KarmaKonsum X – Die Online-Konferenz 2017 - Interview mit Sukadev August 2017
KarmaKonsum X – Die Online-Konferenz 2017 - Interview mit Sukadev August 2017: Seit 2008 gibt es die Karma Konsum Konferenz. Aus Anlass des 10-jährigen Bestehens gab es eine Reihe "Inspiration for Impact". Dazu wurde auch Sukadev Volker Bretz interviewt von Christoph Harrach. Das Interview erschien als Video und auch in der Zusammenfassung im Buch zur Konferenz.
Hier die Niederschrift des Interviews:
Interviewpartner:
- Christoph Harrach (Interviewer) - Initiator der Wertegemeinschaft KarmaKonsum
- Sukadev Volker Bretz - Leiter und Gründer von Yoga Vidya
Christoph Harrach: Bevor Sukadev Volker Bretz sich selbst vorstellt, möchte ich erklären, was du, Sukadev, mit KarmaKonsum zu tun hast und welche Bedeutung du in meinem Leben hast. Ich bin jetzt schon sehr lange mit Yoga Vidya und damit mit Dir verbunden. Und der Impuls KarmaKonsum in die Welt zu bringen, ist maßgeblich durch meine Yogalehrerausbildung initiiert worden, die habe ich bei dir im Jahr 2001 nehmen dürfen. KarmaKonsum wurde 2007 gegründet, und ich freue mich, dass wir 10 Jahre später, immer noch so schön verbunden sind, zumal ich auch in Bad Meinberg lebe. Vielleicht magst du dich vorstellen, damit die Leser ein Bild bekommen, von dem was du so im Leben bisher gemacht und wie es kommt, dass wir jetzt hier zusammensitzen.
Sukadev:
Zunächst herzlichen Glückwunsch zu 10 Jahre KarmaKonsum. 10 Jahre vieles gestaltet, vieles bewirkt, ökologisch und spirituell, um das eben für viele Menschen zugänglich zu machen – das finde ich ganz toll. Und, dass es Kreise schlägt und dass es viele Menschen beeinflusst. So freue ich mich, dass ich vielleicht einen kleinen Anstoß gegeben habe. Ich bin der Gründer von Yoga Vidya und wir haben in diesem Jahr auch ein Jubiläum. Dieses Jahr sind es 25 Jahre Yoga Vidya. Vor 25 Jahren in Frankfurt begonnen, ein kleines Center. Dann fünf Jahre später das erste Seminarhaus im Westerwald und vor 14 Jahren hier in Bad Meinberg dieses Haus, das inzwischen für etwa 1000 Menschen ein Ort ist, wo man hinkommen kann. Etwa 200 Menschen wohnen hier auf dem Campus unseres Ashramgeländes. Wir haben noch drei weitere Ashrams und etwa 100 Yoga Vidya Centren. Also eine Bewegung, bei der wir hoffen, dass wir vielen Menschen Spiritualität nahe bringen können und über Spiritualität auch Initiative geben können, Kraft geben können, Inspiration geben können, sich zu engagieren für eine bessere Welt. Und so, wie du vielleicht dadurch einen Impuls bekommen hast, bin ich der Überzeugung, dass schon viele Menschen durch den Yogaweg und das spirituelle Berührt-Sein auch die Inspiration bekommen haben, sich selbst zu engagieren für eine gute Sache.
Christoph Harrach: Vor 25 Jahren hast du, Sukadev, den Samen gesät. Du warst damals alleine in Frankfurt – auch das verbindet uns – diese Frankfurter Wurzeln. Es gab zunächst nur eine Person und heute gibt es fast 100 Coop Zentren, 4 Yoga Seminarhäuser, ganz viele Ausbildungen. Wie erklärst du dir, dass du als einzelne Person so eine Bewegung in Gang setzen konntest. Du bist damit wahrscheinlich auch der größte Multiplikator von Yoga in der westlichen Welt?
Sukadev:
Ich sehe es ja nicht so, dass ich selbst irgendetwas gemacht hätte. Ich war 12 Jahre bei einem indischen Meister, der Zentren hatte in Europa und Amerika oder auch in Indien. Ich war in verschiedenen europäischen, amerikanischen Zentren und bin dann 2012, Anfang des Jahres nach Indien gefahren, hatte dort intensiv meditiert, hatte dort eine Vision meines Meisters Swami Sivananda und dort habe ich gespürt, meine Aufgabe wäre es zurück nach Deutschland zu kommen und dort würde dann ein Zentrum und ein Ashram entstehen und eine größere Bewegung. Und so habe ich mich mehr oder weniger zum Instrument gemacht und hab gesagt, es soll durch mich fließen oder ich werde meinen Beitrag dazu leisten. Jetzt dieses Jahr war die 25 Jahr Feier. Da gratulieren mir so viele Menschen und sagen, „…was du alles dort erreicht hast“. Innerlich denke ich immer, ich hab nichts erreicht. Es ist geschehen. Ich hab es einfach wirken lassen. Und natürlich, dann sind auch immer die richtigen Menschen gekommen. Als ich die Inspiration hatte, in Frankfurt zu eröffnen, ist relativ zügig jemand gekommen. Eva-Maria Kürzinger, die sich dort von Anfang an engagiert hat. Und als es dann weiter ging mit dem Ashram im Westerwald, kamen immer die richtigen Menschen. Und so ist es immer geschehen. Ich sage gerne „geschehen lassen, nicht machen“. Oder auf Englisch „not doing, but happening“. Also das ist für mich der Ansatz, es geschehen zu lassen. Und weniger zu denken, ich muss jetzt unbedingt etwas machen. So ist es jetzt bei dem Jubiläum. Es gab dann auch die Frage „Was beabsichtigst du? Was sind Deine Visionen für die nächsten Jahre?“ Und dann versuche ich manchmal, mir irgendetwas aus den Fingern zu saugen, denn gerade in der Presse wollen sie ja irgendetwas lesen. Und nicht immer können sie mit diesem spirituellen Ansatz direkt etwas anfangen. Aber im Grunde genommen – es liegt nicht an mir. Ich bin bereit, geschehen zu lassen. Was geschehen soll, das möge geschehen. Und das ist letztlich der Ansatz, den ich dort habe.
Christoph Harrach:
Also das ist jetzt eine Erklärung, wie das alles geschehen konnte. Dadurch, dass du das hast geschehen lassen. Das steht ja konträr zu unserem westlichen weltlichen Bild. Wir kreieren, gestalten, planen. Und ich kenn dich ja auch als Sohn einer Unternehmerfamilie. Auch diese Qualitäten hast du. Kann sowas denn ganz ohne Planung und komplettes Loslassen funktionieren?
Sukadev:
Es braucht irgendwo eine Mischung. Wenn man die Inspiration hat und spürt, es soll geschehen, dann muss man es natürlich auch geschehen lassen. Das geschieht nicht dadurch, dass man auf dem Kissen sitzt und meditiert 24 Stunden am Tag. Obgleich das auch etwas ist, was ich sehr gerne mache. Sondern, dann spürt man die Inspiration, dass es geschehen will. Dann macht man sich zum Instrument. Und dann muss man es eben auch geschehen lassen. Natürlich heißt geschehen lassen auch, seine eigenen Fähigkeiten, die man irgendwo mitbekommen hat, einzusetzen. Um das zu bewirken, muss man gucken, welche Überlegungen dazu gehören. Und es braucht eine gewisse Planung. Geschehen lassen heißt nicht, dass man sich hinsetzt und alles wird von selbst. Aber man spürt die Energie. Sie wirkt durch einen und man stellt sich dann eben auch zur Verfügung.
