Jenseits

Aus Yogawiki
Der Weg ins Jenseits, Hieronymus Bosch (circa 1450–1516)

Ist Brahman Jenseits?

Dialog zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich.

Der Schüler: Das widerspricht anscheinend den bekannten Aussagen, »das Selbst ist jenseits des Denkens«, »das Denken ist unfähig, Brahman zu erkennen« und »Brahman ist jenseits von Gedanken und Rede« (A-Van-Manasa-Gochara).
Der Meister: Daher heißt es, das Denken ist zwiefältig: ein höheres, reines, und ein niederes, unreines. Das unreine Denken (oder Gemüt) kann nicht erkennen, aber das reine vermag es. Das soll nicht heißen, das reine Denken ermesse das unermessliche Selbst, das Brahman, — es bedeutet: Das Selbst gibt sich dem reinen Denken und Gemüt zu erfühlen, dass du auch inmitten deiner Gedanken seine Gegenwart fühlen kannst; du erlebst die Wirklichkeit, dass du eins bist mit dem tiefen Selbst, und die Wellen der Gedanken gleiten nur über die Oberfläche dieser Tiefe.
Der Schüler: Das bedeutet »Schwinden des Denkens« (Manonasha) oder »Schwinden des Ich-Gefühls« (Ahamkara Nasha); aber die Vernichtigung von Denken und Ich, von der du sprichst, ist also keine völlige?
Der Meister: Ja, das Gemüt klärt sich von seinen Unreinigkeiten und wird klar genug, die Wahrheit zu spiegeln: das wahre Selbst. Das ist unmöglich, solange das Ich tätig ist und auf Selbstbehauptung drängt.

Schicksale der Seele im Jenseits

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, Leipzig (1906), S. 411-416.

Widersprüche der vedischen Texte

1. Nach Brih. 6,2 gehen die Wissenden auf dem Devayana in das Brahman ein, die Werktätigen steigen auf dem Pitriyana zum Monde hinauf und nach empfangenem Lohne wieder herab, und zwar, um Menschen zu werden Brih. 6,2,16, S. 1062,1); die weder Wissenden noch Werktätigen werden zu Würmern. Vögeln und „was da heißet"; unter letzterm Ausdrucke scheinen ursprünglich nicht „Mücken und Fliegen", wie der Scholiast will, sondern, entsprechend der Steigerung, die in den erstgenannten Tierklassen liegt, höhere, insbesondere wohl reißende Tiere, oder auch Schlangen u. dgl. verstanden worden zu sein.

2. Diese einfachen und klaren Verhältnisse werden in der parallelen Stelle, Chand. 5,3-10, wie schon oben (Kap. XXX. 7) bemerkt, dadurch völlig verschoben, dass durch einen Zusatz unter den auf dem Pitriyana Zurückkehrenden solche mit erfreulichem Wandel unterschieden werden, die in einer der drei obern Kasten wiedergeboren werden, und solche mit stinkendem Wandel, die in Tier- oder Chandala-Leiber fahren. Hierdurch erhebt sich einerseits die von Chand. ganz übersehene Frage: da die Belohnung auf dem Monde doch nur denen von erfreulichem Wandel zukommt, welches Schicksal denn die von stinkendem Wandel in jener Weh gehabt haben mögen? Anderseits wird, wenn auch die Bösen den Pitriyana gehen, der (erst von Chand. so genannte) „dritte Ort" über flüssig; demnach bleibt er, mit Unterdrückung der Worte in Brih.: „die, welche diese beiden Pfade nicht kennen", den ganz niedrigen, rasch entstehenden und hinsterbenden Tieren überlassen; ob zwischen ihnen und dem Menschendasein ein Lebergang möglich ist, bleibt unerörtert.

3. Um die Verwirrung noch zu steigern, wird eine Stelle aus der Kaushitaki-Upanishad 1,2 herbeigezogen (S. 763,2), welche ausdrücklich sagt: „alle, welche aus dieser Welt dahinscheiden, die gehen sämtlich auf den Mond", und von dort eine Rückkehr in allerlei Tier- und Menschenleiber lehrt.

4. Mit der letztem Schwierigkeit findet sich unser Werk sehr billig ab, indem es die Kaushitaki-Stelle, ohne Rücksicht auf ihren Zusammenhang, in dem Sinne interpretiert, dass nur „alle, welche dazu berufen (Adhikrita) sind", zu verstehen seien. Die vorher erwähnte Schwierigkeit aber wird dadurch gelöst, dass einerseits, mittels einer an den Haaren herbeigezogenen Stolle der Ketthaka-Upanishad (2,6), als Gegenstück zu der Belohnung auf dem Monde, für die Bösen jenseitige Höllenstrafen eingefügt werden, anderseits aber auf den „dritten Ort" als Stätte der Bestrafung verwiesen wird. Beides wird nun nicht etwa durch Aneinanderreihung der Höllenstrafen und des dritten Ortes verbunden, sondern bleibt (auch S. 62,7 bietet keine Hilfe) unvermittelt nebeneinander stehen, so dass hier der Eindruck, als hätten verschiedene Hunde an den Sutras sowohl wie an dem Kommentare gearbeitet, schwer abzuweisen ist. Als Erläuterung zu dem Gesagten wollen wir die Hauptgedanken des Abschnittes, welcher von den Höllenstrafen und dem dritten Orte handelt (3,1,12-21), in der Reihenfolge, wie wir sie bei Shankara finden, dem Leser vorführen.

