Haselstrauch
Haselstrauch, auch Haselnussstrauch oder Gemeine Hasel (Corylus avellana). Der sommergrüne und vielstämmige Haselstrauch gehört wie die Birke zur Familie der Betulaceae, der Birkengewächse. Der Haselstrauch ist in Europa und Kleinasien verbreitet und kann bis zu 6 m hoch werden. Um den Haselstrauch und seine nahrhaften Früchte, die Haselnüsse, ranken sich viele mythologische Erzählungen, Legenden und Märchen.
Der Haselstrauch als Schutz und Symbol der Fruchtbarkeit
Der Haselstrauch soll "vor den chaotischen Kräften und Energien des Jenseits: vor Blitzschlag, Feuer, (...), wilden Tieren, vor Krankheit und Zauber" schützen (Wolf-Dieter Storl, Hexenmedizin, S. 12). Zweige vom Haselstrauch schützen auch vor Schlangen; wenn man mit ihnen einen Kreis um die Schlange zieht, soll sie gefangen sein.
In den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm heißt es in der "Haselrute" vom Haselstrauch:
- Eines Nachmittags hatte sich das Christkind in sein Wiegenbett gelegt und war eingeschlafen, da trat seine Mutter heran, sah es voll Freude an und sprach »hast du dich schlafen gelegt, mein Kind? schlafe sanft, ich will derweil in den Wald gehen und eine Handvoll Erdbeeren für dich holen; ich weiß wohl, du freust dich darüber, wenn du aufgewacht bist.« Draußen im Wald fand sie einen Platz mit den schönsten Erdbeeren, als sie sich aber herabbückt, um eine zu brechen, so springt aus dem Gras eine Natter in die Höhe. Sie erschrickt, läßt die Beere stehen und eilt hinweg. Die Natter schießt ihr nach, aber die Mutter Gottes, das könnt ihr denken, weiß guten Rat, sie versteckt sich hinter einem Haselstrauch und bleibt da stehen, bis die Natter sich wieder verkrochen hat. Sie sammelt dann die Beeren, und als sie sich auf den Heimweg macht, spricht sie »wie der Haselstrauch diesmal mein Schutz gewesen ist, so soll er es auch in Zukunft andern Menschen sein.« Darum ist seit den ältesten Zeiten ein grüner Haselzweig gegen Nattern, Schlangen, und was sonst auf der Erde kriecht, der sicherste Schutz.
Der Zweig vom Haselstrauch, den Aschenputtel auf das Grab der Mutter pflanzt, hilft Aschenputtel in der Not und erfüllt ihre Wünsche. Das Wachstum des Haselstrauchs symbolisiert auch die nach der Trauerzeit um den Tod der Mutter wieder erwachenden Lebenskräfte.
Wer unter einem Haselstrauch schläft, kann sich leicht mit wohlgesinnten Geistern in Verbindung setzen und soll Zukunftsträume haben. Wünschelrutengänger suchen mit Haselzweigen nach Wasseradern, Quellen und Edelmetallen. Auch Grenzmarkierungen wurden früher mit Haselsträuchern gesetzt, um vor schlechten Energien zu schützen. Die chinesischen Feng Shui-Meister spürten mit Zweigen vom Haselstrauch die „Drachenlinien“ im Erdinnern auf. Die alten Schamanen in Europa machten bis ins Mittelalter mit Zweigen vom Haselstrauch Regen.
Der Schaft von Thors Hammer und Odins/Wotans Zauberstab waren aus Holz vom Haselstrauch.
Im Vergleich zur Birke, die für die Jungfräulichkeit steht, ist der Haselstrauch wegen seiner beliebten Früchte aber auch ein Symbol der Fruchtbarkeit, der Mutterschaft und der Lust. Kinderlose hängen sich (in ländlichen Regionen oft bis heute) einen Haselzweig übers Bett. Viele süddeutsche Ausdrücke zur Sexualität greifen ebenfalls das Bild vom Haselstrauch auf. Vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein galt der Haselstrauch als Baum der Verführung und der Wollust; leichten Mädchen gab man als Maienzweig eine Rute vom Haselstrauch und man ging auch mit ihnen "in die Haseln" (Storl, Hexenmedizin, S.13).
Zu Asche verbrannte Rinde vom Haselstrauch wurde früher als Aphrodisiakum dem/der Begehrten unter das Essen gemischt. Hildegard von Bingen betrachtet den Haselstrauch ebenfalls als Sinnbild der Wollust, allenfalls gut, den Mann von Impotenz zu kurieren.
Die Kelten betteten ihre Toten auf Zweige vom Haselstrauch; Kindern, die am Totenfest im November oder zum Nikolaustag von Haus zu Haus gehen, schenkt man bis heute Äpfel und Nüsse – die Samen des Lebens, die über den harten Winter hinweghelfen. Im alten Rom warf der Bräutigam als Fruchtbarkeitssymbol Nüsse vom Haselstrauch in die Menge.
Der Haselwurm
Der Haselwurm, eine weiße, halb menschliche Schlangengöttin mit einer goldenen Krone, die wie ein Kind weinen konnte, hauste im Wurzelwerk unter einem Haselstrauch, an dem eine Mistel schmarotzte. Das Fleisch des Haselwurms soll Macht über Geister und Schätze verleihen, nach manchen Quellen auch unsterblich und unwiderstehlich machen; Paracelsus behauptete, er habe auf diese Weise sein Wissen über Heilkräuter erworben. Eine Salzburger Sage zeigt Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim) sogar als Mörder.
Allerdings muss man die Beschwörungsformeln kennen und den Schlangenwurm, der im Mittelalter auch Paradeiswurm genannt wurde, weil man ihn mit der Schlange vom Baum der Erkenntnis gleichsetzte, dann bei Neumond mit Beifuß – auch eine Schamanenpflanze – bestreuen. Nach anderen Quellen müssen Haselstrauch und Wurm auch gebührend begrüßt werden.
Noch 1951 soll in der Nähe von Bozen/Südtirol ein Haselwurm unter einem Haselstrauch gesichtet worden sein; in Südtirol sind Erzählungen vom Haselwurm noch lebendig.
Storl vermutet, die Schlange sei ein in langer und tiefer Meditation erscheinendes Bild "des archaischen Hirnstamms samt limbischem System (gekrönter Schlangenkopf)" (Hexenmedizin, S. 14), da dort Instinkte und Ahnungen angesiedelt sind. Der Haselstrauch soll das Erwachen eines intuitiven Bewusstseinszustandes fördern.
Siehe auch
Literatur
- Claudia Müller-Ebeling, Christian Rätsch, Wolf-Dieter Storl, Hexenmedizin - Die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst, schamanische Traditionen in Europa, 9. Aufl., Dezember 2011, At Verlag
- Thomas Kinkele, Räucherstoffe und Räucherrituale
- Maria Treben, Gesundheit aus der Apotheke Gottes, Ratschläge und Erfahrungen mit Heilkräutern, 93. Aufl. 2014., August 2014, Ennsthaler
- Mannfried Pahlow, Heilpflanzen - selber sammeln und anwenden, GU Kompass, ISBN 3-7742-4244-5
- Dieter Podlech, Heilpflanzen, Die wichtigen Heilpflanzen Europas kennenlernen und bestimmen. Mit Tips für die Anwendung zu Hause, 2. Aufl., Gräfe & Unzer
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