Christoph Harrach:
Wir werden ja heute auch über das Thema Yoga und leadership sprechen. Wie kann man Yogatechniken für Führung nutzen? Das wär jetzt der erste Aspekt. Das wäre bakthi – leadership. Dass man sagt „Ich selber führe gar nicht, sondern ich werde geführt und ich gebe mich in diesen Fluss der Hingabe, der Liebe, der Demut hinein und lasse es geschehen.“ Aber das andere wäre natürlich auch dieser Karma Aspekt. Also Karma Yoga. Karma leadership. Also, du vollführst dann auch Handlungen. Vielleicht kannst du etwas dazu sagen, mit welcher Haltung wir dann agieren. Wenn wir einerseits die Grundhaltung haben – „Es geschieht durch mich, ich bin Instrument.“ Und andererseits handeln wir. Du sagst, es passiert nicht, dass es nicht passiert. Yoga Vidya hat sich nicht dadurch gebildet, dass du nur auf dem Kissen saßest, sondern du hast natürlich auch Karma Yoga gemacht und dadurch auch gestaltet.
Sukadev:
Karma Yoga ist natürlich auch uneigennütziges Dienen. Eine Mission ist da, eine Vision ist da und eine Neugier – wie wird sie sich manifestieren? Und auch, wie fließt die Energie? Und welche Möglichkeiten werden mir gegeben? Gut, ich habe eine Beziehung, ich nenne es auch Gott, man kann es auch das Göttliche nennen. Und mein Meister, der wirkt. Und da ist eine Neugier, eine Offenheit. Was soll jetzt geschehen und welche Menschen kommen dort hin? Und ich geh dann davon aus, jeder Mensch hat sein eigenes Herz und seine eigene Mission dabei. Die Zusammenarbeit mit anderen ist für mich immer etwas Wichtiges. Z.B die Gründung des Frankfurter Center. Da war der Gedanke, alleine krieg ich das nicht hin. Also hab ich gesagt, ich kann das Frankfurter Center nur machen, wenn ich jemanden finde, der mir hilft. In München kannte ich ein paar Menschen, da bin ich hin und hab mit ein paar Menschen gesprochen und hab gefragt, wer von euch will mit mir zusammen das Frankfurter Center aufmachen? Oder als es dann darum ging, dass es jetzt eigentlich Zeit wäre, den ersten Ashram zu gründen – das braucht jemanden, der dafür bereit ist. Und wenn wir jemanden haben, der bereit ist Projektleiter dafür zu sein, dann machen wir es auch. Und als es dann um Bad Meinberg ging, als wir dort den ersten Gebäudekomplex hatten, da war es wichtig, dass jemand gefunden sein musste. Und als es die Überlegung gab, den zweiten Gebäudekomplex zu erwerben, habe ich gesagt, wir brauchen eine Projektleiterin und sie muss einen BauMenschen dabei haben. Wenn so jemand nicht da ist, dann soll das Projekt nicht sein. Oder jetzt überlegen wir gerade den dritten Gebäudekomplex in Gang zu setzen. Wir haben ihn schon vor längerer Zeit gekauft. Da ist viel zu machen. Da hatte ich lange Zeit gesagt, wir haben niemanden, der es so machen kann, dass es auch finanziell zu machbar ist. Und dann - einer, der schon lange bei Yoga Vidya ist, hat plötzlich gesagt, ich spür die Inspiration, das soll irgendwo sein und ich will das ermöglichen. Ich hab gesagt, das reicht nicht aus, er hat einen bestimmten mindset, wir brauchen eine zweite Person, die einen ergänzenden mindset hat. Und wenn das dann geschehen will, dann geschieht es. Wie ich erstmal gesagt hab, ist da die Bereitschaft, ein Instrument zu sein, es geschehen zu lassen. Und es ist für jeden, der etwas ökologisch und spirituell bewirken will wichtig, dass er oder sie das als Instrument macht. Das ist zumindest mein Ansatz. Das zweite ist auch, dass man wirklich die tiefe Motivation hat, dabei etwas Gutes zu bewirken. Wenn man das auf einem spirituellen oder ökologischen Gebiet macht um reich werden zu wollen oder Anerkennung bekommen zu wollen, wird es schwierig. Erstens wird man damit kaum reich und zweitens wird man auch nicht immer nur anerkannt. Auf dem Gebiet sind viele Idealisten, die schnell kritisch sind, wenn irgendjemand anderes einen anderen Idealismus hat. Und so ist das wichtig, dass man überzeugt ist, ich will was Gutes machen. Ich mache es für die gute Sache und dafür setze ich mich ein. Und dann eben auch die Überzeugung, man wird nicht nur selbst dadurch genutzt vom kosmischen her, sondern viele andere werden auch neugierig sein, was sich durch sie manifestieren will. Und das habe ich dann auch immer wieder festgestellt, die wichtigen Menschen kommen zur richtigen Zeit. Sie bringen ihre eigenen Talente und Fähigkeiten mit und da gilt es auch, darin Vertrauen zu haben. Also, wie wir bei Yoga Vidya vorgehen ist nicht so, dass wir zuerst den Plan, dann den Plan und dann den Plan haben oder - das machen wir in dem Jahr und in dem Jahr und in dem Jahr, sondern es gibt so eine Grundinspiration, mittels der wir überlegen, wo es hingehen könnte und es muss irgendwo alles gut sein für die Menschen. Wir haben noch nie irgendetwas gemacht, wobei wir dachten, das machen wir aus irgendeinem anderen Grund, als dass wir denken, es ist gut für die Menschen. Und dann muss der richtige Mensch gefunden werden. Und dann die Frage, wie will er oder sie es machen und typischerweise geht es dann schnell in ein Team über und dann gibt es ja auch demokratische Entscheidungen, dass es dann ist, was die Menschen alle zusammen bringt.
Christoph Harrach:
Das heißt, die Grundidee, das Vertrauen in die Menschen zu haben ist ja auch schon wieder ein grundsätzlich positiver Ansatz. Bei uns in der Tradition im integralen Yoga ist ja auch das positive Denken ein zentrales Element. Wie kann man das positive Denken denn von Naivität unterscheiden?
Das ist eine gute Frage. Positives Denken und Naivität. Auf eine gewisse Weise, Positives denken hält vieles für möglich, aber weiß auch, auf dem Weg dorthin wird es viele Wachstumsmöglichkeiten geben und viele Wachstumserfahrungen. Das ist auch wieder meine Überzeugung, das jeder der beteiligt ist auch daran wächst durch die Schwierigkeiten und die Herausforderungen – und die schönen Sachen. Ich sage, um Gutes zu bewirken muss man ein paranoider Optimist sein. Optimist heißt, das Vertrauen zu haben, das Goldene Zeitalter kann kommen und es kann eine bessere Welt kann kommen und wir können einen Beitrag dazu leisten. Auch der Optimismus, das es so viele andere Bewegungen gib, die auch etwas bewirken und die auch irgendwo engagiert sind und auch ohne, dass wir uns persönlich kennen wirken wir alle zusammen. Es gab in den 80er Jahren mal ein Buch „Die sanfte Verschwörung“. Das heißt, viele Menschen wirken zusammen und bekommen die Inspiration. Aber gleichzeitig paranoid ist, es gibt alles mögliche, was gleichzeitig schief gehen kann auf dem Weg. Und alles mögliche, was dabei passieren kann. Und dann nicht gleich aufzugeben, sondern zu schauen: Ah, da gibt es eine Schwierigkeit. Da muss man aufpassen…um dann rechtzeitig andere Maßnahmen einzuleiten. Naivität würde sagen, es muss alle gut gehen und wenn es nicht gut geht ist alles schlimm. Und ganz viele Menschen fangen so etwas so naiv an und nachher kollabieren sie, weil sie es sich nicht so entwickelt. Vorhin habe ich gesagt, dass wir die richtigen Menschen finden müssen. Z.B. die ersten Menschen im Westerwald. Bis der Ashram im Westerwald gegründet wurde, hat die Projektleitung dreimal gewechselt. Oder auch für den Ashram in Bad Meinberg war es dann auch der dritte Projektleiter, der dann schließlich gefunden wurde. Jeder war wichtig. Aber Naiv würde sagen, der Erste muss es machen und wenn er es nicht macht, dann soll es nicht so sein. Und positiv soll heißen: Ok. der Erste hat seine wichtige Aufgabe gehabt und der Zweite auch und der Dritte hätte es nicht machen können, wenn er nicht die vorherigen zwei Projektleiter gesehen hätte, um schließlich festzustellen, meine Fähigkeiten sind eigentlich die richtigen dafür und ich sollte mich nicht so im Hintergrund halten, sondern sollte bereit sein. Also hier wird man auch sagen positiv ist auch Chancen zu sehen, auch im scheinbaren Scheitern. Positiv ist auch, zu sehen, dass es nicht gradlinig geschieht, sondern auf unterschiedliche Weise. Und Positiv ist eben auch, dass durch verschiedene Schwierigkeiten wachsen. Und natürlich hatten wir auch bei Yoga Vidya jede Menge Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin.
