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Version vom 22. Mai 2014, 13:33 Uhr
Zurückgezogenheit und Meditation
Der Yoga Meister Swami Sivananda schreibt zum Thema „Zurückgezogenheit und Meditation“:
Weise, wie Ekanath, König Janaka und andere, erlangten Selbstverwirklichung durch geistige Schulung (sadhana) , während sie in der Welt blieben. Die Lehre der Gita lehrt die Selbstverwirklichung, die Versenkung im Göttlichen in der Welt und durch die Welt. Dies klingt verständlich und recht erfreulich, ist aber den meisten Menschen nicht möglich. Es ist leichter gesagt als getan. Wieviel Janakas und Ekanaths hat es gegeben, und diese waren wahrhafte Yogis in früheren Leben.
Jesus zog sich achtzehn Jahre zurück. Buddha ging acht Jahre lang in die Einsamkeit des uruvala-Waldes, [[Swami Rama Thirtha]] lebte zwei Jahre lang in der Abgeschiedenheit des Waldes Bralzmapw'i. Shri Aurobindo lehrte zwar, daß man sich inmitten des tätigen Lebens verwirklichen müsse, lebte aber zwanzig Jahre lang in der Abgeschiedenheit seines Zimmers.
Viele entschlossen sich, während ihres sadilana in die Einsamkeit zu gehen. Man kann den geistigen Weg in der Welt beginnen, nach einigen Fortschritten aber muß man sich von ihr zurückziehen und einen geeigneten einsamen Ort suchen, an dem geistige Schwingungen wirken können. Bei vielen Menschen ist die Willenskraft sehr geschwächt, da sie keine Selbstdisziplin besitzen, in ihrer Jugend keine religiöse oder geistige Schulung genossen und materiellen Einflüssen unterliegen. Für sie ist es notwendig, einige Wochen, Monate oder Jahre in die Abgeschiedenheit zu gehen, um sich dem Japam zu widmen und ungestörte Meditation zu üben.
Du vermagst deine weltliche Natur in die göttliche umzuwandeln und volle Kontrolle über deine Nerven- und Muskelzentren, über deine fünf Hüllen (koshas), Empfindungen, Triebe und Impulse durch Meditation zu erlangen. Wer seine Kinder versorgt und sich von der Arbeit zurückgezogen hat oder keinen weltlichen Bindungen und Verpflichtungen unterworfen ist, sollte vier oder fünf Jahre in der Abgeschiedenheit leben, um sich intensiver der Meditation und der Entsagung(tapas) zu widmen, sich zu läutern und zur Selbstverwirklichung zu gelangen. Dies ist dem Eintritt in eine Universität zur Absolvierung höherer Studien zu vergleichen. Nach Beendigung der Zeit strengster Entsagung (tapas), nach Erlangung der Selbsterkenntnis kann der Schüler wieder in die Welt zurückkehren und mit anderen seine Erkenntnisse und seine Glückseligkeit teilen. Er kann die Selbsterkenntnis durch Vorträge, Diskussionen und Zwiegespräche je nach Fähigkeit und Veranlagung anderen nahebringen. Ein Hausvater (gl'ihasta), den es nach Yoga und Geistigkeit verlangt, kann Meditation in einer einsamen Ecke seines Hauses üben oder auch an einem entlegenen Ort, an den Ufern eines heiligen Flusses, an dem er seine Ferien verbringt oder das ganze Jahr über bleibt, wenn er sich von seinen Geschäften zurückgezogen hat.
Wer als Familienvater von dem brennenden Wunsch erfüllt ist, den geistigen Pfad zu beschreiten und sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um Meditation zu üben, darf nicht plötzlich alle Bindungen an die Familie zerreißen. Ein solcher Bruch würde eine starke Angst in seinem Bewußtsein auslösen und für die Familie einen schweren Schock bedeuten. Die Bindungen müssen allmählich gelockert werden. Zu Anfang darf er sich nur für eine Woche oder einen Monat zurückziehen. Verlängert er später die Zeit allmählich, wird der Schmerz der Trennung nicht mehr so fühlbar sein. Der Schüler sollte frei sein von Hoffnungen, Wünschen und Begierden, die ruhelos machen, die Gedanken verwirren und Feinde des Friedens und der Selbsterkenntnis sind. Nur dann wird sein Bewußtsein regungslos bleiben. Er sollte auch nicht viel äußere Güter besitzen, sondern nur behalten, was für das körperliche Dasein unbedingt notwendig ist. Viel Besitz wird Gedanken anziehen, um ihn zu bewahren. Weder durch Korrespondenz noch durch Zeitunglesen, durch Gedanken an Familienmitglieder oder Besitztum sollte der Schüler, der schnelle Fortschritte in der einsamen Meditation anstrebt, Beziehungen zur Welt aufrechterhalten. Erst wenn er seine Bedürfnisse beschränkt hat, wenn die Welt für ihn nicht mehr den geringsten Reiz besitzt, wenn er Unterscheidungsvermögen gewonnen hat und Unbeweglichkeit, wenn er brennend nach Befreiung strebt und monatelang Schweigen (mauna) geübt hat, wird er fähig sein, in der Einsamkeit zu leben.
