigen und Erreichen eines fortgeschrittenen oder besonders ausgeprägten Zustandes jedoch, wird eher die ‘Ruhe’ als das geeignete Mittel angesehen, -
- Samah Karanam Uchyate.
Diese Wörter ‘Samah’ und ‘Karma’, - Ruhe und Handlung - , sind durch verschiedene Autoren in vielfacher Weise ganz unterschiedlich kommentiert und ausgelegt worden, ganz so, als handle es sich um zwei gegensätzliche Dinge, - und als würde die Gita verkünden, dass der Zustand der Ruhe dem Prinzip der Handlung beraubt wäre. Doch genau diese Ansicht wird von der Gita widerlegt. Sie gibt uns verschiedene Definitionen von Karma, und indem Sie sich in einer wunderschönen Stufenleiter von den niedrigeren zu den höheren Ebenen des Aufstieges erhebt, lässt Sie die bedeutsamen Werte irgendwelcher niedrigeren Stufen nicht unbeachtet.
Das Yoga der Bhagavad Gita ist deshalb eher als ein Wachstum der Persönlichkeit in die unterschiedlichen Grade der Vollkommenheit hinein anzuschauen, als ein Hinweis auf die Zurückweisung irgendwelcher Bedeutungen im Leben oder gar auf die Verwerfung wahrhaftig bestehender Werte. Sie ähnelt in einem gewissen Ausmaß dem Wachstum eines Individuums aus den Bedingungen der Kindheit in den Zustand des Erwachsenseins hinein, wobei das Wachstum kein Verlust der Persönlichkeit oder irgendeines Wertes bedeutet, vielmehr das Aufsaugen von Werten in eine jeweils höhere Bedeutung hinein fördert, sodass man auf jeder höheren Ebene ein klarer Gewinner und kein Verlierer ist. Auf diese Weise steigt der Strebende auf jeder Praxisstufe, - sei diese mit Karma oder Samah oder wie auch immer benannt -, auf die höhere Ebene eines größeren Ganzen und umfassenderen Einbindung, in der alle lebenden Werte der überwundenen Stufen in einer zusammenfließenden Essenz verschmelzen.
Möge die Furcht aus den Köpfen der Menschen weichen, dass die Annäherung an Gott den Verlust der Werte oder der Freuden im Leben bedeutet. Obwohl man intellektuell behaupten kann, „Ja, das verstehen wir schon“, spricht das Herz mit einer eigenen Logik, die vernunftmäßig nicht zu erfassen ist. Das Herz revoltiert gegen diese intellektuelle Überzeugung und rationale Schlussfolgerung, demzufolge die Annäherung an Gott keinen Verlust an Werten bedeutet. Das Herz redet uns ein: „Mein lieber Freund, ganz sicher wirst du dabei etwas verlieren“, sodass selbst in einer aufrichtigen Person ein Widerstand dagegen vorhanden sein wird, den Gottes-Pfad in seiner wirklichen Bedeutung zu begehen. Es scheint gerade so, als ließe es sich selbst in der Gegenwart dieses Höchsten Göttlichen Seins, der Alldurchdringenden Allwissenheit, nicht vermeiden, im innersten Kern der eigenen Persönlichkeit ein wenig zu heucheln.
Das Herz wünscht Gott nicht vollständig, was von jedem ernsthaften und aufrichtigen Strebenden geprüft und akzeptiert werden muss. Gott zu wünschen, erfordert eine spezielle Haltung, auf die wir nicht vorbereitet sind und die wir deshalb nicht ganz annehmen können, weil wir uns von einer falschen Vorstellung hinsichtlich der wahren Bedeutung Gottes in Form einer traditionellen Vorstellung, in die wir seit Kindesbeinen eingewöhnt worden sind, leiten lassen; - und dies trotz der unermüdlichen Ermahnungen seitens der Heiligen und Weisen, die einmütig sagen, dass Gott alldurchdringend und Alles ist. „Mag sein, dass Er alldurchdringend ist, was mir ja sehr geläufig ist. Er befindet sich sozusagen direkt vor meiner Nasenspitze. Ich kann das alles akzeptieren, und dennoch sagt mir mein Herz etwas anderes; mein Unterbewusstsein trauert hinter den Schleiern der Unwissenheit nach dem wahren Namen Gottes, - den feinen Verdacht hegend, dass die Wonne Gottes die Freuden des Lebens nicht beinhaltet. Und wenn dies alles so ist, dann muss ich es mir drei Mal überlegen, bevor ich diesen Schritt wage“, erwidert der Verstand.
Die Bhagavad Gita erzählt uns, „Freund, die Wonne Gottes schließt die Freuden des Lebens nicht aus, obwohl die Wonne Gottes völlig verschieden ist von allem, was mangels die Freuden des Lebens betrachten mag. Alles Wertvolle im Leben ist hierin enthalten und wer glaubt, dass die Freuden des Lebens ebenfalls wertvoll sind, für den sind sie auch dort enthalten, jedoch nicht in der Weise, wie man sich die Freuden üblicherweise vorstellt. In der Vollkommenheit, die die Wonne Gottes ist, werden Verzerrungen und Fehler, die in die so genannten Freuden des Lebens verwoben sind, ausgemerzt. Oder würde jemand Fehler und Verzerrungen im Leben umher- und womöglich in das angestrebte Ziel hineintragen wollen? Was ist denn erstrebenswerter: Vollkommenheit oder Verzerrung?“
© Divine Life Society
Siehe auch
- Bhagavad Gita was ist das
- Bhagavad Gita Einführung
- Bhagavad Gita
- Bhagavad Gita Sanskrit Text
- Bhagavad Gita Podcast
- Bhagavad Gita - James Swartz
- Schriften Blog: Bhagavad Gita
- Yoga Vidya Yoga-Buch
Literatur
- Divine Life Society - Bookstore - Swami Krishnananda - original in english
- Einige Kostenlose Bücher von Swami Krishnananda
- Shop Yoga Vidya - spirituelle Literatur
- Swami Sivananda: Bhagavad Gita
- Sukadev Bretz: Die Bhagavad Gita für Menschen von heute
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