Maha Narayana Upanishad
Die Maha Narayana Upanishad, auch Brihan Narayana Upanishad oder Vajniki Upanishad genannt, findet sich im zehnten Buch des Taittiriya Aranyakam und ist somit dem schwarzen Yajurveda zugehörig.
Die Maha Narayana Upanishad - Erläuterungen nach Paul Deussen
Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 312 - 313, 314 - .
Einleitung
Dieses letzte Buch in der langen Reihe der Brahmanaschriften aus der Taittiriya Schule enthält Rituelles und Dogmatisches, Altes und ganz Junges miteinander vermischt und trägt deutlich die Merkmale einer Nachlese an sich. Der Name "die große Narayana Upanishad" (zum Unterschied von der kurzen Narayana Upanishad des Atharvaveda) bezieht sich auf die Verherrlichung des Narayana in Anuvaka 11, wobei in der Schilderung des Feuers und der Spitzflamme im Herzen schon ganz die Vorstellungsweise der dem Yoga gewidmeten Atharva Upanishaden sich geltend macht. Ein zweiter Name des ganzen Werkes ist Yajniki Upanishad, nicht sowohl nach seinen vielen rituellen Abschnitten, wie Sayana meint (Karmanam Bahulyat), denn die wenigsten derselben beziehen sich auf das Opfer, als vielmehr wegen des berühmten Schlußabschnittes, welcher den Menschen unter der Allegorie des Opfers betrachtet (vgl. Chand. 3,16-17). Bemerkenswert ist, daß Shankara, welcher diesen Abschnitt (Ad Brahmasutra 3,3,24) als den Taittiriyakas angehörend erwähnt und bespricht, im übrigen parallele Stellen nicht nach unserer Upanishad, sondern nach Svetasvatara u. a. zitiert (vgl. zu 10, v. 5). - Wie die Nachweisungen zeigen, finden sich viele alte Sprüche, namentlich Parallelstellen zur Vajasaneyi Samhita, wieder, anderes steht auf der Stufe der Kathaka-, Mundaka-, Setasvatara-, Kaivalya Upanishad, und an einigen Stellen findet sich Chandogya Upanishad deutlich nachgebildet (vgl. Anuv. 10, v. 23 und Anuv. 13, vielleicht auch anuv. 63,16, wo man gleich sehr an Chand. 7 und Taitt. 2 erinnert wird). Führt dies schon in eine späte Zeit, so noch mehr die Art wie der Om-Laut 10,24 erwähnt wird, ferner die Schilderung des Herzens 11,6-12, der Name Vedanta 10,22 (= Mund. 3,2,6), die stellenweise nicht wohl allein auf Rechnung der Überlieferung zu setzenden grammatischen Unkorrektheiten (vgl. z. B. 1,5) und das Prakritzitat in Anuv. 9. - Im ganzen, und von den altertümlichen Zitaten abgesehen, wird unsere Upanishad als ein Übergangsglied zwischen den Dreiveda-Upanishaden und denen des Atharvaveda zu betrachten sein.
Nach dem Vorgang des Oupnekhat beschränken wir die Übersetzung auf die upanishad-artigen Partien, folgen aber nicht, wie er und Weber (Ind. Stud. II, 78 f.) der Andhra-Rezension in 80 Anuvaka's (welche uns nicht zugänglich ist), sondern der von Sayana kommentierten und in der Bibliotheca Indica herausgegebenen, aus 64 Anuvakas bestehenden Rezension der Dravidas.
Außerdem ist unsere Upanishad noch in einer von Col. Jacob (Bombay 1888) herausgegebenen Atharva-Rezension in 25 Khandas vorhanden. Die Abweichungen derselben sind in den von uns übersetzten Abschnitten nur unerheblich; die wichtigsten unter ihnen werden wir in den Anmerkungen mitteilen.
Erster Anuvaka (v. 1-22 = Atharva-Rez. 1-2).
1. Im Meer ohn' Ufer, in des Weltalls Mitte,
- Auf Himmels Rücken, größer als das Große,
- Mit seinem Glanz durchdringend die Weltlichter, -
- Weilt als Prajapati im Mutterleib er.
2. In dem die Welt zergeht und sich entfaltet,[1]
- Auf dem die Götter alle sind gegründet,[2]. -
- Es ist das, was da war, und das, was sein wird,
- Es ist im Laute in dem höchsten Raume[3], -
3. In den gehüllt den Raum mit Erd' und Himmel
- Die Sonne überglüht mit Glanz und Funkeln,[4]
- Den selbst dem Meere ein die Dichter weben,
- Und jener höchsten Silbe (Om) die Geschöpfe,
4. Der der Welt Zeugung zeugte, der durch Wasser
- Die Lebewesen säte auf der Erde
- Und selbst einging in Pflanzen, Tier' und Menschen
- In unbewegte und bewegte Wesen,
5. Kein Höherer ist als er und keinen Kleinern (Akkusativ),
- Des Höchsten Höchstes und des Größten Großen (Akkusativ),
- Eines, verhüllt, unendlicher Gestaltung
- Als All, als altes, finsternis-entrücktes, -
6. Ihn feiern als das Recht, ihn als die Wahrheit,
- Ihn weise Dichter als das höchste Brahman;
- Opfer und Werk, was vielfach ward und noch wird,
- Das alles trägt er als des Weltalls Nabe[5]
7.[6] Das ja ist Agni, ist Vayu,
8. Alle Zeitteile entsprangen
9. Halbmonat, Monat, Jahreszeit,
10. Nicht in der Höhe noch Breite
- Noch Mitte ist umspannbar er.[9]
- Nicht ist ein Oberherr dessen,
- Der da heißt große Herrlichkeit.[10]
11.[11] Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben,
- Nicht sieht ihn irgendwer mit seinem Auge;
- Nur wer an Herz und Sinn und Geist bereitet; -
- Unsterblich werden, die ihn also kennen
12. Aus Wassern und der Erde usw.[12]
- Als goldner Keim usw., acht Verse.[13]
13.[14]Er ist der Gott in allen Weltenräumen,
- Vordem geboren und im Mutterleibe;
- Er ward geboren, wird geboren werden,
- Inwärts gewendet und allgegenwärtig.
