Sanskrit Kurs Lektion 49

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Das Gerundivum

Als Gerundivum bezeichnet man in der Sanskrit Grammatik‏‎ ein Verbaladjektiv bzw. Partizip, das eine Handlung in der Zukunft (Futur, Bhavishyat) ausdrückt und zugleich eine passivische Bedeutung hat. Das Gerundivum wird wie alle Partizipien von einer Verbalwurzel‏‎ (Dhatu) abgeleitet.


Bildung

Zur Bildung des Gerundivums werden drei Suffixe (Pratyaya) gebraucht, deren häufigstes das Suffix -tavya ist. Dieses tritt (wie das Infinitiv-Suffx -tum) an die Vollstufe (Guna) der Wurzel:

  • kṛ "tun, machen" (Wurzel) + -tavya (Gerundivum-Suffix) > kartavya "(ist, sind) zu tun, zu machen"
  • śru "hören" (Wurzel) + -tavya (Gerundivum-Suffix) > śrotavya "(ist, sind) zu hören"

Dabei kann zwischen die Wurzel und das Suffix der Puffervokal -i- treten:

  • car "wandeln" (Wurzel) + i + -tavya (Gerundivum-Suffix) > caritavya "(hat, haben) zu wandeln"
  • bhū "sein, werden" (Wurzel) + i + -tavya (Gerundivum-Suffix) > bhavitavya "(hat, haben) zu sein, zu werden"

Endet die Verbalwurzel auf einen Konsonanten (Vyanjana), so erfährt dieser beim direkten Zusammentreffen mit dem Suffix -tavya gemäß der Wohllautregeln des Sandhi gewisse Veränderungen:

  • bhid "spalten" (Wurzel) + -tavya (Gerundivum-Suffix) > bhettavya "(ist, sind) zu spalten" (der Wurzelauslaut d wird zu t)
  • yuj "verbinden" (Wurzel) + -tavya (Gerundivum-Suffix) > yoktavya "(ist, sind) zu verbinden" (der Wurzelauslaut j wird zu k)


Syntax und Bedeutung

Das Gerundivum nimmt wie ein Adjektiv (analog dem Partizip Präteritum Passiv) Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) des Substantivs an, auf das es sich bezieht. Es bezeichnet das logische Objekt (Karman) der Handlung und steht daher in der passiven Konstruktion (Karmani Prayoga) im Nominativ (Prathama). Das logische Subjekt bzw. der Agens (Kartri) der Verbalhandlung, d.h. derjenige, der die Handlung "tut", steht stets im Instrumental (Tritiya).

Oft dient ein Gerundivum dazu, das deutsche "sollen" oder "müssen" bzw. eine Aufforderung, die sich auf die (nähere) Zukunft bezieht, auszudrücken:

  • kartavyaḥ (m.) / kartavyā (f.) / kartavyam (n.): "(er/sie/es) soll/muss gemacht werden"
  • śrotavyaḥ / śrotavyā / śrotavyam: "(er/sie/es) soll/muss gehört werden"
  • caritavyaḥ / caritavyā / caritavyam: "(er/sie/es) soll/muss gewandelt werden"
  • bhavitavyaḥ / bhavitavyā / bhavitavyam: "(er/sie/es) soll/muss sein" (kann im Deutschen nicht passivisch wiedergegeben werden)
  • bhettavyaḥ / bhettavyā / bhettavyam: "(er/sie/es) soll/muss gespalten werden"
  • yoktavyaḥ / yoktavyā / yoktavyam: "(er/sie/es) soll/muss verbunden werden"


Übung 1 - 3

  • Devanagari: शब्दः पुरुषेण श्रोतव्यः |
  • wissenschaftliche Transliteration: śabdaḥ puruṣeṇa śrotavyaḥ |
  • vereinfachte Transkription: shabdah purushena shrotavyah |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Der Klang (Shabda Nom. Sg. m.) von dem Mann (Purusha Instr. Sg. m.) soll gehört werden (Shrotavya, Nom. Sg. m.), d.h. "Der Mann soll den Klang hören."


