Kultivierung positiver Eigenschaften
Die Kultivierung positiver Eigenschaften ist eines der Grundanliegen der verschiedenen spirituellen Traditionen. Spirituelles Leben heißt nicht nur spirituelle Praktiken, Peak Experiences, außergewöhnliche Bewusstseinserweiterungserfahrungen und Umsetzung von spiritueller Lebensweise in Bezug auf Essen, Wohnen, Lebensstil etc. Vielmehr ist die Kultivierung positiver Eigenschaften eines der essentiellen Bestandteile eines spirituellen Wegs. Die Kultivierung positiver Eigenschaften ist aber nicht nur auf den spirituellen Weg beschränkt: Vielmehr bemühen sich Eltern typischerweise darum, dass ihre Kinder positive Eigenschaften kultivieren und entwickeln.
Was sind überhaupt positive Eigenschaften?
Wenn es um die Kultivierung positiver Eigenschaften geht, muss man sich natürlich zunächst die Frage stellen: Was sind überhaupt positive Eigenschaften, die man kultivieren will? Wann ist eine Eigenschaft positiv, wann nicht so positiv? Denn im Grunde genommen kann jede Eigenschaft in bestimmten Kontexten oder auch in übertriebener Form in eine negative Eigenschaft umschlagen. Hier ein paar Beispiele:
- Vorsicht kann zur Angst werden
- Mut kann zum Leichtsinn werden
- Barmherzigkeit kann in Inkonsequenz umschlagen
- Gerechtigkeit kann zur Unbarmherzigkeit werden
- Demut ist schnell zur Unterwürfigkeit oder Unselbständigkeit korrumpiert
Letztlich muss jede Tugend, jede positive Eigenschaft, im Kontext der konkreten Situation gesehen werden. Und jede Tugend braucht als Ausgleich auch ihr Gegenteil.
Kultivierung von positiven Eigenschaften nach Swami Sivananda
Der indische Yogameister Swami Sivananda empfahl insbesondere die Kultivierung folgender Eigenschaften:
- Demut
- Freimütigkeit
- Mut
- Geduld
- Barmherzigkeit und Mitgefühl
- Lauterkeit und Wahrhaftigkeit
- Liebe
- Großzügigkeit
- Vergebung
- Gleichmutund Gelassenheit
- Zufriedenheit
- Reinheit
- Ausdauer und Durchhaltevermögen
- Fleiß
- Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
- Fröhlichkeit
Tipps zur Kultivierung von positiven Eigenschaften
Wenn du positive Eigenschaften entwickeln willst, kannst du folgende Schritte unternehmen:
- Entscheidung, welche positive Eigenschaft du zunächst kultivieren willst
- Entscheidung, wie lange du diese Eigenschaft in besonderem Maße kultivieren willst
- Entscheidung über die Mittel zur Kultivierung dieser Eigenschaft
- Umsetzung
- Evaluation: Beurteilung, wieweit du mit der Kultivierung dieser Eigenschaft gekommen bist
Welche Eigenschaft willst du kultivieren?
Wenn du überlegst, welche Eigenschaften du kultivieren willst, dann mache erst eine Art Brainstorming: Schreibe alle Eigenschaften auf, die du in dir stärken willst, am besten eine Eigenschaft pro Zeile.
Dann schreibe hinter jede Eigenschaft in einem Punktesystem von 0-10 die Wichtigkeit der Kultivierung dieser Eigenschaft, indem du folgendes bedenkst:
- Wichtigkeit für dein berufliches Vorankommen
- Wichtigkeit für den Umgang mit deinen Mitmenschen
- Wichtigkeit für deine spirituelle Entwicklung
- Intensität, mit der du diese Eigenschaft wirklich entwickeln willst
- Wahrscheinlichkeit, dass du diese Eigenschaft wirklich kultivieren kannst
Danach triff eine Entscheidung, welche Eigenschaft du zunächst kultivieren willst. Triff dabei eine spielerische Entscheidung: Du kannst ja die anderen positiven Eigenschaften später noch entwickeln.
Wie lange sollte man mit der Kultivierung einer positiven Eigenschaft verbringen?
Grundsätzlich dauert die Kultivierung positiver Eigenschaften ein ganzes Leben. Aber du kannst für die Kultivierung einer bestimmten positiven Eigenschaft eine Woche bis einen Monat verbringen.
