Krankhafte Wahrnehmung
Krankhafte Wahrnehmung ist eine Form der psychischen Störung, bei der die sinnliche Wahrnehmung gestört ist. Krankhafte Wahrnehmung ist ein medizinisches Diagnose-Symptom. Heute spricht man häufiger von Wahrnehmungsstörung als von krankhafter Wahrnehmung. Früher hat man häufig auch von Halluzination gesprochen. Krankhafte Wahrnehmung kann auch ein Vorwurf sein, den man jemandem macht, mit dessen Kritik man nicht einverstanden ist.
Formen der Krankhaften Wahrnehmung
Psychiatrisch unterscheidet man quantitative und qualitative Formen der krankhaften Wahrnehmung.
Quantitative Formen der krankhaften Wahrnehmung
Man kann die Formen der krankhaften Wahrnehmung nach der Menge unterscheiden. So gibt es folgende Formen der quantitativen Wahrnehmungsstörung:
- Lückenhaft: Man nimmt manches wahr und anderes nicht - dies ist eine besondere Form der selektiven Wahrnehmung
- Vermindert: Man nimmt manches gar nicht wahr, was andere wahrnehmen und was eigentlich wichtig ist
- gesteigert: Man nimmt etwas intensiver wahr als angemessen; die stärkste Form der krankhaften Wahrnehmung ist, wenn man etwas wahrnimmt, was andere nicht wahrnehmen
Qualitative Formen der krankhaften Wahrnehmung
Wahrnehmung geschieht durch die fünft Sinne. Jeder der fünf Sinne kann auch trügen. Wenn diese Sinnestäuschung besonders stark sind, kann man von krankhafter Wahrnehmung sprechen. In Anlehnung an die fünf Sinne kann man sprechen von folgenden Formen der krankhaften Wahrnehmung:
- Optisch: Man sieht andere Dinge als andere Menschen
- Akustisch, also das Hören betreffend
- Gustatorisch, also den Geschmackssinn betreffend
- Olfaktorisch, also den Geruchssinn betreffend
- Kinästhetisch, haptisch-taktil, also das Fühlen betreffend
De facto sind es am meisten Stimmen, visuelle Erscheinungen und Gefühltes, was am stärksten den Menschen beeinflussen kann.
Wann ist eine fehlerhafte Wahrnehmung krankhaft?
Wann eine Wahrnehmung krankhaft ist, ist nicht so einfach zu beurteilen. Wahrnehmung ist nämlich immer fehlerhaft. Wahrnehmung bildet nicht Wirklichkeit ab, wie sie ist. Wahrnehmung schafft vielmehr ein Bild der Wirklichkeit, das geeignet ist, sich in der Welt zurecht zu finden. Und dabei treten immer wieder Formen der Wahrnehmung auf, die sich also nicht geeignet herausstellen.
Man könnte sagen, wenn man etwas anderes sieht als andere, ist das krankhaft. Auch diese Aussage ist nicht ganz korrekt: Jeder sieht Dinge anders, jeder macht immer wieder Wahrnehmungen, die andere nicht machen.
In der Psychiatrie spricht man von drei Kriterien für Halluzinationen als krankhafter Wahrnehmung:
- Wahrnehmung ohne entsprechende Sinnesreize
- mit Realitätsgewissheit
- in Verbindung mit Erklärungswahn
Jemand sieht vielleicht hinter sich immer eine schwarze Gestalt (Wahrnehmung ohne Sinnesreize). Der Betreffende ist sicher, dass die Person da ist - obgleich niemand anders sie sieht (Realitätsgewissheit). Der Betreffende meint, dass diese schwarze Gestalt eine Art Dämon sei, der ihm das Leben schwer machen will (Erklärungswahn).
Aber auch diese Erläuterung ist nicht ausreichend. So gibt es Menschen, die einen Engel sehen, sich gewiss sind, dass Jesus über sie wacht oder ihr spiritueller Meister.
Damit eine Wahrnehmung krankhaft ist, muss dazu kommen, dass die betreffende Person darunter leidet. Man könnte drei weitere Kriterien definieren, damit eine Halluzination krankhaft ist:
- Subjektives Leiden
- Erschwerung der Kommunikation mit anderen - im Extremfall kann Beziehungsunfähigkeit oder gar Kontaktunfähigkeit entstehen
- Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags, ein normales Leben kann nicht mehr geführt werden
Spezielle Formen der Krankhaften Wahrnehmung
In der Psychiatrie werden folgende Formen der krankhaften Wahrnehmung beschrieben:
- Halluzinationen
- Pseudohalluzination: Man erkennt den Trugcharakter: Man sieht jemanden im Zimmer, weiß aber, da ist niemand
- Zoenästesie: Fremdartige Leibwahrnehmung: Man fühlt sich versteinert, ausgehöhlt, fühlt Stacheldraht in den Gedärmen etc.
- Gedankenlautwerden: Man hört die Gedanken anderer
- Pareilodie: Abwesenheit von Affekten, kein Realitätsurteil
- Agnosie: Man erkennt jemanden oder etwas nicht wieder, was man schon mal gesehen hat
- Illusionäre Verkennung: Etwas tatsächlich Vorhandenes wird fehlerhaft wahrgenommen. Dies ist oft mit großem Affekt verbunden
- Metamorphosie: Veränderte Gestaltwahrnehmung
- Derealisation: Die Umwelt wird als unwirklich wahrgenommen. Dabei kann sich das Gefühl der Unheimlichkeit einstellen.
- Mikropsie: Gegenstände werden kleiner gesehen als sie sind
- Makropsie: Man sieht Dinge größer als sie sind.
Vorübergehende und dauernde Formen von Wahrnehmungsstörung
Von krankhafter Wahrnehmung spricht man nur dann, wie die Wahrnehmungsstörung über einen längeren Zeitraum anhält. Vorübergehende Formen der Wahrnehmungsstörung können verschiedene Ursachen haben:
- Alkoholkonsum, Drogenkonsum
- Unfall mit Gehirnerschütterung
- Epileptischer Anfall
- Vorübergehende Wahrnehmungsstörung mit unbekannter Ursache
Krankhafte Wahrnehmung als Vorwurf
Man kann jemand anderen auch schnell als krankhaft abstempeln, wenn man seine Argumente entkräften will. Nicht immer trifft der Vorwurf krankhafte Wahrnehmung zu.
Krankhafte Wahrnehmung, Astralerfahrung und spirituelle Erfahrung
Nicht jede Wahrnehmung, die über das hinausgeht, was der "Normalmensch" sieht, ist deshalb krankhaft. Im Yoga unterscheidet man zwei Formen der Wahrnehmung, die über das Normale hinausgehen - und die von manchen Psychiatern als Halluzination interpretiert werden könnten:
- Astralerfahrung: Hier werden feinstoffliche Dinge wahrgenommen wie Aura, Chakren (Energiezentren), Nadis (Energiekanäle), Feinstoffwesen (Geister etc.), Engel
- Spirituelle Erfahrung: Hier verändert sich die Wahrnehmung von Zeit und Raum, die gegenständliche Welt verschwindet, alles wird als wonnevolle Einheit erlebt