Gebet

Aus Yogawiki

Das Gebet (abgeleitet von dem deutschen Substantiv Bitte) bezeichnet eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Gebete können gesungen, gesprochen oder still formuliert sein. Je nach Religion und Konfession unterscheiden sich Körperhaltungen und Gesten: stehen, knien, niederwerfen, den Kopf senken, die Hände erheben oder falten...Mudras, Namaste..., auch Asanas, Tai-Chi... Ebenso mag die Haltung individuell frei gewählt sein.

Hinduismus

In der Frühzeit des Hinduismus, der vedischen Zeit (1200 v.Chr.), wurden Hymnen an die Götter gerichtet, die oft mit Bitten verbunden waren und einen durchaus utilitaristischen Charakter hatten. Auch die Rezitation von Mantras (wörtl.: Mittel zum Denken) war von frühester Zeit an ein wichtiges Mittel religiöser Versenkung.

Heute ist wie bei Gläubigen aller Religionen das tägliche Gebet auch bei Hindus üblich. Gebetet wird in fast allen hinduistischen Richtungen, vor allem im Bhakti Yoga ist die persönliche Hingabe an Gott und somit die Kommunikation mit ihm wichtig.
Eine populäre Form der Verehrung ist die Anbetung Gottes in einem Bild oder einem Emblem. Andererseits lehnen auch sehr viele Hindus die Verehrung in Bildern völlig ab – wie beispielsweise die Anhänger des Arya Samaj oder die Lingayats, eine im zwölften Jahrhundert gegründete shivaitische Bewegung.

Hinduistische Gebetspraxis

Beim Gebet im Ganges

Allgemeine Vorschriften für Gebete und feste Gebetszeiten, die für alle Hindus gelten, fehlen. Sehr unterschiedlich gelebte Familientraditionen sind:

  • die weit verbreitete tägliche Lichtkreiszeremonie, das Arati; zu Hause oder in den kleinen und großen Tempeln. Meist am Beginn sowie am Ende des Tages schwenkt man eine Butterlampe vor dem Bildnis oder dem Emblem des Göttlichen und läutet dazu eine kleine Glocke. Das Gebet - gesprochen, geflüstert, in Gedanken rezitiert oder gesungen - gehört wesentlich zu der Zeremonie.
  • Viele Hindus beten beim Verlassen des Hauses oder zu Beginn einer Unternehmung. Sie sprechen oft nur ein kurzes Gebet, indem sie etwa sagen: „Ganesha, ich verehre dich!“ oder „Om Kali!“. Insbesondere an bestimmten Wochentagen verehrt man die einzelnen Formen des Göttlichen, an Donnerstagen etwa beten manche Hausfrauen zu Lakshmi, der Göttin des Glücks und des Wohlbefindens. Am Montag steht bei vielen Shiva besonders im Mittelpunkt.
  • Zu Feiertagen kann man einen Priester ins Haus rufen, der Gebete oder Gottesdienste (Pujas) für alle durchführt. Genauso kann man auch überlieferte, spezifische Gebete für diesen Tag während einer Andacht selber beten, allein oder gemeinsam mit anderen.
  • Anstelle eines Tischgebetes ist es oft üblich, die Speise, meistens nur eine kleine Portion davon, auf den Altar zu stellen, mit Gebeten anzubieten und dann die so gesegnete Mahlzeit zu essen.
  • Sehr verbreitet ist das andachtsvoll gesungene Gebet, Bhajan, das man allein singt oder in Gemeinschaft, oft mit einem Instrument begleitet.
  • Eine andere beliebte Gebetsform stellt das wiederholte Anrufen des Namen Gottes dar, häufig mit Hilfe einer Gebetskette mit einhundertacht Kugeln, sooft wird der Name meistens zitiert. Dieses Japa dient der Versenkung und kann der Übergang zur Meditation sein.


Eine vorgeschriebene Körperhaltung für das Gebet gibt es nicht; es muss in jedem Fall eine Haltung des Respekts sein. Darum zieht man vorher immer die Schuhe aus, wäscht sich möglichst zumindest die Hände und wählt einen Sitz, der tiefer liegt als der Altar. Meistens sitzt man mit verschränkten Beinen im Schneidersitz auf dem Boden oder steht vor dem Bildnis. Vor dem Hausaltar oder im Tempel ist auch die kniende Verbeugung üblich, bei der die Stirn den Boden berührt.

