Nilarudra Upanishad
Die Nilarudra Upanishad (Sanskrit: f.) ist ein Teil der indischen Heiligen Schriften, die Veda genannt werden. Die Nilarudra Upanishad gehört zum Atharvaveda und wird außerdem den Shiva Upanishaden zugeordnet. Der Name Nilarudra Upanishad bedeutet "Upanishad vom schwarzen Rudra", hier wird Rudra Verehrung gezollt.
Nilarudra Upanishad mit Erläuterungen nach Paul Deussen
Artikel aus "Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 877 - 882.
Einleitung
Das bedeutendste ältere Denkmal aus der Theologie des Rudra, dieses Vorläufers des Siva, ist das Satarudriyam, eigentlich wohl (wie schon Satap. Br. 9,1,1,2 etymologisiert wird) Santarudriyam "Lied zur Besänftigung des Rudra", Vaj. Samh. 16 (Taitt. Samh. 4,5). Obgleich dieses Stück zu dem Upanishadgedanken gar keine Beziehung hat, so war dasselbe doch so berühmt, wird auch so oft in den Atharva Upanishaden erwähnt (Jabala 3. Kaivalya 24. Atharvasiras 7. Maha 4. Nrisinhap. 5,10, p. 106), daß manche Upanishadsammler dasselbe (namentlich im Hinblick auf die Rolle, welche Siva in den Atharva Upanishaden spielt) nicht entbehren mochten. 'Während die Sammlung der 108 Upanishaden, wie sie im Telugu-Druck vorliegt, soweit wir sehen, dieses Lied ausläßt, so wird es in der Sammlung des Daraschakoh als Schat Roudri (bei Anquetil II, p. 171-196) ganz aufgenommen, wohingegen die von uns zugrunde gelegte Sammlung nur einen Auszug desselben, (mit einigen anderen Zutaten) unter dem Namen Nilarudra Upanishad (die Geheimlehre vom schwarzen Rudra) enthält.
Die ursprüngliche Bedeutung des Rudra ist streitig. Aber wenn wir die in seinem Bild überwiegenden Züge ins Auge fassen, dazu erwägen daß er der am meisten gefürchtete Gott ist, und daß kein Naturereignis dem Menschen ursprünglich so unmittelbar furchterregend ist wie der Blitzschlag, so wird es sehr wahrscheinlich, daß Rudra (eigentlich wohl "der glänzende") ursprünglich nichts anderes war als eine Personifikation des niederfahrenden und einschlagenden Blitzes. Er trägt den Blitz im Arm (Vajrabahu), liebt Wälder, Berghöhen und Baumgipfel (Parame Vrikshe Ayudham Nidhaya, Vaj. Samh. 16,51), heißt männertötend, tiertötend, und sein Rücken ist rot, während sein Bauch (die Spuren, welche er hinterläßt, wo er sich niederlegte) schwarz ist, Atharvav. 15,1,7. Auch der weitere Hauptzug, daß er heilende Arzeneien bringt, begreift sich leicht hieraus, wenn man erwägt, daß das Gewitter die Atmosphäre reinigt und die Miasmen vertreibt.
Sehr deutlich ist, wie die Übersetzung zeigt, dieser Charakter in unserer Upanishad erhalten, welche v. 4-17 ein Cento aus vielfach entstellten Versen des Satarudriyam ist, woran sich v. 18-20 einige Verse aus Vaj. Samh. 13 schließen. Die aus der Luft herabschießenden Schlangen könnten gleichfalls die Blitze sein. — Sehr dunkel ist der dritte Teil v. 21-26, dessen erster Vers vielleicht nur zufällig, durch Erwähnung des Nilagriva hierher geraten ist, während die folgenden von einem Rechtsstreit zu reden scheinen zwischen braunen, braunohrigen Urbewohnern und den Aryas, welchen Siva beisteht. Verwandt ist Atharvav. 2,27,6, und da auch hier von einem Kraut die Rede ist, so läßt sich vielleicht auch der Vers 21 in diesen Zusammenhang ziehen, wenn erst ein lesbarerer Text vorliegen wird als der (in beiden Ausgaben) überaus verwahrloste, welcher uns zu Gebote stand.
Die Nilarudra Upanishad
1.
1. Ich sah dich ja herabsteigen
2. Vom Himmel stieg er ab furchtbar
- Und faßte auf der Erde Fuß;
- O Leute, seht den hochroten,
- Den schwarzhalsigen, seht ihn da!
3. Rudra, die Männer nicht treffend,
- Kommt mit heilkräft'ger Arznei,
- Die Blähungen, die dir raubten
- Die Ruhe, mögen schwinden dir!
4. Verehrung deiner Weltgüte,
5. Der Pfeil, den du, o Bergfroher,
- Zum Schleudern trägst in deiner Hand,
- Den mach' uns gnädig, Berghüter,
- Nicht treffe meine Mannen er![2]
6. Mit gnädigstimmender Rede,
- O Bergherr, rufen wir dich her,
- Daß alles, was da lebt bei uns,
- Gesund und frohen Mutes sei.[3]
7. Bei deinem gnädigsten Pfeile
8. Mit deinem gnädigen Aussehn,
- Das nicht schrecklich, nicht unheilvoll,
- Mit deinem heilsamsten Aussehn,
- O Bergwohner, erscheine uns[5]
9. Doch der dunkel und rot schimmert
- Und bräunlich und im Flammenrot,
- Die ringsum zuckenden Rudras
- Nach allen Seiten tausendfach,
- Von uns weg bitt' ich ihren Grimm![6]
2.
