Autogenes Training: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Oktober 2010, 01:22 Uhr
Das autogene Training (von gr. αὐτό – selbst und γεννάω – erzeugen), eine auf Autosuggestion basierende Entspannungstechnik, entwickelte der Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz aus der Hypnose. Er stellte es 1927 erstmals vor und veröffentlichte 1932 sein Buch Das autogene Training [1].
Es ist weit verbreitet und anerkannt gegen Stress und psychosomatische Störungen.
Die Übungen
Autogenes Training lernt man meist in Gruppen bei einem Psychologen, Arzt oder sonst Fachkundigen, z. B. Yogalehrer, in ein paar Wochen. Bücher, oft mit einer CD... unterstützen.
Der Übende liegt; oder sitzt bequem mit nach vorn gesenktem Kopf, Hände entspannt auf den Oberschenkeln (d.h. Droschkenkutscherhaltung). Man übt in Haltungen, wo die Muskeln vollkommen entspannen können. Gerade Anfänger liegen häufig. Fast Shavasana; Autogenes Training leitet sich vom Yoga ab...
Die drei Übungen - die zweite und dritte wirken physiologisch:
- kurze formelhafte Vorstellungen, sich konzentriert mehrmals eindringlich vorgesagt.
- Im Ruhezustand des Körpers fühlt man Schwere und Wärme.
- Bewusste, willentliche Aufmerksamkeit auf einen Zustand kann umgekehrt dessen „Ursache“ :herbeiführen. Übrigens dem Lachyoga ähnlich. Im Autogenen Training entspannt das
- sich selbst gute Zureden, Affirmationen (z.B. Benediktiner-Mönche nennen das ähnlich: "Einrede"n). Die Vorstellung "schwere Arme" und "...Beine" löst eine muskuläre Entspannung aus, die anschließende von "warme Arme und Beine..." eine vermehrte Durchblutung.
- Die Rücknahme, bewusst Aufwachen, aktiviert die Nervenenden an den Erfolgsorganen, Muskeln und Gefäßwänden.
Unterstufe
Vor allem entspannend sind sieben Übungen: für Ruhe, Schwere und Wärme in den Armen und Beinen, eine Beruhigung des Pulses und der Atmung, Wärme im Sonnengeflecht und Kühle der Stirn durch Selbst-Suggestion, Affirmationen.
Im Einzelnen:
- Die Ruhe-Übung versetzt den Körper und Geist in einen Ruhezustand und soll der Konzentration helfen. Typische Vorstellung: „Ich bin ganz ruhig. Die Gedanken kommen und gehen. Nichts kann mich stören.“ Die klassische Vorstellung von J.H. Schultz lautet ausschließlich (konditionieren!) "Ich bin ganz ruhig" und darf nicht als erste Übung verwendet werden, sondern ist eine Zielvorstellung. J.H. Schultz schreibt wörtlich: "Ist der Aufgabensatz "ich bin ganz ruhig" in entsprechender Weise verstanden, so wird er nicht etwa geübt, sondern wir geben unserer Versuchsperson als erste Übungsaufgabe die Formel: "Der Arm ist ganz schwer".[1]
- Die Schwere-Übung löst ein Schweregefühl der Gliedmaßen aus (Muskelentspannung). Typische Vorstellung: „Die Arme und Beine sind schwer.“
- Die Wärme-Übung führt zu einem Wärmegefühl in den Gliedmaßen (verbesserte Durchblutung). Typische Vorstellung: „Die Arme und Beine sind warm.“
- Die Atem-Übung vertieft die Entspannung durch konzentriertes, ruhiges Ein- und Ausatmen. Typische Vorstellung: „Die Atmung geht ruhig und gleichmäßig.“, oder: „Es atmet mich.“
- Die Herz-Übung (Konzentration auf den Herzschlag) beruhigt weiter. Typische Vorstellung: „Das Herz schlägt ruhig und gelassen.“
- Die Sonnengeflechts-Übung: Konzentration auf den Solarplexus und seine Durchblutung (Vertiefen der Entspannung). Typische Vorstellung: „Das Sonnengeflecht (oder: die Leibmitte) ist strömend warm.“
- Die Kopf-Übung: Konzentration auf eine „kühle Stirn“ (dient dem Wachbleiben und Wiedererlangen von Konzentrationskraft, z. B. bei Müdigkeit). Typische Vorstellung: „Der Kopf ist klar, die Stirn ist kühl.“
Mit zunehmendem Training verstärkt sich die Wirkung der Übungen (z. B. Wirkung auf den ganzen Körper anstatt nur auf die Arme). Der erfahrene Anwender kann daher in kurzer Zeit eine tiefe Entspannung (bei vollem Bewusstsein) hervorrufen. Die Formeln werden persönlich angepasst und erweitert. Insbesondere kann man Aufträge an sich selbst im Unbewussten verankern, die nach Abschluss der Übung nachwirken (z. B. „Bei Stress bleibe ich ruhig und gelassen“).
Oberstufe
Jetzt soll ein Problem mittels Suggestion so weit gelöst werden, dass die Person Heilung oder wenigstens Linderung erfährt. Über die Ursache des Problems wird nichts ausgesagt. Für viele Zwecke sind die Übungen der Unterstufe vollkommen ausreichend. In der Oberstufe geht es um vertiefte Selbsterkenntnis und um Charakterbildung. Der Ablauf gestaltet sich etwa so:
1. Sitzung: Farberlebnisse
2. Sitzung: Wahrnehmen konkreter Gegenstände (z. B. eine brennende Kerze, eine Rose)
3. Sitzung: Schau abstrakter Werte (z. B. Hoffnung, Liebe, Mut)
4. Sitzung: Übungen zur Charakterbildung und vertieften Selbsterkenntnis (Fragen an sich selbst: z. B. „Wer bin ich?“ oder „Was soll ich tun?“; neben Fragen sind auch Suggestionen Inhalt dieser Sitzung, z. B. „Ich nehme mich an“ oder „Ich bin zuversichtlich“.)
5. Sitzung: Reise auf den Meeresgrund
6. Sitzung: Reise auf den Gipfel eines Berges
7. Sitzung: Eigene Bilder mit bestimmten Zielsetzungen
Die Oberstufe des autogenen Trainings kann für sich allein praktiziert werden. In Verbindung mit psychotherapeutischen Verfahren kann sie die Behandlungszeit deutlich verkürzen.
Voraussetzung für die Übungen der Oberstufe ist die Beherrschung der Übungen der Unterstufe. Die Oberstufe des autogenen Trainings dient der „aufdeckenden“ Selbsterkenntnis. Sie ist mit der psychotherapeutischen Tiefenanalyse vergleichbar, jedoch werden die Einsichten vom Übenden selbstständig ohne Hilfe eines Therapeuten erarbeitet.
In der Oberstufe werden luzide Träume durchlebt mit bleibenden klaren Erinnerungen, die nicht wie beim Traum meistens nach wenigen Minuten ausgelöscht sind. Nach üblicher Einleitung des AT über Ruhe, Schwere und Wärme, Atemübung, Herzübung und Sonnengeflechtsmeditation bleibt der Übende in der tiefsten Meditationsstufe des Sonnengeflechtes, dem hypnoiden Trancezustand, sagt sich aber jetzt: "Vor meinem inneren Auge sehe ich eine Farbe. Aus dieser Farbe entwickelt sich ein Traumbild".
Dieses Traumbild hat drei Quellen: Einmal das vor Beginn der Übung festgelegte Meditationsbild (Meer, Berg, ein anderer Gegenstand, ein Mensch etc), zum zweiten die aus dem Unbewussten kommende Veränderung dieses Bildes und drittens die aus dem aktiven Bewusstsein kommende gewollte Veränderung dieses Bildes. Diese drei Zuflüsse vermischen sich in jeweils unterschiedlicher Quantität und Qualität. Es entsteht so ein luzider Traum (Klartraum), der nach dem üblichen Rückruf im autogenen Training völlig memoriert werden kann. Er kann selbstheilend wirken oder als Basis für ein therapeutisches Gespräch verwendet werden. Die beste Zeitdauer für einen solchen Klartraum sind etwa 15 Minuten.
Anwendung
Das autogene Training wird aus verschiedensten Gründen angewandt, von denen einige hier beispielhaft dargestellt werden sollen. Als Entspannungstechnik kann es beispielsweise bei Nervosität, Schlafstörungen etc. eingesetzt werden.
Es kann weiter dazu dienen, psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Bluthochdruck zu bekämpfen. Dabei sollte aber vorher von einem Arzt festgestellt werden, dass keine schwerwiegenden physischen Ursachen für die jeweiligen Beschwerden vorliegen.
Da man in dem durch das autogene Training hervorgerufenen Entspannungszustand besonders empfänglich für suggestive Selbstbeeinflussung ist, kann es durch geeignete Vorstellungen (formelhafte Vorsatzbildungen) eingesetzt werden, um sich das Rauchen, Trinken und ähnliche Süchte abzugewöhnen. Es kann ebenso einem sichereren Auftreten in der Öffentlichkeit oder im persönlichen Umfeld dienen. Ebenso kann die eigene körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gesteigert werden.
Die Fähigkeit, autogenes Training zu erlernen, nimmt mit der zunehmenden Ausprägung neurotischer/psychotischer Tendenzen ab.
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siehe auch
Deutsche Wikipedia: [2]
- ↑ J. H. Schultz: Das autogene Training (konzentrative Selbstentspannung). Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung. Thieme, Leipzig 1932, Auflage 12 ff., S.24