Verurteilung

Aus Yogawiki

Einer Verurteilung liegt immer ein Urteil zugrunde. Was ist aber ein Urteil? Ein Urteil ist das Ergebnis einer Bewertung, die nach festgelegten Maßstäben/Regeln vorgenommen wird. Das Urteil bestätigt einen Sachverhalt als regelkonform oder eben nicht. Ein Regelverstoß wird mit einer Verurteilung geahndet und kann mit Sanktionen (Folgen, die Druck ausüben sollen) belegt sein, um das Durchsetzen der Regel zu forcieren.

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Ein Urteil bzw. eine Verurteilung dient der Aufrechterhaltung des Wertesystems, nach dessen Regeln verurteilt wurde. Es erleichtert die Orientierung für den einzelnen, sich in seiner Welt "zu Recht zu finden". Die Einhaltung von Regeln durch viele gibt ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit zu einer (beliebig großen) Gruppe. Gleichzeitig gibt es den Erwartungsdruck der Gemeinschaft, diese Regeln zu befolgen. Die Nichtbeachtung von Regeln wird sehr bei einer Verurteilung oft sanktioniert. Sanktionen können explizit festgeschrieben sein, z.B. in Gesetzen und Verordnungen. Es gibt aber auch ungeschriebene Regeln, die tradiert werden. Deren Missachtung wird auch mit einer Verurteilung und Sanktionen belegt, die oft sozialer Natur sind, z.B. die Reduzierung von Kommunikation mit einer Person oder gar die Einstellung der Kommunikation.

Es gibt verschiedene Arten von Verurteilungen.

Rechtsprechung: Gesetze und staatliche Ordnung

Bei Gericht ist ein Urteil bzw. eine Verurteilung die Entscheidung über den Streitgegenstand, im Regelfall aufgrund einer mündlichen Verhandlung. Die einem Gerichtsurteil zugrunde liegenden Regeln sind öffentlich bekannt als Gesetze und Verordnungen. Diese Regeln enthalten oft definierte Sanktionen, die bei einem Regelverstoß zu erwarten sind, z.B. x Euro für Handybenutzung während der Autofahrt.

Im zwischenmenschlichen Bereich

Verurteilung anderer Menschen

Jeder Mensch fällt ständig Urteile. Er urteilt über seine Umwelt, be- oder verurteilt sich selbst, seine Mitmenschen, die Regelwerke, denen er unterworfen ist. Diese Urteile bzw. Verurteilungen erfolgen aufgrund von persönlichen Bewertungen, deren individuelle Regeln sich schnell ändern können. Diese Regeln sind nicht öffentlich - es sei denn, der Urteilende gibt die seiner Verurteilung zugrunde liegenden Regeln bekannt. Diese Urteile bzw. Verurteilungen erfolgen in der Machtvollkommenheit jedes einzelnen Menschen.

Ein Urteil/eine Verurteilung hat oft Auswirkungen auf andere Menschen. Ein anderer Mensch kann sich durch ein Urteil bzw. die ihn betreffende Verurteilung in seiner Würde, seiner Integrität oder in seiner Persönlichkeit herabgesetzt fühlen.

Die Folgen eines Urteils (Handlungen/Unterlassungen) sollten bei der Urteilsfindung bzw. einer Verurteilung berücksichtigt werden. Ein Urteil/eine Verurteilung dient der eigenen Orientierung. „Ich weiß, was ich unter bestimmten Bedingungen tun muss/kann und was passiert, wenn ich es nicht tue.“ Es gibt das Gefühl von Sicherheit, auch wenn diese relativ sein mag. Bei einer Verurteilung sind die Folgen einer Missachtung von Regeln nur dann klar und kalkulierbar, wenn die Sanktionen bekannt sind.

Die Gefühle des Verurteilenden können sehr unterschiedlich sein, von Triumphgefühl bis zu hochgradigem Unbehagen oder Unsicherheit. Nicht selten ist ein Triumphgefühl von „Ich habe gewonnen!“ mit der Verurteilung des anderen verbunden. Damit verbunden ist oft das Gefühl der Überlegenheit über den Verurteilten. Das kann dazu führen, dass die Verurteilung zum Anlass genommen wird, den Verurteilten noch weiter zu erniedrigen.

Das Gefühl, Recht bekommen zu haben, bestärkt die Person in ihrer Auffassung von Regeln und verleiht ihr neue Sicherheit über deren Gültigkeit. Als gerechtfertigt werden Urteile bzw. Verurteilungen von anderen Menschen empfunden, wenn sie gemäß dem bestehenden Regelsystem gefällt wurden. Implizit wird damit das Regelsystem (Werte, Gesetze) bestätigt und als allgemeingültig anerkannt. Die Verurteilung hat für die betroffene Person meist weitreichende Folgen.

Verurteilt werden

Ein Mensch kann infolge einer Verurteilung, die von einem anderen Menschen gegen ihn ausgesprochen wurde, mit erheblichen Folgen dieser Verurteilung konfrontiert werden. Wenn diesem Menschen das Urteil sowie die zugrunde liegende Begründung nicht mitgeteilt wurde, ist für ihn die Verurteilung nur an den Folgen indirekt ersichtlich. Dies kann zu - unnötigem - Leiden führen. Der leidende Mensch fragt sich: „Was habe ich getan?“ Ohne eine Begründung für das Urteil/die Verurteilung hat der Verurteilte keine Möglichkeit, im Rahmen seiner Entwicklung ein mögliches Fehlverhalten – Verstoß gegen Regel/Gesetze – zu erkennen und über die Gültigkeit des Regelsystems für ihn persönlich nachzudenken und zu entscheiden.

Ein Beispiel: Ein Vorgesetzter äußert über einen kranken Mitarbeiter: „Der kommt nicht wieder.“ Wenn der Vorgesetzte dieses Urteil beibehält auch nach Rückkehr des Mitarbeiters, „verurteilt“ er den Mitarbeiter zum Verlassen des Unternehmens. Der Mitarbeiter wurde nach seiner Rückkehr nicht durch den Vorgesetzten informiert, sondern sehr viel später durch einen Kollegen. Er konnte die „Verurteilung“ nur indirekt durch Handlungen/Unterlassungen seines Chefs/seiner Kollegen schlussfolgern, ohne direkt über die Verurteilung und die Gründe dafür informiert zu werden. Dies wiederum kann zu erheblichen Problemen bei diesem und anderen Mitarbeitern führen, da die zugrunde liegenden Regeln nicht allgemein bekannt sind. Oft reagieren Menschen dann mit psychischen Problemen und Krankheiten.

Auswirkungen von Verurteilung

Es kann durchaus sein, dass ein Mensch sich zu Recht verurteilt fühlt. Er sieht ein, dass er Unrecht hatte, vielleicht diskutiert er noch über die Höhe der Strafe.

Fühlt sich ein Mensch zu Unrecht verurteilt, können sich sehr viele unterschiedliche Gefühle entwickeln. Er fühlt sich durch die Verurteilung ungerecht behandelt und sieht sein Fehlverhalten nicht ein. Vielleicht fühlt er sich auch verletzt, weil seine Sichtweise/Interpretation der Regeln nicht anerkannt wurde. Auch das Gefühl des "Sich-zurückgesetzt-FühlenS" oder das Gefühl, aufgrund der Verurteilung kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft mehr zu sein, können dadurch entstehen.

Die Furcht der Herabsetzung in der persönlichen Außenwirkung nach einer Verurteilung ist oftmals genauso groß wie die Furcht vor Strafe. Die Herabstufung im sozialen Umfeld hängt oft vom Grund der Verurteilung ab. Eine Verurteilung wegen Gewalt gegen Menschen, besonders gegen Kinder, wird mit sozialer Ächtung und langanhaltender, manchmal lebenslanger, Isolierung bestraft. Eine solche Strafe geht über das festgelegte gesetzliche Strafmaß deutlich hinaus. Gefühle können dann wiederum handlungsleitend werden, um diese Verurteilung wieder aufzuheben, um die persönliche positive Außenwirkung wieder herzustellen.

Vorurteil

Ursprünglich beschreibt das Wort „Vorurteil“ einen Zwischenstand auf dem Weg zu einem Urteil. Ein Vorurteil im heutigen Sprachgebrauch ist eine vorab getroffene Verurteilung ohne Würdigung aller wesentlichen Eigenschaften einer Sache oder Person. Umgangssprachlich ist das Wort „Vorurteil“ negativ belegt.

Oft werden solche Verurteilungen angewendet gegenüber Personen, die einer bestimmten rassischen, religiösen oder regionalen Gruppe angehören. Ein Vorurteil ist oft Grundlage für motivgesteuertes Handeln. Mögliche Handlungen sind Verleumdung, Kontaktvermeidung, Diskriminierung, körperliche Gewalt bis hin zur Tötung. Hier nimmt sich der Verurteilende das Recht heraus, aus eigener Machtvollkommenheit Sanktionen zu ergreifen, die nicht selten den geltenden gesellschaftlichen Regeln zuwider laufen.

Bewertet jemand die Meinung eines anderen mit dem Begriff „Vorurteil“, ist damit eine negative Grundtendenz der Bewertung vorgegeben. Oft wird damit ausgedrückt, dass jemand einen anderen von seiner eigenen Meinung nicht überzeugen konnte und die Meinung herabsetzt, somit wieder eine Verurteilung ausspricht.

