Schweigen

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Schweigen ist lautlos und ohne Sprechen - besonders verbreitet in Religionen und Spiritualität; in Meditation und Gebet... (auch in Rechtssystemen).

Abgrenzungen

Trotzdem können Informationen mitgeteilt werden. Bewußt zu schweigen setzt natürlich voraus, daß man auch sprechen könnte. Vazrik Bazil und Manfred Piwinger

Formen des Schweigens

Schweigen kann angespannte Aufmerksamkeit bedeuten. Oft wird es situationsbedingt gefordert. Zum Beispiel schweigen heutzutage die Mitarbeiter in Büros, um die für das Nachdenken erforderliche Ruhe zu gewährleisten. In Theatern und in Kinos schweigen die Zuschauer meist, um sich auf die Handlung zu konzentrieren und die anderen Zuschauer nicht zu stören.

Schweigen als Denkpause des Sprechers gewährt dem Sprecher und dem Publikum Zeit zum Nachdenken. Als Mittel der Rhetorik kann Schweigen als bewusste Pause eingesetzt werden. Es gibt Sprecher und Publikum Zeit zum Nachdenken und hat zugleich Signalwirkung als Aufforderung zum tieferen Überdenken.

Aussageverweigerung

Angeklagte und deren Angehörige haben vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit soll verhindert werden, dass Angeklagte gegen ihren Willen zu belastenden Aussagen gezwungen werden können.

Verschwiegenheitspflicht

Angehörige bestimmter Berufsgruppen unterliegen einer Schweigepflicht. Sie dürfen keine Einzelheiten aus ihrer beruflichen Tätigkeit veröffentlichen, die ihnen als Berufsgeheimnis anvertraut wurden. Dazu gehören die ärztliche Verschwiegenheit sowie das Bankgeheimnis, Beichtgeheimnis und Betriebsgeheimnis.

Dialogverweigerung

Schweigen kann speziell das Verweigern einer Antwort auf eine Frage oder generell eines Dialoges zum Ausdruck bringen. Das gilt insbesondere für ein eisiges Schweigen in Konflikten oder ein langwieriges Schweigen in Partnerschaftskonflikten. Bisweilen wird im Konfliktfall ein einseitiges Schweigen als Strafe eingesetzt.

Auch in der Politik spielt Schweigen eine Rolle. So haben nach dem Irakkrieg die führenden Politiker der USA und der Bundesrepublik Deutschland lange nicht miteinander geredet.

Konsensbildung

Schweigen kann situationsabhängig Zustimmung oder Ablehnung einer Frage signalisieren. Wenn bei einer nichtformellen Abstimmung auf die Frage „Hat jemand etwas dagegen?" niemand antwortet, so wird das als Zustimmung gewertet.
Dazu das bekannte Zitat von Papst Bonifatius VIII. (um 12351303): „Qui tacet, consentire videtur.“ („Wer schweigt, scheint zuzustimmen.“) Er drückte sich vorsichtig aus; denn es könnte ja sein, dass beispielsweise jemand zum Schweigen gezwungen wird.

Andererseits wird ein Schweigen auf eine Aufforderung zur Zustimmung (etwa „Sind Sie damit einverstanden?“) eher als Ablehnung gewertet. Schweigen auf eine Frage wird also meist gleich oder ähnlich einer ablehnenden Antwort auf die Frage verstanden.

Gedenkanlässe

Das bewusste gemeinsame Schweigen zum Gedenken an bestimmte Ereignisse wird als Schweigeminute bezeichnet. Auch während einer Bestattungszeremonie schweigen die Trauergäste, während der Pfarrer spricht oder betet.

Unsicherheit

Plötzlich auftretendes Schweigen kann eine gespannte Stimmung signalisieren. Wenn in einer Gruppe alle schweigen, weil niemand zu reden beginnen möchte, entsteht oft eine peinliche Situation. Diese Situation muss von den Gesprächsteilnehmern gemeistert werden. Das kann zum Beispiel geschehen, indem bereits vorher festgelegt wird, wer gegebenenfalls die ersten Fragen stellt. Oft entsteht Schweigen, wenn gefragt wird: "Hat jemand eine Frage?" Viele wollen nicht als erste reden, um nicht aufzufallen. Wenn erst einmal eine Diskussion in Gang gekommen ist, entwickelt sie oft eine Eigendynamik.

Schweigegelübde

Bekannt sind Schweigegelübde aus religiösen Gründen, die zu bestimmten Tageszeiten oder über längere Zeit gelten.

Siehe auch: Schweigerose

Isolationsangst

Der englische Sozialphilosoph Thomas Hobbes schrieb in seinem 1650 veröffentlichten Buch »The Elements of Law«, Schweigen könne man als Zeichen von Zustimmung auslegen, denn es sei ja so leicht, nein zu sagen, wenn man nicht zustimme. Hobbes irrt sich darin, dass es leicht sei, nein zu sagen. Manche Menschen leiden, wenn sie meinen, dass sich andere auf Grund einer Meinungsäußerung von ihnen abkehren. Die Furcht vor Isolation erscheint als die treibende Kraft, die den Prozess der Schweigespirale in Gang setzt. Schweigen ist für Menschen mit schwachem Selbstbewusstsein und geringem Interesse an Politik, d. h. für Mitläufer, eine Möglichkeit, gut gelitten zu bleiben und nicht durch eine Meinungsäußerung isoliert zu werden. Schweigen wirkt für Mitläufer verlockend, weil man es auch als Zustimmung auslegen kann.

Schweigegebot

Eine Person kann durch ein Gerichtsurteile zum Schweigen verurteilt werden. Noch heute ist es zum Beispiel in der römisch-katholischen Kirche üblich, einen Priester zu einem zeitlich befristeten Bußschweigen zu verurteilen.

Schweigen ist ein wichtiges Element in der Pantomime: Ein Schauspieler verzichtet bewusst auf das Sprechen und drückt sich lediglich in Gesten und mit Mimik aus.

Im Stummfilm konnte infolge technischer Möglichkeiten kein gesprochenes Wort verwendet werden. Bei den meisten dieser Filme wurden allerdings als gesprochen zu denkende Texte auf Zwischentafeln eingeblendet, so dass es sich nicht um wirkliches Schweigen handelt. Im Vergleich zum Tonfilm lag der Ausdruck der Schauspieler betonter in der Gestik und Mimik.

Schweigen in Rechtsangelegenheiten

Im Privatrecht gilt der Grundsatz, dass Schweigen nicht als Willenserklärung zur Begründung eines Rechtsverhältnisses ausgelegt wird (rechtliches Nullum). Verträge kommen durch übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande. Dabei ist jedoch zu beachten, dass konkludentes Handeln wie z. B. in einer Bäckerei auf ein Brötchen zeigen zwar keine verbale Äußerung ist, jedoch auch eine Willenserklärung.

Von diesem Prinzip gibt es wichtige Ausnahmen, die vor allem auf der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz beruhen qui tacet, consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit - Wer schweigt, wo er (wider-)sprechen sollte und konnte, dem wird Zustimmung unterstellt; ein Grundsatz der sich insbesondere im deutschen Handelsrecht unter Kaufleuten erhalten hat (str. dogmatische Konstruktion, ob Rechtscheinhaftung oder Fiktion einer Willenserklärung). So ist zum Beispiel nach dem Erhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, das ein Kaufmann nicht akzeptieren will, grundsätzlich ein Widerspruch notwendig. Schweigen gilt hier als Zustimmung und führt zum Abschluss eines Vertrages. Auch in Vorlage:§ HGB fingiert das Gesetz das Schweigen als Annahme. Ähnliches kann in eingeschränkterem Maße bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen einem Kaufmann und seinen Geschäftspartnern, auch Verbrauchern, gegeben sein.

Besonders in Massengeschäftsbeziehungen wie bei Banken oder Telefongesellschaften – ist die explizite Zustimmung des anderen Partners (insbesondere einer Vielzahl von ihnen) einzuholen sehr schwierig. Deswegen kann dort in den AGB bereits eine Änderung des Vertragstextes vorbehalten werden. Eine entsprechende Änderung muss dem Vertragspartner mitgeteilt werden, nach den Bestimmungen der AGB-Klausel gilt diese als akzeptiert, wenn kein Widerspruch eingeht. Die Rechtsprechung führt bei solchen stillschweigenden Vertragsanpassungen jedoch eine Inhaltskontrolle durch. So ist die Umwandlung eines kostenlosen in ein kostenpflichtiges Angebot nicht stillschweigend möglich.

Ebenso gilt, dass bei Geschäften, die aus Leistung und Gegenleistung bestehen, grundsätzlich eine Leistung als akzeptiert und damit die Verpflichtung des anderen Vertragspartners als erfüllt gilt, wenn kein Einwand vorgebracht wird. Dies gilt auch dann, wenn etwas anderes geleistet wird, als angefordert wurde. Dieses Prinzip der stillschweigenden Akzeptanz gilt allerdings nicht unbegrenzt; insbesondere kann es in individuellen Verträgen ausgeschlossen werden. Dies wird oft bei Projektgeschäften getan, zum Beispiel beim Kauf von Industrieanlagen, im Baugewerbe, und bei der Entwicklung von Individualsoftware, wo meist vereinbart wird, dass der Kunde eine Lieferung oder Teillieferung ausdrücklich als in Ordnung anerkennen muss, bevor die Lieferpflicht als erfüllt gilt.

Auch Vorlage:§ BGB normiert einen Fall des Schweigens als Willenserklärung.

Verwaltungsakte und Gerichtsurteile werden bestandskräftig, wenn man sie stillschweigend hinnimmt, anstatt Widerspruch einzulegen, Klage zu erheben oder in die Berufung zu gehen. Dies ist dadurch begründet, dass die diese Rechtsbehelfe fristgebunden sind. Ein nach Fristablauf eingehendes Rechtsmittel ist unzulässig. Auch das Schweigen von Behörden kann in bestimmten Fällen als Zustimmung gelten, so etwa beim fiktiven Verwaltungsakt.