14.[15] Allseitig Auge und allseitig Antlitz,
- Allseitig Hände und allseitig Fuß (lies Visvataspat),
- Biegt schaffend er mit Armen, biegt mit Flügeln
- Zusammen Erd' und Himmel Gott, der Eine.
15.1 Der Vena schaut es, alle Wesen kennend, In dem die ganze Welt ihr einzig Nest hat, Einheits- und Ausgangspunkt der Welt, den Wesen Allgegenwärtig ein- und angewoben. 16. Des Ew'gen kundig künde der Gandharva Nun sein geheimnisvoll verborgnes Wesen, Drei Viertel davon bleiben uns verborgen, Wer diese weiß, wäre der Sonne (!) Vater. 17. Er, der verwandt uns, Vater und Vorseher, Kennt die Wohnstätten und die Wesen alle, Da wo die Götter, Ewigkeit erlangend, Zum dritten Weltraume empor sich schwangen. 18. Mit eins umwandeln Himmel sie und Erde, Umwandeln Welten, Pole und das Lichtreich; Aufdeckte er der Weltordnung Gewebe, Er schaute es und ward es in den Wesen 19. Umwandelnd alle Wesen, alle Welten, Umwandelnd alle Gegenden und Pole, Prajapati, der Ordnung Erstgeborner, Hat als das Selbst zum Selbst sich entwickelt. 20.2 Vom wunderbaren Herrn des Throns, Vom liebenswerten Indrafreund Erbat als Gabe Weisheit ich. 21. 0 Wesenkenner, flamme auf, Wehr' ab von mir die Nirriti Und führe Vieh für mich herbei, Gib Leben mir und schaffe Raum! 22. Der Wesenkenner schäd'ge nicht Uns Rind, Roß, Mann und was da lebt! 1 Vers 15-19 sind Vaj. Sarah. 32, v. 8-10. 12. 11, mehr oder weniger entstellt (die Übersetzung Gesch. d. Phil. I), 294). 2 Rigv. 1,18,6.
318 YAJURVEDA Nichts habend gegen mich komm her, Agni, umdränge mich mit Glück! 246 Vers 23-34. Gebete an verschiedene Götter. Vers 35-62. Gebete beim Baden. Vers 63-68. Sechs Mantras zur Abwehr des Übels. Zweiter bis sechster Anuvaka 2. Die Mahavyahriti's (bhur, bhuvah, svar) zu Sprüchen beim Opfer verwendet. 3. Dieselben in anderer Form, um reiche Nahrung zu erlangen. 4. Dieselben zur Puja verwendet. 5. Mantras zur Abwehr von Hindernissen beim Studium. 6. Mantras beim Studium. Siebenter Anuvaka (Atharva-Rez. Z6) Bitte um Nichtvergessen des Gelernten. Verehrung dem Brahman! Möge mir Behalten verliehen werden, unvergängliches! Möge ich behaltend sein das mit den Ohren Gehörte. Weicht nicht von mir, dem N. N., 07:n! Achter Anuvaka (Atharva-Rez. 8,1) Alle Tugend ist ihrem Wesen nach tapas (Askese). Gerechtigkeit ist Tapas, Wahrheit ist Tapas, Studium ist Ta-pas, beruhigtes Wesen ist Tapas, Bezähmung ist Tapas, Beruhi-gung ist Tapas, Almosengeben ist Tapas, Opfer ist Tapas; und wenn es heißt: "bhar, bhuvah, svar, brahman, dieses verehre", so ist auch das Tapas.
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 319 Neunter Anuvaka (Atharva-Rez. 8,2). Zwei paraenetische Gleichnisse: "Tie das Gute, meide das Böse!" Wie von einem mit Blüten bedeckten Baum der Duft weithin weht, also auch weht weithin der Duft einer guten Tat. Wie der [Gaukler], wenn er die über eine Grube gelegte 247 Schwertschneide betritt, [in seinem Dialekte] spricht: "Sachte ken, sachteken! oder ick turkele und falle in die Jrube'", - also soll man sich vor einer Unwahrheit hüten! Zehnter Anuvaka (Atharva-Rez. 8,3-10,8) 1.2 Des Kleinen Kleinstes und des Großen Gröfstes; Wohnt er als Selbst im Herzen dem Geschöpf hier; Den willensfreien schaut man, fern von Kummer, Durch Gottes Gnade als den Herrn, als Größe. 1 Sayana's Erklärungen, mit den nötigen Verbesserungen, lautet: "yad", yadi, "huve (so statt yuve) huve", — ha-karo vyatyayena ya-kara-sthane pathitah, ata' eva kecid "yuve yuve" iti pathanti, — yaumi yaumi, punah punah padam asidharayd misrami, iti arthah, tadanim na aham (so statt taddnim aham) "vihvadishydmi" kartam va patishyami, — aham, iti etam artham "ha" labdo brute; la-kara-sthane vyatyayena da-karah, — asid-hdraydm padasya dridhasparse padachede (so ist zu trennen), na aham vihvalito, vivaso bhavishyami; dridhasparsa-abadve tu adhovartini agadhe garte patishyami. "Wenn ich nur sicher trete, sicher trete, d. h. immer wieder und wieder den Fuß auf die Schwertschneide aufsetze, dann werde ich nicht "turkeln" oder in die Grube fallen, d.h. wenn auf der Schwertschneide der Fuß fest auftritt und ohne daß der Fuß abgleitet, so werde ich nicht taumeln, die Herrschaft über mich verlieren; wenn aber das feste Auftreten fehlt, so werde ich in die unten befindliche tiefe Grube stürzen." (Die Atharva-Rez. hat die Stelle verwischt.) 2 Der Spruch war in einer mehr theologischen (akratum, dhdtuh prasa-da4 mahimanam isam) und in einer mehr philosophischen Fassung (mit akratuh, dhdtu prasaddi mahimanam dtmanas) im Umlauf. Erstere bietet unsere Stelle und Svet. 3,20, letztere (nach Shankaras Lesung) Kath. 2,20, woselbst man sehe.
320 YAJUßVEDA 2.' Sieben Organe sind aus ihm, mit sieben Flammen als Zungen und Brennhölzern sieben; Und sieben Welten sind, in die sie schweifen Aus ihrer Höhle, wo versteckt je sieben. 3? Aus ihm sind Weltmeere und alle Berge, Aus ihm die Ströme rinnen allgestaltig, 248 Aus ihm sind alle Pflanzen, alle Säfte, Weil er entsprang, als innres Selbst einwohnend. 4.3 Brahman unter Göttern, Genius unter Dichtern, Rishi unter Priestern, Büffel unter Tieren, Adler unter Geiern, Axt unter Waldesbäumen, Geht er als Soma rauschend durch die Seihe. 5.4 Die eine Ziege, rot und weiß und schwärzlich, Wirft viele Junge, die ihr gleichgestaltet; Der eine Bock in Liebesbrunst bespringt sie, Der andere Bock verläßt sie, die genossen. 6.5 Im Äther ist Sonnenschwan er, Vasu in der Luft, Am Opferbette Hotar, auf der Schwelle Gast, Er weilt in Mensch und Weite, im Gesetz, im Raum, Entspringt aus Wassern, Rindern, Recht, Gebirg' als großes Recht. 1 Mund. 2,1,8 bietet den Vers mit besseren Lesarten. Die sieben Organe (Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund) sind sieben Flammenzungen, de-nen die enstprechenden Objekte als Brennhölzer, oder als ihre Welten, gegenüberstehen. 2 Mund. 2,1,9 (wo statt bhutas besser bhutais, wie auch die Atharva-Rez. hat). 3 Rigv. 9,96,6, mit verändertem Sinn. Vielleicht das Vorbild von Bhag. G. 10,21 f. 4 Dieser Vers in welchem die Grundelemente der Samkhyalehre (prakri- ti, drei genas, purusha) schon deutlich hervortreten, wird von Shankara (zu Brahmasutra 1,4,8-10) nicht nach unserer Stelle, sondern nach Svet. 4,5 zitiert. 5 Rigv. 4,40,5. Mit dem Zusatz brihat zuerst Vaj. Samh. 10,24. 12,14, und so außer unserer Stelle und Taitt. Ar. 10,50,1, Kath. 5,2, Nrisiithap. 3,1. Dem Sinne nach wie v. 4: "Brahman ist das Edelste in allem."
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 321
71 Höher als welcher kein Geschöpf und nichts war, Der eingegangen ist in alle Welten, Der Wesenherr (prajapati), eins worden mit den Wesen, Durchdringt die drei Weltlichter sechzehnteilig.
Die folgenden, auch im Oupnekhat übergangenen Verse 8-18 sind, mit einigen Varianten, im Rigveda zu finden Vers 8 = Rigv. 1, 22, 7 9-10 = 5,82,4-5 11-13 = „ 1, 90, 6-8. 14 = „ 2, 3, 11. „ 15-18 = „ 4, 58, 1-4.
19? Der vor den Göttern schon war da zu Anfang, Der Herr des Alls, Rudra, der große Weise, Der selbst entstehen sah Hiranyagarbha, Der Gott begabe uns mit einem treuen Gedächtnis. 20.3 Höher als der nichts anderes ist vorhanden, Nichts Kleineres und nichts Größeres, was auch immer, Als Baum im Himmel wurzelnd steht der Eine, Der Purusha, der diese ganze Welt füllt. 21.4 Nicht durch Werk, Kinder, Reichtum, - durch Entsagung (tyaga) Unsterblichkeit von einzelnen erlangt ward. Jenseits vom Himmel und in Herzens Tiefen, Was dort erglänzt, darein gehn ein die Büßer. 22.5 Die der Vedantalehre Sinn ergriffen, Entsagungsvoll, die Büßer, reinen Wesens, 1 Vaj. Sarah. 8,36 (verändert). Die Erklärung siehe Gesch. d. Philosophie I, 191. 2 Svet. 3,4. 4,12 (verändert). 3 Svet. 3,9 (wörtlich). 4 Vgl. Kaivalya-Up. 2-3. 5 Mund. 3,2,6. Kaivalya 3-4.
322 YAJURVEDA
In Brahmans Welt zur letzten Endzeit werden Vom Unzerstörbaren,' erlöset alle. 23.2 Das kleine übelfreie Haus des Höchsten, Die Lotosblüte in der Leibstadt Mitte, Darin ein kleiner Raum, ein kummerloser, Was in dem ist, das hat man zu verehren. 24. Der heil'ge Laut, mit dem anfängt Der Veda, und mit dem er schließt, Den überragt, wenn er hinschmilzt In Prakriti, Mahe/vara.3 Efer Anuvaka (Atharva-Rez. 11) Dieser Abschnitt, welcher der ganzen Upanishad den Namen ge¬geben hat, feiert, mit vielfacher Anlehnung an das Purusha-Lied Rigv. 250 10,90, den Atman als Narayana; worunter der Purusha, nicht als Ur-prinzip sondern als Erstgeborner der Schöpfung (Gesch. d. Phil. I, 153), zu verstehen ist, mag man Narayana mit Manu 1,10 (und so wohl schon Taitt. Ar, 3,13,1 = Vaj. Sarah. 31,17) als "den auf den [Ur-}Wassern gehenden", oder richtiger als "den Sohn des [Ur-]Men¬schen (nara, purusha)" erklären. Neben dem Purusha-Hymnus 13.igv. 10,90 und seiner Fortbildung im Uttarandrayanam (Taitt. Ar. 3,13 = Vaj. Sarah 31,17-22) bildet unser Abschnitt das dritte Hauptdenk¬mal in der Geschichte des (mehr und mehr mit Visnu identifizierten) Narayana; und wie das Uttaranarayanam auf der Grenze zwischen der Philosophie der Hymnen und der der Upanishaden steht (vgl. unsere Besprechung desselben Gesch. d. Phil. L 289f.), so bildet wiederum 1 D. h. von der Prakriti, paramritat. Die Atharva-Rez. sowie die Parallel¬stellen haben paramritah. 2 Die Rückbeziehung dieses Verses auf Chand. 8,1 ist wohl unzweifel-haft. 3 Bei der Meditation zergeht, wie die ganze übrige Welt, auch der Laut Om: a (Virat) schmilzt in u (Hiranyagarbha), u in m (Mulaprakriti), m in der imaginären vierten Mora des Lautes 0m, welche Mahesvara (Siva) ist (Sayana).
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 323 der gegenwärtige Anuvaka den Übergang von den Upanishaden des Dreiveda, auf welche sich mehrfach unverkennbare Rückbeziehungen finden, zu den Atharva-Upanishaden; die Schilderung des Narayana als Spitzflamme im Herzen tritt schon ganz in der Weise von Yoga-sikha- und Yogatattva-Up. auf, während die Maha-Up. ganze Verse und Verstelle aus unserem Abschnitt entlehnt hat. 1. Den tausendhäupt'gen Gott [preis' ich], Allaugigenl, allheilvollen, Narayana, der All, Gott, Herr, Das höchste Unvergängliche, 2. Höchsten des Alls, das All selber, Ew'gen, Narayana, Hari; Ja, Purusha ist dies Weltall2, Davon das All sein Leben hat. 3. Des Alls Herrscher, Herrn des Atman, Ewig selig (siva), unwandelbar, Narayana, groß-erkennbar3, Allbeseelend und höchstes Ziel. 4. Narayana ist das Licht jenseits', Narayana das höchste Selbst, Narayana das höchste Brahman, Die Wesenheit, der Höchste ist, Narayana höchster Denker, Als Denkobjekts der höchste auch. 1 Rigv. 10,90,1; visvasha statt sahasrdksha, weil zu tausend Häuptern zweitausend Augen gehören würden. Aus demselben Bedenken ändert Atharvav. 19,6,1 sahasrasirsha in sahasrabahu. 2 Vgl. Rigv. 10,90,2: purusha'eva idam sarvam. 3 Narayana ist nicht der unerkennbare Urgrund, sondern dieser als höchstes Objekt der Erkenntnis, d. h. der Erstgeborene der Schöpfung, Hiranyagarbha. Vgl. mit mahdjn"tya die buddhi = mahat der Samkhyas. 4 Anspielung auf dasparo divo jyotis, Chand 3,13,7. 5 Die Scheidung in dhyatar und dhyanam (Subjekt und Objekt) hat noch nicht in dem Urwesen, sondern erst in Narayana als Erstgebornem statt.
324 YAJURVEDA 5. Alles was ist, das Weltganze, Was sichtbar und was hörbar ist, Dies alles außen und innen Umfaßt`, durchdringt' Narayana 6. Unendlich, ewig, voll Weisheit, Des Meeres2 Ende, allheilbringend; Als Herz dem Lotoskelch ähnlich3, Dessen Spitze nach unten geht, 7. Wohnt eine Spanne unter'm Hals, Eine über dem Nabel er4, Wo er im Strahlenkranz leuchtets, Des Weltalls großer Stützepunkt. B. Es hängt, von Adern umsponnen, Herab, fast (a) wie ein Blütenkelch, Darinnen ein kleiner Hohlraums, In dem beruht das Weltenall. 9. Und in ihm flammt ein groß Feuer; Strahlend nach allen Seiten hin, Das ißt zuerst und verteilt dann Die Nahrung, weise, alternd nicht. 1 vydpya ist beides. 2 Nach Sayana ist das Meer des Samsara gemeint. Die Atharva-Rez. wie auch Maha-Up. 3 (p. 95) lesen samudra-itam. 3 Vgl. Chand. 8,1,1; die Atharva-Rez. hat: "Ein Hohlraum, lotoskelchähn-lich". 4 Ausdeutung des daia gulam, Rigv. 10,90,1 (vgl. Gesch. d. Phil. L 152). Genauer ist eine vitasti = einem dvadasdngula (Amara, 2,6,84). 5 Ausgemalt nach Brih. 4,3,7: hridi antarjyotih purushah; Kath. 4,13: jyotir iva adhumakah. 6 tasya ante sushiram sukshmam, nach Chand. 8,1: daharo'smin antar akd-sah. 7 Die nun folgende Schilderung des Herzensfeuers beruht auf einer Kombination von Brih. 5,9,1 und Chand. 3,13,7-8. Aus ersterer Stelle ist das Merkmal der Nahrungsassimilation, aus letzterer das der Körper-erwärmung entnommen.
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 325 Seitwärts, nach oben und unten 252 Breiten sich seine Strahlen aus. 10. Den Leib, in dem es wohnt, wärmt es Von der Fußsohle bis zum Haupt. In der Mitt' eine Spitzflamme, Atomhaft fein, nach oben strebt, 11. Glanzvoll wie mitten aus schwarzen Wolken des Blitzes Linie, Fein wie das Haar der Reis-Ähre, Gelbglänzend, dem Atome gleich. 12. Inmitten dieser Spitzflamme Die höchste Weltenseele thront', Das ist Brahman, Siva, Hari2, Indra, Der ewige, der höchste Herr.3 ZwôerAnuvaka (Atharva-Rez. 12,1) Anrufung des Siva als Allgottes. Die drei ersten Zeilen werden Nrisihhapurvatapaniya-Up. 1,6 zitiert mit dem ausdrücklichen Zusatz, daß sie dem Yajurveda entnommen sind. Als Recht, Wahrheit, höchstes Brahman, Den schwarz-und-gelben Purusha, Den keuschen, seltsamaugigen [rufe ich an]; Dem allgestalt'gen Ehre sei! 1 Die letzten acht Zeilen (10c-12 b) werden zitiert Vasudeva-Up. 3,1-2. 2 Die Worte sa Harih sind metrisch überschüssig, fehlen in der Atharva-Rez. und werden nicht von Sayana, wie die übrigen, erklärt. Sollten sie zu halten sein, so hätten wir hier vielleicht die älteste Stelle, in welcher der indische trimurti, d. h. "der dreigestaltige" Gott (Brahma, Vishnu, Shiva), vorkommt. 3 Zusatz der Atharva-Rez. in Prosa: "Nunmehr der Yoga: meine Zunge ist Süßes redend: ich bin nicht in der Zeit, sondern bin die Zeit selbst".
326 ÏAJURVEDA Dreizehnter Anuvaka (Atharva-Rez. 12,2) Wahrscheinlich in Nachbildung von Chand. 3,1-11, wonach der Saft der verschiedenen Veden den Honigseim in der Sonne bildet (vgl. oben S. 100 f.), werden hier die Rics mit dem Sonnenkreis, die Samans mit der Flamme im Sonnenkreise, die Yajus mit dem in dieser Sonnen 253 kreisflamme befindlichen Purusha (vgl. auch Chand. 1,6,6) gleichge setzt, welcher zugleich die ganze trayi vidyd, der Inbegriff aller Veden ist. Die Reihenfolge ist Ric, Saman, Yajus, um dem eigenen Veda die höchste Stelle zu geben. Indem die Atharva-Rez. die üblichere Reihen¬folge Ric, Yajus, Saman auch hier herstellt, kommt der Purusha in die Mitte zu stehen, wodurch die in der Stelle beabsichtigte Steigerung verloren geht. Fürwahr, Aditya dort glüht als jener Sonnenkreis, in dem sind diese Rics, er ist der Liederkreis der Rics (lies ricdm man-dalam), er ist die Stätte der Rics. Aber die Flamme, die in jenem Sonnenkreise leuchtet, das sind die Samans, das ist die Stätte der Samans. Aber der Purusha, der in der Flamme in jenem Sonnenkreise ist, das sind die Yajus; er ist der Liederkreis der Yajus; er ist die Stätte der Yajus'. Als diese dreifache Wissenschaft erglüht er, der als goldener Purusha dort in der Sonne ist. VierzehnterAnuvdka (Atharva-Rez. 12,3) Die Sonne, welche nach dem vorigen Abschnitt aus Brahman (Ric, Saman, Yajus) besteht, ist folgerecht der Inbegriff alles Höchsten und Größten in der Welt, und der in ihr befindliche Purusha ist der Ober-herr der Wesen. Die Sonne, fürwahr, ist Glut, Kraft, Gewalt, Ruhm, - Auge, Ohr, Selbst, Verstand, Eifer, - Manu, Mrityu, Satya, Mitra, Vayu, Akasa, Prana - Welthüter, Ka (der unbekannte Gott), Kim (das unbekannte Urwesen), Kam (Lust), Tat (jenes Unnennbare), Realität, Nahrung, Lebensdauer, Unsterblicher, Seele, Allseien
MAU -NAAAYANA-UPANISHAD 327 der, Katama (höchste Lust), Svayambhu (das durch sich selbst Seiende); - und wenn es heißt: "das Jahr ist Prajapati'" so ist jene Sonne das Jahr, aber jener Purusha [in ihr], der ist der Wesen Oberherr. Der erlangt Verbindung und Weltgemeinschaft mit Brahman, der erlangt Verbindung, Machtgemeinschaft und Weltgemein-schaft mit jenen Gottheiten, wer solches weiß. So lautet die Upanishad. Fünfzehnter bis einundsechzigsterAnuvaka 254 Diese Abschnitte enthalten allerlei, bei verschiedenen Zeremonien und Anlässen zu verwendende, Sprüche; deren Aufnahme in die Upa nishad meist damit begründet wird, daß die betreffenden Handlungen als Vorbereitung zur Erkenntnis dienlich seien. 15-18. Mantras an Adi9a (15) und Rudra (16-18). 19-22. Agnihotram, Abwehrsprüche; Mantras an Erde und Wasser. 23-26. Mantras zur Mittags-, Morgen- und Abend-Andacht. 27-29. Mantras zum Pranayama (Regelung des Atmens). 30-38. Mantras beim Essen als einem Opfer an Prana (Prdnagnihotram). 39-42. Gebete um Erleuchtung. 43-47. Mantras an Mahadeva (Rudra). 48-50. Trisuparna-Mantras zur Tilgung der Sünde als Hindernis des Erkennens. 51-61. Mantras für elf Spenden zur Reinigung des Leibes, als Vorbereitung zur Erkenntnis des Brahman. Zweiundsechzigster Anuvaka (Atharva-Rez. 21) Als zwölf Ziele menschlicher Bestrebungen werden satyam, tapas, dama, iama, ddnam, dharma, prajana, agnayah, agnihotram, yajna, mdna-sam, nyasa aufgezählt, und unter ihnen nyasa, "die Entsagung", für das 1 Vgl. über diese Vorstellung Gesch. d. Phil. I, 133. 207. 210f.
328 YAJURVEDA Höchste erklärt. — Der Abschnitt ist ein Vorspiel der dem samnyasa gewidmeten Upanishaden des Atharvaveda (Samnyasa-, Kanthairuti-, Jabala-, Aruneya-, Paramahansa-, Asrama-Upanishad). 1. Die Wahrheit (satyam) ist das Höchste, das Höchste ist die Wahrheit. Durch die Wahrheit fallen sie nie herab aus der Himmelswelt. Denn den Guten (sat) gehört die Wahrheit. Darum freuen sie sich der Wahrheit. 2. Die Askese (tapas), so sagen sie [ist das Höchste]. Es gibt aber keine höhere Askese als das Fasten. Denn was die höchste Askese ist, die ist schwer zu bewältigen, schwer zu überwälti-gen. Darum freuen sie sich der Askese. 3. Die Bezähmung (dama), so sagen allezeit die Brahman-schüler. Darum freuen sie sich an der Bezähmung. 4. Die Beruhigung (cama), so sagen im Wald die Einsiedler. Darum freuen sie sich an der Beruhigung. 255 5. Das Almosengeben (danam), das preisen alle Wesen. Nichts ist schwerer, als Almosengeben. Darum freuen sie sich an dem Almosengeben. 6. Die Pflicht (dharma), so sagen sie. Durch die Pflicht wird diese ganze Welt' umfaßt. Nichts ist schwerer zu betreiben als die Pflicht. Darum freuen sie sich an der Pflicht. 7. Die Zeugung (prajana, Atharva-Rez.: prajananam), so sagt die Mehrzahl. Darum wird ihnen eine Mehrzahl [von Kin-dern] geboren. Darum freut sich die Mehrzahl an dem Zeugen. B. Die Opferfeuer (agnayah), so sagt man. Darum sind die Opferfeuer anzulegen. 9. Das Agnihotram, so sagt man. Darum freuen sie sich an dem Agnihotram: 1 Sie ist, wie Fichte sagen würde, "das versinnlichte Material der Pflicht".
MAHI-NARAYANA-UPANISHAD 329 10. Das Opfer (yajna), so sagen sie; denn durch das Opfer sind die Götter zum Himmel gelangt. Darum freut man sich an dem Opfer. 11. Das Geistige (manasam), so sagen die Wissenden. Darum freuen sich die Wissenden an dem Geistigen. 12. Die Entsagung (nyasa), so sagt Brahma (masc.). Denn Brahma ist der höchste, ja der höchste ist Brahma. Alle jene niederen Kasteiungen überragte [seine] Entsagung. 13. [Und so dessen], der solches weiß. So lautet die Upanishad. Dreiundsechzigster Anuvdka (Atharva-Rez. 22,1-24,2) Die Gedanken des vorigen Abschnittes werden hier, wie dies öfter zu geschehen pflegt (vgl. Kaush. 3 und 4; Chand. 8,1-6 und 8,7-12; Taitt. 2 und 3), nochmals in Form einer Legende und in erweiterter Gestalt vorgetragen. 1. Es begab sich, daß Prajapatya Aruni Suparneya' den [Stamm-]Vater Prajapati anging mit der Frage: "Was erklären 256 die Ehrwürdigen [d. h. die Weisen] für das Höchste?" - und er antwortete ihm: 2. "Durch die Wahrheit der Wind herweht, Und die Sonne am Himmel glänzt, Wahrheit der Rede Standort ist, In der Wahrheit beruht das All. Darum erklären sie die Wahrheit (satyam) für das Höchste. 3. Durch die Askese haben Götter anfangs Gottsein erlangt, durch sie der Himmel Weise, 1 Nach Sayana Arum, Sohn des Prajapati und der Suparna; besser wohl: der Sohn des Aruna Suparna (im Rigveda Bezeichnung der Sonne) und Nachkomme des Prajapati.
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durch Askese laßt uns Feinde und Unholde abwehren, in der Askese beruht das All. Darum erklären sie die Askese (tapas) für das Höchste. 4. Durch die Bezähmung bezähmt, schüttelt man ab die Sünde, Durch die Bezähmung gingen zum Himmel Brahmanschüler, die Bezähmung der Wesen ist schwer zu überwältigen, in der Bezähmung beruht das All. Darum erklären sie die Bezähmung (dama) für das Höchste. 5. Durch Ruhe ruhig, wandelt man glückselig, Durch Ruhe fanden Munis auf den Himmel, die Ruhe der Wesen ist schwer zu überwältigen, in der Ruhe beruht das All. Darum erklären sie die Ruhe (sama) für das Höchste. 6. Das Geben, die Opfergabe ist des Opfers Panzerung', und in der Welt leben alle Wesen von dem Gebenden. Durch Ge¬ben haben sie die Unholde abgewehrt, durch Geben werden Hassende zu Freunden, in dem Geben beruht das All. Darum erklären sie das Geben (danam) für das Höchste. 7. Die Pflicht ist dieser ganzen Welt Grundlage, und im Le-ben halten sich die Geschöpfe zu dem Pflichteifrigsten. Durch die Pflicht wehrt man das Übel ab, in der Pflicht beruht das All. Darum erklären sie die Pflicht (dharma) für das Höchste. 257 B. Das Zeugen ist die Grundlage, und wer im Leben den Faden der Nachkommenschaft richtig fortspinnt, der trägt da-durch seine Schulden an die Väter ab; denn eben das (Zeu¬gen) ist seine Schuldabtragung. Darum erklären sie das Zeugen (prajananam) für das Höchste. 9. Die [drei] Feuer, fürwahr, sind die dreifache Wissenschaft und der Götterwege, 1 Vgl. Rigv. 10,10,7: dakshinam vanna krinute vijanan. 2 Devaydna4 panthalz, hier nicht wie sonst immer in den Upanishaden (Kaush. 1,3. Chand. 5, 3-10, vgl. 4,15,6. Brih. 6,2. Mund. 3,1,6), der
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 331 das Garhapatya-Feuer ist Ric, Erde, Rathantaram, das Anvdharyapacana-Feuer ist Yajus, Luftraum, Vamade vyam, das Ahavaniya-Feuer ist Saman, Himmelswelt, Brihat. Darum erklären sie die Feuer für das Höchste. 10. Das Agnihotram', des Abends und Morgens ist der Häu-ser Sühnung, ist das Wohlgespendete, Wohlgeopferte, ist die Eingangspforte (prayanam) der Opfer und Somafeste [agniho-tra prayana yajnah, Taitt. Br. 2,1,5,1] das Licht der himmlischen Welt. Darum erklären sie das Agnihotram für das Höchste. 11. Das Opfer (yajna), so sagen sie; denn durch das Opfer sind die Götter zum Himmel gelangt, durch das Opfer wehrten sie die Dämonen ab. Durch das Opfer werden Hassende zu Freunden, in dem Opfer beruht das All. Darum erklären sie das Opfer für das Höchste. 12. Das Geistige (mdnasam), fürwahr, ist das von Prajapati stammende Läuterungsmittel, durch das Geistige sieht man mit dem Verstande das Richtige; als geistige schufen die Rishis die Geschöpfe, in dem Geistigen beruht das All. Darum erklären sie das Geistige für das Höchste. 13. Die Entsagung (nyasa), so nennen die Weisen den (Gott) Brahma. 14. Brahma (masc.) ist Allseiender, Katamah (höchste Lust), Svayambhuh; und wenn es heißt: >Das Jahr ist 258 Prajapati<, 15. so ist jene Sonne das Jahr, aber jener Purusha in der Sonnet, der ist Parameshthin, ist das Brahman (neutr.), der Atman. 16. Und die Strahlen, mit welchen die Sonne glüht, Weg der Seele zu Brahman, sondern, wie öfter im Rigveda, der Weg des Agni zu den Göttern. 1 Vgl. über dasselbe oben S. 146. 2 Vgl. Anuvaka 14, oben S. 253. Die weiter folgende Verherrlichung des Brahman als des durch die Entsagung erreichten Zieles ist, wie es scheint, aus verschiedenartigen Reminiszenzen zusammengestoppelt. Daß Prajapati der Redende ist, scheint dabei ganz vergessen zu wer-den.
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durch die regnet Parjanya, durch Parjanya aber wachsen die Kräuter und Bäume, aus den Kräutern und Bäumen entsteht die Nahrung, durch die Nahrung der Lebenshauch, durch die Lebenshauche die Kraft, durch die Kraft das Tapas, durch das Tapas der Glaube, durch den Glauben die Einsicht, durch die Einsicht die Weisheit, durch die Weisheit der Verstand, durch den Verstand die Ruhe, durch die Ruhe das Denken, durch das Denken macht man sich bewußt das Gedächtnis, durch das Ge-dächtnis die Erinnerung, durch die Erinnerung die Erkenntnis, durch die Erkenntnis den Atman.' Darum, wenn man Nahrung spendet, so spendet man alle diese; aus der Nahrung entstehen die Lebenshauche der Wesen2, durch die Lebenshauche das Manas, durch das Manas die Erkenntnis, durch die Erkenntnis die Wonne, das Brahman als Urquell. 17. Ja, fürwahr, dieser Purusha [als annamaya, pranamaya, manomaya, vijn`anamaya, anandamaya, Taitt. 2] ist fünffach, aus fünf Selbsten bestehend, und durch ihn ist dieses Weltall gewoben, Erde, Luftraum und Himmel, die Pole und die Zwischenpole; ja, er ist diese gan¬ze Welt, ist das Vergang'ne und Künft'ge, ist durch Erkennt¬nisdrang geformt, geboren aus der Weltordnung, in der Fülle wohnend3, ist Glaube, wahrhaft, großhaft, finsterniserhaben. 18. Als solchen ihn mit Sinn und Herz erkennend, geh' nicht, als Wissender, mehr in den Tod ein. 259 19. Darum erklären sie die Entsagung für höher als jene [anderen] Askesen. 20. Der Güter froh und alldurchdringend bist du, im Le-benshauch [des Alls] Zusammenfüger. O (Gott) Brahma! all-durchstreifend bist du, du bist es, der dem Feuer Wärme, der 1 Dem Verfasser mochte wohl die Stufenfolge Chand. 7 hier vorschwe-ben. 2 Die Rückbeziehung des Folgenden auf Taitt. 2 ist unzweifelhaft. 3 Statt dieser Verse (es liegen hier überall zertrümmerte Verse zugrun¬de) hat die Atharva-Rez. den ebenfalls sehr schönen, nur hier nicht recht passenden Gedanken: jijn'asasaktzpuritam jarayishthas, "was von Erkenntnisdrang erfüllt, laß welken!"
MAHA-NARAYANA-UPANISHAD 333 Sonne Kraft, dem Mond Glanz verleiht. - [O Soma!] du bist im Gefäß geschöpft, dem Brahma (masc.) bringe ich dich dar, der Größe! 21. Om!mit diesem Worte bereite man (yunjita, vgl. den Ge-brauch des Wortes yoga) sein Selbst. 22. Dies, fürwahr, ist die große Upanishadlehre, ein Ge-heimnis der Götter. 23. Wer solches weiß, der erlangt die Majestät des (Gottes) Brahma, durch dieses die Majestät des (Gottes) Brahma. 24. So lautet die Upanishad." Vierundsechzigster Anuvaka (Atharva-Rez. .25) Der Wissende ist vom Werkdienst befreit. Da aber die Schrift ver¬langt, daß das Agnihotram das ganze Leben durch (yavaj jivam) dar¬gebracht werde, so wird, um dieser Vorschrift Genüge zu leisten, hier das Leben selbst des Wissenden zu einem Opfer umgedeutet. Über Einzelnes und verwandte Stellen vgl. Shankara zu Brahmasutra 3,3,24 (S. 683f meiner Übersetzung). 1. Von dem Opfer des solches Wissenden ist sein Selbst der Opferspender, sein Glaube die Gattin, sein Leib das Brenn¬holz, seine Brust das Opferbett, seine Haare die Opferstreu, der Opferbesen sein Haarbusch, sein Herz der Opferpfosten, seine Liebe das Opferschmalz, sein Eifer das Opfertier, seine Aske¬se das Feuer, seine Bezähmung der Schlächter, ... der Opfer¬lohn, seine Rede der Hotar; sein Odem der Udgatar, sein Auge der Adhvaryu, sein Manas der Brahma, sein Ohr der Agnidh. 2. Solange er getragen wird [im Mutterleib oder geistig vom Lehrer, Atharvav. 11,5,3, Gesch. d. Phil. 279], das ist die Weihe; daß er ißt, das ist die Opferspende; daß er trinkt, das ist sein Somatrinken; daß er sich vergnügt, das ist die Upasad-Feier'; 260 1 upasada als masc. wie Chand. 3,17,2, woher mit der Form auch der Gedanke stammen mag.
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daß er einhergeht, sich setzt und aufsteht, das ist der Pravargya; sein Mund ist das Ahavaniyafeuer, sein Sprechen der Opferguß, sein Erkennen das, was er opfert. Was er abends und morgens ißt, das [muß man ansehen] als das Brennholz, was er mor¬gens, mittags und abends [trinkt], das als die Somakelterungen. 3. Sein Tag und seine Nacht sind die Voll- und Neumondsop-fer, seine Halbmonate und Monate die Viermonatsopfer, seine Jahreszeiten die Tieropfer, seine Jahre und Jahresläufe sind die Tageszyklen, oder auch sie sind das Allhabe-Sattram', sein Sterben ist das Schlußbad. 4. Dieses, fiirwahr, ist sein bis zu Alter und Tod dauerndes Agnihotram, sein Sattram. Wer, solches wissend, beim Nord-wärtsgang [der Sonne] stirbt, der geht ein zu der Majestät der Götter und gelangt zur Gemeinschaft mit der Sonne; und wer beim südlichen [Sonnengang] stirbt, der geht ein zu der Ma¬jestät der Väter und erlangt mit dem Mond Gemeinschaft und gleiche Welt. Diese beiden Majestäten, fürwahr, der Sonne und des Mondes, erwirbt der wissende Brahmane. Von da aus er¬langt er die Majestät des Brahma (masc.), - von da aus die Majestät des Brahma. So lautet die Upanishad. 1 Eine Opferfeier, bei welcher man (vielleicht nur symbolisch) seine ganze Habe an die Brahmanen schenkte. Ein Beispiel bietet der Ein¬gang der Kathaka-Upanishad.
- ↑ Svet.4,11.
- ↑ Vgl. Rigv 1,164,39.
- ↑ Vgl. Rigv 1,164,39.
- ↑ Vgl. Taitt. Br. 3,12,9,7.
- ↑ Vgl. Rigv 1,164,13.
- ↑ Vaj. Sarah. 32,1.
- ↑ Vaj Sarah. 32,2 a. Zum Gedanken vgl. oben S. 208, Anm.
- ↑ Der unerwartete Imperativ stammt aus Vaj. Sarah. 27,45.
- ↑ Vaj. Sarah. 32,2 b.
- ↑ Vgl. Vaj. Sarah. 32,3.
- ↑ Kath. 6,9. Svet. 4,20: Svet. 4,17. 3,13.
- ↑ Das Uttaranariiyanam, nicht wiederholt, weil schon Taitt. Ar. 3,13 (= Vaj. Sarah. 31,17-22) vorgekommen. Siehe die Übersetzung Gesch. d. Phil. I, 290.
- ↑ Die ersten acht Verse des Hiranyagarbha-Liedes (Rigv. 10,121,1-8), nicht wiederholt, weil schon Taitt. Samh. 4,1,8 vorgekommen. Die Übersetzung Gesch. d. Phil. I, 132.
- ↑ Vaj. Samh. 32,4, wo pratyan jaus (lies janahs) statt des leichteren pratyanmukhas (so mit der Ath. Rez. zu lesen).
- ↑ Rigv. 10,81,3 (Gesch. d. Phil. I. 136), bis auf einige schlechteren Lesarten.