Darshanas: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Yogawiki
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 3: Zeile 3:
[[Datei:Adisankara.jpg|thumb|Adi Shankara als Lehrer des Vedanta]]
[[Datei:Adisankara.jpg|thumb|Adi Shankara als Lehrer des Vedanta]]


== Indische Philosophie - sechs klassische Darshanas ==
== Indische Philosophie - Sechs klassische Darshanas ==
''- Ein Vortrag von Sukadev Bretz -''
''- Ein Vortrag von Sukadev Bretz -''


6 Klassische Darshanas (= „Sichtweise“; Weltanschauung):  
Darshana bedeutet Sichtweise oder Weltanschauung. Es wird in folgende Sichtweisen untergliedert:  


1. Purva Mimamsa
: 1. Purva Mimamsa
2. Vaisheshika
: 2. Vaisheshika
3. Nyaya
: 3. Nyaya
4. Samkhya (auch Sankhya)
: 4. Samkhya (auch Sankhya)
5. Yoga
: 5. Yoga
6. Uttara Mimamsa = Vedanta
: 6. Uttara Mimamsa = Vedanta


Versuche, die Wahrheit zu beschreiben. Unterschiedliche Standpunkte, teilweise widersprüchlich, trotzdem je nach Situation alle gültig und anwendbar; verschiedene Sichtweisen derselben Wirklichkeit
Versuche, die Wahrheit zu beschreiben. Unterschiedliche Standpunkte, teilweise widersprüchlich, trotzdem je nach Situation alle gültig und anwendbar; verschiedene Sichtweisen derselben Wirklichkeit


Zu 1: Purva Mimamsa
=== Purva Mimamsa ===


Mimamsa = „Erörterung“, „Reflektion“
Mimamsa läßt sich als Erörterung oder Reflektion interpretieren. Purva Mimamsa = „Erörterung, Untersuchung des vorderen Teils der Veden“. Zusammengefaßt von Jaimini, der daher als Begründer dieser Schule gilt.
Purva Mimamsa = „Erörterung, Untersuchung des vorderen Teils der Veden“
Zusammengefaßt von Jaimini, der daher als Begründer dieser Schule gilt


- theistisch; Gott hat die Welt geschaffen
* theistisch; Gott hat die Welt geschaffen
- Himmel- und Hölle-Philosophie
* Himmel- und Hölle-Philosophie
- Punyas = gute Taten  man kommt in den Himmel, sammelt gutes Karma an und wird im nächsten Leben in glückliche Verhältnisse hineingeboren
* Punyas = gute Taten  man kommt in den Himmel, sammelt gutes Karma an und wird im nächsten Leben in glückliche Verhältnisse hineingeboren
- Papas = Sünden  man kommt in die Hölle, sammelt schlechtes Karma an und wird im nächsten Leben in schlechten Verhältnissen wiedergeboren
* Papas = Sünden  man kommt in die Hölle, sammelt schlechtes Karma an und wird im nächsten Leben in schlechten Verhältnissen wiedergeboren
- Positive und negative Handlungen
* Positive und negative Handlungen
- Reinheitsvorschriften
* Reinheitsvorschriften
- vorgeschriebene Rituale und Handlungen
* vorgeschriebene Rituale und Handlungen
- bestimmte Rituale, um etwas Bestimmtes zu erreichen
* bestimmte Rituale, um etwas Bestimmtes zu erreichen
- Sühne- und Bußübungen
* Sühne- und Bußübungen


Entspricht in vielen Teilen christlichen Vorstellungen
Entspricht in vielen Teilen christlichen Vorstellungen
In Indien am populärsten und am weitesten verbreitet
In Indien am populärsten und am weitesten verbreitet


Zu 2: Vaisheshika
=== Vaisheshika ===


Vaisheshika = „sich auf die Unterschiede beziehend“
Vaisheshika bedeutet „sich auf die Unterschiede beziehend“.