Christoph Harrach:
Wenn ich das mal wieder so übersetze in BWL, dann reden wir über eine gute Fehlerkultur, also - Aus Fehlern wird man schlau. Das ist ja ein Sprichwort, das wir kennen. Du gehst noch weiter und sagst, jede Krise und jedes Problem ist auch wieder eine Wachstumschance. Das ist ja auch eine grundsätzlich andere Annahme, als dieses Prinzip – Die Fehler machen die Dummen. Sondern hier haben wir ja auch wieder ein gutes Beispiel, wie wir mithilfe einer spirituellen Haltung im Projektmanagement, im Aufsetzen von Projekten - in diesem Prozess, wie entstehen Dinge - wie wir mit einer anderen Haltung, mit einer Fehlerkultur auch das Positive wieder daran sehen können. Wie gehst du mit Krisen um?
Sukadev:
Im Grunde genommen – aus jeder Krise ist etwas Gutes entstanden. Es gibt ja auch den schönen amerikanischen Ausdruck serendipity, Serendipidität. Ich glaube, das drückt es auch ein bisschen aus. Wenn ich sehe, wie bei Yoga Vidya die wichtigsten Wachstumssachen irgendwo gekommen sind - als wir z.B. im Westerwald waren - dort hatten die Mitarbeiter alle so eine Art Wohnwagensiedlung bewohnt und dann gab es plötzlich einen Brand, wo das Büro abgebrannt ist. Und zum Zweiten gab es eine behördliche Verfügung, dass die Wohnwagensiedlung verschwinden muss. Wir hatten ein freundliches Verhältnis zu allen, zum Bürgermeister, zu den Bürgern usw. und das lief alles gut. Und dann ist jemand vom Ministerium in Mainz dort vorbeigefahren, weil irgendetwas besichtigt werden sollte und es hieß - das geht doch nicht, dass hier so eine Wohnwagensiedlung ist. Gut, und da hätten wir jetzt verzweifelt sein können- waren wir auch. Aber wir haben auch gedacht, dass doch schon seit einiger Zeit überlegt haben, dass wir einen großen Ashram haben wollen. Also scheint das jetzt die Zeit zu sein, dort hin zu gehen. Wenn wir die Wohnwagensiedlung abbauen wollen, dann müssen wir halt dort hin. Oder - bevor wir den zweiten Gebäudekomplex gekauft und renoviert hatten, hatten wir vorher schon überlegt, den zu kaufen. Aber jemand anderes hat uns zuerst überboten und wir haben auch nicht versucht, mitzuhalten. Das ist immer so ein Prinzip, wenn irgendwo zwei Menschen bieten, dann bieten wir nicht mehr mit. Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Und der ist dann aber Pleite gegangen. Dann gab es die Wirtschaftskrise und dann haben wir das Ganze zu einem Drittel des Preises bekommen im Vergleich zu dem, was wir zwei Jahre vorher hätten zahlen sollen. Aber das war dann auch Mut. Denn eigentlich hatten wir eine Finanzkrise - zum ersten mal. Wir haben gedacht, wir sind zwar in einer Finanzkrise, aber jeder ist in einer Finanzkrise. Aber entweder, wir kaufen diesen Gebäudekomplex oder er wird stillgelegt und verfällt. Dann haben wir einen verfallenen Gebäudekomplex vor der Nase. Und ich hatte die Vision, das dieses ganze Gelände für tausend Menschen sein sollte. Dafür war er notwendig. Und so wird aus den Krisen immer etwas. Wir hatten auch im Haus Krisen unter den Mitarbeitern und Menschen und irgendwo ist immer etwas Gutes daraus entstanden. Also ich kann durchaus sagen, aus Krisen entsteht etwas Gutes.
Christoph Harrach:
Das ist ein interessanter Aspekt. Du hast eben gesagt, ihr schaut immer, dass es den Menschen dient. Auch den Mitarbeitern bei Euch oder Sevakas, wir ihr sie nennt. Meine Erfahrung ist ja auch – Yoga Vidya als Plattform. Wenn man sich dort einbringen will mit seinen Talenten, kann man Projekte verwirklichen. Es gibt ja auch den Spruch im Management - First who, then what. Und dieses lebt ihr ja auch. Wie erkennt ihr denn die individuellen Talente oder um es spirituell auszudrücken, das dharma eines Einzelnen, was er denn in der Welt verwirklichen soll. Oder – wie erkenne ich das?
Sukadev:
Also für mich ist es immer eine Neugier. Ich gehe immer davon aus - jeder Mensch mit dem ich zu tun habe, der hat irgendeine Aufgabe bekommen. Der hat irgendwelche Talente und ich bin neugierig, welche da sind. Und ich muss sagen, es macht mir immer Spaß zu schauen, was in dem Menschen steckt, was kann ich in ihm stärken, was kann ich in ihr stärken oder was will sich durch diesen Menschen hindurch manifestieren. Wir sind ja gemeinnützig und das heißt ja auch, in allem sind wir gemeinnützig. Alle Sevakas kriegen ein Taschengeld und keiner verdient irgendetwas. Manchmal liest man im Internet, der Volker Bretz, der muss schon richtig reich geworden sein….Ich verdiene hier nichts. Ich kriege mein Dasein irgendwo, aber mehr krieg ich nicht. Aber wir machen das durchaus bei Seminarleitern, Ausbildungsleitern. In der Anfangszeit haben wir überhaupt keine Honorare gezahlt und dann haben wir natürlich keine externen Menschen gefunden. Da waren dann Menschen, die gedacht habe, ich weiß irgendwas und ich könnte das vielleicht geben. Und dann fingen sie an und so sind eine ganze Menge heute Deutschland weit bekannte Ausbildungsleiter, Ausbildungsleiter hier entstanden. Zum Teil wollen sie jetzt auch von Yoga Vidya ein größeres Honorar haben, dann sagen wir, toll – aber, dann bekommst du es woanders. Menschen, die hierher kommen, kommen hierher, um sich zu entwickeln, Impulse zu bekommen und, wenn sie sich dann entwickelt haben, entweder, sie spüren, dass es toll ist in der Gemeinschaft zu sein, auch in diesem gemeinnützigen Bereich gemeinsam zu sein oder sie sagen – toll, ich habe jetzt die Impulse bekommen, ich entwickle mich jetzt woanders weiter und kann dann vielleicht auch ein finanziell besseres Leben führen. Auch das spielt dann immer eine gewisse Rolle.
Christoph Harrach:
Zum Thema Talentmanagement – man kann bei Yoga Vidya seine Talente einbringen, man kann sich entwickeln. Diese Erfahrung mache ich und beobachte ich bei ganz vielen Menschen. Aber das Grundprinzip des Gemeinnützigen, das ist das Fundament von Yoga Vidya und es ist erstaunlich, wie gut sich so etwas auch als gemeinnützige Organisation entwickeln kann. Viele Sozialunternehmer stehen dann ja vor der Frage – mach ich eine ggmbh, mach ich ein e.V. und manche denken ja - e.V ist dann in der Wirksamkeit beschränkt, aber ihr als großer e.V., ihr leistet ja einen großen Beitrag. Vielleicht kannst du da auch noch mal sagen, wie kam es zu dieser Wahl des e.V. und wie seid ihr auch organisiert?