Im Strafrecht gilt der Grundsatz, dass es das Recht jedes Angeklagten ist, zu schweigen, ohne dass ihm das zum Nachteil ausgelegt werden darf, entsprechend dem Prinzip, dass die Staatsanwaltschaft die Schuld zu beweisen hat, nicht der Angeklagte sie zu widerlegen. In der Praxis kann Aussageverweigerung zwar zu einem höheren Strafmaß führen als bei einem Geständnis verhängt worden wäre (bei dessen Vorliegen oft Schuldeinsicht als mildernder Umstand angenommen wird). Allerdings gilt dies auch für Leugnung, so dass das Schweigen an sich nicht ursächlich ist.

Verschweigen

Verschweigen der Identität

Manche Künstler und Schriftsteller legen sich Pseudonyme als Künstlernamen zu. Geheimdienste bzw. Nachrichtendienste legen eine Legende an, d.h. eine ganz oder in Teilen erfundene oder geänderte Biographie, um Absichten und Identitäten zu verbergen.

Verschleierung

Unter Verschleierung versteht man hingegen das Unkenntlichmachen eines Gegenstandes oder in der Informatik auch einer Information, so dass der eigentliche Inhalt nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.

Verschlüsselung

Bei einer Verschlüsselung wird ein Text in einen Geheimtext umgewandelt wird, den der Empfänger mit Hilfe eines Schlüssels wieder entschlüsseln kann.

Zitate

Siehe auch

Literatur

Monografien
  • Hans-Jürgen Baden: Das Schweigen. Bertelsmann, Gütersloh 1952.
  • Peter Burke: Reden und Schweigen. Zur Geschichte sprachlicher Identität. Wagenbach, Berlin 1994 ISBN 978-3803151469
  • Stephanie Dietrich: Das schweigende Gebet. Zur Grundlage des Verständnisses von schweigendem Gebet in ökumenischem Blickwinkel. Evang. Verlags-Anstalt, Leipzig 2000.
  • Franz Dodel: Weisung aus der Stille. Sitzen und Schweigen mit den Wüstenvätern. Benziger, Zürich 1999.
  • Regine Elzenheimer: Pause. Schweigen. Stille. Dramaturgien der Abwesenheit im postdramatischen Musik-Theater. Königshausen & Neumann, Würzburg 2008.
  • Anselm Grün: Der Anspruch des Schweigens. Vier Türme, Münsterschwarzach 1984 ISBN 3878681267
  • Claudia Edith Kunz: Schweigen und Geist. Biblische und patristische Studien zu einer Spiritualität des Schweigens. Herder, Freiburg im Breisgau 1996.
  • Robin Bruce Lockhart: Botschaft des Schweigens. Das verborgene Leben der Kartäuser. Echter, Würzburg 1987 ISBN 342901087x
  • Erika Lorenz: Wort im Schweigen. Vom Wesen christlicher Kontemplation. Herder, Freiburg im Breisgau 1993.
  • Gustav Mensching: Das heilige Schweigen. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung. (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 20,2), Gießen 1926.
  • Elisabeth Noelle-Neumann: Öffentliche Meinung. Die Entdeckung der Schweigespirale. Erweiterte dritte Ausgabe. Ullstein, Frankfurt am Main u. Berlin 1991 ISBN 3-550-06511-6
  • Wolfram Nugel: Alles in uns schweige. Erfahrungen der Stille. Claudius, München 1999.
  • Max Picard: Die Welt des Schweigens. Rentsch, Zürich 1948.
  • Stefan Raueiser: Schweigemuster. Über die Rede vom Heiligen Schweigen. Lang, Frankfurt am Main 1996.
  • Raimund Sesterhenn (Hrsg.): Das Schweigen und die Religionen. Schnell & Steiner, München 1983 ISBN 3795401259
  • Günter Stachel: Gebet - Meditation - Schweigen. Schritte der Spiritualität. Neuausgabe. Herder, Freiburg im Breisgau 1993.
  • George Steiner: Langage et Silence. Paris 1969
    • Deutsche Ausgabe: Sprache und Schweigen. Essays über Sprache, Literatur und das Unmenschliche. Frankfurt am Main 1973.
Aufsätze
  • Hans Urs von Balthasar: Wort und Schweigen. In: Hans Urs von Balthasar: Verbum Caro. Skizzen zur Theologie. Johannes, Einsiedeln 1960, S. 135-155.
  • Waltraud Herbstrith: Schweigen/Stille. In: Christian Schütz (Hrsg.): Praktisches Lexikon der Spiritualität. Herder, Freiburg im Breisgau 1988, S. 1108-1111.
  • Kallistos Ware: Schweigen im Gebet. Was "Hesychia" bedeutet. In: Erbe und Auftrag 51 (1985), S. 427-447.
  • Philipp Wolff-Windegg: Symbol und Schweigen. In: Symbolon. Jahrbuch für Symbolforschung 3 (1968), S. 77-88.
  • H. Wutz: Schweigen und Reden in den Exerzitien des heiligen Ignatius. In: Geist und Leben 41 (1968), S. 266-285.
  1. Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Atlas, Köln o.J. (1960), S. 25.