Die Höllenstrafen

Gehen auch die, welche nicht durch Opfer usw. werktätig gewesen sind, zum Monde (S. 762,11)? — Man könnte meinen, weil es Kaush. 1,2 heißt, alle gingen zum Monde (S. 763,2), und weil die fünffache Opferung, durch die der neue Leib erlangt wird, das Hingehen zum Monde voraussetzt (S. 763,4), beide, die Werktätigen und die Nichtwerktätigen gingen zum Monde, letztere jedoch, ohne zu genießen (S. 763,7 ). Dem ist aber nicht so. Denn das Aufsteigen zum Monde geschieht zum Zwecke des Genießens, nicht zwecklos oder bloß um wieder herunterzusteigen, so wie man auf einen Baum steigt, um seine Blüten und Früchte zu pflücken, nicht zwecklos oder um hinunterzufallen (S. 763,11). Nun gibt es für die Nichtwerktätigen keinen Genuss auf dem Monde (S. 763,13); folglich steigen nur die durch Opfer usw. Werktätigen zum Monde empor, nicht die andern (S. 763,10. „Die andern aber gehen ein in Samyamanam [d. h. Coercitio], die Behausung des Yama, erleiden dort die ihren Übeltaten entsprechenden Yama-Qualen und steigen dann wiederum zu dieser Welt herab. Also beschaffen ist für sie das Aufsteigen und Herabsteigen [S. 764,2, Aroha und Avaroha, beide Ausdrücke auch im Sutram]. — Denn so lehrt es die Schrift durch den Mund des Yama selbst (Kath. 2,6) :

„Das Nach-dem-Tode zeigt sich nicht dem Toren,
Dem Taumelnden, durch Reichtums Blendung Blinden;
«Dies ist die Welt; kein Jenseits gibt's», — so wähnend,
Verfällt er immer wieder meiner Herrschaft."

In diesen Worten also sollen nach Badarayana und Shankara die Höllenstrafen gemeint sein (S. 764,2), während nach dem Zusammenhange der Stelle und auch nach Shankaras Kommentar dazu nur von einem immer wieder und wieder Geborenwerden und Sterben die Rede ist. Auch die Smriti-Autoren, Manu, Vyasa usw., erwähnen die Yama-Stadt Samyamanam, in welcher die stinkenden Werke zur Reife kommen (S. 764,10), und die Purana-Dichter berichten von den sieben Höllen, Raurava [„die Brüllende", zu verstehen wie Arist. anal. post. 2,11, S. 94b33, oder wie Ev. Matth. 24,51] usw., als den Orten der Vergeltung für die Übeltaten (S. 764,13); und wenn als Vorsteher derselben nicht Yama, sondern Chitrayupta und andere genannt werden, so ist zu bemerken, dass diese in den Diensten des Yama stehen (S. 7115,3).

Der dritte Ort

Unmittelbar nach diesen Betrachtungen geht nun unser Autor mit 3,1.17 zu einer Besprechung des „dritten Ortes" über, bei welcher er seine Theorie der Höllenstrafen gänzlich vergessen zu haben scheint. — Es gibt, so entwickelt er S. 765, indem er die Berichte von Brih. und Chand. (Kap. XXX, 5, S. 394) zusammenschweißt, erstlich den Götterweg für das Wissen, zweitens den Väterweg für die (religiösen) Werke; „diejenigen aber, welche weder vermöge des Wissens zu dem Götterwege berufen sind, noch vermöge der Werke zu dem Väterwege, für die besteht dieser dritte, die winzigen Kreaturen begreifende, zu wiederholten Malen wiederkehrende dritte Pfad: darum auch [also: weil sie auf dem Monde nichts zu tun haben, und weil für sie der dritte Ort bestimmt ist] gehen die Nichtwerktätigen nicht zum „Monde" (S. 766,3). Man muss nicht meinen, dass sie zuerst zur Mondscheibe aufsteigen und dann unter die winzigen Kreaturen gehen, ,,weil das Emporsteigen (Aroha) zwecklos wäre" (S. 766,6; — oben aber, S. 413, wurde ein Aroha und Avaroha auch für die zu Höllenstrafen Bestimmten gelehrt). Darum also wird jene Welt nicht überfüllt (S. 766,7), nicht weil sie immer wieder herabsteigen, wiewohl dies an sich auch denkbar wäre (S. 766,10), sondern weil sie, wie die Schrift lehrt, an den dritten Ort gehen (S. 766,11). Wären sie (die Bösen) darin, dass sie wieder herabsteigen, von den Werktätigen nicht verschieden, so würde die Lehre von dem dritten Orte überflüssig werden (S. 766,13).