- logisch-naturwissenschaftlich
* logisch-naturwissenschaftlich
- materialistisch
* materialistisch
- Universum als Zusammenspiel von Anus (= Atomen), Kräften und Naturgesetzen, den Shaktis oder Energien
* Universum als Zusammenspiel von Anus (= Atomen), Kräften und Naturgesetzen, den Shaktis oder Energien
- Mehrere Richtungen
* Mehrere Richtungen
- Alles nur Materie, selbst die Seele
* Alles nur Materie, selbst die Seele
- Ziel des Lebens: Vergnügen, dabei aber die Rechte anderer achten und ihnen nicht schaden
* Ziel des Lebens: Vergnügen, dabei aber die Rechte anderer achten und ihnen nicht schaden
- Höheres Ziel gibt es keines
* Höheres Ziel gibt es keines
- grundlegende Kategorien des Erkennens, um so zu einer geordneten Wahrnehmungdes Kosmos zu gelangen
* grundlegende Kategorien des Erkennens, um so zu einer geordneten Wahrnehmungdes Kosmos zu gelangen
- Entspricht weitgehend der westlichen Grundhaltung und Wissenschaft  
* Entspricht weitgehend der westlichen Grundhaltung und Wissenschaft  


Zu 3: Nyaya
=== Nyaya ===


„nyaya“ = Norm, Regel, Logik, Methode  
„nyaya“ = Norm, Regel, Logik, Methode  
Zwei verschiedene Ausprägungen:
Zwei verschiedene Ausprägungen:
a) Logik/Schlußfolgerung/Dialektik/logische Beweise
 
: a) Logik/Schlußfolgerung/Dialektik/logische Beweise
Untersuchung von Objekt und Subjekt der menschlichen Erkenntnis aufgrund der Gesetze der Natur
Untersuchung von Objekt und Subjekt der menschlichen Erkenntnis aufgrund der Gesetze der Natur
 Zweig der Vaisheshika
 Zweig der Vaisheshika
Begründer: Gotama, ca. 6-3.Jh. v. Chr.
Begründer: Gotama, circa 6 - 3. Jahrhundert vor Christus
 
: b) Bhakti-orientiert
 
* dualistisch
* Gott hat die Welt geschaffen
* Gott und Mensch sind auf ewig getrennt
* Leiden kommt, weil Mensch von Gott getrennt ist
* Annäherung an Gott möglich durch absolute, bedingungslose Hingabe
* Zahlreiche spirituelle Praktiken, um diese Hingabe zu erzeugen
 
Im Nyaya gibt es eine Ähnlichkeit mit christlichen Ansätzen. Auch zu sehen in der Hare-Krishna-Bewegung.


b) Bhakti-orientiert
=== Samkhya oder Sankhya ===
- dualistisch
- Gott hat die Welt geschaffen
- Gott und Mensch sind auf ewig getrennt
- Leiden kommt, weil Mensch von Gott getrennt ist
- Annäherung an Gott möglich durch absolute, bedingungslose Hingabe
- Zahlreiche spirituelle Praktiken, um diese Hingabe zu erzeugen


Ähnlichkeit mit christlichen Ansätzen.
„Samkhya“ läßt sich beschreiben mit „Klassifizierung“, oder „Aufzählung“. Der Begründer ist Kapila.
Hare-Krishna-Bewegung


Zu 4: Samkhya = Sankhya
* atheistisch; es wird nicht von Gott gesprochen


„samkhya“ = „Klassifizierung“, „Aufzählung“
* Purusha = reines Bewußtsein; Seele
Begründer: Kapila


-    atheistisch; es wird nicht von Gott gesprochen
* Prakriti = Urnatur, bestehend aus den drei Gunas (= Grundeigenschaften der Natur: sattwa, rajas, tamas) in unmanifestiertem Zustand, im Gleichgewicht
- Purusha = reines Bewußtsein; Seele
** Dualistisch: Purusha und Prakriti sind von Anfang an getrennt und bleiben getrennt
- Prakriti = Urnatur, bestehend aus den drei Gunas (= Grundeigenschaften der Natur: sattwa, rajas, tamas) in unmanifestiertem Zustand, im Gleichgewicht
** Purusha hat den Wunsch, die Welt zu erleben
- Dualistisch: Purusha und Prakriti sind von Anfang an getrennt und bleiben getrennt
** Daraufhin bewegt sich die Prakriti und manifestiert sich zuerst als
- Purusha hat den Wunsch, die Welt zu erleben
** Spandana, die kosmische Urschwingung
- Daraufhin bewegt sich die Prakriti und manifestiert sich zuerst als
- Spandana, die kosmische Urschwingung
- Und geht dann immer weiter in die Welt hinein, als Manifestation von Sattwa, Rajas und Tamas:
Sattwa = Kausalwelt
Rajas = Astralwelt
Tamas = physische Welt


