Darshanas: Unterschied zwischen den Versionen

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== Indische Philosophie - Sechs klassische Darshanas ==
== Indische Philosophie - Sechs klassische Darshanas ==
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''- Ein Vortrag von Sukadev Bretz -''
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Version vom 30. März 2021, 14:57 Uhr

Die „Darshanas“ sind Sichtweisen, Erklärungsmodelle der Wirklichkeit, der Versuch, existenzielle Menschheitsfragen wie: „Was ist der Sinn des Lebens?“, „Gibt es eine höhere Wirklichkeit (Gott)?“, „Gibt es so etwas wie einen höheren, ewigen Wert, oder ist mit dem Tod alles zu Ende?“, „Was ist Wahrheit?“ logisch zu beantworten.

Adi Shankara als Lehrer des Vedanta

Indische Philosophie - Sechs klassische Darshanas

Philosophie aus Yoga Sicht

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz -

Darshana bedeutet Sichtweise oder Weltanschauung. Es wird in folgende Sichtweisen untergliedert:

1. Purva Mimamsa
2. Vaisheshika
3. Nyaya
4. Samkhya (auch Sankhya)
5. Yoga
6. Uttara Mimamsa = Vedanta

Versuche, die Wahrheit zu beschreiben. Unterschiedliche Standpunkte, teilweise widersprüchlich, trotzdem je nach Situation alle gültig und anwendbar; verschiedene Sichtweisen derselben Wirklichkeit

Purva Mimamsa

Mimamsa läßt sich als Erörterung oder Reflektion interpretieren. Purva Mimamsa = „Erörterung, Untersuchung des vorderen Teils der Veden“. Zusammengefaßt von Jaimini, der daher als Begründer dieser Schule gilt.

  • theistisch; Gott hat die Welt geschaffen
  • Himmel- und Hölle-Philosophie
  • Punyas = gute Taten  man kommt in den Himmel, sammelt gutes Karma an und wird im nächsten Leben in glückliche Verhältnisse hineingeboren
  • Papas = Sünden  man kommt in die Hölle, sammelt schlechtes Karma an und wird im nächsten Leben in schlechten Verhältnissen wiedergeboren
  • Positive und negative Handlungen
  • Reinheitsvorschriften
  • vorgeschriebene Rituale und Handlungen
  • bestimmte Rituale, um etwas Bestimmtes zu erreichen
  • Sühne- und Bußübungen

Entspricht in vielen Teilen christlichen Vorstellungen In Indien am populärsten und am weitesten verbreitet

Vaisheshika

Vaisheshika bedeutet „sich auf die Unterschiede beziehend“.

  • logisch-naturwissenschaftlich
  • materialistisch
  • Universum als Zusammenspiel von Anus (= Atomen), Kräften und Naturgesetzen, den Shaktis oder Energien
  • Mehrere Richtungen
  • Alles nur Materie, selbst die Seele
  • Ziel des Lebens: Vergnügen, dabei aber die Rechte anderer achten und ihnen nicht schaden
  • Höheres Ziel gibt es keines
  • grundlegende Kategorien des Erkennens, um so zu einer geordneten Wahrnehmungdes Kosmos zu gelangen
  • Entspricht weitgehend der westlichen Grundhaltung und Wissenschaft

Nyaya

„nyaya“ = Norm, Regel, Logik, Methode Zwei verschiedene Ausprägungen:

a) Logik/Schlußfolgerung/Dialektik/logische Beweise

Untersuchung von Objekt und Subjekt der menschlichen Erkenntnis aufgrund der Gesetze der Natur  Zweig der Vaisheshika Begründer: Gotama, circa 6 - 3. Jahrhundert vor Christus

b) Bhakti-orientiert
  • dualistisch
  • Gott hat die Welt geschaffen
  • Gott und Mensch sind auf ewig getrennt
  • Leiden kommt, weil Mensch von Gott getrennt ist
  • Annäherung an Gott möglich durch absolute, bedingungslose Hingabe
  • Zahlreiche spirituelle Praktiken, um diese Hingabe zu erzeugen

Im Nyaya gibt es eine Ähnlichkeit mit christlichen Ansätzen. Auch zu sehen in der Hare-Krishna-Bewegung.

