Jnana Kanda
Jnana Kanda ist eine andere Bezeichnung für die Upanishaden. Die Veden und alle wichtigen indischen Schriften haben einen Jnana Kanda und einen Karma Kanda.
Der Karmakanda beschreibt die Handlungen, die Rituale, die Pflichten und Aufgaben der Menschen. Der Jnana Kanda, auch Jnanakanda geschrieben, beschreibt das höchste Wissen und die Mittel, wie man zur höchsten Erkenntnis kommt. In den Veden bilden die Upanishaden den Jnana Kanda. Erfahre mehr über Jnana Kanda und Karma Kanda in diesem Vortragsvideo.
Sukadev über Jnana Kanda
Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Jnana Kanda
Jnana Kanda heißt Wissensteil, Jnana Kanda ist der Teil der Veden, der sich mit Jnana, mit Erkenntnis und dem Wissen über das Absolute beschäftigt. Jnana Kanda sind die Upanishaden. Jnana Kanda besteht aus zwei Worten: Zunächst mal Kanda, Kanda heißt Teil, heißt auch Kapitel. Es gibt auch Schriften und Literatur, Werke, die aus Kandas bestehen. Also, Kanda – Teile. Zum Beispiel in der Ramayana wird das Ganze in Kandas eingeteilt. Der erste Teil der Ramayana heißt z.B. Bala Kanda. Du findest ja auch auf unseren Yoga Vidya Seiten eine Zusammenfassung aller Kandas der Ramayana.
Also, Kanda – Kapitel, eigentlich heißt Kanda Teil. Die Veden haben zwei Teile, sie haben Karma Kanda und sie haben Jnana Kanda. Vermutlich kennst du die vier Veden, es gibt also Rigveda, Samaveda, Yajurveda und Atharvaveda. Jede der vier Veden hat wieder vier Teile, eben die Samhitas, die Aranyakas, die Brahmanas und die Upanishads. Und diese ganzen Veden kann man wieder einteilen in zwei Hauptteile: Da gibt es Karma Kanda und es gibt Jnana Kanda. Karma Kanda ist der Teil der Rituale. Karma hat ja so viele verschiedene Bedeutungen. Karma heißt Werke, Karma heißt Handlung, Karma ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, Karma ist Schicksal. Und Karma heißt aber auch Ritual. Ritual, als eine rituelle Handlung, mit der du auch dein Karma beeinflussen kannst.
Und so, ein großer Teil der Veden, da geht es darum, wie du handeln kannst, um etwas Positives zu bewirken, also, wie du Karma ausführen kannst, um positives Karma zu bekommen. Und da gibt es ethischen Vorschriften, aber es gibt sehr viel auch über Rituale und welches Ritual du machen musst, um zum Beispiel ein Vergehen zu sühnen, oder welches Ritual du machen musst, um im nächsten Leben reich zu werden oder einen gute Partner zu bekommen, Kinder zu bekommen usw., in diesem oder auch im nächsten Leben. Da steht eine ganze Menge drin, das ist der so genannte Karma Kanda.
Und dann gibt es den Jnana Kanda und im Jnana Kanda geht es darum, die Beantwortung der Fragen: "Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist das Ziel meines Lebens? Gibt es eine höhere Wirklichkeit und wie kann ich sie erfahren?" Jnana Kanda analysiert: "Was ist die Welt? Was ist Bewusstsein? Was ist Gott? Wie kann ich höchstes Bewusstsein verwirklichen? Wie kann ich Gott erfahren?" Im Jnana Kanda, in den Upanishaden, fragen große Schüler oder auch würdevolle Schüler, ernsthafte Schüler den Guru: "Meister, zeige mir das, nach dessen Erkenntnis alles erkannt ist. Meister, zeige mir das, nach dessen Verwirklichung alles verwirklicht ist." Das ist der Jnana Kanda. Man kann also die Veden einteilen in Karma Kanda und Jnana Kanda und das ist auch deshalb wichtig, weil, es gibt auch verschiedene Philosophiesysteme, vielleicht hast du von den sechs Darshanas gehört.
Da gibt es zum Beispiel Purva Mimamsa, meistens auch nur als Mimamsa bezeichnet, und das bezieht sich besonders auf Karma Kanda. Und auf dem Karma Kanda aufbauend wird dort eben gesagt, welche Handlungen sind Punya, verdienstvoll, welche sind Papa, also sündhaft. Und welche Wirkungen haben die verschiedenen Handlungen. Und dann, was man tun kann, um Punyas zu bekommen, welche Yajnas, Rituale man ausführen kann, um Punyas, Verdienste, anzusammeln, welches Tapas, welche Askese-Übungen man manchen kann, um Punyas, Verdienst, anzusammeln, und welche Dana, welche guten Werke, man tun kann, um Punyas anzusammeln. Das sind alles Themen von Karma Kanda.