Sukadev:
Es war im Grunde genommen von Anfang an so, dass wir gesagt haben, es muss selbstverständlich gemeinnützig sein. Und immer war der demokratische Gedanke wichtig. Das war von Anfang an schon in der Vision dabei. Die klassischen indischen Prinzipien sind ja zum Teil auch Guru - Prinzip - wo der spirituelle Lehrer bestimmt. Aber in meiner Vision war immer dabei, dass diese Prinzipien ergänzt werden müssen durch demokratische Prinzipien und es muss Gruppenentscheidungen geben und das geht in e.V. am Einfachsten. Und es ist klar, dass es Mitglieder gibt. Und unser gemeinnütziger Verein hat eine ganze Menge Mitglieder. Es gibt verschiedene Arten von Mitgliedern. Es gibt die sogenannte Sevaka Mitglieder. Die wohnen in den Ashrams und die wohnen in den Centren und sie bestimmen für den Alltag, wie ihr Leben sein wird. Dann haben wir die sogenannten Karma Yoga Mitglieder. Das sind die, die für eine gewisse Zeit in die Ashrams gehen. Die haben auch eine bestimmte Mitgliedschaft. Die bestimmen bei manchen Sachen mit. Dann gibt es die Kooperationscentermitglieder. Wir haben ja auch 100 Yoga Vidya Stadtzentren. Die sind auch alle Mitglieder. Und das ist auch noch einmal eine spezielle Mitgliedschaft. Die bestimmen dann ein bisschen mit, was die KoopCenter betrifft. Und dann haben wir die normalen Vereinsmitglieder, die eben dann auch bei den Vereinsversammlungen dabei sein können, die sich einbringen können. Und da sind natürlich auch unsere Seminarleiter zum großen Teil dabei. Diejenigen, die häufig zu Yoga Vidya kommen, sind dann auch dabei, die Ausbildungsteilnehmer und so gibt es dann auch gemeinsame Entscheidungsfindungen. Manche Entscheidungen müssen in kleineren Gruppen getroffen werden - also jedes Yoga Vidya Center ist für sich autonom für eine ganze Menge Sachen. Aber die Yoga Vidya Centren bilden dann auch wieder eine Subgruppe, die ihr Zusammensein irgendwo bestimmt. Jeder Ashram hat seine eigenen Sevaka Versammlungen, also Gemeinschaftsmitgliederversammlungen, wo Dinge besprochen werden. Und natürlich in einem Ashram, wie Bad Meinberg, wo es 200 Menschen auf dem Gelände gibt, müssen wieder kleinere Subgruppen gebildet werden, die in ihrem Maße vieles sagen. Gut, und dann haben wir neben dem gemeinnützigen Verein die Berufsverbände. Wir dürften mittlerweile 13.000-14.000 Yogalehrer ausgebildet haben. Oder - wenn wir alles zusammen nehmen – wir bilden ja auch Meditationskursleiter, Ayurvedaberater, Massagetherapeuten aus, haben wir über 30000 Menschen ausgebildet. Da braucht es auch Berufsverbände, wo alles koordiniert wird - und die haben dann auch ihre eigene Selbstständigkeit und bringen sich wiederum im gesamten Netzwerk von Yoga Vidya ein. Der Netzwerkgedanke spielt also bei Yoga Vidya auch eine Rolle und wir bemühen uns dann auch wiederrum mit anderen Verbänden zusammenzuarbeiten und dort Dachverbände oder andere Netzwerkstrukturen zu haben. Ein anderes Beispiel gibt es zum Beispiel hier in Bad Meinberg, wo es das Konzept `Yogastadt´ gibt, wo du, Ramdas, ja auch neben weiteren engagiert bist. Es ist zwar kein gemeinnütziger Verein, soweit ich da richtig informiert bin, aber eine informelle Gruppe und Initiative, die regelmäßige Treffen durchführt und auch mit einer Internetseite präsent ist, usw. Diese Initiative ist für mich irgendwie auch ein Teil von Yoga Vidya ist, auch wenn dort auch noch eigene spirituelle Meister vertreten sind und Menschen aus verschiedenen Kontexten – und auch das spielt dann eine Rolle in diesem Beziehungsgeflecht bei Yoga Vidya.
Ich halte gerade dieses Konzept des gemeinnützigen Vereins für besonders genial. Wir haben lange überlegt, ob wir eine gemeinnützige GmbH oder eine Stiftung gründen. Oder haben uns gefragt: `Was ist, wenn mal Vereinsmitglieder aufmüpfig werden und ich dann abgewählt werde…´, was ja durchaus passieren könnte. Dann hab´ ich gedacht: `Gut, wenn es so sein soll, dann macht es eben jemand anderes weiter. ´ Ich habe kein Problem damit, für mich zu meditieren oder in einem anderem Rahmen weiterzumachen. Die Menschen haben die Verantwortung für sich selbst. Und als unsere Anwälte und Steuerberater uns eher zu einer Stiftung oder Gemeinnütziger GmbH geraten haben, sind wir doch dem Rat von einem anderen gefolgt. Dieser ist ein Juraspezialist und Professor einer Universität. Er hat uns für unser Vorhaben empfohlen ein gemeinnütziger Verein zu bleiben. Jedoch bemerkte er, dass wir verschiedene Formen von Mitgliedschaften machen können und darüber hinaus könnten wir alles, was wir machen, im Rahmen des Vereins machen. Auch danach haben wir noch einmal lange Zeit überlegt und uns dann entschieden, dass wir beim gemeinnützigen Verein bleiben. Aber da wir unterschiedliche Mitglieder im Verein haben, schaffen wir unterschiedliche Mitgliedschaften. Dennoch sind dann alle zusammen der Yoga Vidya e.V.
Vielleicht müssen wir sogar irgendwann noch einen Yoga Vidya Dachverband gründen, damit die Yoga Berufsverbände und der gemeinnützige Verein nicht nur irgendwie über Satzungszwecke bzw. die Präambel miteinander verbunden sind, sondern auch noch über andere Strukturen.
Es gibt natürlich einen Teil von Yoga Vidya, der nicht auf der Basis des gemeinnützigen Vereins arbeitet. Dieses betrifft den Teil, der den Bücherverkauf steuert, den Verlag, Versand, usw. Diese Bereiche sind in einer eigenen GmbH zusammengefasst, die aber zu 100 % Eigentum vom Yoga Vidya e.V. ist, die letztlich noch nie Gewinne erwirtschaftet hat, sondern mehr oder weniger sich selbst finanziert. Und auch hier gilt für uns: Wir machen nichts, wo wir nicht der Überzeugung sind, dass es gut für die Menschen wäre – auch nicht innerhalb der GmbH. Wir haben noch nie etwas `einfach nur wegen des Geldes´ gemacht.
Christoph Harrach:
Vielen Dank für diese Hintergrundinformationen, wie es zu dieser e.V.-Wahl kam. Und dass das heute nach wie vor in dieser Größe eine sinnvolle rechtliche Struktur ist. Ich würde gern noch einmal ein bisschen auf das Thema Yoga und spirituelle Praxis eingehen.
Bei Yoga Vidya wird ja der integrale Yoga aus verschiedenen Aspekten heraus gelehrt. Wir haben schon ein bisschen über Bhakti, über diese demütige Haltung des sich Hingebens gesprochen. Auch über Karma Yoga, wie man Handlungen geschickt ausführt, haben wir gesprochen.
Sukadev:
Ein bisschen haben wir auch den Raja Yoga mit eingebracht. Eben seine Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und eben Konzentration und geistiges Engagement zu entwickeln.
