Manonmani
Manonmani (Sanskrit: मनोन्मनी manonmanī f.) der Zustand (Avastha) "des Geistes (Manas) jenseits des Geistes (Unmani)".
Manonmani in der Hatha Yoga Pradipika
Eine Definition des Manonmani genannten Zustandes wird im 42. Vers des 2. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika gegeben: Es ist der Zustand der völligen Bewegungslosigkeit (su-sthirī-Bhava) bzw. das auf einen Punkt Ausgerichtetsein des Geistes (Manas): manaḥ-su-sthirī-bhāvaḥ.
Im 3. Vers des 4. Kapitels führt Svatmarama den Begriff Manonmani neben Unmani, Rajayoga, Samadhi und Turya als eines der 16 gebräuchlichsten Synonyme für den "höchsten Zustand" (param padam, Para Pada) auf.
Nadis, Kundalini Erweckung und Manomani
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -
Kommentar zum 4. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika (Das Licht auf Hatha Yoga, geschrieben von Svatmarama) ab Vers 17
Hatha Yoga Pradipika will uns zu intensiven Praktiken inspirieren, um unser wahres Selbst zu verwirklichen.
17. Vers:
Sonne und Mond, so sagt man, bestimmen Tag und Nacht. Sushumna, sagt man, verschlucke die Zeit. Dies ist ein großartiges Geheimnis.
Surya (die Sonne) und Chandra (der Mond), Chandra massau ist auch der schimmernde Mond. Da ist wieder ein gewisses Wortspiel: Manas ist auch der Geist, und Chandra ist der Mond – massau ist schimmernd, hat aber auch etwas mit dem Geist zu tun. Surya und Chandra – Sonne und Mond und damit aktive und passive Energie, männlich und weiblich, nach außen und nach innen gehend – die erschaffen die Zeit (Kala).
Diese Zeit ist verbunden mit Rathrindiva, also durch Nacht und Tag, und damit natürlich Vergehen und Entstehen. In dieser Welt sind wir in der Dualität, und diese Dualität ist Surya und Chandra, Tag und Nacht. Das hat natürlich wiederum etwas zu tun mit Ida und Pingala, und auch mit Sonnenzentrum und Mondzentrum. So gibt es letztlich immer wieder Dualität.
Es ist wichtig, dass du das verstehst: In dieser Welt ist Dualität. Es wird nicht immer so sein wie du es gern hättest. Die Beziehungen zu Menschen sind mal schöner und mal weniger schön. Mal hast du mehr und mal weniger Inspiration. Mal willst du nach außen gehen, mal nach innen. Mal geschieht Schönes, mal weniger Schönes usw. Aber du kannst diese Kala, diese Zeit, diese Dualität überwinden, indem du die Sushumna öffnest. Ist die Sushumna geöffnet, dann hast du die Zeit überwunden. Das ist für andere nicht so einfach nachvollziehbar und deshalb ist es Guha, ein Geheimnis.
Hier wiederholt sich Svatmarama. Bestimmte Dinge sagt er immer wieder, obgleich die Hatha Yoga Pradipika nicht viele Verse hat. Dass er das immer wieder betont soll heißen, wie wichtig auch die Einstellung zu Hatha Yoga ist, und soll auch zeigen, wie wichtig es ist, uns das immer wieder vor Augen zu führen. Es ist so einfach, immer wieder vom spirituellen Weg abzukommen und sogar Hatha Yoga und Meditation nur noch mechanisch zu üben; oder sich so viel Sorgen zu machen, wie einen andere Menschen sehen; oder auch was geschieht, was nicht so Schönes passiert usw. So schnell sind wir wieder in der Dualität, da ist es immer wieder wichtig, uns bewusst zu machen, dass es etwas jenseits der Dualität gibt. Es gibt einen Zustand, der Niramanda ist, der bedingungslos ist und nichts braucht, und diesen erreichen wir, indem wir unser Prana in die Sushumna bringen.
18. Vers:
Es gibt 72000 Nadis in diesem Körperkäfig. Sushumna ist die mittlere Nadi, und dort gibt es Shambavi Shakti, die wohlwollende Energie. Diese hat die besondere Eigenschaft, den Yogi mit Freude zu erfüllen. Die anderen Energiekanäle wie Ida und Pingala sind nicht von großem Nutzen. Die restlichen sind wertlos.
Hier spricht Svatmarama von den 72000 Nadis (Dvasaptatisahasra). Es gibt verschiedene Schriften, die die Anzahl der Nadis manchmal unterschiedlich beschreiben. Diese Nadis sind letztlich dvarhani (Tore) für Prana, für die Lebensenergie. Es gibt dort insbesondere den Hauptenergiekanal, die Sushumna. Sushumna gehört zu Shambho, ist also Shambhavi. Shambhavi hat mehrfache Bedeutungen. Zum einen gehört Sushumna zu Shambho, und Shambho ist Shiva, das heißt: führt uns zu Shiva und damit zum Göttlichen, zur Erleuchtung. Shambhavi heißt aber auch die Glücksverheißende, die Gütige, die Liebevolle, und so ist Sushumna diejenige, die uns zur Güte führt, die Glücksverheißende. Und dort ist die Shakti, die kosmische Energie. Dann sagt er, diese ist wichtig, Sushumna ist wichtig – dort ist Shambhavi Shakti.
