Egoistische Liebe

Aus Yogawiki

Egoistische Liebe ist eine Liebe, die besonders die eigene Befriedigung sucht. Der egoistisch Liebende liebt den anderen in dem Maße, in dem er sich einen Vorteil davon verspricht oder Bewunderung erhält. Man kann die Frage stellen, ob egoistische Liebe wirklich Liebe ist.

Ist egoistische Liebe überhaupt Liebe?

Ist egoistische Liebe überhaupt Liebe? Wie man diese Frage beantwortet, hängt davon ab, wie man Liebe definiert. Wenn man Liebe als uneigennütziges Gefühl, das den anderen in den Mittelpunkt stellt, definiert, dann wäre egoistische Liebe ein Widerspruch in sich. Wenn man jedoch Liebe definiert als ein Gefühl der Zuneigung, der Verbundenheit, dann kann es sehr wohl egoistische Liebe geben: Man mag den anderen, weil es seinem Ego gut tut. Man mag den anderen insoweit man dadurch eigene Vorteile hat.

Egoistische Liebe als Liebe für eigene Befriedigung

Egoistische Liebe kann man sehen als Liebe für die eigenen Befriedigung. Man liebt den anderen, weil der andere einem hilft, ein Bedürfnis zu befriedigen, sich gut zu fühlen. Die menschliche Psyche ist komplex. Eine Dimension menschlichen Denkens und Fühlens ist Mögen-Nicht Mögen beruhend auf Vergnügen-Schmerz. Man mag das, was einem Vergnügen bereitet. Ein Mensch, der einem Vergnügen bereitet wird gemocht, geliebt. Der Mensch wird jedoch nicht um ihn selbst willen geliebt, sondern insoweit als er einem Vergnügen bereitet. Solche egoistische Liebe kann durchaus eine starke Liebe sein. Und wenn wahrgenommen wird, dass der andere einem kein Vergnügen mehr bereitet, kann daraus auch heftige Ablehnung, Ärger, Zorn oder auch Trauer die Folge sein.

Wenn du jemanden gemocht hast, und diese Liebe in ihr Gegenteil umschlägt, frage dich: War meine Liebe zu diesem Menschen eine egoistische Liebe oder wahre Liebe? Typischerweise schlägt vor allem die egoistische Liebe um in ihr Gegenteil.

In diesem Sinn hat die Liebe von fast jedem Menschen meist auch etwas Egoistisches. Das ist ganz natürlich und in keinster Weise verwerflich. Sehr häufig beruht Liebe eben auch darauf, dass man durch den anderen sich wohl fühlt, Befriedigung erfährt. Hierfür kann es wiederum verschiedene Gründe geben.

Egoistische Liebe als Liebe für eigenen Vorteil

Ein Mensch kann dem anderen einen Vorteil verschaffen. Daraus kann Liebe entstehen, egoistische Liebe. Ein Lieferant kann einem Einkäufer gute Konditionen geben. Dadurch hat der Einkäufer Erfolg in seiner Firma. So mag dieser Einkäufer den Lieferanten, und entwickelt ein Gefühl der Liebe. Auch in der Wirtschaft sind die Menschen mit ihren Gefühlen. So kann egoistische Liebe auf einem materiellen Vorteil beruhen. Oder die Erbtante unterstützt den Neffen bei der Eröffnung eines eigenen Naturkostladens. Dadurch entwickelt der Neffe eine vorher nicht gekannte Zuneigung zu der Erbtante. Auch das ist eine Form der egoistischen Liebe. Natürlich gibt es auch ein so-tun-als-ob. Aber gar nicht mal selten entwickeln Menschen eine Liebe für denjenigen, der ihnen einen Vorteil verschafft. Auch diese Art der egoistischen Liebe kann weiter entwickelt werden zu einer echten Liebe.

Egoistische Liebe für Steigerung des Selbstwertgefühls

Jeder Mensch braucht Bestätigung von anderen. Und wenn jemand einem Wertschätzung entgegenbringt, Komplimente macht, dann entwickelt man eine Form der Liebe zu diesem Menschen: Liebe beruht auf Zuneigung, auf Herzensverbindung, Herzensöffnung. Die einfachste Weise mit jemandem ein Gefühl der Verbundenheit zu bekommen, ist ihm ein Kompliment zu machen, Anerkennung zu zeigen. Wenn die Liebe dann darauf beruht, dass das eigene Selbstwertgefühl erhöht wird, ohne dass man bereit ist für den anderen etwas zu tun, dann ist das egoistische Liebe.