Christoph Harrach:
Ja, genau. Da würde ich gern ansetzen und den Raja Yoga, den Yoga des Geistes, noch ein bisschen mehr beleuchten. Wenn man einerseits seine Talente wahrnimmt und spürt, vielleicht sogar von anderen Unterstützung bekommt, um diese Talente weiter entfalten zu können, braucht es ja aber doch auch Kraft und Mut andererseits. Du hattest ja eben auch geschildert, dass es auch ein paar Entscheidungen in deiner Geschichte sowie in der Geschichte von Yoga Vidya gab, in der es Mut und Kraft brauchte. Was empfiehlst du denn, damit die Menschen aus sich heraus erstmal gesund und kräftig sind, damit man das, was man vor hat, auch umsetzen kann?
Sukadev:
Wir sind ja ein Yoga Verein und ein Yoga Netzwerk, und uns geht es besonders darum, Yoga zu verbreiten. Warum machen wir das?
Zum einen ist Yoga ein spirituelles System und man findet mit Yoga zu der Tiefe der Seele. Mit Yoga erhält man auch einen Zugang zu einer göttlichen, zu einer höheren Wirklichkeit. Durch Yoga findet man auch mehr zur `inneren Stimme´, so dass man auch seine Mission im Leben mehr spüren kann. Aber Yoga ist eben auch etwas, was einem die Kraft dazu gibt, seine Vorhaben umzusetzen und was man als seine Mission verspürt. Darüber hinaus hat Yoga viele Aspekte, wie z.B. Bhakti Yoga, das hingebungsvolle Karma Yoga, um etwas Gutes bewirken zu können, Raja Yoga für die Bereitschaft, an sich zu arbeiten.
Dann gibt es den ganzen Aspekt des Hatha Yoga, das unter anderem z.B. aus Körperübungen, den Asanas sowie dem Pranayama und den Tiefenentspannungstechniken besteht. Weiterhin beinhaltet es fortgeschrittenere Techniken, wie z.B. Mudras und Bandhas im Hatha Yoga. All´ das hilft, dass man zum einen entspannt, zum zweiten, dass man neues Prana bekommt, neue Energie. Zum dritten hilft es, dass man sich auch für die geistige Führung öffnet und sie somit verstärkt. Dann gibt es noch den Aspekt der Meditation, die sowohl im Raja Yoga, wie auch im Jnana Yoga eine wichtige Rolle spielt. Über die Meditation werden der Geist bzw. das Denken und auch die Emotionen ruhig. Dann kommt das zum Vorschein, was tiefer und dahinter ist. Und dahinter sind auch wieder der Ruf der Seele und etwas Göttliches. Dieses kann einen zum einen dazu führen, dass man die Verbundenheit mit dem Unendlichen und der höheren Wirklichkeit spürt und sich mit ihnen als Eins fühlt. Zum anderen will die höhere Wirklichkeit etwas durch mich hindurch bewirken und sie ist auch in anderen. Und dann kommt auch ein tiefes Gefühl der Verbundenheit zu anderen. So kann es durch einen hindurch wirken. Und so glaube ich, dass die Übung von Yoga etwas ist, das sehr dazu beitragen kann, dass die Welt eine bessere Welt wird, indem die Menschen in sich selbst harmonischer sind, sie glücklich sein können, ohne ständig etwas Neues kaufen zu müssen und/oder sie die bedingungslose Liebe zu anderen Lebewesen spüren können. Manchmal, wenn man in der Yogastunde war und dort herauskommt oder eine intensive Meditation hatte, dann hat man manchmal das Gefühl, dass man alle einfach umarmen möchte. Selbst, wenn das physisch nicht möglich ist, so spürt man doch all´ die Verbindung. Wenn all´ das da ist, dann erledigen sich manche Fragen von selbst und man bekommt eben auch die Kraft und das Vertrauen, dass wir uns für eine bessere Welt einsetzen können. Und so gibt es manche Menschen, die einfach Yoga für sich üben, um ein bisschen besser mit dem Leben zurecht zu kommen, entspannter sein zu können und mehr Kraft zu haben. Damit fangen die meisten Menschen an. Die meisten, die dann etwas mit Yoga begonnen haben, merken, dass plötzlich in ihnen der Ruf der Seele kommt. Und dann passiert vieles im Leben und sie bekommen dann die Kraft vieles von dem umzusetzen, was sie vielleicht vor Jahren mal gedacht haben und oft wirkt es dann transformierend für vieles andere. Und eben auch das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern mit vielen zusammen.
Christoph Harrach:
Das war eine schöne Erklärung der Effekte des Raja Yogas. Vielleicht noch ein bisschen praktischer für das Verständnis - was empfiehlst du denn? Es gibt ja aus der Shivananda Linie ein bisschen das und ein bisschen das und ein bisschen das…. Es gibt auch ein Lied, in dem Sivananda aufzählt, was man alles ein bisschen machen kann. Was sind denn so deine persönlichen Empfehlungen für den Alltag – wie kann man sich denn gesund halten, wie kann man seine Energie aufbauen? So dass man auf dem Weg, Gutes in der Welt zu bewirken auch gesund und stark bleibt und diesen Zugang zu dieser Berufung auch findet? Was sind so ganz praktische Tipps von Dir – oder wie praktizierst du? Vielleicht auch so eine formelle Praxis - was sind Ratschläge an Menschen, die das hier jetzt lesen und vielleicht schon auf dem Yogaweg sind und vielleicht nochmal von dir als langjährigen Aspiranten ein paar praktische Tipps bekommen wollen.
Sukadev:
Der erste Tipp wäre jetzt für Neulinge - Suche eine Yoga Schule und gehe dort einmal in der Woche zum Yogaunterricht. Ich glaube, das ist eine der besten Entscheidungen, die man so in seinem Leben treffen kann. Und dazu gleich noch der zweite Tipp - Suche eine Yoga Schule - und wenn dir die erste nicht gefällt, dann gehe zu einer zweiten und zu einer dritten und zu einer vierten. Oder gehe in der gleichen Yogaschule zu unterschiedlichen Yogalehrern/Yogalehrerinnen. Es gibt unterschiedliche Weisen, Yoga zu vermitteln und Yoga ist etwas sehr persönliches und vieles hängt davon ab, dass auch eine persönliche Beziehung entstehen kann. Und dann geht es darum, erstmal einmal in der Woche in einer Gruppe zu üben. Natürlich man kann Yoga auch mit dem Internet üben. Yoga Vidya stellt ja vieles ins Internet. Trotzdem – in einer Gruppe zu üben ist erstmal gut. Der zweite Schritt wäre dann, jeden Tag etwas von den Yogaübungen zu üben, die einem gut tun und die man gerne macht und wo man merkt, man fühlt sich besser danach. Man könnte sagen, einmal die Woche eine Yogastunde - oder für sich alleine intensiver üben. Und jeden Tag etwa fünf bis fünfzehn Minuten etwas tun, was einem weiter hilft und was einen irgendwo berührt. Der nächste Schritt wäre dann natürlich auch, sein Leben gesünder zu gestalten und dazu gehört natürlich die Ernährung, ein ökologischer Lebensstil usw. Gut, der nächste Schritt käme dann, wenn man dann Weg intensiver gehen will. Ich nenne das dann die vier `S. Das sind jetzt Sanskrit Begriffe, die jetzt mal zumute. Das eine wäre Sadhana – das heißt, die spirituelle Praxis im engeren Sinne - und in unserer Tradition sind das eigentlich drei bzw. vier Dinge, die