Der Aufstieg des Geistes - Kapitel 12 - Studium der logischen Basis rechtlicher und ethischer Prinzipien

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Swami Krishnananda an seinem 50. Geburtstag

Der Aufstieg des Geistes - Die Krise des Bewusstseins (1)


Der Aufstieg des Geistes - Die Krise des Bewusstseins (1)

Wenn wir die Prinzipien verstehen wollen, die den verschiedenen Gesetzessystemen zugrunde liegen, müssen wir zuerst jenes faszinierende “Etwas” untersuchen, das als “Beziehung” zwischen den Dingen bekannt ist. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, kann man durchaus sagen, dass alle philosophischen Systeme der Welt lediglich Gedankengebäude sind, die in den Köpfen von Denkern entstanden, die hart darum gekämpft haben, die wahre Bedeutung dieser scheinbar unsichtbaren und dennoch sehr realen und durchdringenden Essenz namens “Beziehung” zu erforschen. Wir halten die Beziehung von einer Sache zur anderen schon fast für so selbstverständlich und offensichtlich, dass wir es nicht einmal für nötig erachten, uns einmal die Zeit dafür zu nehmen, um herauszufinden, was sie wirklich ist. Eine genaue Betrachtung dieser Situation zeigt uns jedoch, dass es sich hier um eine sehr harte Nuss handelt, die selbst die besten Denker aller Zeiten nicht ohne weiteres knacken konnten. Die Schwierigkeit, die “Beziehung” zwischen den Dingen zu klären ist die Ursache dafür, dass der Mensch zu gleicher Zeit auf eine immer umfassendere Vereinigung und ein immer engeres Band des Zusammenseins aller Menschen hofft (er kann von der Erwartung nicht ablassen, dass ein derartiges Ideal vielleicht einmal erreichbar ist, obwohl er es bis zum heutigen Tag nie erreicht hat), und sich dabei trotzdem unterschwellig in einem unmanifestierten Krieg mit seinen Brüdern befindet, der nur darauf wartet auszubrechen, was ja in völligem Gegensatz zu der anfangs zitierten Hoffnung auf ein höheres Band der Einheit steht, nach dem man sich sehnt und für das ein jedes Mitglied in der menschlichen Gesellschaft zu arbeiten scheint. Diese zweischneidige und zwiespältige Haltung und Veranlagung des Menschen gegenüber dem Leben war schon immer die Quelle seiner Freuden und Leiden. Ist dies womöglich der Grund dafür, dass es dem Leben bislang gelungen ist, ein ungelöstes Mysterium zu bleiben?

Diese rätselhafte Lage der Dinge ist nur anhand der wundersamen Natur der menschlichen “Beziehungen” erklärbar, was der Grund dafür ist, warum die zugrunde liegenden Prinzipien von Gesetz und Ethik sogar heute noch die Themen immer neuerer Nachforschungen darstellen, deren endgültiges Ergebnis noch nicht absehbar ist. “Menschliche Beziehung” ist eine quälende Notwendigkeit, Erhabenheit und Schönheit, weshalb sie seit jeher sowohl das Thema von großartigen intellektuellen Überlegungen und Konferenzen als auch das ewig heranwinkende Ziel von Philanthropen, sozialen Wohlfahrtskreisen und selbst von religiösen Idealisten war, auch wenn dieses Ziel nie verwirklicht werden konnte. Zur gleichen Zeit war “menschliche Beziehung” ein undeutliches Gespenst, das die Menschen auf Grund des unklaren Charakters ihrer innewohnenden Natur in einem ununterbrochenen Zustand der Unsicherheit festhielt, der im Kopf eines jeden immer wieder Zweifel darüber aufkommen ließ, ob der andere wirklich ein so vertrauenswürdiger Freund ist, wie es seine äußere Erscheinung vermuten lässt. So kommt es, dass die Welt in zwei Lager gespalten ist: Eine Gruppe behauptet, das Leben wäre eine herrliche Manifestation universeller Harmonie und Gleichberechtigung von allen mit allen anderen in tiefer Liebe, aufopfernder Güte und organischer Einheit, in deren Richtung sich alles bewegt und bewegen muss; und die andere Gruppe sieht das Leben als Bühne, auf der das Schauspiel des alles verwüstenden Leids aufgeführt wird, das durch die Unversöhnlichkeit der psychologischen Strukturen der verschiedenen menschlichen Individuen herbeigeführt wird. Konsequenterweise behaupten letztere, dass soziale Solidarität und vielleicht auch individuelle Befriedigung nicht erreicht werden kann, es sei denn, über die Funktion einer mächtigen gesetzlichen und moralischen Kontrollmaschine, die den Individuen von einer herrschenden Autorität auferlegt wird, wobei es ganz gleich ist, ob diese von einer einzelnen Person, einer Gruppe von Personen, einer Regierung oder einer heiligen Schrift verkörpert wird. Sind wir aber in irgendeiner Weise dem Ziel allen menschlichen Bemühens und Strebens nahe, wenn wir uns mit einem sorgenvollen Leben und angespannten Nerven zufriedengeben, die vom ewigen Konflikt dieser beiden gegensätzlichen Lager menschlicher Ideen und Handlungen verursacht werden?

Wenn wir versuchen, etwas tiefer in diese Materie vorzudringen, werden wir bald die Notwendigkeit verspüren, darüber nachzudenken, warum es überhaupt zu diesen beiden Betrachtungsweisen des Lebens und seiner Bedeutung gekommen ist. Der Grund dafür scheint zu sein, dass zwei gewichtige Faktoren begonnen haben, das zu bilden, was wir als menschliches Leben kennen: der Faktor der Einheit und der Faktor der Verschiedenheit. Beide scheinen im gegenwärtigen Stadium der menschlichen Evolution eine gleich starke Rolle zu spielen, auch wenn man zugeben muss, dass je einer dieser beiden Faktoren in wechselnden Proportionen in einem vergangenen Stadium der Evolution vorgeherrscht hat oder in einem zukünftigen Stadium vorherrschen wird. Der Mensch ist jeden Tag zugleich glücklich als auch unglücklich, was andeutet, dass er in sich sowohl einen unwiderstehlichen Drang zur Verwirklichung der Einheit mit der gesamten Schöpfung verspürt als auch einem gleichzeitig wirkenden Druck seitens seiner vom Ego bestimmten psycho-physischen Individualität unterliegt, der in der Sprache von Selbstsucht und Unterscheidung, von körperlichem Genuss und egoistischer Eigendurchsetzung spricht, was ihn unaufhörlich mit gleichgearteten Merkmalen, die ja bekanntlich auch jedes andere menschliche Wesen auszeichnen, in Konflikt geraten lässt. Die Welt ist sowohl ein Dharma-Kshetra, ein Feld der Rechtschaffenheit, das aus dem einheitlichen Absoluten, der einzig existenten Wahrheit, hervorgeht, als auch ein Kuru-Kshetra, ein Feld der Aktivität und des Kampfes gegen die schweren Widerstände, denen man sich täglich angesichts der schweren Opposition von anderen Menschen stellen muss, in denen ebenfalls eine unbesiegbare Leidenschaft zur Durchsetzung ihrer körperlichen Befriedigungen und Ego-Freuden wohnt.

Dies sind die zwei bedeutendsten Akte im Drama des universellen Lebens, und solange wir nicht in der Lage sind, beide Szenen in ihrer wechselseitigen Verbindung zu beobachten, die auf die Darstellung einer geordneten Vollständigkeit des Gesamtbilds des ganzen Dramas hinzielt, können wir auch nicht für einen einzigen Moment Frieden in unserem Denken finden. Was jedoch ist die Lösung? Im Osten neigten Shankara und Buddha zur Betonung des Einheitsaspekts und im Westen G.W.F. Hegel und Arthur Schoppenhauer zur Betonung des Verschiedenheitsaspekts, womit sie die letztendlichen metaphysischen und psychologischen Aspekte der Lebensbedeutung auf eine jeweils spezielle Art und Weise dargestellt haben. Es ist jedoch zweifellos notwendig, diese beiden Aspekte zusammenzubringen, was eine in der Tat herkulische Aufgabe ist.

Hier stolpern wir erneut über die grundsätzliche Zweideutigkeit des sozialen Gesetzes, der sozialen Ordnung und der ethischen und moralischen Gebote. Die politische Theorie von Hobbes befindet sich in perfekter Übereinstimmung mit der empirischen und psychologischen Seite des menschlichen Miteinanders. Die andere und in keiner Weise weniger wichtige Seite ist der letztendliche ontologische Status des Lebens, und das war das Spezialgebiet von Hegel. Die soziale “Kontrakt-Theorie” der menschlichen Beziehungen und der politischen Organisation verlangt nach einer strikten Staatskontrolle durch die Mittel der Machtausübung, der rechtlichen Gesetzgebung und der Auferlegung einer äußeren Autorität, die die extravaganten Äußerungen der menschlichen Selbstsucht unter Kontrolle halten sollen, die immer dann ausarten, wenn unkontrollierbaren Leidenschaften und Vorurteilen freier Lauf gelassen wird. Ohne eine solche feste Kontrolle würde sich die menschliche Gesellschaft leicht in einen schmerzvollen Schauplatz voll Chaos und Unheil verwandeln, was ja wohl kaum das ehrliche Ziel oder die wahre Absicht des menschlichen Herzens sein kann. In Hinsicht auf die Natur der Umstände dieser Angelegenheit und unter den herrschenden Bedingungen ist dies zwar wahr und gerechtfertigt, doch würde das menschliche Individuum in eine unglückliche Marionette verwandelt werden, die unter dem Gewicht der äußeren Machtausübung zerdrückt wird, insgeheim leidet und mit der völlig unverwirklichten Hoffnung auf uneingeschränkte Freiheit und Freude stirbt, wenn diese Methode, den Verlauf des menschlichen Lebens zu lenken, als ganze und vollständige Wahrheit akzeptiert wird. Leider scheint dies jedoch zumindest die halbe Wahrheit über die missliche Lage des Menschen zu sein. Muss das aber so sein?



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Siehe auch

Literatur

Seminare

Indische Meister

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