Samkhya oder Sankhya

„Samkhya“ läßt sich beschreiben mit „Klassifizierung“, oder „Aufzählung“. Der Begründer ist Kapila.

  • atheistisch; es wird nicht von Gott gesprochen
  • Purusha = reines Bewußtsein; Seele
  • Prakriti = Urnatur, bestehend aus den drei Gunas (= Grundeigenschaften der Natur: sattwa, rajas, tamas) in unmanifestiertem Zustand, im Gleichgewicht
    • Dualistisch: Purusha und Prakriti sind von Anfang an getrennt und bleiben getrennt
    • Purusha hat den Wunsch, die Welt zu erleben
    • Daraufhin bewegt sich die Prakriti und manifestiert sich zuerst als
    • Spandana, die kosmische Urschwingung
    • Und geht dann immer weiter in die Welt hinein, als Manifestation von Sattwa, Rajas und Tamas:
      • Sattwa = Kausalwelt
      • Rajas = Astralwelt
      • Tamas = physische Welt

Parinama beschreibt die ständige Veränderung. Purusha manifestiert sich in zahllosen Chittas, Einzelseelen oder Gemütern, durch die er die Welt sieht und erlebt. Leiden entsteht durch die Identifikation des Purusha mit dem Chitta. Purusha sucht das, was eigentlich in ihm ist: Sat Chit Ananda, jetzt in der äußeren Welt, infolge von Avidya, Nichtwissen. Die Welt - Prakriti - ist für den Menschen - Purusha - da, damit er seine Erfahrungen machen kann und schließlich aber auch zu seiner Urnatur, dem reinen Bewußtsein, zurückkehren kann und umfaßt auch eine Theorie der Wahrnehmung, eine Theorie des Geistes und Beschreibung, wie die Welt und die individuelle Seele entstanden sind. Weiter gibt es Methoden, um die Identifikation zu überwinden, zum Beispiel:

  • ununterbrochene Unterscheidungskraft = viveka kyati
  • Entsagung, Nicht-Verhaftet-Sein = vairagya
  • Einstellung eines Beobachters = Sakshi Bhav

Eine Ausprägung des Samkhya besagt, daß es so viele Purushas gibt, wie es Seelen/Chittas gibt und daß mit Aufhören der Identifikation und Verhaftung jede Seele wieder zu ihrem eigenen Purusha zurückkehrt, ihrer eigenen Bewußtseinseinheit.

Yoga

„Yoga“ = Einheit, Harmonie

Yogas chitta vritti nirodhah = „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist“
Tada drashtuh svarupe vasthanam = „Dann ruht der Wahrnehmende in seinem wahren Wesen"

Yoga bezieht sich hier auf das Yogasystem des Patanjali, beziehungsweise das von ihm gesammelt und niedergeschrieben wurde in den Yoga Sutras, um 600 vor Christus bis 200 nach Christus.

Yoga beruht hauptsächlich auf der Samkhya-Philosophie, mit drei Unterschieden:

1. Nicht nur Unterscheidungskraft, Verhaftungslosigkeit und Beobachtung führen zur Befreiung, sondern Yoga gibt eine Vielzahl von Techniken und Methoden

Alles, was dem Ziel dient, den Geist zur Ruhe zu bringen und zum „wahren Wesen“ zurückzukehren, zur Erkenntnis des Selbst zu kommen, ist Yoga. Breite Übungspraxis, Abhyasa

2. Ishwara = persönlicher Gott, als eine besondere Manifestation des Purusha, die frei ist von Verhaftungen, Karma Kleshas (Leiden), Unwissenheit und Wünschen
3. Nur ein Bewußtsein, ein Purusha, der sich in allen Wesen manifestiert

Andere Yogasysteme, zum Beispiel werden in der Bhagavad Gita beschrieben: Karma Yoga, Jnana Yoga, Bhakti Yoga

Uttara Mimamsa = Vedanta

„Uttara Mimamsa“ = „Untersuchung des hinteren Abschnitts des Veda“ „Vedanta“ = „Ende des Wissens“ = Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit, nach Erkenntnis dessen es nichts mehr zu erkennen, zu wissen und zu wünschen gibt.

