Studien über vergleichbare Philosophien - Alfred North Whitehead

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Studien über vergleichbare Philosophien - Alfred North Whitehead

Alfred North Whitehead

Alfred North Whitehead nimmt einen Platz in der Geschichte westlicher Philosophien ein, die ihn in seiner Bedeutung mit anderen großen Meistern, wie Plato, Kant und Hegel vergleichbar machen, die der Menschheit ein monumentales System der Gedanken gaben. Whitehead stellt sich das Universum, um es zu verstehen, wie einen Organismus, einen Prozess vor, was zur Folge hat, dass unsere Vorstellungen von den Dingen, den Einheiten und den Substanzen in Raum und Zeit völlig neu bedacht werden müssen. Normalerweise sind wir es gewohnt, dass sich die materiellen Körper an bestimmten Punkten zu einer bestimmten Zeit im Raum befinden, und dass kein anderer Körper diesen Platz zur selben Zeit innehaben kann. Diese Idee, die Whitehead als ‚einfache Positionierung‘ bezeichnet, und die fälschlicherweise die Dinge ohne jeden Bezug zu anderen Bereichen in Raum und Zeit zu erklären versucht, wird durch den allgemeinen Glauben eingeschränkt, dass eine Ursache für eine Wirkung verantwortlich ist, die ihr zeitlich vorausgeht. Whitehead kritisiert, dass der kausale Bezug zwischen zwei Dingen mit ihrer einfachen Positionierung nicht vereinbar ist, denn zwei voneinander getrennte Dinge können keine kausale Beziehung zueinander haben. Kausalität lässt im Allgemeinen darauf schließen, dass die Kenntnis von der Ursache ein Wissen aller Wirkungen in sich trägt. Dieses ist jedoch unmöglich, wenn man an dem Glauben fest hält, dass die Dinge und Ereignisse voneinander getrennt sind. Wenn eine einfache Positionierung eines Ereignisses eine Tatsache ist, dann würde uns selbst eine Schlussfolgerung keinen Aufschluss über die Folgeereignisse geben, denn die Schlussfolgerungen erfordern von dem Ereignis, von dem wir anderes folgern wollen, einen innewohnenden Bezug auf die zu folgernden Ereignisse; doch solch ein Bezug fehlt zwischen den Ereignissen, die voneinander verschieden sind. Wenn alle Ereignisse in Raum und Zeit völlig voneinander getrennt sind, ist auch die Erinnerung an eine Vergangenheit unmöglich. Unsere Erfahrungen lehren uns, den Glauben an die einfache Positionierung der Dinge und Ereignisse aufzugeben. Es gibt keine getrennten Körper oder Ereignisse an verschiedenen Punkten in Raum und Zeit.

Wenn nun die Ereignisse nicht voneinander getrennt werden können, wie können wir zwischen einer Ursache und ihrer Wirkung unterscheiden, - zwischen den Ereignissen, von denen wir folgern? Die Antwort Whitehead’s lautet: Wenn man einen Prozess hinzufügt, der zwischen allen Dingen liegt, bei dem die Dinge zu einem Teil des Prozesses und zu einer Prozessfolge werden, die uns eine Vorstellung von einem Universum als Organismus beziehungsweise eines Systems gibt, wobei jedes Einzelteil jedes andere Teil beeinflusst, und wo jedes Ereignis durch jedes andere durchdrungen wird. Im Universum ist es unmöglich, isolierte Objekte zu finden, die statisch aus sich selbst heraus in Raum und Zeit existieren.

Die Theorie des Organismus setzt eine Lösung für die Problematik der Beziehung zwischen Geist und Materie voraus. Wir möchten glauben, dass Geist und Materie zwei verschiedene Erfahrungen sind, die sich irgendwie gegenseitig beeinflussen. Doch wie kann eine gegenseitige Beeinflussung möglich sein, wo doch beide voneinander getrennt sind? Das Problem kann nur gelöst werden, wenn sich beide, Geist und Materie, über einen Beziehungsprozess gegenseitig beeinflussen. Die Natur fließt in den Geist, fließt dann wieder in veränderter Form heraus und schließlich in das jeweils wahrgenommene Objekt hinein. An dieser Stelle ist keiner von beiden wirklicher als der Andere. Der Wahrnehmende und das wahrgenommene Gebilde bilden einen fortlaufenden Prozess. Die Subjekte und Objekte sind nicht voneinander verschieden. Das wahrgenommene Universum bildet vom Standpunkt seiner betrachtenden Glieder eine Sicht von sich selbst, die durch die Aktivität des Ganzen verändert wird. Es existiert ein fortlaufender Prozess zwischen Geist und Materie.

Auch die substanzielle Beziehung als solches, wie sie im Allgemeinen verstanden wird, hat ihre großen Schwierigkeiten. Wir wissen nichts über die in einer Substanz innewohnenden Qualitäten; wir wissen nicht, ob sie verschieden oder identisch sind. Die allgemeine Sichtweise ist, dass Substanzen ereignislose Dinge sind, die Primärqualitäten besitzen, und denen die Sekundärqualitäten durch den wissenden Geist hinzugegeben werden. Dann verbleibt in der Natur nichts weiter als die Bewegung, die als Licht auf die Netzhaut auftrifft oder die als Klang das Trommelfell berührt. In der klassischen Physik heißt es, dass die Welt lediglich aus elektrischen Ladungen besteht, farblos ist, ohne Klang ist, ohne Schönheit oder Güte ist, wertlos ist und nichts von dem besitzt, was wir eine Welt nennen. Die Welt ist in unseren Köpfen. Was wirklich ist, ist die Elektrizität, die mathematischen Ereignispunkte, Symbole und Formeln. Und was ist mit der Ästhetik, der Ethik und den religiösen Werten? In der Wissenschaft ist nichts dergleichen bekannt. Wir wissen auch, wie uns Locke’s Unterscheidung von den Primär- und Sekundärqualitäten zu den erstaunlichen Schlussfolgerungen bei Berkeley und Hume geführt haben. Whitehead weist darauf hin, dass die klassische Wissenschaft auf Grund der Vorstellung von einer einfachen Positionierung der Dinge ein eintöniges Universum entdeckt hat. Sie stimmte dem Fehler der Abstraktion der Dinge und Ereignisse zu, ohne ihre Beziehungen zueinander und zu anderen mit ihren individuellen Qualitäten, die sie charakterisieren, zu berücksichtigen. Das Gegenmittel liegt in der Akzeptanz eines Universums organischer Beziehungen, in dem alle Tatsachen, Bedeutungen und Werte enthalten sind, ohne sich von Grund auf und in der Erfahrung zu widersprechen, und in dem alles räumlich Andere und vorübergehend Verschiedene in einem System gegenseitiger Beziehung von Dingen und Ereignissen überwunden wird. Raum, Zeit und Ereignisse sind organisch miteinander verbunden, und nichts kann jemals isoliert voneinander existieren.

Whitehead hat von Hegel gelernt, dass alle Dinge und Ereignisse im Inneren miteinander verbunden sind, und dass sie ohne ihr ganzes Umfeld unvollkommen sind, was zu Fehleinschätzungen führt. Die Materie ist eine Gruppe von agitativen Kräften, die ihren Körper auf das ganze Universum ausdehnt und dessen Inhalt ausmacht. Die Konfiguration dieser Kräfte sind als Körper oder Ereignisse bekannt, und ihre Existenz und Natur bestimmt alles. Die Dinge sind grenzenlos, sie existieren wirklich überall, zu jeder Zeit und in jeder Form. Wir können kein Blatt vom Baum pflücken und wissen, was es für ihn bedeutet, oder ein menschliches Körperteil abschneiden und wissen, wie er als sein Organ funktioniert. Die Abtrennung von Ereignissen zu anderen Ereignissen, von Substanzen und ihren Eigenschaften, von Ursachen und ihren Auswirkungen, von Geist und Körper, von Dingen und dem Rest des Universums ist ein Todesstoß für das richtige Wissen. Whitehead propagiert eine Philosophie, die auf die wissenschaftliche Theorie der Beziehungen beruht. Das Ergebnis ist das neue Konzept über den Organismus.

Whitehead’s Universum als Organismus wird durch die Gesetze der ‚inneren Beziehungen‘ gesteuert. Alle Dinge sind in jeder Beziehung alle anderen Dinge, und die eigenen Beziehungen sind nicht von den Dingen trennbar. Wenn wir uns mit Whitehead beschäftigen, müssen wir an dieser Stelle die Wörter ‚Ding‘, ‚Einheit‘ und so weiter aufgeben, denn er hat darauf hingewiesen, dass unsere ‚dinghaften‘ Gedanken mit unseren Vorstellungen der ‚einfachen Positionierung‘ verbunden sind, was er als den ‚Irrtum des falsch platzierten Konkretums‘ bezeichnet. Was wir als Ding ansehen, ist für ihn die Zusammensetzung von agitativen Kräften, eine aktive oder energetische Gruppe, eine Konfiguration eines Prozesses oder einer Bewegung; und er nennt solch ein Prozessglied eine ‚aktuelle Gelegenheit‘. Wir werden jedoch aus Bequemlichkeit diesen Begriff auf die Dinge im Allgemeinen oder auf die Objekte unserer Erfahrungen anwenden. Manchmal bezeichnet Whitehead diese aktuellen Gelegenheiten als ‚Tropfen der Erfahrung‘. Diese auf die Materie der Objekte allgemeiner Wahrnehmungen verliehenen Namen sollen ausdrücken, dass es sich nicht um isolierte Einheiten handelt, sondern um fortlaufende Ereignisse teleologischer Prozesse, wie sie mit allen Dingen im Universum geschehen. Nichts kann vom Prozess abstrahiert oder losgelöst von anderen Gliedern betrachtet werden. Jede aktuelle Gelegenheit schließt alle anderen Situationen ein, und jede einzelne Situation zu kennen bedeutet, das ganze Universum zu kennen. Aktuelle Gelegenheiten sind vorübergehende einzelne Prozessaspekte, Bindeglieder, die wir als Objekte bezeichnen. Ein Objekt ist nichts weiter als eine aktuelle Gelegenheit in einem fortlaufenden Prozess, wie wir ihn in seiner nach außen scheinenden Form erfahren. Ein Ereignis ist eine Folge von aktuellen Gelegenheiten, die sich in der Wahrnehmung für wenige Augenblicke wie in einem Molekül darstellen. Die Objekte sind komplexere Gebilde solcher Ereignisse. Die Form eines Objektes wird in seiner Ausdehnung in der Wahrnehmung erfahren.

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Siehe auch

Literatur

Seminare

Jnana Yoga, Philosophie

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