Gegenwärtigkeit
Gegenwärtigkeit - bedeutet, ganz im Hier und Jetzt zu leben – frei von Vergangenheit und Zukunft, in wacher Präsenz und bewusster Verbindung mit dem göttlichen Sein.
Gegenwärtigkeit – das Tor zur Bewusstheit und inneren Freiheit
Was bedeutet Gegenwärtigkeit aus Yoga- und Vedanta-Sicht?
In der Yoga Philosophie und im Vedanta ist Gegenwärtigkeit kein flüchtiger Moment, sondern ein Zustand erhöhter Bewusstheit, in dem der Geist frei von Ablenkung und Identifikation mit Gedanken ist. Sie bedeutet, das Leben unmittelbar zu erfahren, ohne Filter des Egos, ohne Bewertung und ohne Trennung von dem, was ist.
Im Sanskrit wird dieser Zustand oft mit Begriffen wie „Sakshi Bhava“ – die innere Zeugenhaltung – oder „Chit“, reines Bewusstsein, beschrieben. Das Selbst (Atman) ist immer gegenwärtig – es lebt jenseits von Zeit, Vergangenheit und Zukunft.
- „Gegenwärtigkeit ist das Bewusstsein, das allem zugrunde liegt. Wenn du vollkommen präsent bist, bist du frei.“ – Vedanta-Lehre
Im Yoga Sutra von Patanjali (1.2) heißt es: „Yogas chitta vritti nirodhah“ – Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist. Wenn der Geist still wird, offenbart sich das Jetzt – die reine Gegenwärtigkeit.
Die Essenz der Gegenwärtigkeit
Gegenwärtigkeit ist mehr als Achtsamkeit – sie ist das Bewusstwerden des Seins selbst. Der gegenwärtige Moment ist das einzige, was wirklich existiert. Vergangenheit ist Erinnerung, Zukunft ist Vorstellung – das Jetzt ist Realität.
Im Vedanta wird gelehrt, dass Brahman – das Absolute – ewig gegenwärtig ist. Wenn der Mensch sich dessen bewusst wird, erkennt er:
- „Ich bin das Bewusstsein, das in allem wirkt. Ich war nie getrennt.“
So ist Gegenwärtigkeit die Brücke zwischen der individuellen Erfahrung und der universellen Wahrheit.
Gegenwärtigkeit im Yoga – Praxis und Erfahrung
Im Yoga ist Gegenwärtigkeit ein zentrales Ziel aller spirituellen Übungen:
- In der Asana-Praxis bedeutet sie, jede Bewegung und jeden Atemzug bewusst zu spüren.
- Im Pranayama lenkt man den Geist in den Atemfluss – die Energie des gegenwärtigen Moments.
- In der Meditation löst man sich von Gedanken und tritt in den Raum stiller Bewusstheit ein.
- Im Karma Yoga – dem Yoga des Handelns – übt man, jede Handlung mit voller Präsenz, ohne Anhaftung an das Ergebnis, auszuführen.
Swami Sivananda lehrte:
- „Handle, als wäre jeder Moment ein heiliger Akt. In Gegenwärtigkeit liegt die göttliche Kraft des Lebens.“
So wird [1] zu einem Weg, vom Tun ins Sein zu gelangen.
Was sagen spirituelle Meister über Gegenwärtigkeit?
Ramana Maharshi
Der große Vedanta-Meister Ramana Maharshi lehrte, dass Gegenwärtigkeit identisch mit dem Selbst (Atman) ist.
„Bleibe still. Wende dich nach innen. Das Jetzt ist das Selbst – unveränderlich, ewig und vollkommen.“
Seine Lehre der Selbstbefragung (Atma Vichara) – „Wer bin ich?“ – führt direkt in den gegenwärtigen Moment, in dem das Ego verschwindet und reines Bewusstsein bleibt.
Eckhart Tolle
Der moderne spirituelle Lehrer Eckhart Tolle beschreibt Gegenwärtigkeit als das Erwachen aus dem Denken:
- „Wenn du im Jetzt bist, bist du frei vom Leiden, denn Leiden existiert nur in der Zeit.“
Er sieht Gegenwärtigkeit als Tor zum inneren Frieden, zur Akzeptanz und zum Einssein mit der Lebensenergie.
Swami Sivananda
Swami Sivananda betonte die spirituelle Bedeutung von Achtsamkeit und Momentbewusstsein:
- „Vergiss die Vergangenheit, sorge dich nicht um die Zukunft – lebe im göttlichen Jetzt. Das Jetzt ist das Tor zur Ewigkeit.“
Er lehrte, dass nur im Zustand der Gegenwärtigkeit das Herz offen ist und die göttliche Gnade frei fließen kann.
Sri Ramakrishna
Der Heilige von Dakshineswar sagte:
- „Gott ist immer gegenwärtig – doch wir suchen Ihn in der Ferne. Wenn der Geist still ist, offenbart Er sich im eigenen Herzen.“
Für Ramakrishna ist Gegenwärtigkeit die Erfahrung Gottes im Hier und Jetzt, jenseits von Ritualen und Konzepten.
Wie kann man Gegenwärtigkeit im Alltag kultivieren?
- 1. Bewusster Atem:
Spüre den Atem – das einfachste Werkzeug, um in den Moment zurückzukehren.
- 2. Achtsamkeit in Handlungen:
Tue eine Sache nach der anderen – mit vollem Bewusstsein, ohne Eile.
- 3. Gedankenbeobachtung:
Erkenne, dass du nicht deine Gedanken bist. Beobachte sie, ohne dich zu identifizieren.
- 4. Mantra-Praxis:
Wiederhole ein Mantra wie Soham („Ich bin Das“) oder Om Shanti, um das Bewusstsein zu zentrieren.
- 5. Meditation:
Verweile täglich einige Minuten in Stille – ohne Ziel, einfach im Sein.
- 6. Dankbarkeit:
Erkenne die Schönheit im Moment. Jeder Augenblick trägt göttliche Gegenwart in sich.
Gegenwärtigkeit als Weg zur Befreiung
Im Vedanta gilt Gegenwärtigkeit als Tor zur Selbstverwirklichung (Moksha). Wer vollkommen im Jetzt verweilt, überwindet die Täuschung von Zeit und Raum – das Ego löst sich auf, und nur das Bewusstsein als Brahman bleibt.
So ist Gegenwärtigkeit nicht nur eine Übung, sondern die höchste Form von Yoga – der Zustand, in dem der Mensch erkennt:
- „Ich bin das, was immer war, ist und sein wird – reines Sein, reines Bewusstsein, reine Glückseligkeit.“
Zusammenfassung
Gegenwärtigkeit ist der Schlüssel zur inneren Freiheit. Sie bedeutet, bewusst zu leben, statt nur zu existieren. In der Tiefe der Gegenwart offenbart sich die göttliche Wirklichkeit – still, weit und ewig.