10. Sie sahen dich herabfallen
- Schwarzen Halses, in Flammenrot,
- Es sahen dich die Kuhhirten,
- Und Weiber, wassertragende,
- Ja, alle Wesen dich sahen, —
- Dir sei Verehrung; den sie sah'n.[7]
11. Verehrung ihm, der schwarzhaarig,
12. Verehrung sei deiner Waffe,
- Der abgespannten, durstigen
- Verehrung deinen zwei Armen,
- Deinem Bogen hab' ich gebracht![9]
13. An deinem Bogen mach lose
14. O spanne gnadenreich ab jetzt
- Den Bogen, tausendaugiger;
- In hundert Köchern abbrechend
- Die Pfeilspitzen, bring' Hilfe uns![11]
15. Sein Bogen jetzt ohne Sehne,
- Ohne Pfeil jetzt sein Köcher ist,
- Verschwunden sind die Geschosse,
- Heilbringend ist sein Wehrgehäng.[12]
16. Uns umgehe die Schußwaffe
- Deines Bogens von allerwärts,
- Ja, deinen Köcher selbst gürte
- Los und lege ihn fern hinweg.[13]
17. Vielmehr ergreife als Waffe
18. Verehrung sei auch den Schlangen,
- So viel ihrer auf Erden sind,
- Doch auch den Schlangen im Luftraum
- Und im Himmel Verehrung sei![15]
19. Auch die im Himmelslichtreiche,
- In den Strahlen der Sonne sind,
- Und die im Wasserschlund hausen,
- Diesen Schlangen Verehrung sei![16]
20. Die als Pfeile der Spukgeister
3.
21. Der bei den Seinen Gott Blauhals (Siva),
- Bei den Seinen gar Hari (Visnu) ist,
- Den Buntgeschwänzten, o Heilkraut,
- Zermalme schnell, Arundhati!
22. Braun ist und braunohrig der [Kobold],
- Doch da, mit schwarzem Halskranze ist Siva,
- Durch ihn, den Sarva, den schwarzhaarigen,
- Durch Bhava, der der Winde Vater (lies: Pitra) ist,
23. Durch ihn den übergroßaugigen
- Schlagt (lies: Hata) von den Braunen, wer ein Wort nur redet,
- Durch ihn den ganz schwarzhaarigen
- Beim Werke, das ein Heldenwerk!
24. Dem Anspruch, den er macht, wehre,
- Damit wir dies uns teilen hier,
- Verehrung dem Bhava, Verehrung dem Sarva,
- Verehrung ihm, dem ewigjungen Kämpfer!
25. Verehrung ihm, der schwarzhaarig,
- Wenn er zu der Versammlung kommt
- Und seine fahlen Maulesel
- Und Esel ringsum weiden läßt.
26. Verehrung ihm, der schwarzhaarig,
- Wenn er zu der Versammlung kommt,
- - wenn er zu der Versammlung kommt!
Fußnoten
- ↑ Vgl. Vaj. Samh. 16,1.
- ↑ Vgl. Vaj. Samh. 16,3.
- ↑ Vaj. Samh. 16,4.
- ↑ Vgl. Vaj. Samh. 16,11.
- ↑ Vaj. Samh. 16,2 (wonach der Text zu verbessern); Svet. 3,5.
- ↑ Vaj. Samh. 16,6.
- ↑ Vgl. Vaj. Samh. 16,7.
- ↑ Vaj. Samh. 16,8.
- ↑ Vaj. Samh. 16,14.
- ↑ Vaj. Samh. 16,9.
- ↑ Vaj. Samh. 16,13.
- ↑ Vaj. Samh. 16,10.
- ↑ Vaj. Samh. 16,12.
- ↑ Vaj. Samh. 16,11.
- ↑ Vaj. Samh. 13,6.
- ↑ Vaj. Samh. 13,8.
- ↑ Vaj. Samh. 13,7.
Siehe auch
- Shiva Upanishaden
- Upanishad
- Veden
- Mahavakya
- Hinduismus
- Yoga
- Vedanta
- Vedanta Schulen
- Erkenntnis
- Meditation
- Verehrung
Literatur
- Kostenloses Online-Buch Upanishaden von Swami Krishananda
- Klassische Upanishaden - Die Weisheit des Yoga von Paul Deussen, 1980
- Das Kronjuwel der Unterscheidung von Shri Shankaracharya, Kommentar von Emanuel Meyer, 2002
- Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
- Heinrich Zimmer: Philosophie und Religion Indiens, Suhrkamp, 2001
Weblinks
- Veden aus „Göttliche Erkenntnis“ von Swami Sivananda
- Upanishaden, Artikel aus "Göttliche Erkenntnis" von Swami Sivananda
- Buch: Klassische Upanishaden - die 11 wichtigsten Upanishaden in der Übersetzung von Paul Deussen
Seminare
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