Yoga der Bhagavad Gita - Kapitel 2 - Die Handlung und die Ruhe

Aus Yogawiki
Krishna (Inkarnation Gottes) unterweist Arjuna auf dem Schlachtfeld

Yoga der Bhagavad Gita - Kapitel 2 - Die Handlung und die Ruhe

Die Handlung und die Ruhe

Es wurde betont, dass für den Sucher, der danach strebt, die Yoga-Leiter zu erklimmen, ‘Handlung’ das Mittel ist, und dass für den, der im Yoga gegründet ist, ‘Ruhe’ das Mittel ist:

Arurukshor Muner Yogam Karanam Uchyate
Yogarudhasya Tasyai'va Samah Karanam Uchyate

Die deutliche und kernige Aussprache innerhalb eines einzigen Verses ist von jedem Kommentator der Bhagavad Gita als eine Art von Unterschied, wenn nicht sogar eines Widerspruches zwischen dem einen und dem anderen Typus von Mittel, nämlich ‘Handlung’ und ‘Ruhe’, ausgelegt worden. Allgemein gesprochen kann man ‘Handlung’ und ‘Ruhe’ nicht auf einen Nenner bringen, da unserem Denken für gewöhnlich ‘Handlung’ als Gegensatz zu ‘Ruhe’ erscheint. Es kommt zu einer Störung, hervorgerufen durch eine sich offenbarende Form irgendeiner Handlungsweise, weshalb der Begriff ‘Ruhe’, wie er in der Gita benutzt wird, mit dem Rückzug von der ‘Handlung’ gleichgesetzt wird und folglich keinen Vergleich mit irgendeiner Handlung gestattet. Und doch gibt es da noch einen anderen Aspekt für die Auslegung.

Was ist Handlung, welche als Mittel für den Anfänger vorausgesetzt wird und von der man sich, gemäß der Interpretation der Anwendung im Sinne von ‘Ruhe’, zurückziehen soll? Wir können uns Handlung nicht anders denken, als in Begriffen des physischen Körpers, wobei die Handlung mit der Bewegung des physischen Körpers in Zusammenhang gebracht wird. So kommt der ‘Handlung’ traditioneller Weise eine Bedeutung im Sinne von Bewegung des Organismus des physischen Systems zu. Insofern jede Bewegung durch ein Motiv, eine Art Wunsch oder Mangel beziehungsweise dem Gefühl der Verwirklichung eines Ideales, das noch weit entfernt liegt, hervorgerufen wird, muss es als selbstverständlich angesehen werden, dass der verursachende Faktor einer jeden ‘Handlung’ der Hinweis auf die Abwesenheit von ‘Ruhe’ im Geistorgan ist. Das ist der Grund, warum die Kommentatoren der Gita wohl gedacht haben, dass ‘Ruhe’ verschieden ist von ‘Handlung’, und dass Shama nicht dasselbe ist wie Karma.

Ebenso ist es ein anerkanntes Empfinden der modernen Gita-Lehrer, dass ‘Ruhe’ als erstrebenswerte Qualität höher einzustufen ist als der Zustand der ‘Handlung’, in den jemand verwickelt ist. Daher befindet sich der Sucher stets im Ringen um den Rückzug von der ‘Handlung’, unter dem Eindruck, dass jegliche ‘Handlung’ eine niedere Ebene andeutet, im Gegensatz zur angestrebten höheren Ebene, die durch die Abwesenheit von ‘Handlung’ charakterisiert ist und ‘Ruhe’ genannt wird.