- Parinama = ständige Veränderung
** Und geht dann immer weiter in die Welt hinein, als Manifestation von Sattwa, Rajas und Tamas:
- Purusha manifestiert sich in zahllosen Chittas, Einzelseelen oder Gemütern, durch die er die Welt sieht und erlebt
*** Sattwa = Kausalwelt
- Leiden entsteht durch die Identifikation des Purusha mit dem Chitta
*** Rajas = Astralwelt
- Purusha sucht das, was eigentlich in ihm ist: Sat – Chit – Ananda, jetzt in der äußeren Welt, infolge von Avidya, Nichtwissen
*** Tamas = physische Welt
- Die Welt (Prakriti) ist für den Menschen (Purusha) da, damit er seine Erfahrungen machen kann und schließlich aber auch zu seiner Urnatur, dem reinen Bewußtsein, zurückkehren kann
- Umfaßt auch eine Theorie der Wahrnehmung, eine Theorie des Geistes und Beschreibung, wie die Welt und die individuelle Seele entstanden sind
- Methoden, um die Identifikation zu überwinden:
- ununterbrochene Unterscheidungskraft = viveka kyati
- Entsagung, Nicht-Verhaftet-Sein = vairagya
- Einstellung eines Beobachters = Sakshi Bhav


Eine Ausprägung des Samkhya besagt, daß es so viele Purushas gibt, wie es Seelen/Chittas gibt und daß mit Aufhören der Identifikation und Verhaftung jede Seele wieder zu ihrem eigenen Purusha zurückkehrt, ihrer eigenen Bewußtseinseinheit
Parinama beschreibt die ständige Veränderung. Purusha manifestiert sich in zahllosen Chittas, Einzelseelen oder Gemütern, durch die er die Welt sieht und erlebt. Leiden entsteht durch die Identifikation des Purusha mit dem Chitta. Purusha sucht das, was eigentlich in ihm ist: Sat Chit Ananda, jetzt in der äußeren Welt, infolge von Avidya, Nichtwissen. Die Welt - Prakriti - ist für den Menschen - Purusha - da, damit er seine Erfahrungen machen kann und schließlich aber auch zu seiner Urnatur, dem reinen Bewußtsein, zurückkehren kann und umfaßt auch eine Theorie der Wahrnehmung, eine Theorie des Geistes und Beschreibung, wie die Welt und die individuelle Seele entstanden sind. Weiter gibt es Methoden, um die Identifikation zu überwinden, zum Beispiel:


Zu 5.: Yoga
* ununterbrochene Unterscheidungskraft = viveka kyati
* Entsagung, Nicht-Verhaftet-Sein = vairagya
* Einstellung eines Beobachters = Sakshi Bhav
 
Eine Ausprägung des Samkhya besagt, daß es so viele Purushas gibt, wie es Seelen/Chittas gibt und daß mit Aufhören der Identifikation und Verhaftung jede Seele wieder zu ihrem eigenen Purusha zurückkehrt, ihrer eigenen Bewußtseinseinheit.
 
=== Yoga ===


„Yoga“ = Einheit, Harmonie
„Yoga“ = Einheit, Harmonie


Yogas chitta vritti nirodhah = „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist“
: Yogas chitta vritti nirodhah = „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist“
Tada drashtuh svarupe vasthanam = „Dann ruht der Wahrnehmende in seinem wahren Wesen"
: Tada drashtuh svarupe vasthanam = „Dann ruht der Wahrnehmende in seinem wahren Wesen"


Yoga bezieht sich hier auf das Yogasystem des Patanjali, bzw. das von ihm gesammelt und niedergeschrieben wurde in den Yoga Sutras, um 600 v.Chr. – 200 n. Chr.
Yoga bezieht sich hier auf das Yogasystem des Patanjali, beziehungsweise das von ihm gesammelt und niedergeschrieben wurde in den Yoga Sutras, um 600 vor Christus bis 200 nach Christus.


