Yogasutra: Unterschied zwischen den Versionen
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Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen ([[Nirodha]]) des Gedankenflusses ([[Chittavritti]]). | Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen ([[Nirodha]]) des Gedankenflusses ([[Chittavritti]]). | ||
Version vom 13. April 2013, 17:50 Uhr
Das Yogasutra (Sanskrit: योगसूत्र yogasūtra n.) wörtl.: "Leitfaden" (Sutra) des Yoga, auch पातञ्जलयोगसूत्र pātañjalayogasūtra ("Yogasutra des Patanjali") genannt. Das Yogasutra ist das Standardwerk des Yoga. Es wurde von Patanjali verfasst, der vermutlich im 2. Jh. n. Chr. lebte und stellt den Yoga als eines der sechs indischen orthodoxen philosophischen Systeme (Shaddarshana) dar.
Sutras
Es gibt verschiedene Formen indischer Schriften. Sutras sind die kürzeste und prägnanteste Weise, etwas zu sagen - nicht nur im Yoga, sondern auf allen Gebieten. Es gibt zum Beispiel das Nathya Sutra über indischen Tanz, es gibt Sutras über Politik usw. Für den Jnana Yoga ist zum Beispiel das Brahma Sutra sehr wichtig. Aber es kann nur dann ein Sutra geben, wenn die Tradition schon einige Jahrhunderte alt und reif dafür ist, in Sutraform komprimiert zu werden.
Ein Sutra ist kein Lehrbuch, das man liest, und anschließend hat man alles verstanden. Es ist vielmehr als Leitfaden für den Lehrer gedacht, um dem Schüler Raja Yoga beizubringen, indem er ihn Vers für Vers durchgeht. Und es ist gleichzeitig auch ein Leitfaden für den Schüler. In früheren Zeiten war es üblich, dass die Schüler ein Sutra vollständig auswendig lernten, bevor der Lehrer irgendwelche Kommentare dazu abgab. Erst wenn der Schüler sie auswendig konnte, wurde er als würdig erachtet, im Raja Yoga unterwiesen zu werden. Das Yoga Sutra ist übrigens nicht so schwer auswendig zu lernen, denn die Verse sind tatsächlich inhaltlich wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht. Man kann aus dem letzten Wort des jeweiligen vorhergehenden Verses fast schon den Anfang des folgenden Verses erraten.
Ein Sinn des Auswendiglernens besteht darin, dass der Text im Geist präsent ist. In früheren Zeiten gab es kaum Bücher. Die Inder haben auf Palmblätter geschrieben. Palmblätter sind schwierig zu präparieren und zu beschreiben und halten auch nur einige Generationen lang. Dann müssen sie neu abgeschrieben werden. Einer der Gründe, warum man so große Schwierigkeiten hat zu bestimmen, aus welcher Zeit eine indische Schrift stammt, ist, dass man auf kein Original mehr zurückgreifen kann, sondern nur auf wiederholte Abschriften. Man kann also nicht beurteilen, ob eine Schrift nun schon Tausende oder "nur" Hunderte von Jahren alt ist. Die Sutras wurden vorgelesen, vom Lehrer erklärt und von den Schülern gelernt. So lernten die Schüler auch ihren Geist und seine Arbeitsweise kennen.
Das Yoga Sutra lernt man hauptsächlich wegen seines Inhalts. Man rezitiert es meist nicht wie etwa die Bhagavad Gita oder die Upanisaden, die gleichzeitig Mantracharakter haben und durch ihre Klangschwingung wirken. Man findet es in Indien sehr häufig, dass die Bhagavad Gita öffentlich rezitiert wird - sehr viel seltener das Yoga Sutra.
Aufbau des Raja Yogasutras
Das Yogasutra besteht aus 195 Versen in vier Kapiteln. Die in Sanskrit verfassten Verse sind sehr knapp gehalten, so dass für die Interpretation ein großer Spielraum entsteht, was in den vielen Kommentaren und Übersetzungen deutlich zum Ausdruck kommt. Der Autor Patanjali fasst im Yogasutra das Wissen des Raja Yoga zusammen, wobei er sich eng an das System vom Samkhya anlehnt, aber auch Gedankengut aus verschiedenen Traditionen übernimmt. Patanjali gilt daher nicht als Begründer des Yoga, sehr wohl aber als erster, der den Yoga in einem Buch als ganzes systematisch zusammengefasst hat.
Das Yoga Sutra besteht aus vier Teilen, den sogenannten „Padas“. „Pada“ bedeutet wörtlich "Fuß" oder im übertragenen Sinn Kapitel. Jedes Kapitel ist in Verse unterteilt, die ebenfalls als Sutras, Aphorismen, Verse, bezeichnet werden. Das Wort Sutra bezieht sich sowohl auf das Gesamtwerk wie auch auf jeden einzelnen Aphorismus . Die vier Füße, Kapitel, auf denen die Sutras stehen, sind:
- Samadhi Pada,
- Sadhana Pada,
- Vibhuti Pada,
- Kaivalya Pada.