man jeden Tag machen kann. Das eine ist die Meditation, das zweite sind Asanas, die Yoga Körperübungen, das dritte ist das Pranayama, die Yogaatemübungen und als viertes kann noch Mantra dazugehören, zB. Mantra singen, Mantra rezitieren. Für den durchschnittlichen ernsthaften Aspiranten empfehle ich, mindestens eine Stunde am Tag damit zu verbringen und einmal die Woche etwas mehr. Als zweites nenne ich Satsang, das heißt, zusammen mit anderen in der Gemeinschaft zu praktizieren. Ich habe schon gesagt, es ist gut, einmal in der Woche in eine Yogastunde zu gehen und selbst, wenn man schon eine Weile praktiziert und sagt, ich gehe nicht mehr so häufig in eine Yogastunde, ist es gut, einmal mit anderen Aspiranten etwas formell - spirituelles zu machen. Ob es eben die Yogastunde ist oder gemeinsam zu meditieren oder es gibt bei Yoga Vidya ja auch das Satsangkonzept von Meditation, Mantrasingen, Kurzvortrag, Arati, was etwas sehr klassisch indisches ist - das berührt und bringt einen mit anderen zusammen. Der Mensch ist nun mal ein geselliges Wesen, aber wenn man nur mit jemandem spricht gibt es oft die Neigung, dass man über andere erzählt und das ist nicht immer nur positiv. Auch unter spirituellen ökologischen Menschen wird das geschehen. Wenn man aber sagt, wir mache gemeinsam etwas, wobei wir uns gegenseitig erheben, das ist gut. Das Dritte nenne ich Sattwa. Sattwa heißt ein ethischer Lebensstil, ein reiner Lebensstil, und da gehört dann die vegetarische Ernährung dazu, da gehört der ökologische Lebensstil dazu. Es gehört dazu auch, freundlich und mitfühlend miteinander umzugehen und sein Leben an höheren Idealen auszurichten auch im Alltag. Das heißt, bevor man irgendeine Entscheidung trifft, kann man unter den verschiedenen Alternativen wählen, welche ist die ethische Entscheidung. Manchmal ist es nicht eindeutig – dann wird man noch nach anderen Kriterien entscheiden müssen. Das Vierte dieser `S´ nenne ich dann Seva – uneigennütziges Dienen, was auch heißen kann, dass man bewusst sagt, ich mache etwas, wofür ich nicht bezahlt werde und was ich als gemeinnützige Sache mache und es kann natürlich auch heißen, was auch immer ich tue, soll dem Wohl anderer dienen, auch wenn es mir hilft, mein Vollkornbrötchen zu verdienen oder mir meinen Smoothie zu erlauben. Also, das sind die vier Dinge, die ich empfehle und dann hat man einen sehr konsequenten Lebensstil. Du hast gefragt, was ich übe? Ich leite hier im Haus oder wo auch immer ich bin, jeden Tag einen Satsang, der mindestens eine Stunde dauert mit Meditation. Mantra singen, Vortrag. Ich übe jeden Tag meine Asanas und Pranayama, was mindestens eine Stunde dauert. Meistens länger. Und ich über dann für mich dann auch noch eine zweite Meditation. Einmal oder zweimal im Jahr verbringe ich dann etwas mehr Zeit mit mehr intensiven Praktiken. Das ist so meine persönliche Praxis und natürlich widme ich mein Leben, egal, was ich tue, gutes zu bewirken als Instrument von einer Kraft, von der ich denke, dass sie durch mich fließen will.
Christoph Harrach:
Vielen Dank, das war jetzt sehr praktisch. Ich denke, dass die Leser da bestimmt einiges für ihre eigene Yogapraxis nutzen können. Und auch vielleicht, um rein zu kommen ins Yoga. Ich kann es so nur unterstreichen und habe auch die Erfahrung gemacht, dass der Kurs zusammen mit vielen Menschen sehr sinnvoll ist. Ich bin jetzt ja auch schon seit 1994 dreiundzwanzig Jahre auf dem Weg. Da verändert sich dann ja auch immer etwas. Aber es ist gut zu sehen, dass man da immer Kraft rausziehen kann und wie man auch seine Bestimmung finden kann. Ich würde gerne nochmal auf den letzten Aspekt zu sprechen kommen. Du hast schon Jnana Yoga angedeutet – die Schriften. Vieles wiederholt sich ja auch im Leben, in der Geschichte. Es ist auch nichts Neues, was wir heute an Krisen erleben. Wie können uns denn die Schriften, z.B. die Baghavad Gita helfen, die Dinge, die wir im Alltag erfahren, noch mal zu reflektieren - `Oh, die Leute vor 5000 Jahren, die hatten ja genau die gleichen Probleme´. Vielleicht liefern uns die Schriften dort Ideen, wie damals solche Krisen bewältigt wurden, die uns auch heute wieder Inspiration liefern können. Vielleicht können wir noch so einen kleinen Jnana Yoga Teil – die Schriften - mit einbauen. Du kennst ja auch viele Schriften, indische Schrifte – du hast viel kommentiert und gerade die Bhagavad Gita ist in Indien ein großes Buch. Vielleicht kannst du da noch ein bisschen dazu sage, was wir auch heute für unseren Alltag aus diesen Schriften lernen können.
Sukadev:
Yoga hat sehr hohe Ideale und wir gehen davon aus, dass es möglich ist, die Erleuchtung zu erfahren, die Gottverwirklichung zu erfahren, die Selbstverwirklichung zu erfahren. Und da ist es natürlich gut, diese Schriften auch zu lesen und zu hören. Das haben die Menschen von ein paar Tausend Jahren schon erfahren und daraus lehren die Meister und es ist genau so gut auch in unserer Zeit, in Kontakt zu treten mit den großen Meistern oder ihre Bücher zu lesen. Ich hatte den großen Vorteil, dass ich mit einem Meister zusammenleben konnte. Oder auch von Swami Sivananda noch seine engsten Schüler kennenlernen konnte. Und du sprachst jetzt besonders von der Baghavad Gita und ich weiß, zu der Schrift hast du auch einen besonderen Bezug. Ich hab ja auch ein Buch geschrieben „ Kommentar zur Bhagavad Gita“. Das ist eben auch interessant, dass das, was vor ein paar tausend Jahren war, auch heute relevant ist. Das ist ja das Zwiegespräch eines Lehrers namens Krishna mit einem Schüler Arjuna. Natürlich – Krishna ist kein einfacher Lehrer. Er gilt als Manifestation des Göttlichen, der auf die Welt gekommen ist. Arjuna überlegt - soll er sich jetzt intensiv einsetzen für die gute Sache, auch wenn es schwierig ist, auch wenn er mal kämpfen muss. Oder soll er sich jetzt zurückziehen in den Wald. Und Krishna gibt ihm in einigen Kapiteln Tipps. Er fängt erstmal an, das ganz in einen höheren Kontext zu bringen, indem er sagt – Hinter dem ganzen Universum gibt es die eine höchste Wirklichkeit. Und jeder einzelne ist Teil dieser höheren Wirklichkeit. Und er sagt ihm letztlich – Nimm dich nicht zu wichtig, egal, was jetzt momentan auf der Erde passiert. Das Kosmische und das Unendliche bleibt immer gleich. Man sieht das Leid in dieser Welt und die schwierigen Situationen. Wenn man sieht, was die Politiker jetzt zum Teil machen und was in der Wirtschaft geschieht und was klimamäßig passiert und wie Menschen sich total unvernünftig verhalten, dann kann man sich die Haare raufen. Aber da nimmt Krishna in der