Holunder
Der Holunder (Sambucus), der im Alpenraum und im süddeutschen Raum oft als Holler, Hollerbusch oder Holder (schwäb.) bezeichnet wird, zählt zur Familie der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae). Der Holunder ist ein sommergrünes Strauchgewächs, kann aber die Größe eines kleineren Baums erreichen. Es gibt etwa zehn Arten von Holunder, die in gemäßigten Klimazonen, aber auch in höheren Lagen der Suptropen/Tropen zu finden sind. In Mitteleuropa wachsen der Schwarze Holunder, der Rote Holunder und der Zwerg-Holunder.
Der schwarze Holunder (Sambucus nigra) ist als Heilpflanze beliebt bei Fieber, Erkältungen und zur Vorbeugung. Die Blüten des Holunders werden als Tee aufgegossen, die Beeren zu Saft, Gelee und Marmelade verarbeitet. Die Beeren sind in ungekochtem Zustand allerdings giftig; sie enthalten Sambunigrin, eine Substanz, die zu starkem Brechreiz und Verdauungsstörungen führt. Die Beeren müssen daher erst über 80 Grad Celsius erhitzt werden, wodurch das Sambunigrin zerfällt.
In Mythologie und Märchen spielt der Holunder eine große Rolle und bekam als Elder Wand, als Zauberstab aus Holunder, folgerichtig auch einen Part in den "Deathly Hallows" von J.K. Rowlings Harry Potter.
Frau Holle läßt grüßen
Der Name des Holunders, des Hollerbuschs, ist eng mit dem der Frau Holle (auch Holda, Hold, Holl, Hulle, Hulda, Frau Bercht, Frau Percht, in englischen Mythen Hella, skandinavisch Huldra, altnordisch Hlodyn als Beiname der Erde und Mutter von Thor usw.) verwoben, der er geweiht ist. Frau Holle, oft als eine weise alte Frau mit langen Zähnen beschrieben, manchmal auch als Jungfrau, geht auf einen noch älteren Mythos zurück, der die Große Göttin, die Mutter Erde, die weibliche Kraft in all ihren unterschiedlichen Aspekten symbolisiert. Sie hieß auch Mutter Elder, Mutter Holunder. Ihr Reich war das unterirdische Lichtreich der toten Seelen und der ungeborenen Seelen. Ih ihrem Kessel rührte sie kräftig, bevor sie die Seelen wieder als Kinder auf die Welt ließ. Sie hat also auch die wandelnde Kraft einer indischen Kali oder Durga und repräsentiert auch die wilde, unberührte Natur mit ihren wilden Tieren (Diana). Als solche erscheint sie auch als Herrin der Unterwelt und der "Hexen" (Schamaninnen, Heilerinnen) und Geister (Hekate) und als Wettergöttin.
Im Grimmschen Märchen von der Frau Holle wird ein Mädchen von seiner Stiefmutter (die für die mittelalterliche "Frau Welt", die materielle Welt, die Schlechtigkeit der Welt im Gegensatz zum Göttlichen, steht) gezwungen, ihrer Spindel, die in den Brunnen gefallen ist, hinterdrein zu springen.
Damit tritt das Mädchen durch den Brunnen, den schamanischen Tunnel, eine schamanische Reise an und landet über den Wolken, in der oberen Welt oder keltischen Anderswelt. Hier wird sie sogleich auf Charakterstärke und Hilfsbereitschaft (verbrennendes Brot, reife Äpfel) geprüft, dient dann der Frau Holle (der spirituellen Welt) und erhält für ihre Güte, ihre Beständigkeit und ihren Fleiß schließlich den "goldenen" Lohn (auch die Erleuchtung?), mit dem sich auch ihr Name von der Marie zur Goldmarie wandelt.
Frau "Holda" ist auch die Schutzgöttin der Landwirtschaft und die Schutzgöttin weiblicher Handwerkskünste, insbesondere des Spinnens und Webens (die Goldmarie im Märchen von der Frau Holle hat ihre Spindel beim Spinnen verloren, bevor sie in den Brunnen springt). Spinnen und Weben waren magische Tätigkeiten und durften meist nur von weiblichen Gottheiten ausgeübt werden. Auch die Nornen sponnen den Faden der menschlichen Existenz; die wirkende weibliche Kraft hat hier auch ein Shakti-Gesicht.
In den Holunder, den Hollerbusch, bannte der Schamane die Krankheiten, die am Wurzelwerk entlang in den Kessel der Frau Holle rutschten und dort zerkocht wurden (siehe Video von Wolf-Dieter Storl). Der Holunder zieht alle schlechten und giftigen Energien an; er befreit die Menschen von ihren Leiden. Lappen, die auf eitrigen Wunden und Beulen gelegen hatten, wurden direkt in den Holunder gebunden. Nach Storl schützten sich englische Leichenbestatter vor unguten Geistern der Toten mit einem Stab aus Holunder.
Schmalz, das mit gebackenen Beeren vom schwarzen Holunder in Berührung kam, wurde als Heilsalbe verwendet. Der Tee aus Blüten vom Holunder fand Verwendung bei Fieber, Rheuma, Masern und Scharlach; die geschabte Rinde war ein Brech- und Abführmittel; sie löste, wenn sie nach oben geschabt war, Erbrechen aus, und wenn nach unten geschabt, Durchfall.
In J.K. Rowlings "Harry Potter - Deathly Hallows" ist Dumbledores Zauberstab aus Holunder, der "Elder Wand", eines der magischen Objekte, die gegen Ende der Erzählung von Harry und Voldemort gejagt werden. Im folgenden Videoausschnitt überlegen Voldemort und Snape, wem dieser Zauberstab aus Holunder ergeben sein und gehorchen wird.
Der Holunder, Zugang von Zwergen, Kobolden und anderen Geistern zum Reich der Frau Holle, Grenze zwischen Mittelwelt und Unterwelt, wurde verehrt und mit Tanz gefeiert; Wolf-Dieter Storl berichtet im obigen Video, dass die Bauern vor dem Holunder den Hut zogen. Auch Speise- und Trankopfer brachte man dem Holunder dar.
Der Holunder durfte nicht geschnitten oder verbrannt werden; er galt als Baum des Lebens und als Schutz gegen alles Üble, auch vor den Bissen von Schlangen und Ungeziefer; wer den Holunder antastete, auf den gingen die vom Holunder aufgesogenen schlechten Energien über und das brachte nach Volksglauben Unglück.
Der Holunder mag die Nähe des Menschen; es heißt, dass, wenn ein Mensch, der einen Holunder auf seinem Grund und Boden hat, fortzieht, der Holunder bald abstirbt (Storl, Hexenmedizin, S. 54).
Nach schwedischem Mythos sieht, wer sich im Mittsommer zur Dämmerung unter dem Holunder niederläßt, den Elfenkönig samt Hofstaat vorüberziehen.
Der Holunder als Heilpflanze
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der Holunder tatsächlich sehr effektiv gegen Grippe und Erkältungen hilft und ihnen auch vorbeugt.
Die Beeren vom Holunder sind, wie schon in der Einleitung erwähnt, giftig, und müssen auf über 80°C erhitzt werden, um das giftige Sambunigrin unschädlich zu machen, das zu starkem Erbrechen und Durchfall führen kann. Die Früchte vom Holunder enthalten viel Vitamin C, Glukoside, Flavonoide, ätherische Öle und Antioxidantien, die vor freien Radikalen schützen.
Heute wird vor allem Tee aus Holunderblüten genutzt; nach Pahlow (Heilpflanzen, S. 26) werden bei Fieber, Grippe und Erkältungen 3 TL Blüten mit 1/4 l kochendem Wasser übergossen; dann lässt man den Tee 10 Minuten ziehen und seiht ab.
Zur Vorbeugung von Erkältungen reichen 1 1/2 TL Holunder (Blüten) aus.
Der Saft der (gekochten, erhitzten!) Beeren soll auch bei Rheuma helfen; Pahlow empfiehlt 3 EL 2-3-mal täglich.
Die ätherischen Öle wirken schweißtreibend, sollen auch Schmerz lindern, Entzündungen hemmen und Schleim lösen.
Siehe auch
Literatur
- Claudia Müller-Ebeling, Christian Rätsch, Wolf-Dieter Storl, Hexenmedizin - Die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst, schamanische Traditionen in Europa, 9. Aufl., Dezember 2011, At Verlag
- Thomas Kinkele, Räucherstoffe und Räucherrituale
- Maria Treben, Gesundheit aus der Apotheke Gottes, Ratschläge und Erfahrungen mit Heilkräutern, 93. Aufl. 2014., August 2014, Ennsthaler
- Mannfried Pahlow, Heilpflanzen - selber sammeln und anwenden, GU Kompass, ISBN 3-7742-4244-5
- Dieter Podlech, Heilpflanzen, Die wichtigen Heilpflanzen Europas kennenlernen und bestimmen. Mit Tips für die Anwendung zu Hause, 2. Aufl., Gräfe & Unzer
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