Der Schüler sollte voll Heiterkeit sein, denn das göttliche Licht dringt nur in einen freudigen Sinn ein. Diese Heiterkeit wird er durch Auslöschen der unbewußten Erinnerungen (vasanas), der Wünsche und Anreize erlangen. Auch die Angst sollte er austreiben. Das ist sehr wichtig. Schüchternheit oder Feigheit lassen keine Selbstverwirklichung zu. Der Schüler sollte sich nicht um materielle Dinge sorgen, denn das äußere Leben wird von der göttlichen Vorsehung bestellt, von unserer Mutter prakriti (kosmische Natur) vorausgeordnet. Sie wacht sorgfältig und wirksamer als man selbst vermöchte über unsere körperlichen Erfordernisse. Sie weiß besser als irgend jemand, was notwendig ist, und sorgt dafür nach Ort und Zeit. Der Schüler sollte die geheimnisvollen Wege der Mutter weise verstehen lernen und ihr für ihr Wohlwollen, ihre Güte und Gnade danken.
Die Flüssigkeit des Lebens, der Samen, stärkt Nerven und Gehirn und gibt dem ganzen Organismus Kraft. Wer durch das Gelübde der Keuscheit seine Vitalkraft erhalten und zur höchsten Form der Energie (ojas shakti) sublimiert hat, vermag lang und unbeweglich Meditation zu üben und auf diese Weise die Leiter des Yoga aufzusteigen. Ohne Keuschheit (brahmacharya) ist kein geistiger Fortschritt möglich, da sie das einzige Fundament ist, auf dem Meditation und samadhi aufgebaut werden können. Viele Menschen zerstreuen diese Vitalkraft, die ein wahrhaft geistiger Schatz ist, wenn sie in ihrer Erregung verblendet und unvernünftig werden. Sie sind zu bemitleiden, denn sie werden niemals wirkliche Fortschritte im Yoga erreichen.
Durch regelmäßige Übung der asanas sollte der Schüler seinen Körper beherrschen, ehe er ernsthaft und stetig die Meditation beginnt. Ein unbeweglicher Sitz ist die Voraussetzung, da bei unruhigem Körper auch das Bewußtsein unstet ist. Zwischen Körper und Geist besteht eine enge Beziehung. Tägliche Übung (asana jaya) führt zur Beherrschung der Stellung. Sei unbeweglich wie eine Statue, halte Körper, Kopf und Hals gerade. Dann wird auch die Wirbelsäule aufrecht sein, und kundalini vermag durch den Kanal, der das Rückenmark (sushumna) entlangführt, aufzusteigen. Auch wird dich kein Schlaf überfallen. Ist es dem Schüler zur Gewohnheit geworden, die Gedanken von den Wahrnehmungen der Sinne (pratyahara) abzuschalten und die Sinne vollkommen zu beherrschen, so wird er, selbst im größten Lärm der Großstadt, seine Einsamkeit finden. Sind die Sinne dagegen erregt und kann er sich ihren Eindrücken nicht entziehen, wird er auch in der einsamen Höhle des Himalaya Luftschlösser bauen und den Frieden nicht finden, den der geistig geschulte Yogi empfangt, der seine Sinne und Gedanken beherrscht. Hat man die Wege und Gewohnheiten seines Bewußtseins durch tägliche Innenschau, Selbst-Analyse oder Selbstprüfung kennengelernt, weiß man um die Gesetze des Geistigen, dann ist es leicht, die wandernden Gedanken in Zaum zu halten. Wenn man zu meditieren beginnt und sich bemüht, alles Weltliche zu vergessen, werden die unsinnigsten und gleichgültigsten Gedanken lebendig, um zu stören. Es ist erstaunlich, wie jahrealte Gedanken, wie Erinnerungen an vergangene Vergnügungen an die Oberfläche kommen und das Bewußtsein in die verschiedensten Richtungen drängen. Der Gedanken- und Erinnerungsraum des Unbewußten hat sich geöffnet, und die Gedanken entströmen ihm in unaufhörlichem Fluß. Je mehr man sie zu beruhigen sucht, um so stärker werden sie mit verdoppelter Kraft und Intensität heraufwirbeln. Sei nicht entmutigt und verzweifelt, vor allem sei niemals verzweifelt. Durch regelmäßige und anhaltende Meditation kann man das Unterbewußtsein reinigen und Gedanken wie Erinnerungen beherrschen. Sei dessen gewiß, Meditation ist ein wirksames Gegengift, geeignet, die weltlichen Gedanken zu vernichten.
