Goraksha Paddhati

Aus Yogawiki

Goraksha Paddhati (Sanskrit: गोरक्षपद्धति gorakṣa-paddhati f.) der Leitfaden ("Weg" Paddhati) des Goraksha; Titel eines Werkes zum Hatha Yoga, das eine Zusammenstellung (Samhita) von Versen darstellt, die dem Yogameister Goraksha Natha zugeschrieben werden. Das Werk ist auch unter den Namen Goraksha Samhita und Mukti Sopana bekannt. Auszüge der Goraksha Paddhati, die im Wesentlichen aus zwei Teilen zu je 100 Versen (Shataka) besteht, sind wiederum unter verschiedenen Namen bekannt, darunter als Goraksha Shataka, Yoga Martanda, Viveka Martanda und Yogachudamani Upanishad.

Goraksha Paddhati Übersetzung, Sanskrit Text Devanagari und Umschrift, Wort-für-Wort-Übersetzung

Vorbemerkungen zum Text

Die Goraksha Paddhati bzw. Goraksha Samhita ist für die Erforschung der Hatha Yoga-Texte, die im engeren Zusammenhang der Tradition der Natha-Yogis stehen, von außerordentlichem Interesse. Nach bisherigem Erkenntnisstand gehört sie zur ältesten Schicht (ca. 10.-12. Jh.) von in enger Beziehung zu Goraksha Natha stehenden Yogatexten, in denen die verschiedenen Glieder des Hatha Yoga gelehrt werden. Selbst der bekannteste Hatha-Yoga-Text, die Hatha Yoga Pradipika (ca. 15. Jh.), zitiert bzw. übernimmt viele Verse, teilweise wortwörtlich oder abgewandelt, aus der Goraksha Paddhati.

Der Name Goraksha (Natha) wird bereits zu Beginn der HYP zweimal erwähnt (vgl. Hatha Yoga Pradipika 1.4-5). Auch im Zusammenhang mit der im vierten Kapitel gelehrten Meditation über den als Anahata Nada bekannten inneren Klang (Nadopasana) stellt sich Svatmarama einmal mehr ausdrücklich in die Traditionslinie Goraksha Nathas (Hatha Yoga Pradipika 4.65):

aśakya-tattva-bodhānāṃ mūḍhānām api saṃmatam |
proktaṃ gorakṣa-nāthena nādopāsanam ucyate || 4.65 ||

"Nun wird die von Goraksha Natha gelehrte (Prokta) Methode der Konzentration auf den inneren Klang (Nadopasana) erklärt, die selbst von den Unerfahrenen (Mudha), denen die Erkenntnis (Bodha) der (höchsten) Wahrheit (Tattva) noch unmöglich (Ashakya) ist, geschätzt (Sammata) wird." (HYP 4.65)

Nahezu alle Teile der Version 1 bzw. 2 des Goraksha Shataka und der größte Teil der Yogachudamani Upanishad sind der Goraksha Paddhati entnommen, teilweise in derselben, teilweise in geänderter Versfolge. Dabei bieten diese Versionen häufig interessante Lesarten und Varianten, die für das Gesamtverständnis dieser Textgruppe sehr hilfreich sind. Für ein besseres Textverständnis sind daher einige textkritische Anmerkungen und Bezüge zum Goraksha Shataka, zur Yogachudamani Upanishad sowie zur Hatha Yoga Pradipika unerlässlich.

Shataka 1 Vers 1: Verehrung des Meisters

Ich verehre den ehrwürdigen Lehrer, der die höchste Glückseligkeit ist, dessen Natur die Wonne im Selbst ist, und in dessen bloßer Anwesenheit der Körper zu Bewusstsein und Wonne wird.


श्रीगुरुं परमानन्दं वन्दे स्वानन्दविग्रहम् |
यस्य सान्निध्यमात्रेण चिदानन्दायते तनुः || १ ||
śrī-guruṃ paramānandaṃ vande svānanda-vigraham |
yasya sānnidhya-mātreṇa cid-ānandāyate tanuḥ || 1.1 ||
shri-gurum paramanandam vande svananda-vigraham |
yasya sannidhya-matrena cid-anandayate tanuh || 1.1 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