Zur Gebetshaltung gehören auch die vor der Brust gefalteten Hände (vgl. namaste); wobei man diese oft vor und nach Beginn des Gebetes als Respektsgeste jeweils kurz an die Stirn führt; oder man betet mit vor der Stirn gefalteten Händen, was besondere Inbrunst ausdrückt. Letztlich ist keine äußere Form zwingend, nur die innere Haltung.

Quellen und Beispiele von Hindugebeten

Quellen vieler Gebete sind die Veden, die Puranas und nicht zuletzt die Beispiele großer Bhaktas, der Verehrer Gottes. Selbst von jenen Personen, die das Göttliche als letztlich absolut formloses, nicht-personales Brahman definieren, sind inbrünstige Gebete überliefert, etwa vom großen Philosophen Shankara:

„Ich bete an den Herrn, das höchste Sein, dem einen ersten Samen des Universums, dem wunschlosen Formlosen, der durch die Silbe Om erkannt werden kann, durch den das Universum ins Dasein gelangte, der es erhält und in dem es wieder vergeht.“ (Vedasarasivastava)

Das bekannteste Gebet ist das Gayatri-Mantra, eine vedische Hymne, welche das Göttliche in Form der Sonnenkraft, Surya, um geistiges Licht anruft. Viele Hindus sprechen oder singen es täglich, wobei der Gebrauch sich nicht auf Brahmanen beschränkt, wie oft behauptet, sondern alle beten es.

Das Mrityunjaya-Mantra verehrt Shiva:

„Wir verehren den Dreiäugigen der duftet und alle Wesen nährt.
Wie eine reife Gurke von ihrer Bindung (am Stängel) gelöst wird, möge er uns vom Tod befreien in die Unsterblichkeit.

Ziel der Gebete und Anrufungen sind die verschiedenen, oft, aber nicht immer, anthropomorph gedachten Formen des letztlich formlosen Höchsten.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist der Hinduismus nicht polytheistisch. Alle Schulen lehren das formlose Eine, wenn auch in unterschiedlichen Philosophien. Die am meisten verbreiteten Philosophien sehen die verschiedenen Götter und Göttinnen als verschiedene Formen des höchsten Einen, das letztlich formlos ist.

Ein sehr populäres Gebet, das Millionen von Hindus täglich singen, besonders zur täglichen Lichtkreis-Zeremonie, dem Arati, ist das Jay Jagadish Hare. In diesem Text kommt deutlich zum Ausdruck, dass das Wissen um die Einheit auch in den Gebeten der einfachen Gläubigen enthalten ist. Ein Ausschnitt:

„Ehre sei Dir, O Herr der Welt! Ehre sei dem ewigen Herrn! …
Du bist meine Mutter, mein Vater bist du. Wo sonst finde ich Zuflucht, O Herr?
Außer Dir ist kein Zweiter, kein anderer neben Dir.
Auf wen kann ich hoffen, wenn nicht auf Dich! Ehre sei Dir, O Herr der Welt!
Nimm die Gier von mir und alles Übel, O Herr!
Vermehre die Hingabe und Liebe zu Dir und lass mich den Heiligen dienen!
Ehre sei Dir, O Herr der Welt!“

Allgemein

Im Zusammenhang mit Gebeten werden oftmals Symbole verwendet, wie zum Beispiel der Rosenkranz im katholischen, im Islam und Buddhismus oder das Kreuz in christlichen Gebeten.

Da sind liturgische Gebete mit feststehenden Wortfolgen, manchmal mit Rede und Antwort in Form einer Litanei, Gebete mit Vorlagen oder spontan formulierte Gebete. (Siehe auch: Allumfassendes Gebet).

Es ist eine mit Worten und begleitenden Handlungen verbundene Anrede eines transzendenten Wesens (Gott, Gottheit, Göttin) oder Fürsprechers (Engel, Prophet, Guru).