  • Vedantasutras, zusammengefaßt von Badarayana: Verhältnis von Brahman und Atman zueinander = Grundlage der Uttara Mimamsa-Philosophie
  • Brahman = das Absolute
  • Maya = die Kraft der Illusion
  • Beide sind jedoch nie getrennt, sondern sind nur scheinbar zwei. In Wirklichkeit gibt es immer nur Brahman
  • Analogie von Wachzustand/Traumzustand/Tiefschlaf
  • Welt ist eine Illusion
  • Es scheint nur so, als sei die Welt geschaffen, solange unser Bewusstsein es so erfaßt
  • In Wirklichkeit existiert nichts
  • Ich bin weder Körper noch Geist, ich bin das unsterbliche Selbst

In drei Hauptsätzen postuliert:

Brahma satyam = Brahma allein ist wirklich; Jagan mithya = Die Welt ist unwirklich; Jivo brahmaiva napara = Die individuelle Seele ist nichts anderes als Brahman

Lyrische Übersetzung:

„In drei Sätzen sei es verkündet, was man in tausend Büchern findet:

Brahman ist wirklich.
Die Welt ist Schein.
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.“

Auf der relativen Ebene integriert das Uttara Mimamsa-System alle Aspekte der vorher beschriebenen Systeme: Gesetze des Karma, Gesetze der materiellen Welt, Ishwara, der auch ein Produkt der Maya ist. Viveka, Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, Vairagya, Entsagung. Yogaweg als Vorbereitung, den Geist kennenzulernen, zu kontrollieren und fähig zu machen zur Unterscheidung. All diese Praktiken helfen und bereiten vor, um Jnana Yoga überhaupt zu verstehen.

Drei Hauptzweige:

a) Advaita Vedanta = Nicht-Zweiheit
Wichtigste Lehrer: Gaudapada, Shankara (ca. 788-820 n.Chr.), Padmapada, Sureshwara, Vidyaranya
b) Vishishtadvatavedanta = qualifizierte Nichtzweiheit
Hauptvertreter: Ramanuja
c) Dvaitavedanta = dualistischer Vedanta
Hauptvertreter: Madhva

Die sechs Darshanas

Artikel aus dem Yoga Vidya Journal von Swami Nirgunananda

Hier ein ganz kurzer Überblick über die Darshanas, der natürlich nicht umfassend sein kann, sondern nur als Einführung dient und versucht, die Essenz der einzelnen Darshanas in wenigen Stichworten zusammen zu fassen – aber natürlich sind die Philosophiesysteme sehr viel tiefer gehend.