Yoga und Verurteilung

Yoga und Verurteilung, diese zwei Begriffe gehen eigentlich überhaupt nicht miteinander. Yoga bedeutet „Einheit, Harmonie“, aber wie will man in Einheit und Harmonie verurteilen? Das ist überhaupt nicht möglich, man kann kein echter Yogi sein und gleichzeitig jemanden verurteilen. Als Mensch bildet man sich ein Urteil, das gehört zum Lauf der Dinge, aber jemanden zu verurteilen, ihm für immer und ewig einen Stempel aufzuerlegen, an dem man nicht mehr rütteln kann, das ist eher Verurteilung und nicht wirklich sinnvoll.

Jeder Mensch ist dabei, sich weiter zu entwickeln, macht Fehler, damit er daraus lernen kann. Swami Sivananda schreibt in seinem Buch „Samadhi Yoga“: "Schau nicht nach den Fehlern der anderen. Das geht dich nichts an. Alle entwickeln sich. Gott allein kennt die Position, an der sich jeder auf dem Entwicklungspfad befindet. Sei wachsam. Sei umsichtig. Sei kühn. Sei frohgemut. Sei rein. Sei freundlich. Sei demütig. Sei geduldig. Verliere das Ziel nicht aus den Augen."

Wieso solltest du also einen anderen Menschen für sein So-Sein verurteilen? Machst du keine Fehler? Es ist auf jeden Fall sinnvoller, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, an seinen eigenen Unzulänglichkeiten zu arbeiten, als mit dem Finger auf den scheinbar anderen zu zeigen. Denn wenn wir alle eins sind und der andere nur ein Spiegel von mir ist, dann zeige ich mit dem Finger auf mein eigenes Spiegelbild und damit auf mich selbst. Wenn ich also einen anderen verurteile, verurteile ich mich selbst, verurteile ich diese Anteile in mir selbst. Wenn ich beispielsweise die Wut des anderen verurteile, verurteile ich nur meine eigene Wut auf die Wut des anderen. Denn was geht mich die Wut des anderen an? Jeder lebt gewissermaßen in seiner eigenen Welt und schließt sich nur an die Gefühle eines vermeintlich anderen an, die seinen eigenen in dem Augenblick entsprechen. Manche Menschen bemerken das allerdings nicht, und das ruft dann eine ganz klare Form von Verurteilung auf den Plan.

Aber wem bringt diese Verurteilung wirklich etwas? Das ist dann einfach nur ein Thema, das zwei Menschen ins Bewusstsein gehoben wird, und dann muss man nach dem Aspekt des Karma Yoga, losgelöst von den Früchten der Handlung, Entscheidungen treffen und sie umsetzen. Da jeder Mensch ein gewisses Karma mit sich bringt, das ihn dazu bewegt, sich zu inkarnieren, hat jeder Mensch auch Gefühle, die er zu bewegten Emotionen werden lässt, die ihn wiederum in die Handlung führen können.

Wenn wir das erkennen, kann der Wunsch aufkommen, in die Handlungslosigkeit zu gehen, denn wer weiß schon, was die richtige Handlung ist? Aber genau wie Arjuna, der sich voller Verzweiflung auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra an Krishna wendet, müssen auch wir handeln - selbst nicht handeln ist eine Handlung. Und für Handlungen kann man natürlich auch Verurteilung ernten.

Wie geht man also mit Verurteilung um? Wenn das Gefühl von Verurteilung einem anderen gegenüber aufkommt, kann man es einfach nur zur Kenntnis nehmen, es beobachten, die Verantwortung dafür übernehmen und schauen, was einen am vermeintlich anderen so sehr stört, und dann muss man sich aber wieder sich selbst zuwenden und genau diesen Aspekt bei sich selber untersuchen und schauen, wie man daran arbeiten kann. Man kann nur an sich selber arbeiten und nicht an dem vermeintlich anderen.

Jeder Mensch hat seinen freien Willen, trifft seine eigenen Entscheidungen. Ich kann nicht entscheiden, was der andere zu lernen hat, wenn er es nicht lernen möchte oder vielleicht noch nicht einmal den Bedarf sieht, sich an diesem Punkt zu verändern. Ich kann nur an mir selber arbeiten und den anderen in seinem Sein akzeptieren, ihn seinen eigenen Weg gehen lassen. Verurteilung bringt niemanden weiter – weder den Verurteilten noch den Verurteilenden. Die Hingabe an den Augenblick, die Akzeptanz des anderen und damit auch die Liebe zu sich selbst bringt einen auf jeden Fall weiter und näher zu Gott. Wir könnten lernen, Verurteilung mit Akzeptanz und Liebe zu ersetzen. Wäre das nicht eine schöne Zukunftsmusik?

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Karma Yoga

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Indische Schriften

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Raja Yoga, positives Denken, Gedankenkraft

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Meditation

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Multimedia

Karma Yoga – verhaftungslos handeln

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Zusammenfassung der Bhagavad Gita Kap.5 “Yoga der Befreiung des Karma”

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Verhaftungsloses Handeln erntet kein Karma – BG.XVIII 12

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