Beruht hauptsächlich auf der Samkhya-Philosophie, mit drei Unterschieden:
Yoga beruht hauptsächlich auf der Samkhya-Philosophie, mit drei Unterschieden:


1. Nicht nur Unterscheidungskraft, Verhaftungslosigkeit und Beobachtung führen zur Befreiung, sondern Yoga gibt eine Vielzahl von Techniken und Methoden
: 1. Nicht nur Unterscheidungskraft, Verhaftungslosigkeit und Beobachtung führen zur Befreiung, sondern Yoga gibt eine Vielzahl von Techniken und Methoden
Alles, was dem Ziel dient, den Geist zur Ruhe zu bringen und zum „wahren Wesen“ zurückzukehren, zur Erkenntnis des Selbst zu kommen, ist Yoga.
Alles, was dem Ziel dient, den Geist zur Ruhe zu bringen und zum „wahren Wesen“ zurückzukehren, zur Erkenntnis des Selbst zu kommen, ist Yoga.
Breite Übungspraxis, Abhyasa
Breite Übungspraxis, Abhyasa
2. Ishwara = persönlicher Gott, als eine besondere Manifestation des Purusha, die frei ist von Verhaftungen, Karma Kleshas (Leiden), Unwissenheit und Wünschen
3. Nur ein Bewußtsein, ein Purusha, der sich in allen Wesen manifestiert


Andere Yogasysteme, z.B. in der Bhagavat Gita beschrieben: Karma Yoga, Jnana Yoga, Bhakti Yoga
: 2. Ishwara = persönlicher Gott, als eine besondere Manifestation des Purusha, die frei ist von Verhaftungen, Karma Kleshas (Leiden), Unwissenheit und Wünschen
: 3. Nur ein Bewußtsein, ein Purusha, der sich in allen Wesen manifestiert


Zu 6: Uttara Mimamsa = Vedanta
Andere Yogasysteme, zum Beispiel werden in der Bhagavad Gita beschrieben: Karma Yoga, Jnana Yoga, Bhakti Yoga


„uttara Mimamsa“ = „Untersuchung des hinteren Abschnitts des Veda“
=== Uttara Mimamsa = Vedanta ===
„Vedanta“ = „Ende des Wissens“ = Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit, nach Erkenntnis dessen es nichts mehr zu erkennen, zu wissen und zu wünschen gibt


- Vedantasutras, zusammengefaßt von Badarayana: Verhältnis von Brahman und Atman zueinander = Grundlage der Uttara Mimamsa-Philosophie
„Uttara Mimamsa“ = „Untersuchung des hinteren Abschnitts des Veda“
„Vedanta“ = „Ende des Wissens“ = Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit, nach Erkenntnis dessen es nichts mehr zu erkennen, zu wissen und zu wünschen gibt.


- Brahman = das Absolute
* Vedantasutras, zusammengefaßt von Badarayana: Verhältnis von Brahman und Atman zueinander = Grundlage der Uttara Mimamsa-Philosophie
- Maya = die Kraft der Illusion
- Beide sind jedoch nie getrennt, sondern sind nur scheinbar zwei. In Wirklichkeit gibt es immer nur Brahman
- Analogie von Wachzustand/Traumzustand/Tiefschlaf
- Welt ist eine Illusion
- Es scheint nur so, als sei die Welt geschaffen, solange unser Bewußtsein es so erfaßt
- In Wirklichkeit existiert nichts
- Ich bin weder Körper noch Geist, ich bin das unsterbliche Selbst
- In drei Hauptsätzen postuliert:


Brahma satyam = Brahma allein ist wirklich
* Brahman = das Absolute
Jagat mithya = Die Welt ist unwirklich
* Maya = die Kraft der Illusion
Jivo brahmaiva napara = Die individuelle Seele ist nichts anderes als Brahman  
* Beide sind jedoch nie getrennt, sondern sind nur scheinbar zwei. In Wirklichkeit gibt es immer nur Brahman
* Analogie von Wachzustand/Traumzustand/Tiefschlaf
* Welt ist eine Illusion
* Es scheint nur so, als sei die Welt geschaffen, solange unser Bewusstsein es so erfaßt
* In Wirklichkeit existiert nichts
* Ich bin weder Körper noch Geist, ich bin das unsterbliche Selbst
 
'''In drei Hauptsätzen postuliert:'''
 
Brahma satyam = Brahma allein ist wirklich; Jagan mithya = Die Welt ist unwirklich; Jivo brahmaiva napara = Die individuelle Seele ist nichts anderes als Brahman  
 
'''Lyrische Übersetzung:'''


Lyrische Übersetzung:
„In drei Sätzen sei es verkündet, was man in tausend Büchern findet:
„In drei Sätzen sei es verkündet, was man in tausend Büchern findet:
Brahman ist wirklich.
 
Die Welt ist Schein.
Brahman ist wirklich.
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.“
Die Welt ist Schein.
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.“


Auf der relativen Ebene integriert das Uttara Mimamsa-System alle Aspekte der vorher beschriebenen Systeme: Gesetze des Karma, Gesetze der materiellen Welt, Ishwara, der auch ein Produkt der Maya ist. Viveka, Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, Vairagya, Entsagung. Yogaweg als Vorbereitung, den Geist kennenzulernen, zu kontrollieren und fähig zu machen zur Unterscheidung. All diese Praktiken helfen und bereiten vor, um Jnana Yoga überhaupt zu verstehen.  
Auf der relativen Ebene integriert das Uttara Mimamsa-System alle Aspekte der vorher beschriebenen Systeme: Gesetze des Karma, Gesetze der materiellen Welt, Ishwara, der auch ein Produkt der Maya ist. Viveka, Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, Vairagya, Entsagung. Yogaweg als Vorbereitung, den Geist kennenzulernen, zu kontrollieren und fähig zu machen zur Unterscheidung. All diese Praktiken helfen und bereiten vor, um Jnana Yoga überhaupt zu verstehen.  


Drei Hauptzweige:
'''Drei Hauptzweige:'''
 
: a) Advaita Vedanta = Nicht-Zweiheit
: Wichtigste Lehrer: Gaudapada, Shankara (ca. 788-820 n.Chr.), Padmapada, Sureshwara, Vidyaranya


a) Advaita Vedanta = Nicht-Zweiheit
: b) Vishishtadvatavedanta = qualifizierte Nichtzweiheit
Wichtigste Lehrer: Gaudapada, Shankara (ca. 788-820 n.Chr.), Padmapada, Sureshwara, Vidyaranya
: Hauptvertreter: Ramanuja
b) Vishishtadvatavedanta = qualifizierte Nichtzweiheit
Hauptvertreter: Ramanuja
c) Dvaitavedanta = dualistischer Vedanta
Hauptvertreter: Madhva


: c) Dvaitavedanta = dualistischer Vedanta
: Hauptvertreter: Madhva


==Die sechs Darshanas==
==Die sechs Darshanas==

Version vom 30. März 2021, 13:31 Uhr

Die „Darshanas“ sind Sichtweisen, Erklärungsmodelle der Wirklichkeit, der Versuch, existenzielle Menschheitsfragen wie: „Was ist der Sinn des Lebens?“, „Gibt es eine höhere Wirklichkeit (Gott)?“, „Gibt es so etwas wie einen höheren, ewigen Wert, oder ist mit dem Tod alles zu Ende?“, „Was ist Wahrheit?“ logisch zu beantworten.

Adi Shankara als Lehrer des Vedanta

Indische Philosophie - Sechs klassische Darshanas

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz -

Darshana bedeutet Sichtweise oder Weltanschauung. Es wird in folgende Sichtweisen untergliedert:

1. Purva Mimamsa
2. Vaisheshika
3. Nyaya
4. Samkhya (auch Sankhya)
5. Yoga
6. Uttara Mimamsa = Vedanta

Versuche, die Wahrheit zu beschreiben. Unterschiedliche Standpunkte, teilweise widersprüchlich, trotzdem je nach Situation alle gültig und anwendbar; verschiedene Sichtweisen derselben Wirklichkeit

Purva Mimamsa

Mimamsa läßt sich als Erörterung oder Reflektion interpretieren. Purva Mimamsa = „Erörterung, Untersuchung des vorderen Teils der Veden“. Zusammengefaßt von Jaimini, der daher als Begründer dieser Schule gilt.

  • theistisch; Gott hat die Welt geschaffen
  • Himmel- und Hölle-Philosophie
  • Punyas = gute Taten  man kommt in den Himmel, sammelt gutes Karma an und wird im nächsten Leben in glückliche Verhältnisse hineingeboren
  • Papas = Sünden  man kommt in die Hölle, sammelt schlechtes Karma an und wird im nächsten Leben in schlechten Verhältnissen wiedergeboren
  • Positive und negative Handlungen
  • Reinheitsvorschriften
  • vorgeschriebene Rituale und Handlungen
  • bestimmte Rituale, um etwas Bestimmtes zu erreichen
  • Sühne- und Bußübungen

Entspricht in vielen Teilen christlichen Vorstellungen In Indien am populärsten und am weitesten verbreitet

Vaisheshika

Vaisheshika bedeutet „sich auf die Unterschiede beziehend“.

