Heinrich Himmler Bhagavad Gita

Aus Yogawiki

Heinrich Himmler war einer der schlimmsten Verbrecher der Zeit des Nationalsozialismus. Er war Reichsführer SS mit einer sehr eigenwilligen Mischung aus Blut-und-Boden-Religion, Rassismus, Antisemitismus, Okkultismus, Ariosophie und einer Begeisterung für das Indisch-Arische. Er scheint insbesondere die Bhagavad Gita gelesen und in hoher Wertschätzung gehalten zu haben. Manche sagen sogar, dass er täglich in der Bhagavad Gita gelesen hat. Laut Mathias Tietke, Autor des Buches "Yoga im Nationalsozialismus", hat Himmler zur Reduzierung seiner Gewissensbisse insbesondere das Vierte Kapitel der Bhagavad Gita immer wieder konsultiert. Da bleiben Fragen wie:

  • Wie war die Beziehung zwischen Yoga und Nationalsozialismus?
  • Wenn Himmler die Bhagavad Gita las, darf man als moderner Yoga Übender die Bhagavad Gita lesen?
  • Wird in der Bhagavad Gita Krieg und Unterdrückung propagiert?

Wie war die Beziehung zwischen Yoga und Nationalsozialismus?

Zu diesem Thema gibt es ein umfangreiches Buch von Mathias Tietke, eine Zusammenfassung findest du unter Yoga im Nationalsozialismus.

Kurz gefasst:

  • Es gab einige Nationalsozialisten wie Heinrich Himmler, die für Yoga und indische Spiritualität, die sie als arisch angesehen haben, sehr offen waren. Einige Yoga Übende wie der Indologe Jakob Wilhelm Hauer waren offene Nationalsozialisten
  • Manche Nationalsozialisten standen der Reformbewegung nahe mit Strömungen wie Naturheilkunde, Vegetarismus, Wandervogelbewegung, Okkultismus. Sie lehnten aber viele andere Strömungen der Reformbewegung radikal ab wie Autoritätsfreiheit, Reformpädagogik, Autonomie, Basisdemokratie, Landkommunen-Bewegung, Gewaltfreiheit, Friedensbewegung, Ablehnung von jedem Nationalismus
  • Die Mehrheit der Nationalsozialisten belächelte Heinrich Himmler wegen seiner indischen Spinnereien. Adolf Hitler z.B. machte sich über die Okkultismus-Spinnereien von Heinrich Himmler lustig - schätzte aber seine Loyalität, sein Organisationstalent und seine Brutalität bei der Umsetzung seiner Beschlüsse
  • Manche Yoga Übende und Yoga Lehrende wurden von den Nazis verfolgt. Einer der bekanntesten, Max Moecke, starb im KZ
  • Vermutlich hat der Nationalsozialismus esoterisch-religiös-weltanschauliche Wurzeln in der Ariosophie in der Tradition von Guido von List und Lanz von Liebenfels, die Darwinsche Evolutionsbiologie mit völkischem Gedankengut, westlich-okkultistischen Strömungen und indisch-theosophische Vorstellungen, Sozialismus, Romantik miteinander vermischten

Man kann leider nicht sagen, dass die (wenigen) Yoga Übenden sich im Widerstand gegen das verbrecherische Nazi-Regime besonders zur Wehr gesetzt haben. Man kann aber auch nicht sagen, dass Yoga Übende insgesamt sich besonders als Nazis engagiert haben. Wie in fast allen anderen Bevölkerungsschichten gab es auch unter den Yoga Übenden Befürworter, Mitläufer, stille Gegner, engagierte Gegner - die z.T. dann auch von den Nazis ermordet wurden.


Ist alles, was die Nazis machten, automatisch diskreditiert?

Die Nationalsozialisten haben nahezu alles, was sie vorgefunden haben, genutzt und missbraucht:

  • Mit der katholischen Kirche machten sie ein Reichskonkordat - darf man deshalb kein Mitglied der katholischen Kirche sein?
  • In der evangelischen Kirche gab es die "Glaubensbewegung Deutsche Christen", welche zu den Wegbereitern des Nationalsozialismus gehört; der Antisemitismus der Nazis speiste sich auch aus den Schriften von Martin Luther, und Teile der evangelischen Kirche zitierten die Bibel als Rechtfertigung der Judenverfolgung - muss man deshalb aus der evangelischen Kirche austreten?
  • Die Mehrheit der deutschen Universitäten hieß die Nazis willkommen, die meisten Professoren übten sich in vorauseilendem Gehorsam - darf man deshalb keine Uni besuchen?
  • Das deutsche Rechtssystem ließ sich für die nationalsozialistischen Verbrechen missbrauchen, ebenso Polizei etc. sollte man deshalb auf Rechtsstaat und Polizei verzichten?
  • Für die Verwaltung des Massenmords an den Juden wurden Vorläufer der Computer, die Hollerith-Maschinen, genutzt. Darf man deshalb keine Computer mehr nutzen?
  • Die Nationalsozialisten ließen die Hitler-Jugend und den Bund deutscher Mädchen stundenlange Waldspaziergänge machen, veranstalteten Lagerfeuer - darf man deshalb keine Waldspaziergänge machen?
  • Die Nazis missbrauchten Autobahnen und Züge, um Soldaten an die Front zu verfrachten und Menschen in Konzentrationslager zu transportieren - darf man deshalb kein Auto oder Zug mehr fahren?
  • Die Nazis nutzten Radio, Film, Zeitungen etc. für ihre Propaganda - sollte man deshalb auf Radio, Film, Zeitungen etc. verzichten?
  • Die Nazis nutzten die chemische Industrie, die Technik, Fabriken etc. für den Krieg - sollte man deshalb auf alle Industrie verzichten?
  • In den Schulbüchern der Nazizeit standen auch Gedichte von Goethe, Schiller, Novalis, Herder etc. - aber nichts aus der Bhagavad Gita. Sollte man auf das Lesen der deutschen Literatur von vor 1930 verzichten?

Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Man erkennt unschwer: Die Nazis haben alles Mögliche missbraucht, in den Dienst ihrer Verbrechen gestellt.

Die Rolle der Bhagavad Gita im Nationalsozialismus

Die Bhagavad Gita wurde von Heinrich Himmler missbraucht, um sein Gewissen zu beruhigen.

Allerdings wurde Yoga Gedankengut und Gedankengut aus der Bhagavad Gita auch von Himmler nicht öffentlich genutzt, um Verbrechen zu propagieren und zu rechtfertigen.

Für die Nazi-Propaganda spielten Bhagavad Gita etc. keine Rolle. Im Lehrplan in den Schulen und für die SS erschien die Bhagavad Gita nicht.

Schriften und Publikationen wie die von Richard Wagner, Martin Luther, Friedrich Nietzsche, von Evolutionsbiologen und allen möglichen völkischen Autoren spielten da eine ganz andere Rolle.

Befürwortet die Bhagavad Gita den Krieg?

Die Bhagavad Gita ist keine Schrift, welche den Krieg befürwortet.

Sie ist vielmehr eine Schrift, welche folgende Hauptthemen hat:

  • Wie kommt man zu einer Entscheidung in einer ethisch schwierigen Lage?
  • Wie lebt man ein spirituelles Leben im Alltag im Spannungsfeld zwischen Entsagung und Pflichterfüllung?
  • Wie erreicht man Erleuchtung in einem engagierten Leben?
  • Wie handelt man ohne Verhaftung?
  • Wie übt man Meditation?
  • Wie erfährt man Gott?
  • Was ist die Welt? Wie ist sie entstanden? Was ist der Sinn des Lebens?
  • Was ist Karma und Reinkarnation?
  • Wie stehen Karma Yoga, Bhakti Yoga und Jnana Yoga miteinander in Beziehung?

Hintergrundsgeschichte der Bhagavad Gita im Mahabharata Krieg

Die Bhagavad Gita ist ein Zwiegespräch zwischen Arjuna und Krishna am Beginn einer Schlacht. Die Schlacht war nicht mehr zu verhindern. Die Schlacht war auch nicht in der Macht von Arjuna. Arjuna hätte die Schlacht nicht verhindern können - hätte nur durch Weglaufen dafür sorgen können, dass die gerechte Seite mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit verliert.

Die Bhagavad Gita ist kein Aufruf für einen Angriffskrieg. Vielmehr ist sie eine Rechtfertigung dafür, dass wenn man mit Waffengewalt angegriffen wird und die vollständige Vernichtung droht, man sich für eine gerechte Sache zur Wehr setzen kann. Schließlich haben sich die Pandavas (die Guten) über mehrere Jahrzehnte von den Kauravas (den Bösen) alles Mögliche gefallen lassen, ohne sich zu wehren. Dem Krieg zur Abwehr der Tyrannei gingen mehrere Jahrzehnte der Versuche voraus, einen Krieg abzuwehren, unter ständiger Inkaufnahme von Ungerechtigkeit. Wenn man den Pandavas etwas vorwerfen kann, dann war es sicherlich nicht Angriffskrieg sondern eher gescheiterte "Appeasement Politik", also immer wieder Inkaufnahme von Aggressionen und Übergriffen, um den Krieg zu vermeiden - wie es ja Chamberlain vor dem 2. Weltkrieg mehrere Jahre mit Hitler-Deutschland versucht hat.

Die Bhagavad Gita hätte für die Juden beim Aufstand im Warschauer Ghetto als Rechtfertigung dienen können sowie für die Widerstandskämpfer um die Weiße Rose oder in Frankreich etc. Sie zur Rechtfertigung für Massenmord und Angriffskrieg zu missbrauchen, geht gänzlich an der Bhagavad Gita vorbei.

Sind die Inder kriegswütig?

Indien ist vermutlich die einzige große Kultur auf diesem Planeten, die keine Nachbarvölker überfallen hat, kein anderes Land auußerhalb des indischen Subkontinents versklavt hat. Indien musste immer wieder leiden durch den Einfall anderer Völker, zuletzt die Engländer. Aber Indien selbst hat Völker und Nationen außerhalb von Indien nicht überfallen. Wenn die Bhagavad Gita als eines der populärsten Werke Indiens ein solches Kriegsbuch wäre, dann hätten indische Herrscher dort Inspiration ziehen können, in andere Länder einzufallen.

Hier wird man sicherlich eher Bücher anderer Völker mit Kriegstreiberei und Tyrannei in Verbindung bringen können als ausgerechnet die Bhagavad Gita.

Mahatma Gandhi und der Bhagavad Gita

Mahatma Gandhi, der in der indischen Unabhängigkeitsbewegung in den 1920er bis 1940er Jahren die Techniken des gewaltlosen Widerstand gegen ein tyrannisches Regime (englische Kolonialherrschaft) ausprobierte und entwickelte, hatte zwei Bücher, die er sehr schätzte, nämlich die Bhagavad Gita und die Bergpredigt. Darüberhinaus war er sehr beeindruckt von der fast bedingungslosen Gewaltfreiheit der Lehren des Jainismus. Er meinte, man müsste die Bhagavad Gita zusammen mit der Bergpredigt lesen und Ahimsa, die Gewaltfreiheit, als Richtschnur nehmen.

Allerdings war Mahatma Gandhi auch nicht gegen die Aufstellung von indischen Freiwilligenregimentern im Kampf gegen Hitler-Deutschland und Japan im zweiten Weltkrieg. Er meinte, gegen dermaßen gewalttätige Regimes wie die Nazis wäre gewaltloser Widerstand durch die unterdrückten und schrittweise vernichteten Völker vermutlich nicht möglich.

Mahatma Gandhi hat sich auch geweigert, mit Hitler-Deutschland und Japan zu paktieren, obgleich ihm angeboten wurde, dass Hitler-Deutschland und Japan Indien zur Unabhängigkeit verhelfen könnten. Mahatma Gandhi hatte das britische Kolonialreich, gegen das er über 20 Jahre Widerstand geleistet hatte, immer noch für besser gehalten als Hitler oder die japanischen Kriegsherren.

Zitate der Bhagavad Gita zum Thema Gewaltfreiheit

Können die Lehren der Bhagavad Gita missbraucht werden?

Ja, praktisch alles kann missbraucht werden. Daher ist für das Studium von Schriften eine allgemeine Ethik wichtig. Im Yoga ist die Ethik:

Die Nazis haben gegen all diese fünf Prinzipien in hohem Maße verstoßen.

Die Bhagavad Gita spricht an mehreren Stellen von Ahimsa, auch von Mitgefühl, von Einheit.

Krishna sagt in einem der letzten Verse der Bhagavad Gita:

  • XVIII 67 Darüber sprich weder zu einem Menschen ohne Mäßigung und Hingabe, noch zu jemandem, der nicht dient und nicht den Wunsch hat zu hören, und auch nicht zu jemandem, der am Göttlichen Anstoß nimmt

Zusammenfassung

Heinrich Himmler war einer der wenigen im Nationalsozialismus, der die Bhagavad Gita schätzte - und missbrauchte. Die Bhagavad Gita war sicherlich nicht seine "Inspiration" für seine Verbrechen.

Die Nazis haben von allen möglichen Quellen ihre verrückte Weltanschauung bekommen. Sie fanden Rückhalt in allen möglichen Bevölkerungsschichten, Yoga Übende spielten da für die Machtergreifung keine Rolle. Die Nazis haben alle möglichen Systeme, Technik, kulturelle Errungenschaften für ihre verbrecherischen Zwecke missbraucht.

Die Bhagavad Gita hat da keine wirkliche Rolle gespielt.

Spirituelle Aspiranten sollten aber immer wieder aufpassen, dass sie die wichtigste Grundlage der Ethik, die 5 Yamas, beachten.

Im staatlichen Handeln sind die Yamas am besten ausformuliert in den Grundrechten, den Menschenrechten, dem Völkerrecht, in der Charta der Vereinigten Nationen.

Jede spirituelle Richtung muss sich messen lassen an der allgemeinen Ethik, an den Grundrechten, den Menschenrechten, dem Völkerrecht, der Charta der Vereinigten Nationen.

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Siehe auch