Yoga Vidya - Entstehung und Entwicklung
Yoga Vidya - Entstehung und Entwicklung - Sukadev Bretz spiritueller Leiter von Yoga Vidya spricht darüber wie Yoga Vidya entstanden ist. (1992 bis 2017)
Entstehung und Entwicklung von Yoga Vidya
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2020 - - Teil 11 der Vortragsreihe des Yoga Vidya Systems zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen –
In den vorangegangen Lektionen ging es um Swami Sivananda und Swami Vishnu-devananda, hier geht es um die Entwicklung von Yoga Vidya.
Werdegang und Visionen von Sukadev
Ich bin in Deutschland, in Rheinhessen, geboren, habe schon als Kind spirituelle Erfahrungen und Sehnsucht gehabt. Als 13-jähriger sind mir Fragen wie ‚Wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich, woher kommt das Leid und die Ungerechtigkeit in der Welt, gibt es einen höheren Sinn im Leben?‘ sehr wichtig geworden. Im Alter von 15 habe ich sehr viel gelesen, habe angefangen mich mit westlicher Philosophie und Psychologie zu beschäftigen und kam über die Beschäftigung mit Hermann Hesse und C.G. Jung zum Buddhismus, zur Esoterik, die damals recht auf dem aufsteigenden Ast war, ich habe begonnen, mich mit Karma und Reinkarnation zu beschäftigen, bin in Kontakt mit Vedanta und Mystik gekommen und kam zu dem Schluss: ‚Ja, es gibt eine Gemeinsamkeit der verschiedensten Religionen. Alle meinen letztlich etwas Ähnliches, nämlich, dass es eine höchste Wirklichkeit gibt. Diese höchste Wirklichkeit kann erfahren werden, dafür gibt es Praktiken und die Aufgabe des Menschen ist dorthin zu kommen.
Als ich dann im Alter von 17 Jahren zum Studium nach München ging, habe ich gleichzeitig angefangen das Sivananda Yoga Vedanta Zentrum zu besuchen. Ich habe als 16jähriger begonnen täglich zu meditieren, mit 17 begann ich im Zentrum, auch mit Hatha Yoga und hatte dann auch schon bald Kontakt mit dem Meister Swami Vishnu-devananda. Es gibt viele Videos von mir über die Erfahrungen mit Swami Vishnu-devananda, ich praktizierte ab da in seiner Tradition.
1983 wurde ich dauerhafter Mitarbeiter, Sevaka, in seinen Zentren. Seit 1981 habe ich in den Zentren gelebt, wurde in den 9 Jahren meiner Mitarbeit in 12 verschiedene Zentren und Ashrams versetzt, habe so die Yoga Welt kennen gelernt. Ich war in München, Wien, Genf, Los Angeles, Paris, London, New York, Montreal, Valmorant, San Francisco, Chicago und Toronto. So habe ich gelernt, dass Yoga auf der ganzen Welt letztlich ähnliches bedeutet, dass Menschen auf der ganzen Welt irgendwo ähnlich sind, ähnliche spirituelle Erfahrungen machen und dass die Gemeinsamkeiten wichtiger sind, als die Unterschiede.
1987 hatte ich eine Vision, die für die Entstehung von Yoga Vidya besonders wichtig sein würde. Ich war im Sivananda Ashram in Valmorant, es war die 100-Jahr-Feier von Swami Sivananda, ich bin morgens früh aufgewacht, gegen drei, halb vier, war voll wach, habe eine starke Energie gespürt, ein Licht, obgleich es dunkel war. Ich bin dann in den Yoga Raum gegangen und habe mich zur Meditation hingesetzt. Schon bald hatte ich eine Vision von Swami Sivananda, der über-lebensgroß mit strahlendem Licht vor mir gestanden hat. Ich habe gespürt, wie dieses Licht in mich hineingegangen ist, wie ich den Körper verlassen hatte und in eine andere Dimension eingegangen bin. Was ich dann erfahren habe, ist nicht in Worte zu fassen, aber als ich aus dieser Vision herauskam und wieder Swami Sivananda gesehen hatte, war da eine Klarheit, eine Art Wissen, dass Swami Sivananda mir gegeben hat, dass ein Goldenes Zeitalter entstehen könnte, ein Zeitalter von Frieden, Mitgefühl, Einheit und ein Zeitalter ohne Hunger und ohne Krieg. Von Swami Vishnu wusste ich, dass es auch in die andere Richtung gehen könnte, aber von Swami Sivananda bekam ich das Gefühl, dass es auch in die positive Richtung gehen kann. So wie Swami Vishnu uns das auch gelehrt hat, aber jetzt war es so in einer Vision klar.
Im Rahmen der Vision war auch klar, dass Yoga eine entscheidende Rolle spielen würde, dass Yoga ein Teil der entstehenden Weltkultur werden könnte und dass Yoga die verschiedenen Völker, Kulturen, Religionen, Nationalitäten und sozialen Schichten verbinden könnte. Ich hatte auch gespürt, dass ich in dieser breiten Yoga-Bewegung eine gewisse Rolle spielen würde. Es war dort auch klar, dass es eine meiner Aufgaben wäre, einen Yoga zu lehren, der zum einen tief spirituell ist, zum anderen heilend wirken kann und weiterhin Menschen helfen kann, besonders im Alltag Yoga zu praktizieren – also einen besonders alltagstauglichen Yoga-Weg, Yoga der hilft im Alltag das Leben besser zu leben.
Im besonderen Maße wichtig wären dabei auch spirituelle Gemeinschaften und das war das Besondere, denn der Rest war nichts anderes, als das was Swami Sivananda und Swami Vishnu zu deren Lebzeiten gelehrt hatten. Es ging also auch darum, spirituelle Gemeinschaften zu etablieren und entwickeln, die ein alternatives Lebensmodell zum westlichen Wirtschaftsmodell, wo es um Konkurrenz usw. geht, wo Familien in Kleinstfamilien leben, darstellen sollten. Es sollten größere Gemeinschaften sein und dabei sollte Demokratie mit humanistischem Weltbild und Spiritualität verbunden sein. Bei Swami Vishnu-devananda gab es auch gewisse demokratische und humanistische Elemente, aber in seinen Gemeinschaften war es doch eher patriarchalisch, autokratisch. Swami Vishnu hat entschieden, der Ashram-Leiter hat entschieden, der Center-Leiter hat entschieden, es wurde mehr konsultiert als gewählt. So hatte ich irgendwo gespürt, dass die Umsetzung meine Aufgabe wäre.
Zunächst dachte ich, dass ich diese Aufgabe bei Swami Vishnu-devananda hätte, wurde auch im Jahr danach persönlicher Assistent bei Swami Vishnu, das war 1988. Ich brachte Swami Vishnu meine Vorschläge, Swami Vishnu war zunächst sehr empathisch dafür, ließ sie mich entwickeln und ließ mich einige Elemente integrieren. Aber dann wusste er zwar, dass er nicht mehr so lange in diesem Körper zu leben hatte und dass er die Leitung der Zentren an seine Nachfolger weitergeben sollte, aber er entschied sich für ein anderes Modell, nicht für das demokratische, sondern für das in Indien und auch in Amerika populäre Modell eine Stiftung zu errichten, mit einem Stiftungsrat, der Entscheidungen trifft.
So merkte ich, dass das, was ich in der Vision von Swami Sivananda gesehen hatte und was ich umsetzen wollte, in der vorhandenen Gemeinschaft nicht gehen würde und es gab einige andere Dinge, die dazu gekommen sind. So verließ ich am 31.12.1991 die Sivananda Yoga Vedanta Zentren, wusste noch nicht genau, was die Zukunft bringen würde. Ich bin etwas gereist, war dabei auch drei Monate in Indien, das erste Mal, von Februar bis Anfang Mai. Ich verbrachte einige Wochen im Sivananda Ashram in Rishikesh der Divine Life Society, hatte dort das große Glück, dass in der Zeit mehrere große Meister anwesend waren: Swami Chidananda, selbst ein Schüler von Swami Sivananda, er war bei allen Satsangs morgens und abends da, gab dort auch Vorträge; Swami Krishnananda, in dessen Darshans ich morgens und nachmittags war, und es gab einen Swami Brahmananda, dessen Vorträge ich am späten Vormittag und auch am Nachmittag besuchen konnte, von dem ich tief Vedanta lernte.
Zum Abschluss meines Aufenthaltes, wo ich noch immer nicht genau wusste, wie es weiter geht, hatte ich wieder eine Vision von Swami Sivananda. Er erschien mir wieder überlebensgroß, wieder wie 1987, wieder eine große Lichtgestalt, wieder sah ich, wie dieses Licht in mich hineinging, ich verließ das Körperbewusstsein, ging ein in eine andere Dimension transzendentaler Freude und Überbewusstsein, was nicht in Worte zu fassen ist. Als ich aus diesem Zustand herauskam und wieder Swami Sivananda sah, habe ich wieder von ihm gespürt, dass Yoga wichtiger werden wird und Teil der entstehenden Weltkultur werden wird. Es könnte ein Zeitalter des Friedens und Miteinanders entstehen. Yoga wird eine wichtige Rolle spielen und auch ich selbst würde eine gewisse Rolle dabei spielen. Es war dann auch klar, dass ich nach Frankfurt fahren und dort ein Yoga Zentrum eröffnen sollte, dass innerhalb von 5 Jahren ein erster Ashram entstehen würde, eine große Yoga-Bewegung und es würde auch ein großer Ashram entstehen für mindestens 1000 Menschen. Diese Vision war klar, sie hat mich nach Deutschland zurückgeführt, zuvor hatte ich eher gedacht, dass ich in Kanada oder Amerika sein würde, wo ich auch die Einwanderungspapiere hatte, doch nach dieser Vision war es klar.
Entstehung und Entwicklung von Yoga Vidya
Ich ging nach Frankfurt, Mitte Mai war ich zurück in Rheinhessen, fand innerhalb von einigen Tagen ein Yoga Zentrum, fand in Eva Maria Kurzinger, die ich schon viele Jahre kannte, jemanden, mit der ich zusammen das erste Yoga Zentrum aufgemacht habe. Am 15. Juni 1992 war die Eröffnung und so begann das erste Yoga Vidya Zentrum als ‚Yoga Center am Zoo‘ in Frankfurt. Zum einen unterrichteten wir das, was ich schon kannte, im Sinne von Yoga Stunden, Yogakurse, Meditationskurse, Satsangs; zum zweiten entstand das Konzept der zweijährigen Yogalehrer-Ausbildung, von denen die hier vorliegenden Lektionen / Vorträge Zusammenfassungen der Inhalte sind. Es entstanden weiterhin Yoga-Ferien, Kundalini Intensiv Seminare und ein erweitertes Konzept der 4-wöchigen Yogalehrer-Ausbildung.
1996 eröffneten wir den ersten Yoga Vidya Ashram im Westerwald zwischen Neuwied und Altenkirchen. Es entstanden weitere Yoga Zentren in Koblenz, Köln, Essen und Mainz. 2003 wurde dann der Yoga Vidya Ashram in Bad Meinberg eröffnet. 1995 wurde der Yoga Vidya e.V. gegründet, als gemeinnütziger Verein, der Berufsverband der Yoga Vidya Lehrerinnen und Lehrer als Zusammenschluss der Yogalehrer und Yogalehrerinnen, der Yoga Vidya Verlag mit Kassetten, Videos und Büchern, CDs, DVDs und Yogabedarf. 1997/1998 entstanden die ersten Yoga Vidya Internetseiten. Besonders entscheidend war 2003 Yoga Vidya Bad Meinberg, welches sich bis heute, 2017, zu einem Ashram entwickelt hat, wo tatsächlich 1000 Menschen sein können, wenn man den Zeltplatz und die Sevakas mitzählt, also die Mitarbeiter, so wie die Gäste und Shanti Vasis, die langjährige Bewohner im Ashram sind, aber auch ihr eigenes Leben außerhalb des Ashrams haben. So habe ich das Gefühl, dass Yoga Vidya der Vision von Swami Sivananda folgt, es gibt noch viele weitere Teile von Yoga Vidya, dies wird an anderer Stelle weiter berichtet.
Begriff Vidya
Vidya heißt Weisheit, Wissenschaft. Vidya ist zum einen tatsächlich Wissen, auch Naturwissenschaft, manche Universitäten oder auch Schulen in Indien nennen sich Vidya Bhavans, Stätten des Wissens. Vidya ist also zum einen das intellektuelle Wissen, aber auch das praktische Wissen. Svatmarama z.B., der Autor des wichtigsten Grundlagenwerks von Hatha Yoga „Hatha Yoga Pradipika“, spricht immer wieder von Hatha Vidya – das Wissen um Hatha Yoga, insbesondere die Techniken des Hatha Yoga. So ist Vidya auch das Wissen um die Praktiken des Yoga. Vidya ist auch die tiefste Weisheit. Das Wort Avidya ist die Unwissenheit, Vidya ist auch das spirituelle Wissen, die Erkenntnis des Höchsten. Vidya ist auch eine Bezeichnung aus dem Tantra und bedeutet Weisheitsgöttin. Es gibt die sogenannten Mahavidyas, die großen Weisheitsgöttinnen, die dich zum Höchsten führen wollen. So ist Vidya auch ein mystischer Begriff, da steckt eine spirituelle Kraft dahinter. In den Upanishaden gibt es auch die sogenannten Vidyas, das sind Meditationstechniken, Meditationen, die dich zur Erfahrung der höchsten Weisheit führen sollen. So ist Yoga Vidya das Wissen, die Weisheit, die Techniken, die spirituelle Erfahrung des Yoga in all seinen Aspekten. Yoga Vidya lehrt Yoga als heilender Yoga, als Yoga für die Gesundheit, als Yoga für die Energien, für Emotionen, für die Psyche, für den Geist und für die Transzendenz. Wie aus dieser Vortragsreihe bereits bekannt, lehrt Yoga Vidya Yoga in drei Schritten: 1. Harmonie mit allen Aspekten deines Wesens und mit deiner Umwelt, deinen Mitmenschen und Mitgeschöpfen. 2. Entfaltung deiner Fähigkeiten und die Befähigung viel Gutes zu bewirken. 3. Transzendenz, Transzendieren aller Begrenzungen, Erfahrung des Höchsten.
Yoga Vidya heute
Yoga Vidya heute, 2017, umfasst die Ashrams im Westerwald, an der Nordsee, im Allgäu und in Bad Meinberg, etwa sieben vereinseigene Zentren, 80 weitere Yoga Vidya Ko-Op-Zentren, hat über 15.000 Yogalehrer ausgebildet und über eine halbe Million Menschen in Deutschland praktizieren Yoga nach dem Yoga Vidya Konzept, wenn man die Menschen in Österreich, Schweiz, Holland und weiteren Ländern dazu zählt, sind es nochmal ein gutes Stück mehr.
So hoffen wir, dass wir Teil dieser Bewegung der verschiedenen spirituellen Gruppierungen unterschiedlichster Herkunft auf der ganzen Welt sind, die sich bemühen, friedvoll miteinander umzugehen, die sich als Instrumente des Friedens, des Lichtes, des Verständnisses fühlen, die dazu beitragen wollen eine friedvolle, ökologische und gerechte Welt zu schaffen.
Wir sind nicht politisch engagiert, obgleich es auch wichtig ist, dass es Menschen gibt, die sich politisch engagieren. Wir sind auch nicht besonders in Bürgerinitiativen engagiert, obgleich es wichtig ist, dass auch Bürgerinitiativen gibt. Wir sind vielleicht eine NGO, eine Nicht-Regierungsorganisation, die aber weniger sich selbst direkt einsetzt, auf politischem, ökologischem, sozialem und sonstigem Gebiet, sondern wir engagieren uns auf dem Gebiet des Yoga: Verbreitung des Yoga in all seinen Aspekten, in der Vorstellung, dass wenn Menschen Yoga üben, es zu Verbindung führt. Denn Yoga heißt auch Verbindung. Es führt zur Harmonie und es führt dazu, dass Menschen spüren, dass es eine tiefe Einheit gibt.
So hoffen wir, dass wir etwas dazu beitragen können ,dass sich viele Menschen verbunden fühlen, sich verbunden fühlen mit einer höheren Wirklichkeit, verbunden mit anderen Menschen, mit der Natur, mit Ökologie, Pflanzen, der Erde usw., so dass viele Menschen dadurch die Inspiration bekommen, sich selbst auf verschiedensten Gebieten zu engagieren um Gutes zu bewirken.
Yoga Vidya hat als eines der vielen Mottos: ‚Spirituelles Leben für eine bessere Welt‘. Vielleicht bist du jemand, der bereits mit Yoga Vidya in Verbindung bist, eventuell denkst du darüber nach enger in diesem Netzwerk von Yoga Vidya dabei zu sein, vielleicht ehrenamtlich in einem der Yoga Vidya Zentren mitzuhelfen oder von zu Hause aus einiges mitzumachen. Es gibt immer vieles zu tun, was man machen kann, auch von seinem Computer aus, auch mit seinem eigenem Engagement. Vielleicht willst du selbst Yogalehrer werden oder bist es bereits, vielleicht bekommst du die Inspiration mehr zu machen oder dein eigenes Yoga Vidya Zentrum zu eröffnen. Oder du möchtest dich auch für das Wohl der Welt engagieren, vielleicht bekommst du Inspiration, dich dort mehr zu engagieren. Vielleicht merkst du an der tieferen spirituellen Verbindung mitzuwirken, wäre auch etwas wichtiges, dann kannst du überlegen Sevaka, also Gemeinschaftsmitglied in einem der Yoga Vidya Ashrams oder Zentren zu werden.
Yoga Vidya ist weiterhin eine wachsende Gemeinschaft, was wir bis jetzt haben, ist noch erheblich unter dem, was ich in der Vision gesehen habe. Es ist also noch einiges möglich, sofern Menschen gefunden werden, die sich engagieren, sich einbringen, vielleicht auch Spenden geben, aber auch mit Tun die Yoga-Idee voranzubringen.
Aber am allerwichtigsten ist: Praktiziere Yoga und Meditation. Praktiziere es um selbst mehr Harmonie, mehr Energie zu haben. Praktiziere Yoga und Meditation um Zugang zu einer höchsten Wirklichkeit zu finden und diese dann durch dich wirken zu lassen. Und fühle dich dabei verbunden mit vielen anderen. Gemeinsam werden wir leben, gemeinsam fühlen wir uns eins und verbunden.
Video Yoga Vidya - Entstehung und Entwicklung