Dann sagt er: Shisha (die Übrigen) sind gewiss (eva) nirarthaka – so gut wie ohne Zweck und nutzlos. Er macht es hier etwas radikal, denn er hat ja vorher schon gesprochen, wozu es gut ist, die Sonnenenergie und die Mondenergie zu aktivieren, wie gut es ist, die verschiedenen Übungen zu machen um verschiedene Siddhis (außergewöhnliche Kräfte) zu bekommen. Er hat davon gesprochen, wie wir mit den Hatha Yoga Übungen gesund werden, die Amas (Unreinheiten) eliminieren, wie wir unsere Doshas ins natürliche Gleichgewicht bringen usw. Er hat uns also in den vorherigen Versen vieles versprochen, auch dass es mit Hatha Yoga durchaus möglich ist, sowohl Bhoga als auch Mukti zu bekommen, Vergnügen wie auch Befreiung.
Er hat also schon vieles gesagt, aber hier bringt er es noch einmal auf den Punkt: Eigentlich geht es darum, Samadhi zu erlangen, und das erreichst du, wenn das Prana in die Sushumna geht. Alles andere ist eigentlich Niraretakar, so gut wie nutzlos.
19. Vers:
Durch das Bewahren des Pranas, zusammen mit dem Erwecken der Schlangenkraft, durch das Feuer, tritt der Lebenshauch in den Hauptenergiekanal ohne Widerstand ein.
Swami Vishnu übersetzt es so: Jener, der Meister ist im Zurückhalten des Atems, und dessen Feuer im Magen entzündet ist, sollte Kundalini erwecken und in die Sushumna bringen.
Svami Vishnu hat also gesagt, dass es verschiedene Schritte gibt. Zuerst sollte man Pranayama üben, also Atemübungen machen. Man sollte Vaju pareja, also lernen das Prana zu beruhigen, den Atem zu beruhigen und zu kontrollieren. Dann gilt es, Agni zu beherrschen, das Feuer muss entzündet werden. Mit diesem Feuer kann man dann Kundalini erwecken (brodha). Und dann bringt man letztlich das Prana in die Sushumna, und das geschieht dann ganz natürlich und fast von selbst (anirhodata – ohne besondere Anstrengung).
Übe also Pranayama. Wenn du das tust gibt es eine Phase, wo Agni stark wie Feuer wird. Dann bringe dieses Feuer mit deinem Bewusstsein ins Muladara Chakra. Dann ziehe es nach oben, und wenn wir durch dieses Feuer die Sushumna öffnen wird die Kundalini erwachen und dann kommst du ohne Anstrengungen in höhere Bewusstseinsebenen.
20. Vers:
In der Übersetzung von Swami Vishnu: Gelangt das Prana in die Sushumna, folgt der Manomani-Zustand von selbst. Andere Wege sind bloß nutzlose Bemühungen seitens des Yogi.
Hier sagt er wiederum: Wie kommst du zu Manomani? - Indem du das Prana in die Sushumna bringst.
Manomani ist der Zustand der Ruhe des Geistes. Manas ist Geist, Manonmani (so sagt man eigentlich, aber es wird manchmal abgekürzt als Manomani) ist der Zustand der Ruhe des Geistes, oder jenseits des Geistes. Wie kommst du in diesen Zustand der Ruhe des Geistes? - Indem du Prana fließen lässt (Vahini) in die Sushumna. Dann folgt Siddhi (der Erfolg) in Manonmani. Alles andere ist letztlich nutzlos.
Es gibt, wie ich es in einem anderen Vortrag schon gesagt habe, natürlich verschiedene Weisen, wie du die Gottverwirklichung erreichst. Svatmarama sagt, du erreichst Gottverwirklichung, wenn du Prana in die Sushumna hinein bringst.
Zusammenfassung dieser Phase:
- Lerne es, dein Prana zu beherrschen.
- Bringe Prana ins Muladhara Chakra.
- Öffne die Sushumna.
- Lass Prana durch die Sushumna nach oben fließen.
- Lass Prana zu Agni (Feuer) werden.
- Erwecke so die Kundalini.
- Ziehe dann die Kundalini nach oben zum Brahmarandra.
- Dann erreichst du Manonmani (vereinfacht Manomani) – Ruhe des Geistes, Samadhi, Befreiung.
Du findest die gesamte Hatha Yoga Pradipika auch auf unserem Hatha Yoga Pradipika Portal. Es gibt auch regelmäßig 9-tägige Weiterbildungen für Yogalehrer zu Hatha Yoga Pradipika, wie auch zu den anderen Schriften des Hatha Yoga wie Goraksha Shataka, Shiva Samhita und Gheranda Samhita.
Zum Abschluss rezitiere ich noch den 20. Vers, mit seiner wunderschönen Bedeutung und dessen Sanskrit-Verse ihre eigene Schönheit haben:
- sushumna vahini prane sidhyaty eva manonmani
- anyatha tv itarabhyasah prayasayaiva yoginam
- Om Om Om
Video - Nadis, Kundalini Erweckung und Manomani
Weblinks
Literatur
- Sukadev Bretz: Meditieren lernen in 10 Wochen - Übungsbuch mit MP3-CD
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Pfad zur Gelassenheit
- Sukadev Bretz: Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Sukadev Bretz: Die Kundalini Energie erwecken
- Swami Vishnudevananda:Das große illustrierte Yoga Buch
- Swami Sivananda: Samadhi Yoga
Siehe auch
- Manoja
- Manoratha
- Manorama
- Manohara
- Manomaya Kosha
- Manasa
- Amanaska
- Ekagrata
- Goraksha Shataka
- Absoluter Lokativ
Seminare
Yogalehrer Ausbildung
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