Wie in diesen Erörterungen, so sind auch in den darauf folgenden die Höllenstrafen ganz außer Acht gelassen, indem der Autor über dieselben weg auf das zu Anfang von Kap. XXXII, 2 (S. 412) Mitgeteilte zurückgreift, um die dort referierten Bedenken zu erledigen. Er fährt fort: wenn es Kaush. 1,2 heiße, alle gingen zum Monde, so seien darunter alle Berufenen zu verstehen (S. 767,1); und wenn zur Erlangung eines neuen Leibes der Durchgang durch die fünf Feuer und somit das Hingehen zum Monde als notwendig behauptet worden sei (S. 767.:3, vgl. 7113,4), so sei zu bemerken, dass der Fünf-Feuer-Prozess nur für die Menschwerdung, nicht bei einer Wiedergeburt als Wurm, Vogel usw. statthabe (S. 7(17,11), wie es ja auch heiße, dass die Wasser nach der fünften Opferung mit Menschenstimme (nicht mit Tierstimme) redeten (S. 767,12); also nur die Hinauf- und Herabsteigenden machten den Fünf-Feuer-Prozess durch (S. 767,14), die andern empfingen, ohne die fünffache Opferung, dadurch, dass das Wasser sich mit den andern Elementen versetze einen neuen Leib (S. 767.16). Übrigens sei nicht ausgeschlossen, dass auch ohne die fünf Feuer eine Menschwerdung möglich sei (S. 767,13); so seien z. B. Drona ohne das Weibesfeuer, Dhrishtadyumna und andere sogar mit Umgehung des Mannes- und des Weibesfeuers entstanden (S. 768,3); und eine solche Umgehung einzelner Feuer finde auch sonst statt, indem z. B. die Kranichweibchen ohne Samen empfingen (S. 768,6, vgl. Anm. 95 S. 244). und von den vier Klassen der Wesen (Lebendgeborenen, Eigeborenen, Schweißgeborenen, Keimgeborenen, S. 259) die beiden letzten ohne Begattung entstünden (S. 768,10). — Soeben noch hat unser Autor den Fünf-Feuer-Prozess auf die vom Monde Kommenden einge-schränkt; hier lässt er ihn, wenigstens teilweise, auch von den Tieren gelten. Eine konsequente Anschauung ist aus seinen Worten nicht zu gewinnen.

Die Seligkeit auf dem Monde

Es ist ein sinniger, poesievoller Glaube der Inder, das friedliche Lichtreich des Mondes als den Aufenthalt der abgeschiedenen Frommen zu betrachten und sein Zu- und Abnehmen mit dem Empor- und Herabsteigen der Seelen in Zusammenhang zu bringen. Aber wenn diese vorübergehende Seligkeit ein Lohn ist, wie kann es dann, Brih. und Chand. 1. c. heißen, dass die Frommen auf dein Monde die Speise der Götter sind? Es liegt doch kein Genuss darin, von den Göttern, wie von Tigern, gefressen zu werden! (S. 749,10.)

Hierauf ist zu erwidern, dass das Speise-sein für die Götter bildlich, nicht eigentlich zu nehmen ist (S. 7411,13), indem sonst ja nicht zu begreifen wäre, dass man sich durch mühevolle Werke den Aufenthalt auf dem Monde verdiente (S. 750,2). Das Essen der Götter ist also nicht ein Kauen und Verschlucken, sondern bedeutet den genussreichen Umgang, welchen sie mit den Werkfrommen pflegen, ähnlich wie man im Umgange mit tugendhaften Weibern, Söhnen und Freunden einen Genuss findet (S. 750,5); im Übrigen „essen und trinken die Götter nicht", wie es Chand. 3,6,1 heißt (S. 750,7). Dass aber dennoch die Götter die Frommen genießen, und somit Nutzen von ihnen ziehen, beruht darauf, dass die Werkfrommen die höchste Erkenntnis, nämlich die des Atman, nicht haben, und daher in jener Welt den Göttern ebenso dienstbar sind, wie in dieser, in Bezug auf welche es heißt (Brih. 1,4,10): „wer eine andere Gottheit [als das Selbst, den Atman] verehrt und spricht ‚ein anderer ist sie und ein anderer bin ich‘, der ist nicht weise, sondern ist gleichsam ein Haustier „der Götter" (S. 750,12). Somit deutet das Genossenwerden durch die Götter die Unzulänglichkeit der ganzen Pancagni-Vidya an (S. 751,3). Dass dieses Genossenwerden zugleich ein Genießen von Seiten der Frommen ist, haben wir bereits Anm. 125, S. 393, aus einer Stelle des Kommentars zu Chand. S. 343,10 ersehen.

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Siehe auch

Literatur

  • Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage
  • Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
  • Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
  • Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985.
  • Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Weblinks

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