Während der Innenschau kann man beobachten, wie das Bewußtsein von einer Idee zur anderen springt. Das ermöglicht, es umzubilden und seine Kräfte auszurichten auf dem Weg zum Göttlichen. Durch Umstellung der Gedanken kann man neue Verbindungen auf der sattva-Ebene hervorbringen. Hat man den irdischen Gedanken ihre Bezogenheit auf einen Gegenstand genommen, so kann man sie wie Unkraut ausrotten und statt ihrer im göttlichen Garten des Bewußtseins (antahkarana) erhabene Gedanken in geduldiger Arbeit pflegen, eine wirklich erstaunliche Aufgabe, doch leicht für den Yogi, der Selbstentschlossenheit und dank der Gnade Gottes einen eisernen Willen besitzt.
Die Meditation über das unsterbliche Selbst wird wie ein Sprengstoff wirken, der alle Gedanken und Erinnerungen des Unbewußten zerstört. Man darf aber die Gedanken, die bedrängen, nicht gewaltsam unterdrücken, sondern sollte sie schweigend beobachten, bis sie allmählich an Kraft verlieren und durch regelmäßige, anhaltende und schweigende Meditation vollkommen ausgerottet werden. Nur wenige Minuten am Tag, hier und dort einmal zu meditieren, führt zu keinem sichtbaren Erfolg im Yoga.
Wie kann man in einem einsamen Wald, in dem es keine Versuchungen gibt, feststellen, ob man seine Sinne in der Gewalt hat? Die Schüler des Yoga, die in abgeschiedenen Höhlen leben, sollten sich prüfen, indem sie wieder unter Menschen gehen. Dies aber sollte nicht zu jeder Zeit geschehen, dem Manne gleich, der eine junge Pflanze jeden Tag umpflanzte, um zu sehen, ob die Wurzeln wieder gewachsen waren. Möge der Schüler lernen, die Sinne durch anhaltende Meditationen zu beherrschen, und so als Erfolg der YogaÜbungen in die unendliche Ekstase (nirvikalpa-samadhi) eingehen, in den seligen Zustand der Vereinigung mit dem Herrn. Eine geheimnisvolle innere Stimme wird ihn dabei führen. Wie das Wasser eines Gefäßes sich mit dem Meer vereint, wenn das Gefäß zerbrochen wird, so wird die menschliche Seele eins mit dem Höchsten Selbst, wenn das Gefäß des Körpers durch Meditation über Atman zerbrochen ist.
Ein Mensch, der niemals Swami Ramakrishnananda gesehen hatte, hörte von seiner Persönlichkeit und seinen Eigenschaften durch einen Menschen, der ihn tatsächlich kannte, und veruchte, in seinem Innern sein Bild zu schauen. Auf gleiche Weise sollte der Schüler von den Weisen, die Selbstverwirklichung erlangten, alles über den unsichtbaren Brahma zu erfahren suchen und dann über Atman, das Selbst, meditieren.
Konzentration und Atembeherrschung (pranayama) gehen ineinander über. Pranayama gibt Konzentration, andererseits ist natürliche Atembeherrschung eine Folge der Konzentration. Ein Hatha-Yogi übt pranayama und beherrscht dadurch seine Gedanken. Er steigt von der unteren Stufe zu höheren auf. Ein Raja-Yogi übt Konzentration und beherrscht auf diese Weise seinen Atem. Sein Weg führt von oben nach unten. Am Ende begegnen sich beide auf einer gemeinsamen Stufe. Es gibt verschiedene Methoden für die verschiedenen Fähigkeiten, Wünsche und Temperamente. Manchen wird für den Anfang pranayama am leichtesten fallen, anderen die Konzentration. Wahrscheinlich werden diese im früheren Leben pranayama geübt haben und in diesem Leben die nächste Stufe des Yoga, die Konzentration, aufnehmen.
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