Mittel für die Kultivierung positiver Eigenschaften
Folgende Mittel zur Kultivierung positiver Eigenschaften kannst du nutzen:
- Affirmation
- Visualisierung
- Eigenschaftsmeditation
- Integration in die Yoga-Praxis von Asanas und Pranayama
- Tägliches Umsetzen in die Praxis
- Anerkennung
Affirmation
Affirmationen für die Kultivierung positiver Eigenschaften sind sehr machtvolle Mittel. Angenommen du willst Mut entwickeln, kannst du folgende Affirmationen verwenden:
- Ich bin mutig
- Ich kultiviere Mut
- Ich freue mich darauf, bald mutig zu sein
- Ich entwickle Mut
Jeden Morgen beim Aufstehen, jeden Abend vor dem Einschlafen, vor und nach jeder Meditation, vor und nach jeder Tiefenentspannung wiederhole die Affirmation einige Male.
Visualisierung positiver Eigenschaften
Stelle dir vor, dass du diese positive Eigenschaft entwickelt hast. Stelle dir z.B. vor, wie du bist voller Mut, Tapferkeit und Kühnheit. Male dir verschiedene Situationen aus, in denen du mutig sein wirst - oder schon mutig warst. Spiele das geistig immer wieder durch.
Eigenschaftsmeditation
Die Eigenschaftsmeditation ist ein sehr machtvolles Tool, um die entsprechende Eigenschaft zu kultivieren. Dazu gibt es hier im Wiki einen umfangreichen Artikel, Stichwort Eigenschaftsmeditation.
Integration in die Yoga-Praxis von Asanas und Pranayama
Um die betreffende Tugend besser zu kultivieren, integriere sie auch in deine Yoga Praxis. Auch während der Asanas und Pranayamas kannst du Affirmationen wiederholen, dich selbst visualisieren. Du kannst dir auch besondere Asanas aussuchen, um die betreffende Eigenschaft auch wirklich zu spüren. Z.b. kannst du Anjaneyasana üben, wenn du Mut und Vertrauen kultivieren willst, Baum und Tänzer für die Kultivierung von Gleichgewicht, Pashchimottanasana für die Entwicklung von Hingabe und Loslassen.
Tägliches Umsetzen in die Praxis
Mache jeden Tag mindestens eine Handlung, welche diese Eigenschaft unter Beweis stellt und die du sonst vielleicht nicht gemacht hättest. Wenn du z.B. Mut entwickeln wolltest, könnte das sein:
- Frage nach dem Weg, anstatt dein Navi/Smartphone zu benutzen
- Melde dich freiwillig, einen Vortrag zu geben
- Verteidige jemanden mit Worten, der öffentlich angegriffen wird
- Mache eine Nachtwanderung
- Sprich einen wildfremden Menschen an
Das tägliche Umsetzen in die Praxis ist von ganz besonderer Bedeutung.
Anerkennung
Wann immer du eine Handlung ausgeführt hast, in der du die entsprechende Eigenschaft unter Beweis gestellt hast, gib dir selbst Anerkennung. Du kannst dir selbst sagen "Peter, das hast du gut gemacht". Du kannst dir sogar auf die Schulter klopfen und sagen: "Großartig". Eventuell kannst du mit deinem Partner absprechen, dass er/sie dir die Anerkennung ausdrückt, wenn du diese Eigenschaft unter Beweis stellst.
Evaluation
Am Ende jeder Woche kommt die Evaluation, also die Beurteilung, wieweit du mit der Kultivierung dieser Eigenschaft gekommen bist. So kannst du entscheiden, ob die Mittel die richtigen sind, um diese Eigenschaft wirklich zu kultivieren. Möglichkeiten sind:
Kultivierung positiver Eigenschaften zur Entwicklung des Charakters
Du bist nicht Sklave deiner Umstände. Deine Persönlichkeit ist nicht festgelegt. Du brauchst dich nicht als Opfer zu fühlen. Vielmehr kannst du schrittweise die verschiedensten Eigenschaften in dir kultivieren. Wenn du z.B.jeden Monat eine andere Eigenschaft bewusst kultiviert hast, wirst du nach einem Jahr ein anderer Mensch, insbesondere mehr du selbst sein.