I. Samadhi Pada
Samadhi Pada wird oft auch als "Theorie des Geistes" bezeichnet. In diesem ersten Kapitel beschreibt Patanjali, welche Stufen des Bewusstseins und welche Arten von Samadhi (überbewusster Zustand) es gibt, und wie der Geist funktioniert bzw. was er ist. Er behandelt der Reihe nach, was Yoga ist, dann die verschiedenen Gedanken im Geist, die verschiedenen Weisen, wie man den Geist beherrschen kann, die verschiedenen Samadhi-Stufen (Savitarka, Nirvitarka, Savicara, Nirvicara, Sananda und Sasmita) als Formen von Samprajnata Samadhi und schließlich Asamprajnata Samdhi. Weiterhin schreibt er über die Hindernisse auf dem Weg, Hinweise zu deren Überwindung und schließlich nochmals über Samadhi und die Folgen von Samadhi.
Zunächst gibt Patanjali die Definition von Yoga an:
अथ योगानुशासनम् || 1.1 ||
atha yogānuśāsanam || 1.1 ||
Nun die Unterweisung (Anushasana) im Yoga.
योगश्चित्तवृत्तिनिरोधः || 1.2 ||
yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ || 1.2 ||
Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen (Nirodha) des Gedankenflusses (Chittavritti).
II. Sadhana Pada
Im zweiten Kapitel werden die Ursachen des Leidens (Klesha) genannt und deren Wirkungsweise beschrieben. Danach kommt die Unterrichtung der fünf ersten Schritte des achtfachen Yogaweges, nämlich Yama, Niyama, Asana, Pranayama und Pratyahara, mit deren Hilfe die Ursachen des Leidens angegangen werden können.
III. Vibhuti
Hier werden die anderen drei Glieder des achtfachen Yogas behandelt: Dharana, Dhyana und Samadhi. Zudem wird sehr ausführlich die Erlangung verschiedenster übernatürlicher Fähigkeiten (siddhi) durch Konzentration, beschrieben.
IV. Kaivalya
Das letzte Kapitel ist weniger gut strukturiert und beschäftigt sich zum Teil mit bereits behandelten Themen, aber schließlich auch die Befreiung des Selbstes durch den Yoga.
Kommentare
Das Yogasutra wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder neu kommentiert und übersetzt. Der erste Kommentar stammt von Vyasa, der im 5.Jh.n.Chr. gewirkt hatte. Dieser Yogabhashya genannte Kommentar wurde von Shankara (788-820) , einem der größten indischen Philosophen, in einem Umfangreichen Werk nochmals kommentiert. Andere wichtige Kommentare sind das Rajamartanda von König Bhoja (um 1040) und das Yogavarttika von Vijnanabhikshu (2.H.16.Jh.)
Bis zum 18. Jh. wurden nicht weniger als 15 verschiedene Kommentare zum Yogasutra verfasst. Diese Zahl erhöht sich bis heute fortlaufend.
Übersetzungen
Das Yogasutra wurde um 1000 vom muslimischen Universalgelehrten al-Biruni ins Arabische übersetzt, dem Kitab Batanjali. Ansonsten blieb das Yogasutra bis in die Neuzeit außerhalb Indiens unbeachtet. Mit dem Aufkommen des Interesses an Yoga in Europa und Nordamerika, wurde das Yogasutra immer wieder neu in westliche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch gibt es mittlerweilen mehrere Übersetzungen, die sich zum Teil stark voneinander unterschieden. Auch die dazugehörigen Kommentare gehen je nach Ansicht des Autors weit auseinander.
Siehe auch
Bücher
- Sukadev Volker Bretz: Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute. Petersburg: Verlag Via nova (2001)
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation – Das Yoga Sutra des Patanjali. Petersburg: Verlag Via Nova (1997)
- Swami Durgananda: Yoga-Sutren des Patanjali. Lautersheim: Mangalam Books (2003). ISBN 3-922477-79-8
- Swami Prabhavananda & Christopher Isherwood: Gotterkenntnis – Die Yoga-Sutras des Patanjali. Berlin: Ullstein Verlag (1998)
- Karl-Otto Schmidt: Selbsterkenntnis durch Yoga-Praxis, Patanjali und die Yoga-Sutren. Hammelburg: Drei Eichen Verlag (2009).
- R. Sriram: Yogasutra. Theseus-Verlag (2006). ISBN 3-89620-292-8