Und dann gibt es Uttara Mimamsa, das ist die Vedanta-Philosophie und Jnana Yoga, und die kümmert sich weniger um Punya und Papa, um Karma usw., sondern kümmert sich hauptsächlich darum, um die höchste Erkenntnis. Denn es heißt, Jnana, höchste Erkenntnis, führt zu Moksha, Befreiung. "Wie erlange ich die höchste Erkenntnis?" Krishna in der Bhagavad Gita, an mehreren Stellen, bezieht sich auf Karma Kanda und sagt: "Für einen spirituellen Aspiranten ist Karma Kanda weitestgehend wertlos." Wenn er an manchen Stellen sagt, dass ein spiritueller Aspirant sich nicht um die Lehren der Veden kümmert, dann meint er dort, um den Karma Kanda. Es geht nicht darum, Handlungen zu tun, um etwas zu erreichen, man sollte nicht spirituelle Handlungen tun, um belohnt zu werden, sondern es geht darum, wir üben spirituelle Praktiken, um das Höchste zu erfahren, wir wollen gut zu anderen sein, einfach aus Liebe heraus und um Liebe und Verbindung zu spüren, nicht, um irgendwo belohnt zu werden. So ist der Jnana Kanda der wichtige Teil. Vermutlich wird man nicht alle Teile der Veden eindeutig dem Karma Kanda oder Jnana Kanda zuordnen können, aber das Konzept, Karma Kanda und Jnana Kanda, kann helfen, die Teile der Veden sich auszusuchen, die hilfreich sind für einen ernsthaften spirituellen Aspiranten und welche man getrost ignorieren kann.
Also, Jnana Kanda – der Teil der Veden, der sich mit höchster Weisheit beschäftigt. Auf eine andere Weise kann man auch sagen, auch sonst, alle Lehren eines spirituellen Systems kann man auch einteilen in Jnana Kanda und Karma Kanda. Man könnte auch sagen, Karma Kanda sind auch die Gepflogenheiten der Zeit. Wenn du zum Beispiel die Bibel durchliest, da gibt es manche Teile, wo du sagst: "Wie kann das in einer heiligen Schrift stehen?" Und du stellst fest, das ist nicht etwas, was mit unserer heutigen Ethik übereinstimmt und vielleicht auch mit einer Ethik, die wir heute sagen würden, die ist sehr viel besser als die frühere Ethik. Dort würde man sagen, das waren damals die Gepflogenheiten. Aber da, wo es in die Tiefe geht, die spirituellen Weisheiten, die sind im Alten Testament, im Neuen Testament bis heute gültig, die sind gültig auch in den alten Schriften von Veden, Mahabharata, Ramayana und den Puranas, die sind gültig auch im Koran, im Senta ha vesta, im Guru Granth Sahib und in vielen anderen Schriften. Man kann sagen, Jnana Kanda im weiteren Sinne sind die ewigen Wahrheiten aller Religionen und aller Schriften. Und Karma Kanda sind die relativen Wahrheiten, diejenigen, die letztlich auch Zeitverständnissen unterworfen sind.
Und so ist die Aufgabe eines spirituellen Aspiranten, egal, welcher Religion, herauszufinden: "Was ist jetzt der besonders wichtige Teil? Was ist das, was mich zum Höchsten führt? Und welche Teile von Schriften und religiösen Überlieferungen sind mehr aus der Zeit erklärbar und mehr aus den Gepflogenheiten und der damaligen Ethik, und heute für einen spirituellen Aspirant nicht mehr so von Relevanz?" Das war jetzt ein langer Vortrag zu Jnana Kanda, dem Wissensteil, dem spirituellen Teil der heiligen Schriften.
Siehe auch
- Aspirant
- Bhagavad Gita
- Bhakti Sutra
- Bibel
- Dana
- Guru Granth Sahib
- Karma Kanda
- Koran
- Mahabharata
- Moksha
- Punya
- Purana
- Ramayana
- Senta ha vesta
- Uttara Mimamsa
Literatur
- Sukadev Bretz mit Ulrike Schöber: Der Königsweg zur Gelassenheit
- Sukadev Bretz: Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von Heute
- Kurt A. Richter: Sich ändern-statt ärgern-Vom Umgang mit turbolenten Gefühlen
- Eckhart Tolle: Jetzt! Die Kraft des Jetzt.
Weblinks
- Das Studium der Schriften
- Der Yoga der Verzweiflung – Bhagavad Gita als Hilfe, um mit Verzweiflung umzugehen
Seminare
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