Meditationsratschläge
Zwanzig Ratschläge für die Meditation
Von Swami Sivananda
1. Nimm dir ein abgesondertes Zimmer zur Meditation, das du verschließen kannst. Laß niemand dieses Zimmer betreten. Zünde dort Weihrauch an. Betritt den Raum erst, wenn du dir deine Füße gewaschen hast.
2. Ziehe dich an einen ruhigen Platz oder in einen stillen Raum zurück, wo du dich ungestört und ruhig fühlst. Da die idealen Bedingungen meist nicht zu erfüllen sind, wähle die bestmöglichen. Du mußt allein sein in deiner Kommunion mit Gott oder Brahman.
3. Stehe um vier Uhr am Morgen auf (Brahmamuhurta) und meditiere von vier bis sechs Uhr. Zum zweiten Mal setz dich abends von sieben bis acht Uhr zur Meditation.
4. Stelle in dem Zimmer das Bild deiner Ishta und fromme Bücher auf, wie die Gita, die Upanischaden usw. Setze dich vor das Bild.
5. Nimm die dir angenehmste Haltung ein. Bewahre Kopf, Hals und Rumpf in senkrechter Linie und neige dich weder nach vorn noch nach hinten.
6. Schließe die Augen und konzentriere dich ohne Krampf auf den Zwischenraum zwischen den Augenbrauen (Trikuta). Halte die Hände gefaltet.
7. Kämpfe niemals gegen die Gedanken und strenge dich in der Konzentration niemals an. Entspanne alle Muskeln und Nerven, auch das Gehirn. Denke ruhig an Ishta, wiederhole langsam das Mantram, das dein Guru dich gelehrt hat, und lege alle Bedeutung und alle Liebe hinein. Stille die Unruhe des Bewusstseins und bringe die Gedanken zum Schweigen.
8. Mache keine gewaltsame Anstrengung, um die Gedanken zu beherrschen. Lass sie sich eine Weile bewegen und ihre Kraft erschöpfen. Zunächst werden sie sich der Gelegenheit freuen und wie ein Affe herumspringen. Nach und nach aber ermüden sie und unterstellen sich deinem Befehl. Dies kann zuerst eine Zeitlang dauern. Bei jedem erneuten Veruch aber wird die Zeit kürzer.
9. Gib deinen Gedanken immer einen festen Halt, in Gestalt des konkreten Bildes der Schutzgottheit und des Mantram, oder - als Jnana-Schüler - in der abstrakten Idee des Unendlichen und der Silbe Om. Dies wird alle weltlichen Gedanken zerstreuen und dich zum Ziel führen. Kraft der Gewohnheit werden die Gedanken sofort Zuflucht in diesem Halt suchen, sobald du dich von der weltlichen Tätigkeit freimachst.
10. Wenn sich die Gedanken von ihrem wirklichen Ziel (Lakshya) abwenden, hole sie immer und immer wieder von den weltlichen Gegenständen zurück und dann führe sie ihrem Ziel zu. Dieser Kampf kann monatelang dauern.
11 . Wenn du über Krishna meditierst, stelle anfänglich ein Bild vor dich hin und betrachte es, ohne mit den Augen zu zwinkern. Zuerst schaue auf seine Füße, dann auf sein Kleid aus gelber Seide. Dann blicke auf den Schmuck um seinen Hals, auf sein Gesicht, auf die Ohrgehänge, die Diamantkrone auf seinem Haupt, auf seine Armbänder. Nun blicke auf Muschelschale, Diskus, Zepter und Lotus. Kehre dann wieder zu seinen Füßen zurück und beginne den Vorgang von neuem. Wiederhole dies eine halbe Stunde lang. Fühlst du dich erschöpft, blicke fest auf sein Gesicht. Übe dies drei Monate lang.
12. Schließe die Augen, erblicke das Bild in innerer Schau, Teil für Teil.
13. Während dieser Meditation kannst du die Eigenschaften Gottes, wie Allmacht, Allwissenheit, Reinheit, Vollkommenheit, miteinbeziehen.
14. Wenn sich böse Gedanken in dein Bewusstsein einschleichen, treibe sie nicht durch Willenskraft aus. Dadurch verlierst du nur deine Energie und erschöpfst dich. Je mehr du dich anstrengst, um so schneller werden die bösen Gedanken mit verdoppelter Kraft zurückkehren und an Macht gewinnen. Blick gleichgültig und ruhig, dann werden sie sich bald auflösen. Oder rufe gute Gedanken (Praitipaksha Bhavana) zu Hilfe. Denke immer und immer wieder mit aller Kraft an das Bild Gottes, an das Mantram oder bete.
15. Lass niemals einen Tag in der Meditation aus. Sei regelmäßig und systematisch. Nimm nur Sattva-Nahrung zu dir. Früchte und Milch werden die geistige Konzentration unterstützen. Gib es auf, Fleisch, Fisch, Eier, Liköre zur dir zu nehmen und zu rauchen.
16. Tauche dein Gesicht in kaltes Wasser, um dich von Müdigkeit zu befreien. Stelle dich fünfzehn Minuten hin und binde dein Haarbüschel mit einem Bindfaden an einem Nagel über dir fest. Sobald du schläfrig wirst, zieht der Bindfaden an deinen Haaren und du wachst auf. Du kannst auch auf einer improvisierten Schaukel zehn Minuten lang hin- und herschaukeIn und in gleichem Rhythmus atmen. Dann nimm die "umgekehrte Stellung" (Shirshasana) oder die Stellung des »Pfauen« (Mayurasana) ein. Durch diese Methoden kannst du die Schläfrigkeit überwinden.
17. Sei vorsichtig bei der Auswahl deiner Umgebung, gehe nicht in Gesellschaften und sprich wenig. Bewahre täglich zwei Stunden lang vollkommenes Schweigen (mauna) . Halte dich von unangenehmen Leuten fern. Lies gute, anregende religiöse Bücher (das ist gute negative Gesellschaft, wenn du schon keine gute positive findest). Suche Gemeinschaft mit Heiligen (satsangha). Dies sind wichtige Hilfen für die Meditation. 18. Bewahre deinen Körper vor Unruhe, damit er fest bleibt wie ein Fels. Berühre ihn nicht dauernd. Atme langsam. Bleibe in der rechten geistigen Haltung, die dein Guru dich lehrte. 19. Ist der Geist müde, konzentriere dich nicht, sondern entspanne ein wenig. 20. Erfüllt eine Idee allein dein Bewußtsein, so gewinnt sie eine tatsächliche, physische oder geistige Form. Wenn du 169 deshalb dein Bewußtsein vollkommen mit Gott und mit ihm allein erfüllst, wirst du sehr schnell den Zustand vollkommener Ekstase (nirvikalpa-samadlti) erlangen.