Unmani: Unterschied zwischen den Versionen

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Samadhi, [[Manonmani]] und Unmani Avastha - HYP IV 50-64
== Samadhi, Manonmani und Unmani Avastha ==
''- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -''
 
'''Kommentar zum 4. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika ab Vers 51'''
 
Das vierte Kapitel der Hatha Yoga Pradipika ist ein Kapitel, wo Svatmarama relativ umfangreich über Samadhi spricht, und er spricht immer wieder davon, immer wieder von anderer Warte aus. Die Verse gleichen sich zum Teil. Er spricht davon, um uns den Mund wässrig zu machen, dass wir Sehnsucht haben, diesen höchsten Zustand zu erreichen.
 
== Ankommen in Brahmarandhra ==
 
Swatmarama schreibt im 51. Vers:
 
''Wird der Atem von außen eingestellt, wird auch der Atem im Innern des Körpers absorbiert, daran besteht kein Zweifel.
Danach wird das Prana mit dem Geist in Brahmarandhra beständig.''
 
Luft strömt in den Körper hinein, Luft strömt hinaus. Wenn wir aber aufhören, dass dieser Atem ein- und ausströmt und ihn innerlich halten und äußerlich halten, eine Ruhe haben, dann wird auch der Geist ruhig.
 
Im Normalfall atmen wir ein und aus. Und so gibt es den äußeren Atem, wir atmen nach außen, und den inneren Atem, wir atmen nach innen. Man könnte auch sagen, es gibt den inneren Atem, wo das Prana in die ganzen Körperfunktionen hineinströmt, und es gibt den äußeren Atem, d.h. wie nehmen Luft ein und aus.
 
So ähnlich gibt es die innere und die äußere Atmung, da sprechen auch die westlichen Physiologen von. Wir können auch Prana aufnehmen und wieder abgeben, innerlich. Aber all diese sollen zur Ruhe kommen in der tiefen Meditation. Wenn also die Bewegung von Prana zur Ruhe kommt, dann geht alles in die Sushumna, d.h. in die feinstoffliche Wirbelsäule. Dann geht auch der Geist in die Absorption. Und dann entsteht Sthira, die Unbeweglichkeit und die Beständigkeit sowohl des Pranas als auch des Geistes.
 
Es gilt also den Atem zur Ruhe zu bringen, es gilt den Fluss des Pranas zur Ruhe zu bringen ‒ dann kommen wir zur Ruhe des Geistes und zur Ruhe des Pranas.
 
=== Das Prana und den Geist zur Ruhe bringen ===
 
'''52. Vers:'''
 
''Auf diese Weise, indem man Tag und Nacht übt, wird Prana unter Kontrolle gebracht. Steigert man diese Übung, wird der Geist ruhig und unbeweglich.''
 
Es gilt also Abhyasa, immer wieder üben. Und was gilt es zu üben? Wir wollen Vayu, den Wind, und damit das Prana auf dem Weg zur Ruhe bringen. Wir wollen abhyasaj jiryate, regelmäßig üben, damit sich das auflöst. Und wir wollen es Tag und Nacht üben. Dann wird auch der Geist zur Ruhe kommen. Es gilt also, immer wieder zu üben.
 
Im Normalfall übst du Asana, Pranayama, Meditation ein- oder zweimal am Tag für 1-2 Stunden. Aber es gibt Phasen, in denen du deine Praxis erhöhst. Und das ist auch etwas Wichtiges: Nimm dir jedes Jahr 1 oder 2 Wochen für intensive Praxis.
Natürlich sind Ausbildungen wichtig, Weiterbildungen sind wichtig, viel zu lernen ist wichtig. Menschen kennenlernen, Länder kennenlernen ist wichtig. Wohnung renovieren ist auch wichtig.
 
=== Fallen des Geistes ===
 
''Sehr viel wichtiger ist aber intensive Praxis. Lass kein Jahr verstreichen, ohne dass du nicht mindestens ein oder zwei Wochen intensiv praktiziert hast.''
 
Und in der Zeit rege dich nicht auf, ob das Wetter gut ist, ob das Essen gut ist, ob Menschen freundlich zu dir sind oder nicht. Das sind alles Fallen des Geistes. Schaffe die Bedingungen so ideal wie möglich ‒ und dann übe Tag und Nacht. Gut, du wirst auch mal schlafen müssen, aber praktiziere intensiv!
 
Kooperiere nicht mit dem Geist, der, wenn du in den Ashram fährst, plötzlich 20 Ideen hat, warum ausgerechnet jetzt die Praxis nicht so gut geht. Vielleicht hast du Rückenprobleme, vielleicht ist der Yogalehrer nicht so, wie du es gerne hättest, vielleicht ist es zu kalt, zu warm, zu viele, zu wenige Menschen, zu rücksichtslose Menschen oder zu was-auch-immer. Geist lässt sich tausend Ausreden einfallen. Kooperiere mit keiner. Praktiziere intensiv, um Prana zur Ruhe zu bringen ‒ dann bringst du den Geist zur Ruhe und dann erfährst du höchste Bewusstseinsebenen.
 
=== Amrita ‒ der Nektar der Gnade ===
 
'''53. Vers:'''
 
Man sollte den Körper von Kopf bis Fuß mit dem Nektarstrom des Mondes füllen. Man wird dann mit einem ausgezeichneten Körper, großer Stärke und Mut ausgestattet.
 
Man fülle, plavayet, man überschwemme den Körper, deha, mit Amrita, mit großem Nektar, und zwar von den Fußsohlen bis zum Kopf. Dann erreichst du, sidhyati, einen mahakaya, einen großartigen Körper, mahabala, eine großartige Kraft, und mahagraha, außergewöhnliche Kühnheit und Tapferkeit.
 
Der Vers fällt jetzt etwas aus dem Rahmen. Vorher hat er gesagt, du kommst jenseits von Körper, du kommst jenseits von Psyche, du kommst in einer Unbedingtheit. Aber Svatmarama kennt letztlich den Menschen. Menschen fragen: Und was hab ich davon? Und so sagt er: ja, einen großartigen Körper, großartige Kräfte, sowohl körperlich wie auch psychisch.
 
Gerade im Khechari Mudra spürst du also irgendwann, wie Nektar, Gnade, Segen strömen. Den kannst du als Amrita bezeichnen oder auch als Soma. Dieser Nektar ist wie das potenzierte Kapha-Element im Ayurveda, er regeneriert auch alles. Er ist nicht nur gut um Freude zu erfahren, Wonne zu erfahren, er ist auch etwas Heilendes.
 
=== Kundalini führt dich zum höchsten Zustand ===
 
'''54. Vers:'''
 
''Indem man den Geist in die Shakti, die Kundalini, legt und die Shakti mittels Meditation in den Geist, vereinigt man sie und Shakti erregend lenkt man den Blick mit dem Antakarana auf den Geist und erreicht den höchsten Zustand, das Ziel von Dhyana.''
 
Du bringst also deinen Geist zur Kundalini, also zur Shakti. Auf diese Weise lässt du dann deinen Geist von der Kundalini führen. Das sind so diese zwei Schritte.
 
Oder eigentlich sind es mehrere Schritte: Erst übst du viel Asana, Pranayama und Mudras. Dann bringst du das Prana in die Sushumna. Dann spürst du deine Shakti vielleicht in der untersten Wirbelsäule. Dann bringe deinen Geist dort hinein. Und wenn du deinen Geist zur Kundalini bringst, dann wird deine Kundalini noch stärker werden, sie wird pulsieren und vibrieren.
 
Jetzt lasse deinen Geist durch die Kundalini führen. Dann bringst du deinen Geist selbst nach oben in die höheren Chakras. Du bringst den Blick nach oben, sagt Svatmarama hier, und du bringst dein Manas nach oben ‒ und dann kommt die Kundalini noch weiter.
 
Also noch mal die Schritte: Du übst Asana und Pranayama, du bringst das Prana in die Sushumna, du spürst die Kundalini, du bringst deinen Geist zu dieser Kundalini hin, dann wird die Kundalini stärker und heftiger, und dann lässt du die Kundalini deinen Geist führen. Wenn du merkst, dass die Kundlini nach oben führt, richte jetzt deinen Geist zum Ajna und Sahasrara Chakra. So strömt die Kundalini noch weiter nach oben und so kommst du zu paramam pada, zum höchsten Bewusstseinszustand ‒ zum höchsten Zustand, der jenseits von allem ist. So meditiere über den Höchsten, so erfährst du den höchsten Zustand.
 
=== Ausdehnung in den unendlichen Raum ===
 
'''55. Vers:'''
 
''Platziere Atma in Akasha und Akasha in die Mitte Atmans. Indem man alles in die Form von Akasha bringt, sollte man an nichts anderes denken.''
 
Akasha heißt Raum, Atman ist das Selbst. Brahman ist wie Akasha, Brahman ist unendlich. Und so ist das eine Meditationstechnik, die man dann auch nutzen kann. Wenn wir vorher sagen, wir bringen den Blick nach oben und kommen zu Dharana, zu Dhyana, lösen wir jetzt alle konkrete Konzentration auf und bringen den Geist in die Unendlichkeit. Sei dir bewusst, in dieser Unendlichkeit, dort ist Atman ‒ das unendliche Selbst.
 
Und so sei dir bewusst: Alles, was im unendlichen Raum ist, ist in dir. Und du selbst bist im unendlichen Raum. Das Unendliche, der ganze Raum bist du. Und du bist dieses Unendliche.
 
Wir haben ja bei Yoga Vidya auch die Ausdehnungsmeditation. Das ist letztlich eine Meditation, die diesen Vers ausdrückt. Du dehnst deine Bewusstheit schrittweise immer weiter aus. Indem du deine Bewusstheit immer weiter ausdehnst, erfährst du dich, als Unendliches. Das ist ein wichtiger Schritt dieser Khechari Mudra Meditation, die Svatmarama beschreibt. Aber es kann auch etwas sein, was du unabhängig davon übst.
 
=== Ein Yogi ist zugleich im und außerhalb des Körpers ===
 
'''56. Vers:'''
 
''Der Yogi ist innen und außen leer wie ein Topf im unendlichen Raum. Er ist auch vergleichbar mit einem Topf im Ozean: innen und außen voll.''
 
Letztlich ist der Körper wie ein Krug. So wie bei einem Krug im Ozean Wasser im Inneren und im Äußeren ist, so bist du im Körper und du bist außerhalb des Körpers. Du bist nicht beschränkt auf den Körper. Du bist im Körper und du bist außerhalb des Körpers.
 
Ein Yogi ist in der Lage, seinen Körper zu spüren, auch seinen individuellen Geist zu spüren, seine Aufgaben zu erledigen. Er kann aber jederzeit sein Bewusstsein ausdehnen und sich erfahren als das Selbst von allen Wesen, als unendlich im Raum.
 
=== Alle Gedanken aufgeben ===
 
'''57. Vers:'''
 
''Man sollte in der äußeren Natur an nichts denken. Auch persönliche Gedanken sollten aufgegeben werden. Überhaupt sollten sämtliche Gedanken, subjektiver und objektiver Natur, aufgegeben werden.''
 
Das halte ich für eine besonders schöne Übersetzung. Es gibt auch noch eine einfachere: Man sollte weder innerhalb noch außerhalb der Welt sein und soll alles Sinnen und Trachten lassen. Stattdessen sollte er an nichts denken.
 
Aber die Übersetzung bei Swami Vishnu ist etwas korrekter: na, nicht sollte man denken an, kartavya cintana, an bahya, an äußere Dinge. Und genauso, tatha, sollte man auch nicht denken an innere Dinge, an Antara. Und insgesamt sollte man parityajya, aufgeben, cintayet, das Denken an irgendetwas.
 
In der Meditation sollte man also zum einen nicht an Äußeres denken: Was habe ich zu tun? Was denkt der andere über mich? Was ist dort? Was soll das bedeuten? Und warum hustet mein Nachbar? usw.
 
Man sollte auch nicht an Inneres denken: Was hat jetzt das lila Licht in meiner Stirn zu tun? Warum spüre ich jetzt in der rechten Hälfte der Brust etwas? Was macht mein linkes Knie? Und warum ist mein Geist gerade unruhig? Letztlich sollte man an gar nichts denken.
 
Das kannst du dir auch manchmal, in höheren Stufen der Meditation sagen. Was immer dich in die Meditation geführt hat, nachher musst du deinen Geist auch davon lösen. Irgendwann musst du von allen Gedanken loskommen ‒ und dann bist du im echten Samadhi.
 
== Die ganze Welt ist nur Schöpfung des Denkens ==
 
Im 58. Vers wird es sogar etwas philosophisch. Svatmarama zitiert einen Vers aus dem Yoga Vasishtha:
 
''Diese ganze Welt und alle Pläne des Geistes sind nur Schöpfung des Denkens. Lege dieses Denken ab und nimm Abschied von allen Vermutungen. So, oh Rama, erlange die Stille.''
 
Hier ist auch der Sanskrit-Text sehr schön:
 
'''sankalpa matra kalanaiva jagat samagram'''
 
Diese äußere Welt, jagat, ist nur, matra, ein Werk, kalana, von sankalpa, von Vorstellungen. Aber auch die innere Welt ist nichts anderes als ein Spiel des Geistes.
 
Sankalpa matra matim, daher utsrija, gib auf, das Spiel des Geistes ‒ und komme zum Zustand von nirvikalpa, jenseits aller Gedanken. Gib dich ganz diesem Zustand jenseits des Geistes hin ‒ und erlange so Frieden, oh Rama.
 
Dieser Vers ist also ein Zitat aus dem Yoga Vasishtha 3.101.39 und hier wird auch Svatmarama sich in den Jnana Yoga begeben. Letztlich wird auch im Yoga Vasishtha über Pranayama geschrieben. Manche sagen auch, Yoga Vasishtha sei die älteste Schrift, die Pranayama beschreibt. Und Svatmarama bezieht einige Schriften mit ein. Er hatte vorher gesagt, oh Parvati, damit hat er eine tantrische Schrift zitiert. Hier zitiert er den Vasishtha im Yoga Vasishtha.
 
Das äußere Universum wird also durch unsere Gedanken geschaffen, und auch das innere Universum. Mach dir das bewusst. Manchmal regst du dich über irgendwas Äußeres auf. Aber es ist deine eigene Welt, die all das schafft.
 
Und auch die innere Welt ‒ wenn du so denkst, was noch alles zu tun ist oder wie gut oder wie schlecht es ist, dein Selbstbild ‒ all das ist auch geschaffen durch deine Sankalpas, durch deine Gedanken.
 
Aber es gibt etwas, das jenseits von allem Wandelbaren ist. Dort gilt es hinzukommen, das gilt es zu erreichen und darum sollte man sich bemühen.
 
=== Auflösen des Geistes in Atman ===
 
'''59. Vers:'''
 
''Der Geist wird, wenn er auf Atman konzentriert ist, eins mit diesem, wie Kampfer mit der Flamme und Salz mit dem Wasser des Ozeans eins werden.''
 
Svatmarama sagt hier, der Geist kann mit Atman verschmelzen. Letztlich gibt es keinen Geist ohne Atman. Wenn kein Bewusstsein da ist, gibt es auch kein Denken. Das Denken braucht Atman. Atman kann ohne Denken existieren. Du kannst reine Bewusstheit sein ohne Gedanken. Aber Gedanken können nicht ohne Atman sein.
 
Du kannst also deinen Geist in Atman absorbieren, im höchsten Selbst, so ähnlich wie Kampfer sich mit der Flamme verschmilzt und auflöst und so ähnlich wie Salz und Wasser im Ozean eins werden. Salz kommt letztlich aus dem Ozean und löst sich auf im Ozean.
 
So ähnlich kommen Geist, Gedanken und Emotionen aus dem Selbst und werden wieder eins mit dem Selbst.
 
=== Über die Dualität hinausgehen ===
 
'''60. Vers:'''
 
''Alles, was gesehen und erfahren wird, wird das Wissen genannt. Und die Fähigkeit des Wissens wird als Geist bezeichnet.
Wenn Wissen und Kenntnisse verloren gehen, besteht keine Dualität mehr.''
 
Das ist ein etwas komplexerer Vers, der aber in der Bedeutung ganz einfach ist. Zunächst gibt es Erfahrbares. Jneya ist das, was erfahren, gewusst werden kann. Svatmarama sagt: jneyam sarvam, alles, was erfahren wird, pratita, wird bewusst.
Wir sehen, wir erfahren also etwas, wir kennen es. Und all das führt zu jnana, zu einer gewissen äußeren Erkenntnis. Und dieses Kennen, wenn wir Äußeres wahrnehmen und dann zu einem inneren Wissen kommen, das ist alles manas, das ist alles Geist.
 
Wenn man jetzt aber diesen Prozess des Erfahrens und auch des Erkennens zur Ruhe bringt, dann bleibt nichts mehr übrig. Man wird dann über die Dualität hinauskommen. Es bleibt also keine Dualität übrig. Nanyah pantha dvitiyakah: ‚Es bleibt nicht ein anderer Weg der Dualität übrig‘.
 
Solange du also etwas wahrnimmst und darüber nachdenkst und dann zu Vorstellungen kommst, ist das der Geist. Wenn es dir aber gelingt, entweder nichts mehr wahrzunehmen oder auf  das Wahrgenommene nicht mehr nachzudenken, bist du jenseits der Dualität.
 
Wenn du willst, kannst du daraus eine Übung machen: Du könntest zwischendurch mal probieren, wahrzunehmen ohne Worte zu formulieren. Ohne zu überlegen, nachzudenken oder in dir zu sprechen.
So überwindest du eine gewisse Form der Dualität. Und schließlich in Samadhi ist es natürlich so, keine Gedanken, keine Worte, keine Bilder, kein Nachdenken, auch kein äußeres Erkennen. Es gibt einfach nur reine Bewusstheit, weit wie der Raum.
 
=== Unmani Avastha, jenseits aller Dualität ===
 
'''61. Vers:'''
 
''Der Geist nimmt lebende und nicht lebende Dinge des Universums wahr. Verliert sich der Geist im Unmani Avastha, besteht keine Dualität mehr.''
 
Es gibt Drishya, das wahrnehmbare Universum, und es gibt auch das Bewegliche, Sa Chara, und es gibt Achara, die unbeweglichen Dinge. Sa Chara kann man auch bezeichnen als Lebewesen, die sich aus sich selbst heraus bewegen, Achara sind die Dinge, die sich nicht aus sich selbst bewegen. Es gibt also durch den Geist das wahrnehmbare Objekt und die ganze Welt mit all ihren Objekten.
 
Es ist aber möglich, in einen Zustand zu kommen, Bhava, der jenseits des Geistes ist, Unmani. Und dann gibt es keine Dvaita mehr, dann gibt es keine Dualität, keine Zweiheit mehr.
 
So gilt es also, in den Unmani-Zustand zu gehen. Und dort bist  du jenseits von aller Dualität.
 
=== Kaivalya ‒ absolute Freiheit ===
 
'''62. Vers:'''
 
''Wenn alle Vorstellungsobjekte aufgegeben werden, wird der Geist dem Wesen nach zu Satchidananda. Wird der Geist in diese Form gebracht, bleibt Kaivalya ‒ Befreiung und Absolutheit ‒ bestehen.''
 
Der Yogi wird vom Wesen her zum nondualistischen Atman.
 
Jneya, die erfahrbaren, vastu, Dinge, werden aufgelöst, man gibt sie auf, parityaga, und das führt dann zur Auflösung des Geistes. Wenn diese Auflösung des Geistes geschehen  ist, dann entsteht Kaivalya: absolute Freiheit.
So ähnlich wie auch Patanjali im Yoga Sutra sagt, yogash chitta vritti nirodhah, Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist, tada drashtuh svarupe vasthanam, dann ruht der Sehende in seinem wahren Wesen ‒ das ist also die gleiche Aussage.
 
=== Methoden um zu Samadhi zu kommen ===
 
'''63. Vers:'''
 
''Die großartigen Menschen, die Acharyas, die großen Lehrer, gewannen vor Zeiten erst selbst Erfahrungen in den verschiedenen Methoden, die zu Samadhi führen. Danach gaben sie diese Erfahrungen weiter.''
 
Es gibt also, eva, in dieser Weise, nana, verschiedene vidha, Arten und Mittel, upaya, die vollständig und zutreffend sind. Diese haben die großen Meister aus ihrer, sva, eigenen, anubhava, Erfahrung bekommen. Sie sind auf diese Weise zur Versenkung gekommen. Und diese marga, diese Wege haben sie weiter gelehrt. Sie sind ganz große mahatmas, große Seelen.
Es gibt also viele Weisen um zu Samadhi zu kommen. Das sagt Svatmarama hier ausdrücklich. Große Meister haben Samadhi selbst erlangt und sie haben Samadhi gelehrt.
 
=== Liebevolle Verehrung und Hingabe ===
 
'''64. Vers:'''
 
''Ich grüße in tiefer Verehrung die Sushumna, die Kundalini und den Nektar, der von Chandra fließt. Dir, oh Manonmani, große Kraft, Energie und intelligenter Lebensgeist, gilt mein Gruß.''
 
Damit drückt Svatmarama auch aus, um zum Höchsten zu kommen ist auch Bhakti wichtig ‒ Hingabe.
 
Und Svatmarama hat viele Hingaben hier: Er sagt, wir verehren die Sushumna, dort wollen wir das Prana hinbringen. Wir verehren die Kundalini, wir wollen sie erwecken. Wir verehren auch den Nektar, den Sudha, der von oben nach unten strömt.
Wir verehren auch Manonmani, das heißt den geistlosen Zustand des Geistes. Wir verehren also auch Samadhi, diesen Zustand, den wir erreichen wollen. Wir verehren natürlich auch die Maha Shakti, die große Energie. Und wir verehren auch Chit, das Bewusstsein an sich, und Atman, das höchste Selbst.
 
Damit wird uns wieder bewusst, Hatha Yoga ‒ und auch Meditation ‒ ist nicht nur etwas Mechanisches, nicht nur ein kaltes Zur-Ruhe-Bringen. Es braucht auch Verehrung, es braucht Liebe. Es braucht Intensität, aber wir wollen uns auch öffnen für Gnade und Segen.
 
=== Video - Samadhi, [[Manonmani]] und Unmani Avastha ===
''- Hatha Yoga Pradipika IV 50-64 -''
 
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Version vom 15. Juni 2019, 16:25 Uhr

Unmani und Unmani Avastha (Sanskrit: उन्मनी unmanī u. उन्मन्यवस्था unmany-avasthā f.) der Zustand (Avastha) "jenseits des Geistes" (Manas). Unmani kann abgeleitet werden von Manas, und damit der zustand, der höher (Ud) als der Geist (Manas) ist. Eine andere Ableitung ist "Edelstein, der ganz oben ist". Mani bedeutet Edelstein. Ud bedeutet oben, erheben, nach oben. So ist Unmani Avastha auch der Bewusstseinszustand, der besonders erhaben ist.

Unmani in der Hatha Yoga Pradipika

Im 3. Vers des 4. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika führt Svatmarama den Begriff Unmani neben Manonmani, Rajayoga, Samadhi und Turya als eines der 16 gebräuchlichsten Synonyme für den "höchsten Zustand" (Param Padam) auf.

Der Unmani genannte Zustand entspricht laut dem Kommentator Brahmananda dem Asamprajnata Samadhi, der höchsten Stufe der Versenkung im Yogasutra Patanjalis, der wiederum mit Kaivalya, dem Zustand der absoluten Freiheit, identisch ist (vgl. Brahmanandas Anmerkung zu Vers 104 des 4. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika).

Die Verse 106 - 113 des 4. Kapitels beschreiben ausführlich den Unmani genannten Zustand (Avastha), der dem lebend-befreiten Zustand (Jivanmukti) entspricht.

Hier ein Vortrag zu Unmani Avastha, Kommentar zu den Versen 41-43 des 2. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika:

Dhyana, Samadhi und Unmani Avastha - Einführung 4. Kapitel Hatha Yoga Pradipika

Samadhi, Manonmani und Unmani Avastha

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Kommentar zum 4. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika ab Vers 51

Das vierte Kapitel der Hatha Yoga Pradipika ist ein Kapitel, wo Svatmarama relativ umfangreich über Samadhi spricht, und er spricht immer wieder davon, immer wieder von anderer Warte aus. Die Verse gleichen sich zum Teil. Er spricht davon, um uns den Mund wässrig zu machen, dass wir Sehnsucht haben, diesen höchsten Zustand zu erreichen.

Ankommen in Brahmarandhra

Swatmarama schreibt im 51. Vers:

Wird der Atem von außen eingestellt, wird auch der Atem im Innern des Körpers absorbiert, daran besteht kein Zweifel. Danach wird das Prana mit dem Geist in Brahmarandhra beständig.

Luft strömt in den Körper hinein, Luft strömt hinaus. Wenn wir aber aufhören, dass dieser Atem ein- und ausströmt und ihn innerlich halten und äußerlich halten, eine Ruhe haben, dann wird auch der Geist ruhig.

Im Normalfall atmen wir ein und aus. Und so gibt es den äußeren Atem, wir atmen nach außen, und den inneren Atem, wir atmen nach innen. Man könnte auch sagen, es gibt den inneren Atem, wo das Prana in die ganzen Körperfunktionen hineinströmt, und es gibt den äußeren Atem, d.h. wie nehmen Luft ein und aus.

So ähnlich gibt es die innere und die äußere Atmung, da sprechen auch die westlichen Physiologen von. Wir können auch Prana aufnehmen und wieder abgeben, innerlich. Aber all diese sollen zur Ruhe kommen in der tiefen Meditation. Wenn also die Bewegung von Prana zur Ruhe kommt, dann geht alles in die Sushumna, d.h. in die feinstoffliche Wirbelsäule. Dann geht auch der Geist in die Absorption. Und dann entsteht Sthira, die Unbeweglichkeit und die Beständigkeit sowohl des Pranas als auch des Geistes.

Es gilt also den Atem zur Ruhe zu bringen, es gilt den Fluss des Pranas zur Ruhe zu bringen ‒ dann kommen wir zur Ruhe des Geistes und zur Ruhe des Pranas.

Das Prana und den Geist zur Ruhe bringen

52. Vers:

Auf diese Weise, indem man Tag und Nacht übt, wird Prana unter Kontrolle gebracht. Steigert man diese Übung, wird der Geist ruhig und unbeweglich.

Es gilt also Abhyasa, immer wieder üben. Und was gilt es zu üben? Wir wollen Vayu, den Wind, und damit das Prana auf dem Weg zur Ruhe bringen. Wir wollen abhyasaj jiryate, regelmäßig üben, damit sich das auflöst. Und wir wollen es Tag und Nacht üben. Dann wird auch der Geist zur Ruhe kommen. Es gilt also, immer wieder zu üben.

Im Normalfall übst du Asana, Pranayama, Meditation ein- oder zweimal am Tag für 1-2 Stunden. Aber es gibt Phasen, in denen du deine Praxis erhöhst. Und das ist auch etwas Wichtiges: Nimm dir jedes Jahr 1 oder 2 Wochen für intensive Praxis. Natürlich sind Ausbildungen wichtig, Weiterbildungen sind wichtig, viel zu lernen ist wichtig. Menschen kennenlernen, Länder kennenlernen ist wichtig. Wohnung renovieren ist auch wichtig.

Fallen des Geistes

Sehr viel wichtiger ist aber intensive Praxis. Lass kein Jahr verstreichen, ohne dass du nicht mindestens ein oder zwei Wochen intensiv praktiziert hast.

Und in der Zeit rege dich nicht auf, ob das Wetter gut ist, ob das Essen gut ist, ob Menschen freundlich zu dir sind oder nicht. Das sind alles Fallen des Geistes. Schaffe die Bedingungen so ideal wie möglich ‒ und dann übe Tag und Nacht. Gut, du wirst auch mal schlafen müssen, aber praktiziere intensiv!

Kooperiere nicht mit dem Geist, der, wenn du in den Ashram fährst, plötzlich 20 Ideen hat, warum ausgerechnet jetzt die Praxis nicht so gut geht. Vielleicht hast du Rückenprobleme, vielleicht ist der Yogalehrer nicht so, wie du es gerne hättest, vielleicht ist es zu kalt, zu warm, zu viele, zu wenige Menschen, zu rücksichtslose Menschen oder zu was-auch-immer. Geist lässt sich tausend Ausreden einfallen. Kooperiere mit keiner. Praktiziere intensiv, um Prana zur Ruhe zu bringen ‒ dann bringst du den Geist zur Ruhe und dann erfährst du höchste Bewusstseinsebenen.

Amrita ‒ der Nektar der Gnade

53. Vers:

Man sollte den Körper von Kopf bis Fuß mit dem Nektarstrom des Mondes füllen. Man wird dann mit einem ausgezeichneten Körper, großer Stärke und Mut ausgestattet.

Man fülle, plavayet, man überschwemme den Körper, deha, mit Amrita, mit großem Nektar, und zwar von den Fußsohlen bis zum Kopf. Dann erreichst du, sidhyati, einen mahakaya, einen großartigen Körper, mahabala, eine großartige Kraft, und mahagraha, außergewöhnliche Kühnheit und Tapferkeit.

Der Vers fällt jetzt etwas aus dem Rahmen. Vorher hat er gesagt, du kommst jenseits von Körper, du kommst jenseits von Psyche, du kommst in einer Unbedingtheit. Aber Svatmarama kennt letztlich den Menschen. Menschen fragen: Und was hab ich davon? Und so sagt er: ja, einen großartigen Körper, großartige Kräfte, sowohl körperlich wie auch psychisch.

Gerade im Khechari Mudra spürst du also irgendwann, wie Nektar, Gnade, Segen strömen. Den kannst du als Amrita bezeichnen oder auch als Soma. Dieser Nektar ist wie das potenzierte Kapha-Element im Ayurveda, er regeneriert auch alles. Er ist nicht nur gut um Freude zu erfahren, Wonne zu erfahren, er ist auch etwas Heilendes.

Kundalini führt dich zum höchsten Zustand

54. Vers:

Indem man den Geist in die Shakti, die Kundalini, legt und die Shakti mittels Meditation in den Geist, vereinigt man sie und Shakti erregend lenkt man den Blick mit dem Antakarana auf den Geist und erreicht den höchsten Zustand, das Ziel von Dhyana.

Du bringst also deinen Geist zur Kundalini, also zur Shakti. Auf diese Weise lässt du dann deinen Geist von der Kundalini führen. Das sind so diese zwei Schritte.

Oder eigentlich sind es mehrere Schritte: Erst übst du viel Asana, Pranayama und Mudras. Dann bringst du das Prana in die Sushumna. Dann spürst du deine Shakti vielleicht in der untersten Wirbelsäule. Dann bringe deinen Geist dort hinein. Und wenn du deinen Geist zur Kundalini bringst, dann wird deine Kundalini noch stärker werden, sie wird pulsieren und vibrieren.

Jetzt lasse deinen Geist durch die Kundalini führen. Dann bringst du deinen Geist selbst nach oben in die höheren Chakras. Du bringst den Blick nach oben, sagt Svatmarama hier, und du bringst dein Manas nach oben ‒ und dann kommt die Kundalini noch weiter.

Also noch mal die Schritte: Du übst Asana und Pranayama, du bringst das Prana in die Sushumna, du spürst die Kundalini, du bringst deinen Geist zu dieser Kundalini hin, dann wird die Kundalini stärker und heftiger, und dann lässt du die Kundalini deinen Geist führen. Wenn du merkst, dass die Kundlini nach oben führt, richte jetzt deinen Geist zum Ajna und Sahasrara Chakra. So strömt die Kundalini noch weiter nach oben und so kommst du zu paramam pada, zum höchsten Bewusstseinszustand ‒ zum höchsten Zustand, der jenseits von allem ist. So meditiere über den Höchsten, so erfährst du den höchsten Zustand.

Ausdehnung in den unendlichen Raum

55. Vers:

Platziere Atma in Akasha und Akasha in die Mitte Atmans. Indem man alles in die Form von Akasha bringt, sollte man an nichts anderes denken.

Akasha heißt Raum, Atman ist das Selbst. Brahman ist wie Akasha, Brahman ist unendlich. Und so ist das eine Meditationstechnik, die man dann auch nutzen kann. Wenn wir vorher sagen, wir bringen den Blick nach oben und kommen zu Dharana, zu Dhyana, lösen wir jetzt alle konkrete Konzentration auf und bringen den Geist in die Unendlichkeit. Sei dir bewusst, in dieser Unendlichkeit, dort ist Atman ‒ das unendliche Selbst.

Und so sei dir bewusst: Alles, was im unendlichen Raum ist, ist in dir. Und du selbst bist im unendlichen Raum. Das Unendliche, der ganze Raum bist du. Und du bist dieses Unendliche.

Wir haben ja bei Yoga Vidya auch die Ausdehnungsmeditation. Das ist letztlich eine Meditation, die diesen Vers ausdrückt. Du dehnst deine Bewusstheit schrittweise immer weiter aus. Indem du deine Bewusstheit immer weiter ausdehnst, erfährst du dich, als Unendliches. Das ist ein wichtiger Schritt dieser Khechari Mudra Meditation, die Svatmarama beschreibt. Aber es kann auch etwas sein, was du unabhängig davon übst.

Ein Yogi ist zugleich im und außerhalb des Körpers

56. Vers:

Der Yogi ist innen und außen leer wie ein Topf im unendlichen Raum. Er ist auch vergleichbar mit einem Topf im Ozean: innen und außen voll.

Letztlich ist der Körper wie ein Krug. So wie bei einem Krug im Ozean Wasser im Inneren und im Äußeren ist, so bist du im Körper und du bist außerhalb des Körpers. Du bist nicht beschränkt auf den Körper. Du bist im Körper und du bist außerhalb des Körpers.

Ein Yogi ist in der Lage, seinen Körper zu spüren, auch seinen individuellen Geist zu spüren, seine Aufgaben zu erledigen. Er kann aber jederzeit sein Bewusstsein ausdehnen und sich erfahren als das Selbst von allen Wesen, als unendlich im Raum.

Alle Gedanken aufgeben

57. Vers:

Man sollte in der äußeren Natur an nichts denken. Auch persönliche Gedanken sollten aufgegeben werden. Überhaupt sollten sämtliche Gedanken, subjektiver und objektiver Natur, aufgegeben werden.

Das halte ich für eine besonders schöne Übersetzung. Es gibt auch noch eine einfachere: Man sollte weder innerhalb noch außerhalb der Welt sein und soll alles Sinnen und Trachten lassen. Stattdessen sollte er an nichts denken.

Aber die Übersetzung bei Swami Vishnu ist etwas korrekter: na, nicht sollte man denken an, kartavya cintana, an bahya, an äußere Dinge. Und genauso, tatha, sollte man auch nicht denken an innere Dinge, an Antara. Und insgesamt sollte man parityajya, aufgeben, cintayet, das Denken an irgendetwas.

In der Meditation sollte man also zum einen nicht an Äußeres denken: Was habe ich zu tun? Was denkt der andere über mich? Was ist dort? Was soll das bedeuten? Und warum hustet mein Nachbar? usw.

Man sollte auch nicht an Inneres denken: Was hat jetzt das lila Licht in meiner Stirn zu tun? Warum spüre ich jetzt in der rechten Hälfte der Brust etwas? Was macht mein linkes Knie? Und warum ist mein Geist gerade unruhig? Letztlich sollte man an gar nichts denken.

Das kannst du dir auch manchmal, in höheren Stufen der Meditation sagen. Was immer dich in die Meditation geführt hat, nachher musst du deinen Geist auch davon lösen. Irgendwann musst du von allen Gedanken loskommen ‒ und dann bist du im echten Samadhi.

Die ganze Welt ist nur Schöpfung des Denkens

Im 58. Vers wird es sogar etwas philosophisch. Svatmarama zitiert einen Vers aus dem Yoga Vasishtha:

Diese ganze Welt und alle Pläne des Geistes sind nur Schöpfung des Denkens. Lege dieses Denken ab und nimm Abschied von allen Vermutungen. So, oh Rama, erlange die Stille.

Hier ist auch der Sanskrit-Text sehr schön:

sankalpa matra kalanaiva jagat samagram

Diese äußere Welt, jagat, ist nur, matra, ein Werk, kalana, von sankalpa, von Vorstellungen. Aber auch die innere Welt ist nichts anderes als ein Spiel des Geistes.

Sankalpa matra matim, daher utsrija, gib auf, das Spiel des Geistes ‒ und komme zum Zustand von nirvikalpa, jenseits aller Gedanken. Gib dich ganz diesem Zustand jenseits des Geistes hin ‒ und erlange so Frieden, oh Rama.

Dieser Vers ist also ein Zitat aus dem Yoga Vasishtha 3.101.39 und hier wird auch Svatmarama sich in den Jnana Yoga begeben. Letztlich wird auch im Yoga Vasishtha über Pranayama geschrieben. Manche sagen auch, Yoga Vasishtha sei die älteste Schrift, die Pranayama beschreibt. Und Svatmarama bezieht einige Schriften mit ein. Er hatte vorher gesagt, oh Parvati, damit hat er eine tantrische Schrift zitiert. Hier zitiert er den Vasishtha im Yoga Vasishtha.

Das äußere Universum wird also durch unsere Gedanken geschaffen, und auch das innere Universum. Mach dir das bewusst. Manchmal regst du dich über irgendwas Äußeres auf. Aber es ist deine eigene Welt, die all das schafft.

Und auch die innere Welt ‒ wenn du so denkst, was noch alles zu tun ist oder wie gut oder wie schlecht es ist, dein Selbstbild ‒ all das ist auch geschaffen durch deine Sankalpas, durch deine Gedanken.

Aber es gibt etwas, das jenseits von allem Wandelbaren ist. Dort gilt es hinzukommen, das gilt es zu erreichen und darum sollte man sich bemühen.

Auflösen des Geistes in Atman

59. Vers:

Der Geist wird, wenn er auf Atman konzentriert ist, eins mit diesem, wie Kampfer mit der Flamme und Salz mit dem Wasser des Ozeans eins werden.

Svatmarama sagt hier, der Geist kann mit Atman verschmelzen. Letztlich gibt es keinen Geist ohne Atman. Wenn kein Bewusstsein da ist, gibt es auch kein Denken. Das Denken braucht Atman. Atman kann ohne Denken existieren. Du kannst reine Bewusstheit sein ohne Gedanken. Aber Gedanken können nicht ohne Atman sein.

Du kannst also deinen Geist in Atman absorbieren, im höchsten Selbst, so ähnlich wie Kampfer sich mit der Flamme verschmilzt und auflöst und so ähnlich wie Salz und Wasser im Ozean eins werden. Salz kommt letztlich aus dem Ozean und löst sich auf im Ozean.

So ähnlich kommen Geist, Gedanken und Emotionen aus dem Selbst und werden wieder eins mit dem Selbst.

Über die Dualität hinausgehen

60. Vers:

Alles, was gesehen und erfahren wird, wird das Wissen genannt. Und die Fähigkeit des Wissens wird als Geist bezeichnet. Wenn Wissen und Kenntnisse verloren gehen, besteht keine Dualität mehr.

Das ist ein etwas komplexerer Vers, der aber in der Bedeutung ganz einfach ist. Zunächst gibt es Erfahrbares. Jneya ist das, was erfahren, gewusst werden kann. Svatmarama sagt: jneyam sarvam, alles, was erfahren wird, pratita, wird bewusst. Wir sehen, wir erfahren also etwas, wir kennen es. Und all das führt zu jnana, zu einer gewissen äußeren Erkenntnis. Und dieses Kennen, wenn wir Äußeres wahrnehmen und dann zu einem inneren Wissen kommen, das ist alles manas, das ist alles Geist.

Wenn man jetzt aber diesen Prozess des Erfahrens und auch des Erkennens zur Ruhe bringt, dann bleibt nichts mehr übrig. Man wird dann über die Dualität hinauskommen. Es bleibt also keine Dualität übrig. Nanyah pantha dvitiyakah: ‚Es bleibt nicht ein anderer Weg der Dualität übrig‘.

Solange du also etwas wahrnimmst und darüber nachdenkst und dann zu Vorstellungen kommst, ist das der Geist. Wenn es dir aber gelingt, entweder nichts mehr wahrzunehmen oder auf das Wahrgenommene nicht mehr nachzudenken, bist du jenseits der Dualität.

Wenn du willst, kannst du daraus eine Übung machen: Du könntest zwischendurch mal probieren, wahrzunehmen ohne Worte zu formulieren. Ohne zu überlegen, nachzudenken oder in dir zu sprechen. So überwindest du eine gewisse Form der Dualität. Und schließlich in Samadhi ist es natürlich so, keine Gedanken, keine Worte, keine Bilder, kein Nachdenken, auch kein äußeres Erkennen. Es gibt einfach nur reine Bewusstheit, weit wie der Raum.

Unmani Avastha, jenseits aller Dualität

61. Vers:

Der Geist nimmt lebende und nicht lebende Dinge des Universums wahr. Verliert sich der Geist im Unmani Avastha, besteht keine Dualität mehr.

Es gibt Drishya, das wahrnehmbare Universum, und es gibt auch das Bewegliche, Sa Chara, und es gibt Achara, die unbeweglichen Dinge. Sa Chara kann man auch bezeichnen als Lebewesen, die sich aus sich selbst heraus bewegen, Achara sind die Dinge, die sich nicht aus sich selbst bewegen. Es gibt also durch den Geist das wahrnehmbare Objekt und die ganze Welt mit all ihren Objekten.

Es ist aber möglich, in einen Zustand zu kommen, Bhava, der jenseits des Geistes ist, Unmani. Und dann gibt es keine Dvaita mehr, dann gibt es keine Dualität, keine Zweiheit mehr.

So gilt es also, in den Unmani-Zustand zu gehen. Und dort bist du jenseits von aller Dualität.

Kaivalya ‒ absolute Freiheit

62. Vers:

Wenn alle Vorstellungsobjekte aufgegeben werden, wird der Geist dem Wesen nach zu Satchidananda. Wird der Geist in diese Form gebracht, bleibt Kaivalya ‒ Befreiung und Absolutheit ‒ bestehen.

Der Yogi wird vom Wesen her zum nondualistischen Atman.

Jneya, die erfahrbaren, vastu, Dinge, werden aufgelöst, man gibt sie auf, parityaga, und das führt dann zur Auflösung des Geistes. Wenn diese Auflösung des Geistes geschehen ist, dann entsteht Kaivalya: absolute Freiheit. So ähnlich wie auch Patanjali im Yoga Sutra sagt, yogash chitta vritti nirodhah, Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist, tada drashtuh svarupe vasthanam, dann ruht der Sehende in seinem wahren Wesen ‒ das ist also die gleiche Aussage.

Methoden um zu Samadhi zu kommen

63. Vers:

Die großartigen Menschen, die Acharyas, die großen Lehrer, gewannen vor Zeiten erst selbst Erfahrungen in den verschiedenen Methoden, die zu Samadhi führen. Danach gaben sie diese Erfahrungen weiter.

Es gibt also, eva, in dieser Weise, nana, verschiedene vidha, Arten und Mittel, upaya, die vollständig und zutreffend sind. Diese haben die großen Meister aus ihrer, sva, eigenen, anubhava, Erfahrung bekommen. Sie sind auf diese Weise zur Versenkung gekommen. Und diese marga, diese Wege haben sie weiter gelehrt. Sie sind ganz große mahatmas, große Seelen. Es gibt also viele Weisen um zu Samadhi zu kommen. Das sagt Svatmarama hier ausdrücklich. Große Meister haben Samadhi selbst erlangt und sie haben Samadhi gelehrt.

Liebevolle Verehrung und Hingabe

64. Vers:

Ich grüße in tiefer Verehrung die Sushumna, die Kundalini und den Nektar, der von Chandra fließt. Dir, oh Manonmani, große Kraft, Energie und intelligenter Lebensgeist, gilt mein Gruß.

Damit drückt Svatmarama auch aus, um zum Höchsten zu kommen ist auch Bhakti wichtig ‒ Hingabe.

Und Svatmarama hat viele Hingaben hier: Er sagt, wir verehren die Sushumna, dort wollen wir das Prana hinbringen. Wir verehren die Kundalini, wir wollen sie erwecken. Wir verehren auch den Nektar, den Sudha, der von oben nach unten strömt. Wir verehren auch Manonmani, das heißt den geistlosen Zustand des Geistes. Wir verehren also auch Samadhi, diesen Zustand, den wir erreichen wollen. Wir verehren natürlich auch die Maha Shakti, die große Energie. Und wir verehren auch Chit, das Bewusstsein an sich, und Atman, das höchste Selbst.

Damit wird uns wieder bewusst, Hatha Yoga ‒ und auch Meditation ‒ ist nicht nur etwas Mechanisches, nicht nur ein kaltes Zur-Ruhe-Bringen. Es braucht auch Verehrung, es braucht Liebe. Es braucht Intensität, aber wir wollen uns auch öffnen für Gnade und Segen.

Video - Samadhi, Manonmani und Unmani Avastha

- Hatha Yoga Pradipika IV 50-64 -

Weblinks

Siehe auch