Baghavad Gita erstmal etwas Druck weg, indem er im Grunde sagt – Vom Standpunkt der Ewigkeit und vom Standpunkt des Unendlichen; es gibt eine göttliche Wirklichkeit hinter allem und der Mensch sollte sich nicht so wichtig nehmen als Einzelwesen. Danach sagt er ihm aber auch – In der Welt geschieht auch, was geschehen soll. Mache dich zum Instrument und glaube nicht, dass du der Handelnde bist, sondern da gibt es etwas, was dich antreiben kann. Mach dich zum Instrument. Und dann sagt er auch – Bleibe der Gleiche in Erfolg und Misserfolg und auch in Lob und Tadel, bzw. unabhängig von den Früchten. Wenn man das Richtige tut, heißt das noch lange nicht, dass es erfolgreich ist. Mindestens kurz oder mittelfristig. Manchmal müssen wir Erfahrungen machen und manchmal muss erst etwas Schlimmes passieren, damit Gutes geschieht. Und so rät er einem - Ja, entscheide dich nach ethischen Gesichtspunkten, tue das, was du für richtig hältst, aber miss nicht die Richtigkeit der Entscheidung daran, ob sich nachher Erfolg einstellt. Man könnte modern sagen, Fehlertoleranz in einen spirituellen Kontext hineingebracht. Und dann sagt er auch - Sei gleichmütig, egal, welche Früchte da sind. Viele Menschen, die gutes Bewirken, hoffen ja, dass sie dafür anerkannt werden. Aber manchmal setzt man sich vollständig ein und nachher kriegt man irgendetwas unterstellt, dass man etwas aus anderen Motiven heraus macht und man erfährt Widerstände. Also Krishna sagt dort tatsächlich, eine Karma Yoga Handlung ist, wenn du es uneigennützig machst. Und dann sagt er als nächstes - Übe Hingabe. Das heißt, indem du dich an eine höhere Wirklichkeit wendest, zum höheren Selbst oder zu einem Göttlichen, dann erfährst du die Führung. Und bitte um Führung. Und immer wieder - Bitte um Führung. Danach gibt er noch einige Kriterien, wonach wir uns entscheiden sollen. Da sagt er - Es gibt oft ethisch und unethisch. Bleibe ethisch. Und welche ethischen Prinzipien sind das? Zunächst ahimsa – nicht verletzen, satya – Wahrhaftigkeit, asteya – nicht stehlen, bramacharya – Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens und aparigraha – Unbestechlichkeit. Nicht bestechlich zu sein und auch nicht, andere zu bestechen. Das sind so die Grundsätze. So sollte man eben auch ethisch handeln, und nicht wegen kurzfristigen Erfolgs gegen ethische Prinzipien verstoßen, sondern die Ethik ist wichtig. Und dann sagt er auch, es gibt sattwig, rajasig und tamasig, also nicht egoistisch, sich nicht um die eigene Wichtigkeit zu erhöhen, das wäre rajasig – nicht daraus handeln. Aber auch nicht aufgeben, wenn es schwierig wird, das wäre tamasig. Sondern sattwig – es mit Liebe zu tun, mit Hingabe zu tun, so gut zu tun, wie man kann und dann loslassen. Und dann sagt er noch – Wenn du all das so machst, dann spüre noch, was sich konkret durch dich manifestieren will. Achte auf deine Svarupa und deine Prakriti. Das heißt, deine Talente, deine Fähigkeiten. Wenn du all das beachtet hast, dann höre auf dein Herz. Und er sagt das mit dem `auf das Herz hören´ an mehreren Stellen, aber er warnt auch immer davor, nicht nur Herz, denn Herz allein kann auch mögen und nicht mögen, es gibt Kränkungen usw. Sondern erstmal gilt es, das andere zu beachten und dann manifestiert sich letztlich die göttliche Führung als das `Innere Herz´. Und dann sagt er noch – Ganz sicher wirst du dir vermutlich oft nicht sein, was du machen sollst. Und das ist auch gut so. Bringe es Gott dar und lasse los. Und von einem höheren Standpunkt aus ist hinter allem die eine göttliche Wirklichkeit. Es gibt die eine Weltenseele. Und was in der Welt konkret passiert, was letztlich vom Standpunkt der Ewigkeit und der Unendlichkeit geschieht, was geschehen soll geschieht und wir sind nur Instrumente. Krishna gibt dem Arjuna an einer Stelle noch ein Vision der kosmischen Gestalt, wo Arjuna plötzlich in die Zukunft sehen kann und sieht, dass alles, was auf der Erde geschieht irgendwo im kosmischen Körper Gottes geschieht. Und das ist so eine wunderbare Analogie, an der wir uns auch orientieren können. Und so ist die Bhagavad Gita so wunderschön, weil sie alles dort hat. Philosophie, praktischen Handlungsanweisungen, eine Ethik, auch Tipps zur Meditation und vieles mehr.
Christoph Harrach:
Dieses war jetzt noch ein kleiner Ausflug zum Thema Jnana Yoga. Was können wir aus den Schriften lernen? Was in den Schriften geschrieben wird, kann man als spannende Geschichte sehen, aber da steckt sehr viel spirituelle Weisheit drin. Ich glaube, es lohnt sich auch, in die Schriften hineinzugucken sowie deine Kommentare, wie du das auch für die Menschen von heute Interpretierst, sind da sehr spannend. Ich glaube auch, dass, wenn man Aktivist ist und etwas Gutes bewirken will, sollte man sich auch immer wieder machen, wie du sagst: `Wenn ich Gutes will, dann kann es auch sein, dass andere es nicht so toll finden. Und in dieser Situation dann in Gleichmut zu bleiben – frei von Mögen und Nichtmögen, frei von Anerkennung und Lob. ´ Das ist ein wichtiges Prinzip, so glaube ich. Und auch Hindernisse und Krisen so zu sehen, dass man auch daran wieder wachsen kann.
Sukadev:
Ja, das ist so wichtig! Denn ich sehe es leider zu häufig, dass Menschen, die sich für das Gute einsetzen, irgendwann einmal enttäuscht sind – und die größte Enttäuschungen sind dann oft von den Menschen, auf die die Menschen gebaut haben. Sie haben mit jemand anderem etwas gemacht und der andere enttäuscht sie. Und wenn es dann noch weitere Kontras gibt, dann geben manche Menschen auf. So etwas sollte seltener passieren.
Vielleicht noch 2 Anmerkungen zum Thema Spiritual Leadership bzw. dem allgemeinem Leadership im gemeinnützigen Bereich: In diesen Bereichen scheitert es häufig daran, dass Menschen aus menschlichen Enttäuschungen aufhören. Und die menschliche Enttäuschung kann eben heißen, …
Hierzu ein Beispiel:
Es gab mal einen Journalist, der so getan hat, als ob er sehr wohlwollend ist und hat behauptet, er würde über etwas ganz anderes schreiben. Und hinterher hat er mich einfach nur reinlegen wollen. Dafür hat er sogar noch irgendeinen Preis bekommen. (Sukadev schmunzelt…) Somit ist der investigative Journalismus schon etwas Schweres und manchmal auch ein etwas bösartiger. Aber mit solchen Sachen wird man immer wieder konfrontiert werden. Und dabei nicht den Enthusiasmus zu verlieren, sondern auch das als eine wichtige Lernaufgabe zu sehen und deshalb auch nicht zynisch zu werden oder dadurch auch nicht an Menschen zu verzweifeln, das ist auch etwas wichtiges und da hilft dann eben auch die Bhagavad Gita.