Sollte die Standardbedeutung dieses Verses auf der Basis einer Interpretation beruhen, die besagt, dass ‘Shama’ oder ‘Ruhe’ als Abwesenheit von Handlung zu gelten hat, dann kann Bhagavan Shri Krishna unmöglich ein Yogin sein. Er wollte in keiner Weise ein ‘Yoga-Arudha’ (ein, auf der Höchsten Stufe Verharrender) sein, denn ER strotzte sein ganzes Leben hindurch vor Tatkraft, und dass es Ihm an Bewegung irgendeiner Art gemangelt hätte, kann ebenfalls nicht behauptet werden. Alles an Ihm war Bewegung und Tatkraft, vom Scheitel bis zur Sohle. Deshalb ist es notwendig, - auf das Leben Shri Krishna schauend, der als Höchster ‘Yogeshvara’ oder ‘Meister des Yoga’ gilt -, einen weiteren Gedanken auf die Bedeutung dieses Verses zu richten und zu versuchen herauszufinden, ob es nicht noch eine verborgene Bedeutung hinter den Begriffen ‘Handlung’ und‘ Ruhe’ gibt, die als Mittler auf den verschiedenen Yoga-Ebenen dient.

Als normale menschliche Wesen und Mitglieder einer Gemeinschaft haben wir eine besondere Vorstellung von ‘Handlung’, in die wir hineingeboren und durch die wir aufgezogen werden. Wir können uns allgemeine Tätigkeit und ‘Handlung’ nicht anders denken, als in Begriffen der Bewegung und sind deshalb, wie schon angemerkt, dazu genötigt, ‘Handlung’ als eine Art von Abfolge bestimmter Ereignisse oder Objekteauszulegen. Unserer Denkweise gemäß ist jede Tätigkeit ein Zeitprozess, eine Ortsveränderung, ein Wechsel von Bedingungen, die in demjenigen eine Art vorübergehende Anwendung von Konzentration bewirkt, der in diesen Prozess verwickelt ist. Es wird uns immer wieder gesagt, dass ‘Yoga-Arudha’, - jemand, der im Höchsten Yoga gegründet ist - , eine Persönlichkeit ist, die mit absoluter Festigkeit gleichgesetzt wird. Dies ist ein sehr feinsinniger Punkt, der stets unserer Aufmerksamkeit in unserem Bestreben, die Bedeutung von Festigkeit oder ‘Ruhe’ im Sinne von Gemütsverfassung zu verstehen, entgeht; die Schwierigkeit besteht im Verständnis des Unterschiedes, der zwischen den Charakterqualitäten von ‘Sattva’ (Reinheit) und ‘Tamas’ (Trägheit) besteht. In Tamas herrscht Festigkeit, Stabilität und die Abwesenheit von Bewegung oder Tätigkeit irgendwelcher Art vor; in Sattva, dem Gegensatz zu Tamas, zeigt sich eine andere Art von Festigkeit und Stabilität, die fälschlicherweise mit der Festigkeit im Tamas verwechselt werden kann, jedoch eine völlig verschiedene Qualität beinhaltet.

Um ein vertrautes Beispiel zu verwenden: Wenn ein Ventilator langsam rotiert, kann man seine Bewegung in Form der sich drehenden Flügelblätter erkennen. Nimmt dagegen die Geschwindigkeit erheblich zu, kann deren Bewegung nicht mehr wahrgenommen werden. Dann schaut es so aus, als würde sich der Ventilator überhaupt nicht bewegen, sondern würde stillstehen. Die Erscheinung des scheinbar stillstehenden Ventilators, an dem keinerlei Bewegung wahrgenommen werden kann, ist in Wirklichkeit die höchste, ihm mögliche Handlungsform! Um zu prüfen, ob der Ventilator sich dreht, genügt es, einen einzigen Finger zwischen die Flügelblätter zu schieben (doch Vorsicht, es ist besser, einen Stock dazu zu benutzen). Die Bewegung ist wegen der raschen Geschwindigkeit seiner Umdrehungen nicht zu sehen, was anzeigt, dass die sichtbare Wahrnehmung von Bewegung nicht immer das geeignete Instrument zur Beurteilung der wahren Natur von ‘Handlung’ ist. Es kann Bewegung geben, die trotzdem nicht wahrgenommen werden kann.

So ist es durchaus eine Tatsache, dass wahrgenommene Handlung eine niedrige Stufe der ‘Handlung’ als solcher und keineswegs die höchst entwickelte Art von Betätigung ist. Neben den bereits erwähnten beiden Aspekten gibt es noch einen dritten Gesichtspunkt, und zwar den, dass Betätigung nicht notwendigerweise eine Bewegung des physischen Körpers bedeutet, obwohl wir dies für gewöhnlich als Bedeutung von ‘Handlung’ verstehen.

Vom Standpunkt des Evangeliums der Bhagavad Gita aus, - dem Ideal des spirituellen Lebens -, bedeutet ‘Handlung’ etwas völlig anderes. Hier kann intensivste ‘Handlung’ stattfinden, auch wenn der physische Körper feststeht. Ein feststehender physischer Körper kann mit sehr verschiedenartigen Tätigkeiten beschäftigt sein und selbst Berge versetzen, was eine ungewohnte Art der Betätigung und völlig verschieden von allem ist, was jemand weiß und sich vorstellen kann. Die wirklich großen Ereignisse der Welt werden durch Kräfte verursacht und bedingt, die nicht notwendigerweise physischer Natur sind. Es ist nicht die physische Betätigung irgendeines Individuums oderirgendeines besonderen physischen Objektes oder Körpers, der die Ursache hinter den großen Umwälzungen, die sich im Laufe der Geschichte ereignet haben, ist. Es gibt da andere Bedeutungen, die hinter den sichtbaren Betätigungen verborgen sind, die allgemein als die Kräfte der Welt bekannt sind und die das Schicksal der Menschheit als Ganzes beherrschen. Die Kräfte hinter den sichtbaren Betätigungen der physischen Natur und der menschlichen Gesellschaft sind nicht unbedingt physischer Art. Vielmehr sind sie von den physischen Körpern und physischen Handlungen sehr verschieden, da sie durch keine physischen Mittel berührt werden können. Eine hohe Bewegungsfrequenz kann das Reich der Körperlichkeit transzendieren; sie kann unzugänglich sein für den Eintritt von physischen Instrumenten; sie kann auch nicht von physischen Organen wahrgenommen werden und kann dennoch kraftvoller sein als jedes nur denkbare physische Instrument. Es kann selbst eine Stufe erreicht werden, wo die Körperlichkeit gänzlich abfällt und die wirkenden Kräfte eine absolut neue Form annehmen, in der man diese schwerlich noch als ‘physisch’ bezeichnen kann.

Selbst die Entdeckungen der modernen Wissenschaften haben zu derselben Schlussfolgerung geführt. Die so genannte physische Materie des ‘Materialismus’, der krassen materialistischen Wahrnehmung, das heißt die mit den Sinnen erreichbaren physischen Objekte der Natur, sind allmählich in eine Substanz verdunstet, die tatsächlich substanzlos, irgendeines physischen Kontaktes absolut unfähig, von den feinsten Laborgeräten nicht zu beobachten und weitaus feiner sind als die uns vorstellbaren Atome. Die Materie ist aus Gründen, die dem Verstand nur schwer zugänglich sind, entmaterialisiert worden und zu etwas völlig anderem geworden, als das, was sie sonst ist und für was sie sonst gehalten wurde. Die Materie hat aufgehört, ein Sinnesobjekt irgendwelcher wahrnehmbarer Inhalte zu sein und scheint sich selbst in ein anderes Seins-Reich zurückgezogen zu haben, das weitaus weniger vom Zustand der Subjektivität als vom begrifflichen Reich der Objekte zu trennen ist. Dies sei hier nur als kurzes Beispiel für die modernen Entdeckungen angeführt.

Die physischen Bestandteile der Natur, die Objekte, die wir mit unseren Augen sehen und durch den Kontakt mit den Sinnen berühren können, sind, allgemein gesprochen, mit ‘Handlung’ verknüpft und es ist uns nicht möglich, anders als in Begriffen dieser physischen Objekte zu denken. Was aber könnte sonst den Charakter einer ‘Handlung’, einer Betätigung oder einer Bewegung in einer Bedingung bestimmen, wo die Körperlichkeit als etwas wahrgenommen wird, was eigentlich verschwunden zu sein scheint; wo Objekte in die Struktur von anderen Strukturen einzutreten scheinen und wo wir keine klare Unterscheidung mehr zwischen dem einen und dem anderen Gegenstand machen können, wie dies zum Beispiel in der fallenden Bewegung von Wellen in beziehungsweise auf der Meeresoberfläche zu beobachten ist, wo eine Welle in den Schoß, die Struktur und das Innere der anderen übergeht und nicht mehr erkennbar ist, wo die eine Welle endet und die andere beginnt. Wenn die Kräfte der Welt in dieser Weise handeln und in ihrer Betätigung solche Formen annehmen, wenn eine Kraft nicht fähig ist, beziehungslos zu den anderen Kräften zu existieren, wie ist dann ‘Handlung’ zu definieren?

Nun möchte ich gerne eure Aufmerksamkeit auf die Illustration von der Bewegung des Ventilators zurückführen, wo äußerste Betätigung sozusagen als die Abwesenheit von Betätigung in Erscheinung getreten ist und wo höchste Tätigkeit wie Untätigkeit ausschaut. Die Schwierigkeit im Verständnis dieses Sachverhaltes, der sich weder unseren Augen zeigt, noch eine Erscheinung ist, wie sie für gewöhnlich in der menschlichen Gesellschaft zu beobachten ist, erschwert uns auch das Verständnis der Bedeutung des Verses, in dem zwei verschiedene Mittel für die Yoga Praxis vorgestellt werden, - einerseits ‘Handlung’ und andererseits ‘Ruhe’. Es darf mit Sicherheit gesagt werden, dass dieser Vers der Bhagavad Gita nicht auf einen Gegensatz von ‘Shama’ und ‘Karma’, sondern auf einen Unterschied zwischen einem höheren und einem niedrigeren Zustandsgrad hindeutet, wobei der höhere Zustand stets den niederen beinhaltet, - wie wir bereits feststellen konnten. Vom Höheren kann nicht gesagt werden, dass es vom Niedrigeren irgendwie verschieden wäre, da die Lebenskraft und die Werte des Niederen immer im Höheren enthalten sind. Genauso wenig wie wir sagen können, dass ein Erwachsener, der dem Kleinkind-Stadium entwachsen ist, als Kleinkind verschieden von sich selbst wäre, nur weil sich das Erwachsenen-Stadium vom Kleinkind-Stadium unterscheidet, denn: die Werte, die mit der Kinderzeit verknüpft sind, werden in den Zustand des Erwachsenen transzendiert und gehen nicht verloren. Deshalb sind die im Yoga angewandten höheren Mittel kein Gegensatz zu den niedrigeren Mitteln, - vielmehr handelt es sich um das Aufsaugen, das Einschließen und Verfeinern des Niedrigeren in das Höhere, sodass es anstatt eines Gegensatzes oder Unterschiedes zwischen dem einen und dem anderen Mittel ein beständiges Wachstum und natürliches Verharren im Gleichmaß dessen gibt, was wir sonst das Niedrige und das Höhere zu nennen pflegen.

Hier gelangen wir also zu dem entscheidenden Punkt in dieser ganzen Angelegenheit und zur eigentlichen Bedeutung in diesem Vers, den wir untersucht haben. Der Unterschied, der hier zwischen ‘Karma’ und ‘Shama’ getroffen worden ist, ist etwas gänzlich anderes als das, was wir gemeinhin als Unterschied zwischen dem einen und einem anderen Ding verstehen. Die Frage nach Unter- oder Überlegenheit stellt sich hier erst gar nicht. Es handelt sich um das Aufsaugen eines niederen Mittels in ein Höheres, wobei das Niedere in jeder Hinsicht im Höheren eingeschlossen ist. Das Höhere kann somit, wenn es das Niedere in sich einschließt, die Bedeutung dessen, was durch ‘Handlung’ angedeutet wird, nicht ausschließen, da ‘Handlung’ oder ‘Karma’ nicht dadurch seinen Sinn verlieren kann, dass es durch den Einschluss ins Höhere zum Höheren geworden ist. Deshalb ist der höhere Zustand, der als ‘Ruhe’ oder ‘Shama’ bezeichnet wird, nicht die Abwesenheit einer Betätigung, sondern weit mehr eine erhöhte Form von Betätigung.

Etwas, das weitaus höher ist, als die gewöhnliche, von einer niedrigeren Frequenz beherrschte Art von ‘Handlung’, vergleichbar den hochfrequenten Lichtwellen, die wir mit den physischen Augen nicht sehen können, - den Alpha-, Beta-, Gamma- und Kosmischen Strahlen und so weiter, von denen heutzutage so viel zu hören ist. Es gibt hochfrequente Lichtwellen, deren wahre Existenz uns nicht bekannt ist, da diese mit den Augen oder den anderen Sinnesempfindungen nicht wahrgenommen werden können. Die höchste uns denkbare Lichtform, - das Sonnenlicht - , ist ein niederfrequentes Licht, das durch die Netzhaut des Auges eingefangen werden kann, was wiederum nur möglich ist auf Grund der Übereinstimmung der Lichtwellen-Frequenz der Sonne mit dem Fassungsvermögen der Netzhaut der Augen. Sollten sich die Frequenzen auf einen höheren Stand erheben, wäre überall nur Dunkelheit zu sehen. Die gesamte Welt wäre pechschwarz und zwar nicht deshalb, weil kein Licht mehr vorhanden, sondern weil das Licht so intensiv geworden wäre, dass es die Augen blenden würde und diese nicht mehr dazu fähig wären zu erkennen, ob es denn so etwas wie Licht überhaupt noch gäbe.

In der Mahabharata, das heißt in einem seiner Kapitel namens Udogya-Parva, wird uns über Bhagavan Shri Krishna erzählt, der in Seiner Kosmischen Form wie unzählige Sonnen leuchtete, sodass die Menschen ihre Augen schließen mussten, da sie von dieser Erscheinung dermaßen geblendet waren, dass sie nur noch Dunkelheit sehen konnten. Wer für einige Zeit in die Sonne blickt, wird nur noch Dunkelheit und kein Licht mehr sehen, da die Augen vom Glanz der Sonne geblendet sein werden, und zwar nicht, weil es kein Licht gibt, sondern weil das Licht, das heißt dessen Intensität, nicht mehr wahrgenommen werden kann. Unsere Unfähigkeit, die Bedeutung einer höheren Art von Bewegung wahrzunehmen, ist der Grund für die schubfachartige Trennung, die von verschiedenen Menschen zwischen ‘Handlung’ und ‘Ruhe’ in ihren Kommentaren zu oben angegebenen Versen aus der Bhagavad Gita gemacht werden. Seit undenkbaren Zeiten besteht ein Kampf zwischen ‘Jnana’ und ‘Karma’, zwischen ‘Wissen’ und ‘Handlung’, zwischen dem Leben in der Welt und dem Leben des ‘Sannyasa’ (der Entsagung), zwischen dem Leben der Tätigkeit und dem Leben des Rückzuges zur Beschaulichkeit, was insgesamt als Ergebnis der Unfähigkeit des menschlichen Verstandes anzusehen ist, die Wahrheit der gesamten Situation zu erfassen. So etwas wie Rückzug von dem, was wirklich ist, kann es nicht geben. „Das Wirkliche kann nicht ‘nicht’ sein, und das Unwirkliche kann ‘nicht sein’. “Wenn etwas wirklich ist, können wir uns nicht von ihm zurückziehen, und wenn es nicht wirklich ist, - von was sollten wir uns dann abwenden? Wir können uns weder von dem, was nicht ist, noch von dem, was ist, zurückziehen, da wir bereits festgestellt haben, dass es (das Wirkliche) beständig da ist; Es ist wirklich und das Wirkliche kann nicht unwirklich werden. Somit verliert die Frage nach dem Rückzug oder der Entsagung von Handlung, von der die Menschen so viel reden, ihren Sinn, zumal, wenn wir wirklich verstehen lernen, was ‘Karma’ oder ‘Handlung’ und was ‘Shama’ oder ‘Ruhe’ ist. ‘Shama’ ist kein Rückzug im normalen physischen Sinn des Begriffes.

‘Ruhe’ ist keine Entsagung oder Verzicht auf eine bestimmte Verhaltensweise im Leben, sondern ein Aufsteigen in eine erhöhte Form dieses Verhaltens, das alle Bedeutungen des jeweiligen Verhaltens auf der niederen Ebene beinhaltet. Die menschliche Verstandeskraft reicht nicht aus, um diese Bedeutung vollständig zu erfassen, da wir in eine Denktradition hineingeboren werden, die sozial und persönlich, räumlich und zeitlich ist; wohingegen die, hinter der großen Botschaft des Karma Yoga der Bhagavad Gita verborgene Bedeutung weder räumlich noch zeitlich ist. Sie ist spirituell und kann deshalb mit nichts verbunden werden, was wir gemeinhin als wichtig in der Gesellschaft oder in einer Welt von Raum und Zeit erachten. Das ist wohl auch der Grund dafür, weshalb gesagt worden ist, dass die Bedeutung der Gita eigentlich nur Krishna allein bekannt ist, und dass niemand sonst sie kennt. Arjuna wusste ein wenig von Ihr. ‘Suka’ kennt Sie. ‘Vyasa’ kennt Sie. Andere hören nur von Ihr. Es obliegt dem wahren Sucher, sich dieses Denkmodell zu vergegenwärtigen, damit er dazu fähig wird, die Bedeutung von Spiritualität als solcher überhaupt zu verstehen.

Spiritualität ist kein soziales Verhalten, vielmehr ist sie eine innere Bewusstseinsveränderung, und diese Veränderung ist in ihrer Qualität und Beschaffenheit im Vergleich zu den Veränderungen, wie wir sie physisch in der Welt der Natur beobachten können, sehr verschieden. Das ist auch der Grund dafür, warum wir eine Einweihung in diese Denktechnik benötigen, die ‘Guru-Upadesha’ genannt wird. Warum geht jemand wegen dieser Einweihung zu einem Guru, wenn er doch alles durch bloßes Lesen von Büchern und durch das Anhören von Vorträgen versteht? Woher kommt die Notwendigkeit für einen Meister, einen spirituellen Führer und so etwas wie die Einweihung? Die Notwendigkeit dieser Dinge beruht in der Schwierigkeit, auf die erwähnte Art und Weise zu denken, denn diese Denkweise ist unserem gewohnten Denken fremd. Unsere übliche Denkweise läuft seit der Kindheit in den gewohnten Bahnen. Selbst im Alter von siebzig Jahren denken wir in denselben Mustern, die wir schon als Kinder benutzt haben. Die Muster verändern sich nicht, obwohl die Inhalte der Gedanken, auf Grund deszunehmenden Wachstums, im Alter voneinander abweichen mögen. Ebenso mag die Quantität der Gedanken zunehmen, doch die Qualität und die Denkstruktur als solche verändert sich nicht. Der alte Mensch denkt noch genauso wie das Kind denkt. Doch es ist höchst notwendig, dass sich die wahre Denkprägung verändert, um wirklich spirituell werden zu können.

Die spirituelle Veränderung, nach der in der Yoga-Praxis gestrebt wird, ist weder eine physikalische noch eine soziale Revolution, sondern ein innerer Wiederaufbau der Persönlichkeit, eine neue Bewusstseinsweise, die, insoweit sie den Hauch von Zeitlosigkeit sich birgt, es schwierig werden lässt, sie richtig zu erfassen, denn all unsere Gedanken sind zeitlich und das Prinzip der Zeitlosigkeit oder Ewigkeit, das in einigem Umfang in diesem veränderten Denken enthalten ist, erschwert uns das Verständnis seiner wirklichen Bedeutung.

© Divine Life Society

Siehe auch

Literatur

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