Menschen, die auf der Bühne große Wirkung entfalten, ob als Musiker, als Schauspieler, Redner, Politiker, Comedians, Yogalehrer, spiritueller Lehrer, brauchen oft die Liebe des Publikums, um das Charisma zu bekommen. Wenn sie ihre Zuhörer und Schüler nur deshalb lieben, weil sie sich so im Bad der Menge bewundert fühlen, ist das egoistische Liebe. Eine solche Bewunderung stärkt das eigene Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Dies führt zu einer Liebe zu denen, die einem Bewunderung entgegen bringen. Jedoch kann aus dieser ursprünglich egoistischen Liebe eine echte Liebe entstehen, die sich vom Herzen darum bemüht, anderen Gutes zu tun.

Umgekehrt kann aber auch aus einer ursprünglich uneigennützigen Liebe egoistische Liebe werden: Ursprünglich wollte man anderen Gutes tun. Dann spürt man, wie großartig es ist, Anerkennung von anderen zu bekommen, im Mittelpunkt zu stehen und so im Prana, der Lebensenergie der Menge zu sein. Dann kann sich die Motivation ändern: Man will nicht mehr hauptsächlich Gutes tun, sondern lechzt nach der Anerkennung der anderen - und handelt jetzt aus dieser Art von egoistischer Liebe.

Egoistische Liebe als verletzte Liebe

Egoistische Liebe kann auch aus verletzter Liebe kommen: Vielleicht war ursprünglich eine Liebe da, die für den anderen oder für die anderen da war. Normalerweise ist Liebe auch ein Resultat von Geben und Nehmen. Wenn jemand das Gefühl hat, er hat viel gegeben, ohne etwas bekommen zu haben, dann kommt das Gefühl: Jetzt bin ich mal dran. Seine Liebe wird egoistisch - er mag das, was ihm Vorteil verschafft. Das ist in Politik, im Sozialen, im gemeinnützigen Engagement gar nicht so selten: Jemand engagiert sich z.B. in der Kommunalpolitik, wird Sozialarbeiter, gründet einen gemeinnützigen Verein, ein Bürgerinitiative, aus Liebe zu einem guten Zweck. Dann fühlt er, dass er nicht die richtige Unterstützung erfährt, er erfährt Widerstand, Undank. Dann fragt er sich: Warum mache ich das überhaupt? Und er fängt an, seinen eigenen Vorteil zu suchen. Uneigennützige Liebe wandelt sich in egoistische Liebe.

Als spiritueller Aspirant, der Liebe entwickelt, um Gott zu erfahren, die Erleuchtung zu erlangen, gilt es immer wieder, Introspektion zu üben: Inwieweit ist meine Liebe bedingungslose Liebe? Inwieweit ist sie schon mehr zur egoistischen Liebe abgerutscht. Egoistische Liebe ist hier nichts Schlechtes - aber es gilt niedere Liebe zu transformieren in höhere Liebe.

Egoistische und uneigennützige Liebe als zwei Pole

Letztlich sind egoistische Liebe und uneigennützige Liebe zwei Pole. Außer beim Heiligen, beim Erleuchteten, hat Liebe immer Elemente von Egoismus und Uneigennützigkeit. Selbst die Befriedigung, das gute Gefühl, sich gut zu fühlen, wenn man jemandem etwas Gutes getan hat, von dem er überhaupt nichts weiß, kann das Ego füttern. Und man kann beginnen, Gutes zu tun, um dieses großartige Gefühl zu bekommen. Und selbst wenn die Zuneigung zu einem anderen nur kommt, weil der andere einem ständig hilft, kann die Grundlage für Dankbarkeit, für Liebe werden, die irgendwann beginnt, dem anderen Gutes tun zu wollen.

Ein spiritueller Aspirant kann schauen, in welchem Mischungsverhältnis bei ihm in den diversen Beziehungen und Kontexten egoistische Liebe und uneigennützige Liebe gemischt sind. Wenn man sich das mit offenen Augen ohne zu starke Bewertung anschaut, kann man schrittweise egoistische Liebe in uneigennützige Liebe umwandeln.

Letztlich ist jede Liebe, auch die egoistische Liebe, die bedingte Liebe, eine Form von Liebe. Und Liebe ist das tiefste und höchste Gefühl, das ein Mensch haben kann. Letztlich ist jede Liebe eine Manifestation der Gottesliebe. Jede Liebe ist Ausdruck der Verbundenheit aller Menschen. Auch wenn Zuneigung und Liebe in einem konkreten Fall auf eigenem Vorteil beruhen, sind sie dennoch Manifestation der reinen Liebe. Wenn man vermeidet, unrealistische Ansprüche an sich und andere zu stellen, vermeidet man, scheinbar negative Anteile in den Schatten zu schieben. Die Spiritualisierung von allem, die Verwirklichung, dass alles Ausdruck des Göttlichen ist, ist eine der Aufgaben eines spirituellen Aspiranten. Kein Schwarz-Weiß-Denken, kein Gut-Böse-Denken führt einen zur Erfahrung reiner Liebe und Einheit. Vielmehr die Transformation von allem in das Göttliche ist das, was zur Erfahrung der Einheit, der Wahrheit führt.

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