Die Bhagavad Gita sagt hierzu:
`Du lernst an allen Erfahrungen und wachse daran, sei nicht verhaftet´. Und dann sieht man eben solche Situationen als Lernaufgaben und nicht als Zynismus und als große Enttäuschung. Die zweite Sache, die ich unter idealistischen Menschen finde, ist oft, sie haben eine sehr enge Vorstellung von Idealismus und sie streiten sich dann mit anderen, die nicht diesen Idealismus teilen. Und anstatt, dass man sich gemeinsam für die gute Sache einsetzt, zerstreitet man sich dann über kleine Sachen. Ich gebe mal ein Beispiel – bei uns im Haus. Ich bin ja überzeugter Veganer und ich meine, man sollte keine Milchprodukte zu sich nehmen. Ich halte es für unethisch, Milch zu sich zu nehmen, weil Milchprodukte nur da sind, wenn Kühe gefangen gehalten werden, Kälber von den Müttern getrennt werden und die Milchindustrie fast notwendigerweise mit der Fleischindustrie und damit mit der Schlachtung verbunden ist. Es gibt aber im Haus viele, die sagen `Ich will meine Milch´. Jetzt könnten wir uns im Haus wunderbar streiten, aber es gibt sehr viel mehr Fleischesser in Deutschland als Vegetarier und Laktovegetarier. Ich hab mal ausgerechnet, man müsste hundert Lactovegetarier zu Veganern inspirieren, um die gleiche Wirkung zu haben, als wenn man einen Fleischesser zum Vegetarier oder Veganer inspirieren kann. Und so ist es dann unsinnig, dort zu viel Energie zu verbrauchen und sich gegenseitig zu bekämpfen, anstatt gemeinsam etwas zu tun. Oder es gibt z.B. zwei Dutzend Heilpraktikerverbände. Und wenn man mit irgendwelchen Vorstandsmitgliedern irgendeines Heilpraktikerverbandes spricht, dann haben die immer Sachen etwas über einen anderen Heilpraktikerverband zu erzählen, den sie nicht so gut finden. Aber es gibt im Deutschen nur zwei Pharmaverbände. Wer wäre der Ansprechpartner der Politik? Warum gibt es so viele, warum können die ganzen Heilpraktikerverbände keinen Dachverband gründen? Und im Yogagebiet das Gleiche. Wer wäre der Ansprechpartner auf dem Yogagebiet? Und das finde ich so schade, dass man wegen kleiner Differenzen dann nichts zusammen machen kann. Und die Menschen, die idealistisch sind, ökologisch oder spirituell oder vegetarisch oder bio, wegen der kleinen Differenzen mehr bei sich sind, anstatt gemeinsam initiativ sind, um die gesamte Gesellschaft zu verändern. Vielleicht noch ein anderes Beispiel, das es mal gab. In irgendeiner Stadt gab es mal die Initiative, einen Veggie day einzuführen. Es gibt ja einige Städte, in denen das gelungen ist, obgleich die Bewegung etwas nachgelassen hat. Aber an einem Tag der Woche bieten die städtischen Institutionen und die öffentlichen und oft dann auch die Hälfte der Restaurants mindestens mehr diesbezüglich an und das ist dann gescheitert, weil der eine sagt `Es muss vegan sein´ und der andere sagt `nicht ganz´ und der nächste sagt dann nur `bio´ und der nächste sagt, `nee, es muss für alle sein´ und dann hat dazu noch jemand mit dem Bürgermeister gesprochen, der eigentlich nicht hätte sprechen dürfen und der andere hat sich übergangen gefühlt und das war das Ende des Veggie days. Das sind so überflüssige Dinge. Es ist so gut zu überlegen, was haben wir für gemeinsame Anliegen und sich dann auch bewusst darüber zu sein, dass jeder seine Inspiration hat, die er umsetzen kann und es wäre gut zu schauen, wie kann jeder seine Inspiration umsetzen und sie respektieren, auch wenn sie anders ist als sie selbst, soweit es insgesamt eine Verbesserung für die Welt ist und insgesamt ethischer ist, als das, was man normalerweise sehen würde. Und dann zu schauen, wie können wir unsere Kräfte bündeln im gegenseitigen Respekt und gemeinsam etwas bewirken. Das würde ich als etwas sehr Gutes ansehen. Dieses Jahr z.B. ist der Bundestagswahlkampf und da gibt es eine Menge von Parteien und auf dem ökologischen und grünen und spirituellen Gebiet gibt es so viele Parteien, die sich zum Teil überhaupt nicht grün sind. Und die mehr über sich selbst schimpfen anstatt, dass sie alle ihre Kräfte bündeln und sagen `Es mag sein, dass der eine nicht mehr grün genug ist und dass der andere nicht spirituell genug ist, aber es wäre doch schön, wenn man sich zusammen einigen könnte´. Und wenn die sich alle einigen könnten, vermute ich, gäbe es ein Wählerpotential von spirituell – grünen - ökologischen Menschen, das vielleicht sogar auf eine Mehrheit zugehen würde.
Christoph Harrach:
Das ist nochmal ein schöner Aspekt am Ende unseres Gespräches. Was du zuletzt gesagt hast, ist das, was ich aus dem integralen Yoga von Yoga Vidya, von Shivananda mitnehme. Das Zitat `Unity in diversity´, dass die Einheit immer wieder zu sehen ist in der Unterschiedlichkeit. Die Menschen sind Teil der Natur, die Natur ist sehr vielfältig und wir neigen dazu eher in den Schubladen und in den Abgrenzungen zu denken und Yoga, zumindest wie ich es auch von Dir gelernt habe, lehrt uns ja immer wieder, die Einheit zu fokussieren und ich glaube, das kann ein wichtiger Beitrag sein für die nachhaltige Entwicklung so wie du es sagst. Anstelle dass Veganern und Vegetariern sich streiten könnte man diese Kraft nutzen, das Tierwohl auf verschiedenen Ebenen voranzubringen. Ich glaube, das ist ein schöner Gedanke zum Schluss `Unity in diversity´ nochmal angewendet auf Aktivismus. Das ist glaube ich ein gutes Prinzip, wie man sich immer wieder prüfen kann. Wie sehr sehe ich die Einheit? Wir sehr bin ich an der Unterschiedlichkeit verhaftet.
Sukadev:
Dieser Gedanke ist ein sehr wichtiger. Und er ist in so vielerlei Hinsicht wichtig. Auch, davon auszugehen, dass der durchschnittliche Mensch es ja gut meint. Im Grunde meint es jeder Mensch irgendwo gut. Viele Menschen machen Dinge, die überhaupt nicht gut sind. Aber man kann sich trotzdem an das Gute im Menschen wenden. Das ist ja auch das schöne, was Mahatma Gandi gezeigt hat. Wenn man dies Yoga Prinzipien auch in den politischen Aktivismus hineinbringt, obwohl ich jetzt kein Spezialist dort bin, da bist du vielleicht etwas mehr damit vertraut, aber man kann diese Prinzipien – den Glauben an das Gute im Menschen und dass da irgendwo eine Liebe und ein Wunsch ist, der ein guter ist, den kann man in die Tat umsetzen und das ist besser als wenn man bekämpft. Mindestens in der Mehrheit der Fälle. Das ist meine Überzeugung und das Integrieren und das Gemeinsame und der Respekt vor anderen. Und dann geht es in eine gute Richtung.
Christoph Harrach:
Das war ein schöner Gedanke am Schluss – gemeinsam geht alles besser – und uns darauf zu fokussieren. Ich hoffe, dass die Leser eine `Inspiration for Impact´ oder nach dem Motto `Läuft die Konferenz´ bekommen. Eine Inspiration dafür - wie kann ich wirksamer sei? Und ich denke, da ist Yoga und eine spirituelle Grundhaltung ganz wichtig in dieser Zeit, in der wir leben und ich danke dir, Sukadev, dass du dir die Zeit genommen hast für diesen talk und ich danke dir für diesen großen Beitrag, den du aus meiner Sicht für diese Bewegung bisher geleistet hast und ich hoffe, dass du noch ganz viele Inspirationen für `Impact´ in der Zukunft geben wirst. Vielen Dank Sukadev.
Sukadev:
Ich danke dir, Christoph, und dem ganzen KarmaKonsum Team. Ihr habt seit 10 Jahren eine Menge bewirkt - und so auch alles Gute für die nächsten 10 Jahre und auch alles Gute für alle Leser, dass auch ihr irgendwo das Vertrauen habt - etwas will durch Euch hindurch wirken. Und vielleicht wirkt es schon, vielleicht wird es auf vielerlei Hinsicht noch mehr wirken und ihr könnt die Kraft bekommen. Meine Erfahrung ist immer, wenn man sich für die gute Sache einsetzt und sich dann öffnet für Segen und dann vielleicht auch etwas macht, dass man selbst die Kraft weiter hat, ist es ein erfüllendes Leben. Ein Leben für andere und ein Leben für eine gute Sache ist ein inspirierendes und ein erfüllendes Leben.