Sei ehrlich zu dir selbst - Die innere Persönlichkeit

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Swami Krishnananda beim Gebet

Sei ehrlich zu dir selbst - Die innere Persönlichkeit

Die innere Persönlichkeit

Die ganze spirituelle Praxis, die ganze Sadhana, läuft auf ein Zentralisieren unserer Kräfte in Richtung auf das Objekt der Yogapraxis hinaus. Yoga als ein Höhepunkt spiritueller Praxis bedeutet das Zusammenkommen zweier Kräfte in einer verbundenen Einheit - von etwas mit etwas. Doch, was verbindet sich bei dieser Yogapraxis womit? Viele Yogaschüler haben das Gefühl, dass sie sich selbst mit etwas verbinden müssten. Welche Art von ‚Du‘ wird mit welcher Art von ‚Objekt‘ vereinigt? Zunächst nimmst du dich selbst in Augenschein. Wer ist dieses ‚Du‘, das sich mit etwas vereinigen möchte, das als ‚Objekt‘ der Meditation angenommen wird? Bei der Beantwortung dieser einfachen Frage nach demjenigen ‚wer ist es‘, der meditieren möchte, entsteht eine große Verwirrung. Dieser Sohn, diese Tochter, dieser Ehemann, diese Ehefrau, der Chef, der Untergebene, der Reiche, der Arme, - das bin ich, - möchte dieser Jemand auf etwas meditieren? Stell dir selbst diese Frage. Ihr seid alles verschiedene Menschen, die aus unterschiedlichsten Gegenden stammen. Wer seid ihr? Wenn ihr euch selbst diese einfache Frage nach dem ‚wer ihr seid‘ vorlegt, werdet ihr über eure eigene Unfähigkeit, diese Frage zu beantworten, überrascht sein. In Gegenwart des Publikums mögt ihr nicht in der Lage sein, überhaupt irgendetwas über euch selbst zu sagen. Geht auf euer Zimmer, schließt die Tür hinter euch ab und bleibt allein. Dann stellt ihr euch die Frage nach dem ‚wer bin ich? ‘. Lass den Minister sich diese Frage stellen: „Wer bin ich?“ Der Minister fühlt sich unwohl, wenn er feststellen muss, dass er möglicherweise jemand anders ist, als das, was die Leute von ihm denken. Mein wirkliches Problem liegt offensichtlich darin, nur ich selbst zu sein. Wer bin ich? Stelle dir diese Frage jeden Tag: Bin ich in dieser Welt sehr wichtig? Worin liegt meine Wichtigkeit? Du wirst keine zufrieden stellende Antwort bekommen: Deine Wichtigkeit wird dir durch deinen Besitz, deine Beziehungen, dein Büro und so weiter suggeriert. Wenn all dies entfernt wird, welche Bedeutung hast du noch?

Was bist du dann? Bist du etwas oder bist du nichts? Um eine direkte Antwort zu bekommen, musst du dich gründlich analysieren; was man als Selbstanalyse bezeichnet. Beim Studium der menschlichen Psyche wird man verschiedene Ebenen feststellen. In uns befinden sich viele Dinge und nicht nur eine kompakte Einheit wie ein Fels. Wir sind weder Stein noch Ziegel; wir sind wie eine Zwiebel mit vielen übereinander liegenden Schalen, was im Sanskrit als Koshas bekannt ist. Wir scheinen von körperlicher Natur zu sein, doch unsere Wertigkeit scheint sich nicht nur auf unseren physischen Körper zu beschränken. Die Schönheit in unserem Leben besteht nicht nur in der Schönheit unserer körperlichen Hülle. Die individuelle Bedeutung bezieht sich nicht auf den Körper, denn alle Menschen bestehen aus der gleichen körperlichen Substanz. Der Körper eines reichen Menschen besteht nicht aus Gold und Diamanten, und der Körper eines armen Menschen besteht nicht aus Schlamm. Der individuelle Wert ist nicht der körperliche Wert. Innen drin gibt es so viele Dinge: die Gefühle, die Gedanken, das Verstehen, die Ausbildung, die Gesundheit, und was der Einzelne in seinem tiefsten Inneren seiner Persönlichkeit darstellt. Zum Beispiel werden im Tiefschlaf einige Wunder enthüllt. All die Werte, die Beziehungen, die physischen Kräfte und selbst der Geist stellen ihre Arbeit ein. Worin liegt der Wert, und wer sind wir, wenn wir uns im Tiefschlaf befinden? Wir scheinen nicht mehr zu existieren, und, wenn wir erwachen, nehmen wir wieder unsere vorherige Bedeutung ein. Hat schon einmal jemand über diese Kompliziertheit der eigenen Verwicklungen in der Struktur der eigenen Persönlichkeit nachgedacht? Sind wir der Körper, der Geist, der Intellekt oder sind wir noch irgendetwas Anderes? Wir scheinen nichts davon zu sein. Glaubt ihr, dass ihr im Zustand des Tiefschlafes existiert habt? Natürlich; doch habt ihr als Körper, Geist oder als argumentierender Intellekt existiert? In welchem Sinne habt ihr existiert? Woher wisst ihr, dass ihr überhaupt existiert habt? Gibt es irgendeinen Beweis dafür? Die Menschen wollen alles bewiesen haben. Wissenschaftlich ausgerichtete Menschen argumentieren auf der Ebene von sicheren Beweisen. Wo ist der Beweis, dass ihr im Schlafzustand existiert habt? Wer bezeugt eure Existenz?

Diese Analyse kann nicht auf der normalen psychologischen Ebene durchgeführt werden. Dieses ist nur durch eine durch Yogapsychologie geführte Analyse möglich. Nur so viel sei gesagt, unser eigenes Wissen ist in komplizierte Feinheiten verstrickt. Im Augenblick können wir noch nicht darauf eingehen, sondern werden erst später darauf zurückkommen. Andererseits gibt es eine Welt der Objekte, der Menschen und so weiter. Welche Beziehungen habt ihr zu dieser Welt? Klebt diese Welt an eurer Haut? Gehört sie euch? Oder unterhaltet ihr keine Beziehungen zu dieser Welt? Häufig genug fühlt ihr irgendwelche Beziehungen zu ihr, woraufhin ihr zu irgendwelchen Handlungen gezwungen werdet. Welche Beziehungen existieren zwischen euch und dieser Welt? Unsere Vorstellungen über die Beziehungen sind der eigentliche Punkt bei allen philosophischen Untersuchungen. Niemand versteht wirklich die Beziehun­gen von den Dingen untereinander. Man kann es mit dem Versuch vergleichen, die Beziehung zwischen einer Ursache einerseits und die Wirkung, die sich aus der Ursache ergibt, andererseits zu verstehen. Ihr wisst nicht, ob die Wirkung sich innerhalb oder außerhalb der Ursache abspielt. Wenn sie innerhalb stattfindet, ist sie außerhalb nicht sichtbar; wenn sie sich außerhalb befindet, kann sie keine essenzielle Beziehung zur Ursache haben. In ähnlicher Weise können wir uns nicht sicher sein, ob wir in der Welt sind oder ob sich die Welt außerhalb von uns befindet. Ist die Welt nun außerhalb oder sind wir innerhalb dieser Welt? Dieses Problem tut sich vor uns auf. Es ist ebenso schwierig zu erkennen, woraus wir gemacht sind, und wir kommen in einen Erklärungsnotstand, wenn wir sagen sollen, wo wir uns befinden. Ob wir uns nun innerhalb oder außerhalb der Welt befinden, kann nicht so einfach beantwortet werden. Auf Grund eines gewissen Drucks, der auf uns ausgeübt wird, glauben wir, dass sich die Welt außerhalb von uns befindet, und wir können auf der Straße spazieren gehen, ohne von der Welt berührt zu sein. Wir fühlen uns unbeeinflusst. Wir verhalten uns so, als ginge uns die Welt nichts an, und die Welt ist weit von uns entfernt. Die Straße, auf der wir uns bewegen, klebt weder an uns noch haben wir irgendwelche Beziehungen zu ihr. In diesem Sinne ist die Welt außerhalb von uns. Ist sie wirklich vollständig außerhalb oder sind wir doch in die Welt eingebunden? Wenn ihr diese Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, sieht es so aus, als wäret ihr ein Teil der Welt. Ihr seid ein Mitglied eurer Familie, dieses Landes, ihr seid Teil dieser internationalen Menschheit oder nicht? Ihr seid als Bürger in diese Welt involviert, was man nicht als völlige Isolation bezeichnen kann. Doch diese Art eurer Einbindung, die sehr stark ist, ist augenscheinlich nicht sichtbar.

Sinneswahrnehmungen können dieses Wissen nicht beibringen. Wis­senschaftliche Untersuchungen und Laborversuche sind keine geeigneten Mittel, um die eigene Struktur oder die Struktur der Welt zu erfassen. Selbstbeobachtungen durch ein Teleskop, ein Mikroskop oder ähnlich geartetes Equipment führen zu nichts; dasselbe gilt für die Beobachtung von Atomen, denn diese Form der Beobachtungen schließt den Zugriff der eigenen Sinne aus. Man weiß nicht einmal, ob es sich um ein beobachtetes ‚Objekt‘ oder ob es sich um etwas handelt, dass mit dem Beobachtungsvorgang zu tun hat. Der Beobachtungsvorgang bei der Beobachtung irgendwelcher Dinge in der Welt führt uns direkt Visavis zu diesem mysteriösen Etwas, das scheinbar zwischen uns und der Welt operiert, - dieses große Mysterium, das die Gottheiten fallen ließ, und das ihnen ein tiefes demütiges Gefühl vermittelte, nämlich, dass ihre Kräfte nicht ihre eigenen Kräfte sind. - Unsere Wahrnehmungen sind auch nicht wirklich unsere eigenen Wahrnehmungen. Eine derartige vollkommene Analyse wird zu Beginn des achten Kapitels der Bhagavad Gita dargestellt:

Aksharam brahma paramam svabhavo’dhyatmamuchyate;
Bhutabhavodbhavakaro visargah karmasamjnitah.
Adhibhutam ksharo bhavah purushashcha adhidaivatam;
Adhiyajno’hameva atra dehe dehabhritam vara.

Lies diese Verse in der Gita. Die ganze Kosmosstruktur, uns alle und das Mysterium, was sich zwischen uns befindet, eingeschlossen, wird in zwei Versen dargelegt. Über uns und allen Dingen in dieser Welt gibt es eine verantwortliche Sache, die man die ‚Absolute Wirklichkeit‘ nennt. In der Religion wird sie als Gott und in der Philosophie als das Absolute bezeichnet. Dieses wird in den Versen der Bhagavad Gita als das Aksharam brahma paramam – das unsterbliche Sein – bezeichnet. Svabhavo‘dhaytmamuchyate ist die individuelle Persönlichkeit, das Bewusstsein der Persönlichkeit, das Selbstbewusstsein, was jeder ist. Bhutabhavodbhavakaro visargah karmasamjnitah. Wovon geht diese Individualität aus? Der Schöpfungsprozess, - dieser Prozess der Ausstrahlung von Anbeginn der Zeitrechnung, - ist das so genannte Karma. Karma darf man an dieser Stelle nicht wie eine geregelte Arbeit oder wie das Zubereiten einer Mahlzeit in der Küche verstehen, sondern als kosmische Aktivität, die für den Ausstrahlungsprozess der ganzen Welt verantwortlich ist. Adhibutaqm ksharo bhavah: Alles, was aus Sicht des Individuums als etwas Äußerliches angesehen wird, ist vergänglich. Alles bewegt sich und ist im Fluss, nichts in dieser Welt ist von Dauer. Dieses ist die physische Welt: purushashcha adhidaivatam. Über der Wahrnehmung steht das Göttliche. Adhiyajno’hameva atra: Der gesamte aktive Kosmos, der gesamte Schöpfungsakt, jegliche Art von Handlung, wo auch immer sie stattfindet, wird von etwas über ihm Stehenden beherrscht, - ohne dass sich weder ein Blatt im Baum bewegen, noch ein Finger heben kann. Es gibt noch ein oder zwei Beziehungen, die in diesen Versen nicht erwähnt werden. Beispielsweise gibt es ein Bewusstsein von Rechtschaffenheit. Genauso wie es ein adhibhuta und adhidaiva gibt, gibt es auch ein adhidharma, ein Wort, das in diesen Versen nicht vorkommt. Adhidharma ist das vorherrschende Prinzip der Rechtschaffenheit, das uns ein Gefühl von innerer Zufriedenheit vermittelt, mit allen Dingen im Einklang zu sein. Wer sagt uns, dass wir das Richtige tun müssen? Sagt es uns die Welt oder sagt man es sich selbst? In Wirklichkeit ist es weder die Welt noch sind wir es selbst, die irgendetwas in dieser Richtung sagen können. Etwas sagt uns, dass wir das Richtige tun müssen. Es existiert ein vollkommen anderes Bewusstsein als herrschendes Prinzip, was als Tugend, Moral oder Rechtschaffenheit bekannt ist. Ich möchte ein weiteres Prinzip hinzufügen, das als herrschendes Prinzip in den beiden Versen der Bhagavad Gita unerwähnt geblieben ist: adhimoksha. Das Moksha-Prinzip steht über allen anderen. Die Befreiung der Seele ist der eigentliche Antrieb hinter allen Aktivitäten. Ob innerlich oder äußerlich, bewusst oder unbewusst, alle Aktivitäten aller Geschöpfe, - seien es lebendige, tote, bekannte oder unbekannte Geschöpfe, - alle sind durch die Notwendigkeit der Befreiung des Spirits dazu verdammt. Alles fragt nach endgültiger Befreiung, von der Ameise bis hin zu den Galaxien. Also füge das Wort adhimoksha, das Gesetz der letzten Befreiung hinzu. Dieses ist die kosmische Struktur. So, wie wir alle in diese Struktur eingebunden sind, wie sollten wir Sadhana als Meditation praktizieren? Beantwortet diese Frage: Wer meditiert? Worauf wollt ihr meditieren? Welches Meditationsobjekt wählt ihr, und wer meditiert?

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Siehe auch

Literatur

Seminare

Jnana Yoga, Philosophie

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