  • logisch-naturwissenschaftlich
  • materialistisch
  • Universum als Zusammenspiel von Anus (= Atomen), Kräften und Naturgesetzen, den Shaktis oder Energien
  • Mehrere Richtungen
  • Alles nur Materie, selbst die Seele
  • Ziel des Lebens: Vergnügen, dabei aber die Rechte anderer achten und ihnen nicht schaden
  • Höheres Ziel gibt es keines
  • grundlegende Kategorien des Erkennens, um so zu einer geordneten Wahrnehmungdes Kosmos zu gelangen
  • Entspricht weitgehend der westlichen Grundhaltung und Wissenschaft

Nyaya

„nyaya“ = Norm, Regel, Logik, Methode Zwei verschiedene Ausprägungen:

a) Logik/Schlußfolgerung/Dialektik/logische Beweise

Untersuchung von Objekt und Subjekt der menschlichen Erkenntnis aufgrund der Gesetze der Natur  Zweig der Vaisheshika Begründer: Gotama, circa 6 - 3. Jahrhundert vor Christus

b) Bhakti-orientiert
  • dualistisch
  • Gott hat die Welt geschaffen
  • Gott und Mensch sind auf ewig getrennt
  • Leiden kommt, weil Mensch von Gott getrennt ist
  • Annäherung an Gott möglich durch absolute, bedingungslose Hingabe
  • Zahlreiche spirituelle Praktiken, um diese Hingabe zu erzeugen

Im Nyaya gibt es eine Ähnlichkeit mit christlichen Ansätzen. Auch zu sehen in der Hare-Krishna-Bewegung.

Samkhya oder Sankhya

„Samkhya“ läßt sich beschreiben mit „Klassifizierung“, oder „Aufzählung“. Der Begründer ist Kapila.

  • atheistisch; es wird nicht von Gott gesprochen
  • Purusha = reines Bewußtsein; Seele
  • Prakriti = Urnatur, bestehend aus den drei Gunas (= Grundeigenschaften der Natur: sattwa, rajas, tamas) in unmanifestiertem Zustand, im Gleichgewicht
    • Dualistisch: Purusha und Prakriti sind von Anfang an getrennt und bleiben getrennt
    • Purusha hat den Wunsch, die Welt zu erleben
    • Daraufhin bewegt sich die Prakriti und manifestiert sich zuerst als
    • Spandana, die kosmische Urschwingung
    • Und geht dann immer weiter in die Welt hinein, als Manifestation von Sattwa, Rajas und Tamas:
      • Sattwa = Kausalwelt
      • Rajas = Astralwelt
      • Tamas = physische Welt

Parinama beschreibt die ständige Veränderung. Purusha manifestiert sich in zahllosen Chittas, Einzelseelen oder Gemütern, durch die er die Welt sieht und erlebt. Leiden entsteht durch die Identifikation des Purusha mit dem Chitta. Purusha sucht das, was eigentlich in ihm ist: Sat Chit Ananda, jetzt in der äußeren Welt, infolge von Avidya, Nichtwissen. Die Welt - Prakriti - ist für den Menschen - Purusha - da, damit er seine Erfahrungen machen kann und schließlich aber auch zu seiner Urnatur, dem reinen Bewußtsein, zurückkehren kann und umfaßt auch eine Theorie der Wahrnehmung, eine Theorie des Geistes und Beschreibung, wie die Welt und die individuelle Seele entstanden sind. Weiter gibt es Methoden, um die Identifikation zu überwinden, zum Beispiel:

  • ununterbrochene Unterscheidungskraft = viveka kyati
  • Entsagung, Nicht-Verhaftet-Sein = vairagya
  • Einstellung eines Beobachters = Sakshi Bhav

Eine Ausprägung des Samkhya besagt, daß es so viele Purushas gibt, wie es Seelen/Chittas gibt und daß mit Aufhören der Identifikation und Verhaftung jede Seele wieder zu ihrem eigenen Purusha zurückkehrt, ihrer eigenen Bewußtseinseinheit.

Yoga

„Yoga“ = Einheit, Harmonie

Yogas chitta vritti nirodhah = „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist“
Tada drashtuh svarupe vasthanam = „Dann ruht der Wahrnehmende in seinem wahren Wesen"

Yoga bezieht sich hier auf das Yogasystem des Patanjali, beziehungsweise das von ihm gesammelt und niedergeschrieben wurde in den Yoga Sutras, um 600 vor Christus bis 200 nach Christus.

Yoga beruht hauptsächlich auf der Samkhya-Philosophie, mit drei Unterschieden:

1. Nicht nur Unterscheidungskraft, Verhaftungslosigkeit und Beobachtung führen zur Befreiung, sondern Yoga gibt eine Vielzahl von Techniken und Methoden

Alles, was dem Ziel dient, den Geist zur Ruhe zu bringen und zum „wahren Wesen“ zurückzukehren, zur Erkenntnis des Selbst zu kommen, ist Yoga. Breite Übungspraxis, Abhyasa

2. Ishwara = persönlicher Gott, als eine besondere Manifestation des Purusha, die frei ist von Verhaftungen, Karma Kleshas (Leiden), Unwissenheit und Wünschen
3. Nur ein Bewußtsein, ein Purusha, der sich in allen Wesen manifestiert

Andere Yogasysteme, zum Beispiel werden in der Bhagavad Gita beschrieben: Karma Yoga, Jnana Yoga, Bhakti Yoga

Uttara Mimamsa = Vedanta

„Uttara Mimamsa“ = „Untersuchung des hinteren Abschnitts des Veda“ „Vedanta“ = „Ende des Wissens“ = Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit, nach Erkenntnis dessen es nichts mehr zu erkennen, zu wissen und zu wünschen gibt.

  • Vedantasutras, zusammengefaßt von Badarayana: Verhältnis von Brahman und Atman zueinander = Grundlage der Uttara Mimamsa-Philosophie
  • Brahman = das Absolute
  • Maya = die Kraft der Illusion
  • Beide sind jedoch nie getrennt, sondern sind nur scheinbar zwei. In Wirklichkeit gibt es immer nur Brahman
  • Analogie von Wachzustand/Traumzustand/Tiefschlaf
  • Welt ist eine Illusion
  • Es scheint nur so, als sei die Welt geschaffen, solange unser Bewusstsein es so erfaßt
  • In Wirklichkeit existiert nichts
  • Ich bin weder Körper noch Geist, ich bin das unsterbliche Selbst

In drei Hauptsätzen postuliert:

Brahma satyam = Brahma allein ist wirklich; Jagan mithya = Die Welt ist unwirklich; Jivo brahmaiva napara = Die individuelle Seele ist nichts anderes als Brahman

Lyrische Übersetzung:

„In drei Sätzen sei es verkündet, was man in tausend Büchern findet:

Brahman ist wirklich.
Die Welt ist Schein.
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.“

Auf der relativen Ebene integriert das Uttara Mimamsa-System alle Aspekte der vorher beschriebenen Systeme: Gesetze des Karma, Gesetze der materiellen Welt, Ishwara, der auch ein Produkt der Maya ist. Viveka, Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, Vairagya, Entsagung. Yogaweg als Vorbereitung, den Geist kennenzulernen, zu kontrollieren und fähig zu machen zur Unterscheidung. All diese Praktiken helfen und bereiten vor, um Jnana Yoga überhaupt zu verstehen.

Drei Hauptzweige:

a) Advaita Vedanta = Nicht-Zweiheit
Wichtigste Lehrer: Gaudapada, Shankara (ca. 788-820 n.Chr.), Padmapada, Sureshwara, Vidyaranya
b) Vishishtadvatavedanta = qualifizierte Nichtzweiheit
Hauptvertreter: Ramanuja
c) Dvaitavedanta = dualistischer Vedanta
Hauptvertreter: Madhva

Die sechs Darshanas

Artikel aus dem Yoga Vidya Journal von Swami Nirgunananda

Hier ein ganz kurzer Überblick über die Darshanas, der natürlich nicht umfassend sein kann, sondern nur als Einführung dient und versucht, die Essenz der einzelnen Darshanas in wenigen Stichworten zusammen zu fassen – aber natürlich sind die Philosophiesysteme sehr viel tiefer gehend.

