Chandogya Upanishad Dritter Prapathaka neunzehnter Khanda
Chandogya Upanishad Dritter Prapathaka neunzehnter Khanda: Interpretation von Shivapriya G.L. im Rahmen einer Studienreihe eines Arbeitskreises "Chandogya Upanishad in der Nähe von Frankfurt.
Verse 1-3 Chandogya Upanishad 3. Prapathaka 19. Khanda
Hier die Einführung mit der Interpretation der Verse 1-3 von Chandogya Upanishad, 3. Prapathaka, 19. Khanda:
Wie mit einem Vergrößerungsglas wird in den folgenden Versen genauer untersucht, welche Auswirkungen die einzelnen Bilder der vorhergehenden Khandas nicht nur für unser Verständnis von uns selbst, sondern auch für unsere Vorstellung von der Welt haben.
Konnten wir in Bezug auf den Menschen ableiten, dass erst das Licht uns zu einer Wahrnehmung befähigt, wobei das Licht als eine konkrete Gestalt des Göttlichen wirkt, so wird dieser Zusammenhang jetzt in Bezug auf die Welt erklärt: Das Nichtseienden ist identisch mit dem Seienden. Es wird nicht etwa gesagt, das Seiende geht aus dem Nichtseienden hervor – das würde voraussetzen, dass sich das Nichtseiende zum Seienden hin verändert – sondern es wird festgestellt: Das Nichtseiende ist das Seiende. Dieser Widerspruch ist nur zu verstehen, wenn man sich vorstellt, dass das Seinende eine Eigenschaft des Nichtseinenden ist und damit untrennbar mit dem Nichtseienden verbunden ist. Der nächste Widerspruch ist die Aussage: „Dasselbige entstand.“ Wenn das Seiende entstand, muss es einen Zustand vorher und einen Zustand nachher geben und das widerspricht der vorherigen Feststellung auf den ersten Blick. Akzeptiert man aber die Feststellung, dass das Nichtseinende das Seinende ist, dann ist die Geburt der Welt als Seiendes keine Veränderung eines Zustandes im Sinne von vorher und nachher, sondern zwei Aspekte einer einzigen Sache. So gibt es die Rückseite einer Münze nicht erst, wenn sich die Vorderseite der Münze verändert hat. Welche Seite der Münze wahrgenommen wird, hängt vom Blickwinkel des Betrachters ab. Die Welt existiert, nehmen wir sie auf der Ebene der Materie wahr, in einer bestimmten Gestalt, die ständiger Veränderung unterworfen ist. Konzentrieren wir uns aber auf alles, was die Gestalt der Welt und all ihrer Erscheinungsformen ausmacht, können wir erahnen, dass dahinter ein gemeinsames, verbindendes Element existiert – das Nichtseiende. Sobald das Seiende aber wahrgenommen werden kann, verändert es sich und entwickelt sich. Dieser Teil des Absoluten, der Wahrheit, ist all das was wir und alle Lebewesen mit unseren Sinnen wahrnehmen und mit unserem Verstand analysieren können. Es ist das, was lebt, was sich verändert und bei uns wie allen anderen Lebewesen Entwicklung auslöst.
Genau dafür ist das Ei ein wundervolles Bild. Das Ei enthält alles, was ein Lebewesen zur Entwicklung braucht: Nährstoffe und Aufbaustoffe und Schutz. Für die Entwicklung hin zu einem lebensfähigen Organismus braucht es Zeit. Auch wenn von außen betrachtet das Ei ruht (hier ein Jahr), befindet sich das Innere des Eies aber in einem enormen ständigen Veränderungs- und Entwicklungsprozess, bis ein Zustand des Aufbaus erreicht ist, der eine eigenständige Weiterentwicklung erlaubt. Betrachtet man die folgenden Bilder des Zerspringens der Eischale und der Zuordnung der schützenden Eiteile auf die verschiedenen Elemente der Welt fällt sofort eine Tatsache ins Auge: Alle Wesen der Welt befinden sich noch innerhalb der verschiedenen Teile des Eies, alle Wesen sind nach wie vor in gewisser Weise geschützt und versorgt: Die Berge als Schutzraum vor Einflüssen von außerhalb der Erde, wobei es sicherlich lohnend wäre, sich über diesen Aspekt noch weitere Gedanken zu machen! Die Atmosphäre kann man sich gut als innere Schutzschicht vorstellen (wenn man an die Bedeutung der Ozonschicht als Schutz vor bestimmten UV-Strahlen denkt, ein verblüffend richtiges Bild!). Flüsse als Versorgungsadern zu bezeichnen ist sicherlich ein direkt verständliches Bild und die Ozeane als Fruchtwasser, in dem Entwicklung abläuft, ist ebenfalls ein nachvollziehbarer Vergleich.