Zitate

  • Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist, ein gebrochenes und reuiges Herz wirst du, Gott, nicht verachten.Psalm 51,19
  • Das Werk gibt dem Wort innere Stärke, doch das Gebet erwirbt für Taten und Worte innere Kraft.Bernhard von Clairvaux
  • Der Mensch ist von Gott nie weiter entfernt als ein Gebet.Mutter Teresa
  • Wenn ihr betet, macht es nicht so wie die Heuchler, die sich dazu gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, damit sie von den Leuten gesehen werden. Ich versichere euch: Mit dieser Ehrung haben sie ihren Lohn schon kassiert. Wenn du betest, geh in dein Zimmer, schließ die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene sieht, dich belohnen. Beim Beten sollt ihr nicht plappern wie die Menschen, die Gott nicht kennen. Sie denken, dass sie erhört werden, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie! Denn euer Vater weiß ja, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn bittet.Jesus Christus in der Bergpredigt über das Beten, Matthäus 6,5–8; zitiert nach der Neuen evangelistischen Übertragung (NeÜ) der Bibel
  • Gott bitten heißt, sich mit der Hoffnung schmeicheln, durch Worte könne man die ganze Natur ändern.Voltaire
  • Gebet bedeutet nichts weiter, als Jesus in unsere Not einschließen. Es bedeutet, Jesus Zugang zu geben, damit er seine Kraft für unsere Not gebrauchen kann. Es bedeutet, Jesus Gelegenheit geben, seinen Namen inmitten unserer Not zu verherrlichen.Ole Hallesby

Siehe auch

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Literatur

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  • Carl Heinz Ratschow, Rainer Albertz, Lawrence A. Hoffman, Klaus Berger u. a.: Gebet I. Religionsgeschichtlich II. Altes Testament III. Judentum IV. Neues Testament V. Alte Kirche VI. Mittelalter VII. Das Gebet im deutschsprachigen evangelischen Gottesdienst VIII. Dogmatische Probleme gegenwärtiger Gebetstheologie IX. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 12 (1984), S. 31–103 (umfassender Überblick mit christlichem Schwerpunkt)
  • M. Krucoff, S. Crater, D. Gallup, J. Blankenship, M. Cuffe, M. Guarneri, R. Krieger, V. Kshettry, K. Morris, M. Oz: Music, imagery, touch, and prayer as adjuncts to interventional cardiac care: the Monitoring and Actualisation of Noetic Trainings (MANTRA) II randomised study. The Lancet, Volume 366, Issue 9481, Pages 211–217
  • Krucoff MW, Crater SW, Green CL, Maas AC, Seskevich JE, Lane JD, Loeffler KA, Morris K, Bashore TM, Koenig HG.: Integrative noetic therapies as adjuncts to percutaneous intervention during unstable coronary syndromes: Monitoring and Actualization of Noetic Training (MANTRA) feasibility pilot. PMID 11685160
  • O’Connor PJ, Pronk NP, Tan A, Whitebird RR.: Characteristics of adults who use prayer as an alternative therapy. PMID 15895540
  • Monika Renz: Grenzerfahrung Gott: Spirituelle Erfahrungen in Leid und Krankheit. 3. Aufl. Herder, Freiburg i.Br. 2006, ISBN 3-451-05341-1
  • Arndt Büssing, Thomas Ostermann, Michaela Glöckler, Peter F. Matthiessen: Spiritualität, Krankheit und Heilung – Bedeutung und Ausdrucksformen der Spiritualität in der Medizin. Verlag für Akademische Schriften, Frankfurt 2006, ISBN 978-3-88864-421-4
  • Heinrich Christian Rust: Beten – 7 Gründe, warum ich es tue. Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2006, ISBN 3-937896-31-7
  • Ole Hallesby: Vom Beten. Wuppertal 1958, pass. (der christliche Klassiker zum Thema)
  • Kritischer Artikel von Michael Shermer im Scientific American
  • Adolf Holl: Om und Amen. Eine universale Kulturgeschichte des Betens. 2006
  • Stefan Heid: Gebetshaltung und Ostung in frühchristlicher Zeit. In: Rivista di Archeologia Cristiana 82 (2006) 347-404.
  • Albert Löschhorn: Gott ist gegenwärtig - Eine Anleitung zu geistlichen Übungen für evangelische Christen. Verlag Linea, Bad Wildbad, 2009, ISBN 978-3-939075-35-6
  • Albert Löschhorn: Gerhard Tersteegens Schule des Gebets. Verlag Linea, Bad Wildbad, 2009, ISBN 978-3-939075-34-9

Quellen


Weblinks