  • Devanagari: गीता पुरुषेण श्रोतव्या |
  • wissenschaftliche Transliteration: gītā puruṣeṇa śrotavyā |
  • vereinfachte Transkription: gita purushena shrotavya |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Die Gita (Nom. Sg. f.) von dem Mann (Purusha Instr. Sg. m.) soll gehört werden (Shrotavya, Nom. Sg. f.), d.h. "Der Mann soll die Gita hören."


  • Devanagari: सूत्रं पुरुषेण श्रोतव्यम् |
  • wissenschaftliche Transliteration: sūtraṃ puruṣeṇa śrotavyam |
  • vereinfachte Transkription: sutram purushena shrotavyam |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Das Sutra (Nom. Sg. n.) von dem Mann (Purusha Instr. Sg. m.) soll gehört werden (Shrotavya, Nom. Sg. n.), d.h. "Der Mann soll das Sutra hören."

Erläuterungen

  • Die Nominative śabdaḥ (m.), gītā (f.) und sūtram (n.) sind in den Beispielsätzen 1 bis 3 jeweils das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung, die als Verbaladjektiv bzw. Gerundivum erscheint.
  • Anstelle einer konjugierten Verbform der Zukunft stehen in den Beispielsätzen 1 bis 3 die Gerundiva śrotavyaḥ (m.), śrotavyā (f.) und śrotavyam (n.). Diese stimmen mit den Substantiven, auf die sie sich beziehen, wie Adjektive in Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) überein.
  • Der Instrumental Singular puruṣeṇa (von puruṣa Purusha m.) bezeichnet das logische Subjekt bzw. den Agens (Kartri) der Verbalhandlung, die als Gerundivum erscheint.


Übung 4 - 6

  • Devanagari: कटः कन्यया कर्तव्यः |
  • wissenschaftliche Transliteration: kaṭaḥ kanyayā kartavyaḥ |
  • vereinfachte Transkription: katah kanyaya kartavyah |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Eine Matte (Kata Nom. Sg. m.) von dem Mädchen (Kanya Instr. Sg. f.) soll gemacht werden (Kartavya, Nom. Sg. m.), d.h. "Das Mädchen soll eine Matte machen."


  • Devanagari: माला कन्यया कर्तव्या |
  • wissenschaftliche Transliteration: mālā kanyayā kartavyā |
  • vereinfachte Transkription: mala kanyaya kartavya |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Eine Kette (Mala Nom. Sg. f.) von dem Mädchen (Kanya Instr. Sg. f.) soll gemacht werden (Kartavya, Nom. Sg. f.), d.h. "Das Mädchen soll eine Kette machen."


  • Devanagari: पात्रं कन्यया कर्तव्यम् |
  • wissenschaftliche Transliteration: pātraṃ kanyayā kartavyam |
  • vereinfachte Transkription: patram kanyaya kartavyam |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Ein Trinkgefäß (Patra Nom. Sg. n.) von dem Mädchen (Kanya Instr. Sg. f.) soll gemacht werden (Kartavya, Nom. Sg. n.), d.h. "Das Mädchen soll ein Trinkgefäß machen."

Erläuterungen

  • Die Nominative kaṭaḥ (m.), mālā (f.) und pātram (n.) sind in den Beispielsätzen 4 bis 6 wieder jeweils das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung, die als Verbaladjektiv bzw. Gerundivum erscheint.
  • Anstelle einer konjugierten Verbform der Zukunft stehen in den Beispielsätzen 4 bis 6 die Gerundiva kartavyaḥ (m.), kartavyā (f.) und kartavym (n.). Diese stimmen mit den Substantiven, auf die sie sich beziehen, wie Adjektive in Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) überein.
  • Der Instrumental Singular kanyayā (von kanyā Kanya f.) bezeichnet das logische Subjekt bzw. den Agens der Verbalhandlung, die als Gerundivum erscheint.


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