Interessant ist die Feststellung im dritten Vers, was denn nach diesen ganzen Vorbereitungen geboren wird. Es ist nicht etwa, wie man vermuten könnte, der Mensch als Krone der Schöpfung. Es sind noch nicht einmal die Lebewesen auf diesem Planeten. Mensch und Lebewesen sind quasi nur der selbstverständliche Hintergrund für die eigentlich entscheidende Geburt in diesem System: die Sonne. Sobald die Sonne da war, erheben sich alle Wesen hinter Ihr voll Freude und es erheben sich die Wünsche! Was für eine Überraschung! Da die Sonne als das immer wieder benutzte Bild für das Absolute in den Upanishaden auftaucht, ist klar um was es in Wirklichkeit geht: Die gesamte materielle Welt dient nur dazu, die Sonne hervorzubringen, d.h. einen Aspekt des Göttlichen, der eben in genau dieser materiellen Welt Gestalt annehmen kann und wahrgenommen werden kann. Dieser Aspekt des Göttlichen ist das Zentrum von im wörtlichen Sinne allem, was existiert.
Um die Sonne dreht sich alles, deshalb wird sie bejubelt. Sobald die Sonne da war, konnten sich die verschiedenen Wesen (im Ozean als Fruchtwasser – was für ein schönes Bild für die gängige Evolutionstheorie mit dem Beginn des Lebens im Wasser!!!) entwickeln. Wie nebenbei wird auch erklärt, was sich von Anfang an mit entwickelt hat: die Wünsche. Sobald also Lebewesen die Erde bevölkert haben, hatten diese sofort auch Wünsche. Interessanterweise wird nicht gesagt: sobald der Mensch da war, hat er Wünsche, sondern diese Aussage bezieht sich eindeutig auf alle Wesen. Dadurch wird der Mensch wieder einmal seiner vermeintlichen Vormachtstellung unter den Wesen beraubt und er kann sich nicht zum Herrscher über alle anderen Wesen aufschwingen. Alle Wesen haben genauso Wünsche wie wir. Und im selben Umfang, wie wir unsere eigenen Wünsche respektiert sehen wollen, müssen wir endlich auch die Wünsche aller anderen Lebewesen erkennen und respektieren lernen. Wie die Welt wohl aussehen würde, wenn wir das wirklich begreifen und umsetzen würden?!
Interpretationen Chandogya Upanishad
Interpretationen von Shivapriya G.L. aus der Nähe von Frankfurt:
- Chandogya Upanishad Zweiter Prapathaka vierundzwanzigster Khanda
- Chandogya Upanishad Dritter Prapathaka siebzehnter Khanda
- Chandogya Upanishad Dritter Prapathaka achtzehnter Khanda
- Chandogya Upanishad Dritter Prapathaka neunzehnter Khanda
- Chandogya Upanishad Vierter Prapathaka erster Khanda
- Chandogya Upanishad Vierter Prapathaka zwölfter Khanda
- Chandogya Upanishad Vierter Prapathaka sechzehnter Khanda
- Chandogya Upanishad Fünfter Prapathaka erster Khanda
- Chandogya Upanishad Fünfter Prapathaka zweiter Khanda