  • Purva Mimamsa: „Himmel-und Hölle-Philosophie“: Wenn man sich an bestimmte ethisch-moralische Grundregeln hält oder bestimmte positive Handlungen ausführt, erwirbt man „Punya“, „Pluspunkte“, wenn man das Gegenteil tut, gibt es „Papa“ („Sünden“, „Strafpunkte“). Punyas und Papas bestimmen unser Karma, unser Schicksal in diesem und den nächsten Leben.
  • Nyaya: Logik-Systeme, vernunftorientiert. Alles ist Materie, besteht aus kleinsten Teilen (anu), die durch Energie und Schwingung in bestimmten Formen zusammen gehalten wird und sich manifestieren.
  • Samkhya: Purusha, das reine Bewusstsein, und Prakriti, die Urnatur, sind zwei dualistische Grundpole. Purusha sendet die Strahlen seines Bewusstseins in die Prakriti hinein. Dadurch kommt Prakriti, die aus den drei Grundeigenschaften der Natur besteht (Sattwa – Reinheit, Klarheit, Durchlässigkeit; Rajas: Aktivität, Bewegung; Tamas – Trägheit, Dunkelheit, Schwere) in Bewegung. Durch diese Bewegung entsteht die Urschwingung, Spandana, und die Welt beginnt sich zu manifestieren. Alles im Universum besteht aus einer Mischung dieser drei Eigenschaften Sattwa, Rajas, und Tamas. Purusha vergisst, dass er eigentlich das reine Bewusstsein ist und erlebt die Welt als Chitta, als Einzelseele, gefärbt durch diese Unwissenheit (avidya) und identifiziert sich mit dieser Einzelseele.
  • Yoga: die dem Raja Yoga Sutra des Patanjali zugrunde liegende Philosophie. Sie baut auf der Samkhya-Philosophie auf, mit 3 wesentlichen Unterschieden: a) Sie führt das Konzept von Ishwara, Gott, ein b) Sie sagt, alles, was geeignet ist, uns aus der Identifikation und zu höherem Bewusstsein zu führen, ist abhyasa, spirituelle Übung (während das Samkhya-System die Übung auf viveka kyati, die beständige Unterscheidungskraft und Vairagya, Entsagung, Wunschlosigkeit, beschränkt) und c) Sie sagt, es gibt nur einen Purusha, zu dem alle Einzelseelen durch Erkenntnis zurückkehren. Für diese Einzelseelen, die das verwirklichen, hört die Prakriti, die manifestierte Welt, auf zu existieren. (Während eine Richtung des Samkhya sagt, es gibt so viele Purushas wie es Einzelseelen gibt)
  • Vedanta: monistisch, non-dualistisch. Philosophie der Einheit. Es gibt nur ein Absolutes, Brahman. Aus Brahman entsteht die Welt, Brahman drückt sich in der ganzen Welt aus. Brahman ist die Essenz hinter allem, sowohl immanent in den Dingen der Welt wie auch das transzendente Prinzip hinter allem. Deshalb ist sowohl die Welt, wie wir sie sehen wie auch jedes Wesen in seinem Kern nichts anderes als Brahman. Swami Sivananda, Swami Vishnu-devananda und Yoga Vidya stehen in der Tradition des Advaita Vedanta nach Shankaracharya.

Daneben gibt es natürlich weitere wichtige östliche Philosophiesysteme wie den Buddhismus und die Shiva-Shakti-Philosophie, welche nicht zu den klassischen orthodoxen Darshanas gezählt werden, weil sie sich nicht auf die Veden beziehen. Da oft Verwirrung bezüglich der Begrifflichkeiten herrscht, könnte man grob in etwa sagen (es stimmt aber nicht genau, denn es gibt durchaus Unterschiede): Samkhya-Philosophie: Purusha (Bewusstsein)- Prakriti (Urnatur) entspricht in etwa in der Tantra/Shiva-Shakti-Philosophie: Shiva (reines Bewusstsein)- Shakti (Urenergie) und im Vedanta: Brahman (das Absolute)- Maya (Welt als Illusion)

Die Philosophiesysteme sind, wie eingangs erwähnt, nicht die Wirklichkeit an sich, sondern der Versuch, die Wirklichkeit irgendwie zu beschreiben. Sie sind Modelle, die uns zu eigenem Nachdenken, zur eigenen Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen anregen wollen. Diesen Prozess der eigenen Auseinandersetzung, der eigenen Wahrheitsfindung in Gang zu setzen oder zu verstärken ist das Anliegen von Hanspeter Sperzels Beitrag „Subjektives über den Aufbau der Samkhya und Yoga Philosophie“. Es geht dabei weniger um begriffliche und inhaltliche Feinheiten, welche in der Jahrhunderte alten vielfältigen Literatur durchaus unterschiedlich und teilweise mit Widersprüchen zu finden sind, sondern vielmehr ausdrücklich um eine subjektive, persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

Spenden-Logo Yoga-Wiki.jpg

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare