Leid
Als Leid bezeichnen wir etwas, das uns körperlich oder seelisch belastet, Krankheit, Kummer, Sorge, Schmerz, Angst, Verlust. Man kann lernen, Leid als eine Grunderfahrung des menschlichen Daseins zu akzeptieren. Man kann auch lernen, sich vom Leid zu lösen und mehr Freude zu erfahren.
Leid als Grunderfahrung des Daseins
Leid wird als eine Grunderfahrung unseres menschlichen Daseins erlebt. Durch unsere Bewertung von Gefühlen, Gedanken und Ereignissen erfahren wir Leid und dies bedeutet, dass jeder Mensch eine andere Erfahrung von Leid macht. Das Erfahren von Leid entsteht durch die Bindung an die Welt und die Welt unterliegt einem ständigen Wandel.
Oft werden Krankheit, Schmerzen und Alter als leidvolle Zeit bezeichnet oder das Nichterfüllen von Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten. Auch Zwänge und soziale Gruppierungen werden mit dem Begriff Leid in Verbindung gebracht, ebenso Leidunterworfenheit oder Unbefriedigtsein.
Was ist der Sinn von Leid? Was können wir daraus lernen und wie können wir Leid überwinden, das sind Fragen, mit denen sich die verschiedenen Religionen beschäftigen. So wurde Leid in manchen Ausprägungen des Christentums als Strafe Gottes verstanden, und Jesu Leid steht dort für die Erlösung. Im Islam werden die Gläubigen durch Leid geprüft, durch ertragenes Leid können Sünden abgetragen werden.
Leid in den östlichen Religionen
Im Buddhismus, Hinduismus und anderen Religionen mit dem Glauben an Karma und Wiedergeburt spielt Leid eine zentrale Rolle. Hier wird gelehrt, dass menschliches Leben stets Leid bedeutet, weil auch glückliche Augenblicke enden und der Verlust dieses Glücks wiederum Leid bedeutet. Das Konzept von Karma ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, es erklärt Leid als die Folge früherer Handlungen. Alles, was wir in der Gegenwart erleben, haben wir durch unsere Handlungen selbst erschaffen. Alles, was wir in der Zukunft erleben werden, schaffen wir jetzt. Wir haben es also selbst in der Hand, wie unsere Zukunft aussieht und sollten entsprechend Verantwortung für unser Leben übernehmen. Leid soll für uns keine Strafe sein, sondern eine Lernaufgabe.
Leid entsteht auch durch Anhaftung, durch Festhalten von Dingen und Menschen, durch das Sträuben gegen Veränderungen, die doch zum Leben dazugehören. Leid entsteht durch mangelnden Gleichmut bei Zu- und Abneigung gegen Dinge oder Situationen. Leid entsteht durch das Hoffen auf die Früchte der eigenen Handlungen, wie es in der Bhagavad Gita heißt. Wenn ich bei der Arbeit auf ein Lob vom Chef, auf eine Beförderung hoffe und in dieser Hinsicht enttäuscht werde, dann ist dies für mich eine leidvolle Erfahrung. Besser ist es, sich zu sagen, dass man seine Arbeit so gut wie möglich macht und die Früchte Gott opfert. So kann man sich in Gleichmut schulen.
Auch die Furcht vor Krankheit und Tod verursacht Leid und führt dazu, dass Menschen schon ihr gegenwärtiges Leben nicht mehr genießen können, auch wenn sie vielleicht noch kerngesund sind.
Patanjali beschreibt in den Raja Yoga Sutras, dass alles Leid durch die Kleshas verursacht wird. Durch die yogischen Techniken zur Überwindung der Kleshas werden wir frei von Leid.
Leid steht auch als zentraler Begriff in Buddhas Lehre (Siddhartha Gautama: Anuradha Sutta [SN 44,2]) „Nur eines lehre ich, jetzt wie früher: Das Leiden und das Ende des Leidens.“
Warum Gott Leid zulässt
Warum Gott Leid zu lässt ist eine Frage, die sich Menschen immer wieder stellen. Als Mensch kann diese Frage nicht wirklich beantwortet werden, denn wir sind eben Menschen und nicht Gott. Es gibt aber verschiedene Analogien, die vielleicht gewisse Antworten auf diese Frage geben.
Antworten aus dem Yoga-Vedanta
Aus der Sichtweise des Yoga-Vedanta ist die Welt dafür da, damit wir (spirituell) wachsen. Wir wachsen durch Erfahrungen, durch spirituelle Praktiken und wir wachsen durch Herausforderungen und Leid. Wenn du auf dein Leben zurück siehst und dir die Frage stellst, wann du besonders gewachsen und auf dem spirituellen Weg besonders voran gekommen bist, war es vielleicht auch in Zeiten mit besonderem Leid.
Wachstum durch Leid
Es sind nicht wenige Menschen, die in Zeiten von Krankheit, durch einen menschlichen Verlust und durch große Enttäuschungen auf den spirituellen Weg gekommen. Manche Menschen fühlten sich zu selbstsicher und wurden durch die Erfahrung von Leid demütiger. Andere waren zu materialistisch ausgerichtet und wurden durch Leiden „aufgerüttelt“.
Leiden als Test und zur Entwicklung
Andere wiederum sind sich ihrer Spiritualität sehr sicher und „Leiden“ kann helfen, diese zu testen und manche Menschen müssen einfach durch Leiden hindurch kommen. Es heißt, Jesus hätte gesagt, „Übles“ muss kommen und „wehe dem, durch den es geschieht.“ Derjenige, der willentlich anderen Leid zufügt, der schafft sich ein Karma und wird die Resultate der Handlungen erfahren. Leid gehört zur Entwicklung des Menschen.
Die fünf Untergesetze des Karmas
Der Begriff „Karma“ beschreibt unter anderem das Gesetz von Ursache und Wirkung und Karma besagt, dass wir durch unsere Erfahrungen wachsen und durch die Ereignisse lernen. Das Leben stellt uns vor Aufgaben und Herausforderungen, die es gilt, zu erfüllen. Zu den fünf Untergesetzen gehören die „direkten Gesetze“. Die Auswirkungen von dem, was wir direkt tun, wie wir mit anderen kommunizieren und mit unserer Gesundheit umgehen, wird und uns auf direktem Weg gezeigt. Es gibt Leid, damit wir erfahren können, dass unsere Handlungen Konsequenzen haben. Das soll verhindern, dass wir verantwortungslos sind und unser Leben so leben, wie es uns in den Kopf kommt. Es geht darum höchst bewusst und gesund zu leben sowie „geschickt“ zu kommunizieren. Zudem sollen wir uns unseren Unterhalt ehrlich verdienen und es braucht Konsequenzen, wenn wir es nicht tun.
Die Kraft der Gedanken
Das zweite Untergesetz ist das der Gedankenkraft, was besagt, dass was immer du denkst Kräfte hat. Hast du negative Gedanken, zum Beispiel über andere, oder was dir alles geschehen kann, oder was du nicht kannst, dann hat das auch Einfluss auf dich. Und in diesem Zusammenhang gibt es Leid, damit du merkst, welche Wirkung deine Gedanken haben und du dich bemühst, positiv zu denken.
Das Gesetz der Kompensation
Das Gesetz der Kompensation kann trefflich mit dem Spruch „was du nicht willst, was man dir tu, das füge auch keinem anderen zu“ beschrieben werden. Oder auch: „das Gesetz der goldenen Regel“, was nicht nur ein Handlungskonzept ist, sondern auch ein Gesetz des Karma. Fügst du einem anderen Menschen willentlich Leid zu, weil es dir Spaß macht, oder um einen Vorteil zu haben, dann verstößt du gegen das natürliche Gesetz der Liebe, Verbundenheit und Kooperation. Warum lässt Gott Leid zu? Damit du selber erfahren kannst, was es bedeutet zu leiden und dadurch einem anderen beim nächsten Mal kein Leid zufügst.
Das Gesetz der Evolution
Das vierte Gesetz des Karmas ist das der Evolution welches besagt, dass wir hier sind, um zu wachsen und es einen „Lehrplan“ für uns gibt. Eine Analogie dafür wäre der Mathematik Lehrer, der es zulässt, dass die Kinder sich in der zweiten und dritten Klasse mit dem kleinen und großen Einmaleins „herumplagen“. Der Lehrer könnte doch mitfühlend sein und es sein lassen. Aber natürlich macht der Lehrer oder die Lehrerin dass nicht um die Kinder zu „quälen“, sondern damit die Kinder etwas lernen. Das Gesetz der Evolution besagt das wir einen Lehrplan haben und auf diesem steht, dass wir wachsen sollen. Und wachsen tun wir auch durch leidvolle Erfahrungen sowie durch glückliche Erfahrungen, durch Enttäuschungen und der Erfahrung von wunderbarem Glück.
Die Gnade Gottes
Das fünfte Untergesetz ist das der Gnade Gottes. Es gibt auch die Gnade Gottes und manchmal greift Gott in das Leben ein und manchmal lindert er das Leid weil wir beten und uns öffnen. Manchmal verschwindet das Leid, auch wenn es physisch ist, weil wir Gott spüren. Wenn wir Gott erfahren spielt alles Leid keine Rolle. Wenn wir jedoch merken, dass wir ein zu starkes Ego haben, oder zu arrogant sind, oder merken, wir haben irgendwelche Sicherheiten, dann bitten wir Gott uns diese Sicherheiten zu nehmen, damit diese Arroganz überwunden werden kann. Dann bringt dir Gott äußeres leid, damit du schneller wächst.
Leid, damit wir spirituell wachsen
Gott lässt Leid zu, damit wir spirituell wachsen können. Gott will uns damit helfen, ihn, sie, es zu erfahren und das geht auch durch Leid.
Chidananda - deine wahre Natur ist Sein, Wissen & Glückseligkeit
Siehe auch
Literatur
- Sukadev Bretz, Die Yoga-Weisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Sukadev Bretz, Die Yoga-Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute, Bd. 1
- Audio CD Tiefenentspannung
- Sukadev Bretz, Karma und Reinkarnation
- Kurt A. Richter, Sich ändern statt ärgern
Weblinks
- Karma-Portal: Umgang mit Schuld, Unrecht,Leid und Sühne
- Unwissenheit und Leid ist die Bestimmung der Hölle Bhagavad Gita XVI.21
- Leid, Geburt, Tod, Alter, Krankheit und Schmerz , Bhagavad Gita XIII.8
- Meditation für Gleichmut