  • Purva Mimamsa: „Himmel-und Hölle-Philosophie“: Wenn man sich an bestimmte ethisch-moralische Grundregeln hält oder bestimmte positive Handlungen ausführt, erwirbt man „Punya“, „Pluspunkte“, wenn man das Gegenteil tut, gibt es „Papa“ („Sünden“, „Strafpunkte“). Punyas und Papas bestimmen unser Karma, unser Schicksal in diesem und den nächsten Leben.
  • Nyaya: Logik-Systeme, vernunftorientiert. Alles ist Materie, besteht aus kleinsten Teilen (anu), die durch Energie und Schwingung in bestimmten Formen zusammen gehalten wird und sich manifestieren.
  • Samkhya: Purusha, das reine Bewusstsein, und Prakriti, die Urnatur, sind zwei dualistische Grundpole. Purusha sendet die Strahlen seines Bewusstseins in die Prakriti hinein. Dadurch kommt Prakriti, die aus den drei Grundeigenschaften der Natur besteht (Sattwa – Reinheit, Klarheit, Durchlässigkeit; Rajas: Aktivität, Bewegung; Tamas – Trägheit, Dunkelheit, Schwere) in Bewegung. Durch diese Bewegung entsteht die Urschwingung, Spandana, und die Welt beginnt sich zu manifestieren. Alles im Universum besteht aus einer Mischung dieser drei Eigenschaften Sattwa, Rajas, und Tamas. Purusha vergisst, dass er eigentlich das reine Bewusstsein ist und erlebt die Welt als Chitta, als Einzelseele, gefärbt durch diese Unwissenheit (avidya) und identifiziert sich mit dieser Einzelseele.
  • Yoga: die dem Raja Yoga Sutra des Patanjali zugrunde liegende Philosophie. Sie baut auf der Samkhya-Philosophie auf, mit 3 wesentlichen Unterschieden: a) Sie führt das Konzept von Ishwara, Gott, ein b) Sie sagt, alles, was geeignet ist, uns aus der Identifikation und zu höherem Bewusstsein zu führen, ist abhyasa, spirituelle Übung (während das Samkhya-System die Übung auf viveka kyati, die beständige Unterscheidungskraft und Vairagya, Entsagung, Wunschlosigkeit, beschränkt) und c) Sie sagt, es gibt nur einen Purusha, zu dem alle Einzelseelen durch Erkenntnis zurückkehren. Für diese Einzelseelen, die das verwirklichen, hört die Prakriti, die manifestierte Welt, auf zu existieren. (Während eine Richtung des Samkhya sagt, es gibt so viele Purushas wie es Einzelseelen gibt)
  • Vedanta: monistisch, non-dualistisch. Philosophie der Einheit. Es gibt nur ein Absolutes, Brahman. Aus Brahman entsteht die Welt, Brahman drückt sich in der ganzen Welt aus. Brahman ist die Essenz hinter allem, sowohl immanent in den Dingen der Welt wie auch das transzendente Prinzip hinter allem. Deshalb ist sowohl die Welt, wie wir sie sehen wie auch jedes Wesen in seinem Kern nichts anderes als Brahman. Swami Sivananda, Swami Vishnu-devananda und Yoga Vidya stehen in der Tradition des Advaita Vedanta nach Shankaracharya.

Daneben gibt es natürlich weitere wichtige östliche Philosophiesysteme wie den Buddhismus und die Shiva-Shakti-Philosophie, welche nicht zu den klassischen orthodoxen Darshanas gezählt werden, weil sie sich nicht auf die Veden beziehen. Da oft Verwirrung bezüglich der Begrifflichkeiten herrscht, könnte man grob in etwa sagen (es stimmt aber nicht genau, denn es gibt durchaus Unterschiede): Samkhya-Philosophie: Purusha (Bewusstsein)- Prakriti (Urnatur) entspricht in etwa in der Tantra/Shiva-Shakti-Philosophie: Shiva (reines Bewusstsein)- Shakti (Urenergie) und im Vedanta: Brahman (das Absolute)- Maya (Welt als Illusion)

Die Philosophiesysteme sind, wie eingangs erwähnt, nicht die Wirklichkeit an sich, sondern der Versuch, die Wirklichkeit irgendwie zu beschreiben. Sie sind Modelle, die uns zu eigenem Nachdenken, zur eigenen Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen anregen wollen. Diesen Prozess der eigenen Auseinandersetzung, der eigenen Wahrheitsfindung in Gang zu setzen oder zu verstärken ist das Anliegen von Hanspeter Sperzels Beitrag „Subjektives über den Aufbau der Samkhya und Yoga Philosophie“. Es geht dabei weniger um begriffliche und inhaltliche Feinheiten, welche in der Jahrhunderte alten vielfältigen Literatur durchaus unterschiedlich und teilweise mit Widersprüchen zu finden sind, sondern vielmehr ausdrücklich um eine subjektive, persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

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Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare