Selbstliebe
Selbstliebe ist die Liebe zu sich selbst. Selbstliebe ist das das Sichselbstannehmen, Selbstannahme. Selbstliebe ist verbunden mit Selbstachtung, Selbstvertrauen und Selbstwert. Selbstliebe im Vedanta Sinn ist die Liebe zu seinem wahren Selbst, zum Atman. Übertriebene Selbstliebe in unreifer Form kann aber auch Narzistische Liebe sein. Amor Sui, die übertriebene und egoistische Eigenliebe, gilt als eine der Todsünden im Katholizismus.
Christentum und Selbstliebe
Im Christentum, in der Bibel und bei den Kirchenvätern, gibt es ein zwiespältiges Verhältnis zur Selbstliebe.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
Ein Gebot der Bibel ist: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Dieses Gebot der Nächstenliebe kann man auf verschiedene Weisen interpretieren:
- Die Selbstliebe wird vorausgesetzt, der Mensch hat schon die Reife, sich selbst zu lieben. Und jetzt kommt der nächste Schritt, nämlich den Nächsten wie sich selbst zu lieben
- Liebe deinen Nächsten sowie dich selbst: Kultiviere in gleichem Maße die Liebe zu deinen Mitmenschen wie auch zu dir selbst. Eigenliebe, Selbstliebe und Nächstenliebe gehören zusammen
- Liebe deinen Nächsten als dein Selbst: Im Yoga, insbesondere im Vedanta, wird gesagt, dass im Inneren aller Wesen die gleiche Seele, der Atman, ist. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst heißt dann: Du und dein Mitmensch, ihr seid beide Manifestationen der gleichen Seele. Daher liebe deinen Nächsten wie dich selbst, wie dein Selbst, als dein Selbst
Die Selbstliebe als Wurzel allen Übels
Der Kirchenvater Augustinus (354-430) hielt die Selbstliebe („Amor Sui“) für die Wurzel aller Sünden und den Grund allen Übels (z.B. in seinem Werk De Civitate Dei, Vom Gottesstaat 413-26). Auch der Mystiker Meister Eckhardt (1260-1328) hielt die „Eigenminne“ (Eigenliebe, Selbstliebe) wie alles Eigene des menschlichen Willens für etwas Fremdes zu betrachten und empfahl die Selbstliebe zu verneinen, damit sich Gottes Liebe in ihm entfalten kann. Laut Meister Eckhardt ist die Hinwendung zu sich die Hinwendung zur Finsternis (Predigten 6, 1313-22). Thomas von Kempen sagte: „Amor Sui“ bzw. „Amor Privatus“ hält von der Nachfolge Christi ab; frei sein heißt, nichts selbst sein wollen (Thomas von Kempen (1379-1471, „Nachfolge Christi“, 1420). Italienische Franziskaner haben dargelegt, dass der Mensch im Sündenfall den wahren „Ordo Amoris“ („Liebesordnung“) umgekehrt hat, indem er sich in Selbstliebe selber umarmt und an die Stelle des Schöpfers setzt. Um wieder allen Menschen in Liebe verbunden sein zu können, bedarf es der Überwindung des Ichs bzw. des Egos und des Selbsthasses (Iacopone da Todi 1230-1306: De Laude, Nr. XLIII, 9-12).
Die Tradition des Augustinus und der Mystik setzt sich über die Jahrhunderte hinweg fort in der Rede von und der Kritik an „Amor Propio“, „Amor di Sé“, „Propria Carità“ (Dante, 1265-1321), „Amer Soi Meismes“, „Amour Propre“, „Amour de Soi“, „Eygen Lieb“, „Philautia“ (Spinoza, 1632-1677), „Self-Love“ (Francis Bacon, 1561-1626), und wie das sogenannte Gift der Selbstliebe auch immer genannt wird.
Egoismus und Selbstliebe
Selbstliebe kann im christlichen wie auch allgemein im religiösen Kontext positive Bedeutungen haben und auch negative: Als Egoismus ist Selbstliebe nicht so gut. Als Selbstvertrauen und Gottvertrauen und Dankbarkeit ist Selbstliebe eine gute Grundlage für Nächstenliebe und Gottesliebe.
Psychologie und Selbstliebe
In der heutigen Psychologie wird Selbstliebe und Eigenliebe überwiegend positiv gesehen. Selbstliebe und Eigenliebe gehören zusammen mit Selbstvertrauen, Selbstwert, Selbstwertgefühl, Selbstbild zu einer Dimension, welche die Resilienz der Psyche bestimmen. Wer ein gesundes Selbstvertrauen, ein gutes Selbstbild und eine gute Selbstliebe hat, kann auch mit den Wechselfällen des Lebens besser umgehen. Minderwertigkeitsgefühl und mangelndes Selbstvertrauen sowie ein innerer Dialog, der von Selbstzweifeln, Negativität und Beschimpfungen gegen sich selbst geprägt ist, gelten als Vorstufen verschiedener psychischer Erkrankungen.
Es gibt aber auch andere Stellungnahmen. Diesen Text findet man z.B. auf (Quellenangabe folgt)
Das Schreckgespenst von Ichsucht, Selbstsucht, Egoismus, Egozentrik, Ichbezogenheit, Selbstbesessenheit, ja der Ich-Trunkenheit in Lieblosigkeit und Sichversagen, scheint auch noch den Kulturkritiker Sigmund Freud (1856-1939) bewegt zu haben, als er für die kindliche Entwicklung einen „primären Narzissmus“ postulierte, in dem die Liebe zu sich und zu anderen sich konkurrieren würden. „Seelische Gesundheit“ wird zu großen Teilen nach dem Maß der Reifung zur Gemeinschaftstauglichkeit und der gesellschaftlichen Bedürfnisse definiert. „Egoismus“ und „Narzissmus“, vorerst und bis heute durchaus im disqualifizierenden Wortgebrauch, lösen im 20. Jahrhundert das Wort „Selbstliebe“ ab.
Der Colditzer Psychiater, Kriminal-Anthropologe und Rassenhygieniker, Paul Näcke (der 1907 auch Karl Mays Geisteszustand begutachten musste) hat den Begriff „Narzissmus“ („Die sexuellen Perversitäten in der Irrenanstalt“, 1899) als „Selbstverliebtheit“ und „schwerste Form des Autoerotismus“ in die psychologische Literatur eingeführt. Narziss als Symbol der Selbstliebe zu betrachten, war schon ein Einfall des Philosophen Francis Bacon; doch erst das 19. Jahrhundert (vor allem die Epoche der Décadence) stilisierte die Figur des Narziss zum Symbol des Lebensgeizes und des (negativ gesehenen) Egoismus. Für die vorherigen Jahrhunderte war Narziss vor allem ein Beispiel für hoffnungslose Liebe, für ein durch Illusion getäuschtes Opfer.