śrī-gurum : den ehrwürdigen (Shri) Lehrer, Meister (Guru)
paramānandam : die höchste Glückseligkeit, Wonne (Paramananda)
vande : ich verehre (vand)
svānanda-vigraham : dessen Natur ("Gestalt", Vigraha) die Wonne im Selbst (Svananda) ist
yasya : (in) dessen (Yad)
sānnidhya-mātreṇa : bloßer (Matra) Anwesenheit, in der Nähe Sein (Sannidhya)
cid-ānandāyate : zu Bewusstsein und Wonne wird (Chidananday)
tanuḥ : der Körper (Tanu)

Anmerkungen: Dieser Vers erscheint wortwörtlich als Vers 1 der Version 2 des Goraksha Shataka, die im Wesentlichen dem ersten Shataka der Goraksha Paddhati entspricht. In einem diesem vorgeschalteten, vermutlich auf einen Kommentator der Goraksha Paddhati zurückgehenden Vers heißt es, sie sei ein Kommentar eines Mahidhara zur (Yoga-)Lehre des Goraksha (vgl. auch Hatha Yoga Pradipika 1.1, die ebenfalls mit einer Verneigung vor Adinatha/Shiva als Begründer des Hatha Yoga beginnt):

śrī-ādināthaṃ sva-guraṃ hariṃ muniṃ
gorakṣa-śāstrasya praṇamya yoginam |
bhāṣā-vivṛttiṃ kurute mahī-dharo
yoge su-bodhaḥ khalu jāyate yayā || GP 1.0 ||

"Nachdem er sich vor Adinatha, (und) seinem eigenen Meister (Sva-Guru) Hari, dem Weisen (Muni) und Yogin verbeugt hat, verfasst Mahidhara den Bhashavivritti (genannten Kommentar) zur Lehre (Shastra) des Goraksha, durch den ein richtiges Verständnis (Subodha) in Bezug auf den (Hatha-)Yoga entsteht."

Shataka 1 Vers 2: Verehrung des Meisters

Nachdem er hingebungsvoll (seinen) Meister verehrt hat, verkündet Goraksha das höchste Wissen, das von den Yogis ersehnt wird, das die höchste Glückseligkeit bewirkt.


नमस्कृत्य गुरुं भक्त्या गोरक्षो ज्ञानमुत्तमम् |
अभीष्टं योगिनां ब्रूते परमानन्दकारकम् || २ ||
namas-kṛtya guruṃ bhaktyā gorakṣo jñānam uttamam |
abhīṣṭaṃ yogināṃ brūte paramānanda-kārakam || 1.2 ||
namas-kritya gurum bhaktya goraksho jnanam uttamam |
abhishtam yoginam brute paramananda-karakam || 1.2 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

namas-kṛtya : nachdem er verehrt hat (Namas-Kritya)
gurum : den Lehrer, Meister (Guru)
bhaktyā : hingebungsvoll, mit Hingabe (Bhakti)
gorakṣaḥ : Goraksha
jñānam : Wissen (Jnana)
uttamam : das höchste (Uttama)
abhīṣṭam : das ersehnt wird ("gewünscht", Abhishta)
yoginām : von den Yogis (Yogin)
brūte : verkündet, lehrt (brū)
paramānanda-kārakam : das die höchste Glückseligkeit (Paramananda) bewirkt (Karaka)

Anmerkungen: Dieser Vers erscheint wortwörtlich als Vers 3 der Version 2 des Goraksha Shataka. Der Meister Gorakshas war Minanatha bzw. Matsyendranatha. Dieser wird in Vers 2 der Version 2 des Goraksha Shataka ausdrücklich erwähnt:

antar-niścalitātma-dīpa-kalikāsv ādhāra-bandhādibhir
yo yogī yuga-kalpa-kāla-kalanāt tattvena jegīyate |
jñānāmoda-mahodadhiḥ samabhavad yatrādi-nāthaḥ svayaṃ
vyaktāvyakta-guṇādhikaṃ tam aniśaṃ śrī-mīna-nāthaṃ bhaje || 2, 2 ||

"Ich verehre ohne Unterlass den ehrwürdigen Minanatha, den Yogi im Glanz des inneren unbewegten Lichtes des Selbst, (das er) durch (die Praxis von) Wurzelverschluss usw. (erlangt hat), ihn, in dem sich der ursprüngliche Herr selbst verkörpert hat, der infolge (seiner) Erschaffung der Zeit (in Form) der Weltzeitalter und Weltschöpfungszyklen als das Grundprinzip gepriesen wird, diesen Ozean der Wonne der Erkenntnis, der gegenüber den Eigenschaften des Manifesten und Unmanifesten erhaben ist." (GŚ 2, 2)

Siehe auch