Meditations(er)forschung – „Neuronale Korrelate der Unterdrückung der Schreckreaktion unter Zen-Meditation“

Aus Yogawiki

Vortrag auf dem Yoga Vidya-Kongress „Yoga im Lichte der Wissenschaft“ von Stefanie Tangeten

Stefanie Tangeten

Einleitung

Verschiedene Studien belegen, dass regelmäßige Meditationspraxis nicht nur positive Effekte auf den subjektiven Allgemeinwohlzustand hat, sondern ebenso wissenschaftlich nachweisbare Effekte auf den Körper und das Gehirn. Diese Effekte sind nicht auf die Meditationsphase beschränkt, sondern können als nachhaltige Wirkung auf Körper und Geist festgestellt werden. Damit einhergehend kann sich das Verhalten, das Erleben und die gesamte „Persönlichkeit“ grundlegend verändern.

Der meditative Bewusstseinszustand wird als komplexer, mentaler Prozess beschrieben, der Änderungen in Kognition, sensorischer Wahrnehmung, Affekten, Hormonen & autonomer Aktivität beinhaltet (u.a. Ott 2004). Er ist ein hochkonzentrierter, veränderter Bewusstseins- zustand, der verschieden vom Schlaf- und einfachen Wachzustand ist, sowohl physiologisch als auch in der Gehirnaktivität (Coromaldi 2004)

Aus diversen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bereits bekannt, dass unterschiedliche Meditationsformen verschiedene Effekte auf die Physiologie des Meditierenden zeigen.

„Just as aerobics sculpts the muscles, so mental training sculpts the grey matter in ways scientists are only beginning to fathom.” – Sharon Begley-

Allgemeine physiologische bzw. hirnphysiologische Effekte

  • allgemeine Senkung des Blutdrucks & Stoffwechsels
  • Stärkung der Immunfunktion (Davidson et al. 2003)
  • Aktivitätsanstieg in Regionen, die das autonome Nervensystem und die Achtsamkeit regulieren (Lazar et al. 2000)
  • überwiegend positive Emotionen & Affekte (Davidson et al. 2003)
  • dauerhafte Veränderung der Gehirnaktivität im EEG zu messen (Lutz et al.)
  • Synchronisierung der Hemisphären-Gamma-Oszillation (Lutz et al. 2004)
  • Anuraga (=beständige frische Wahrnehmung) (Coromaldi et al. 2004)

Psychologische Effekte

Diverse Studien, u.a. von Richard Davidson, haben gezeigt, dass die Aktivität des linken präfrontalen Cortex, einer Region im vorderen Teil des Stirnhirns, mit subjektiv empfundenen positiven Emotionen einhergeht, während die rechts-präfrontale Aktivtät mit negativen Emotionen korreliert (u.a. Davidson et al. 1999). Bei Langzeit-Meditierenden kann eine Übergewichtung (Lateralisierung) der präfrontalen Aktivität auf der linken Seite des Gehirns festgestellt werden (Goleman 2003).

Je nach emotionalem Grundzustand kann die Reaktion auf aversive, bzw. erschreckende Stimuli verschieden sein. Schreckreize z.B. können bei subjektiv empfundenen negativen Emotionen sehr starke Schreckreaktionen auslösen. Der emotionale Grundzustand bedingt somit die Schreckreaktion (startle response), welche als primitiver Reflex gilt, die mit einer Kaskade von raschen Muskelkontraktionen (speziell um die Augen herum: Eye-Blink-Reflex (EBR)) und Veränderungen der peripher physiologischen Parameter, wie Atemfrequenz, Puls und Hautwiderstand einhergeht.

Die Intensität der Schreckreaktion lässt auf die Stärke der negativen Emotionen schließen. Je größer die Schreckreaktion, desto stärker die Neigung des Betroffenen, negative Emotionen zu empfinden (Goleman 2003). Destruktive Emotionen korrelieren mit der Aktivierung evolutionär primitiver subcorticaler Systeme (wie Amygdala und die neuralen Strukturen zu denen diese projiziert). Das Motivationale System vermittelt spezifische Autonomie (z.B. Veränderungen der Herzrate) und somatische Reflexe (z.B. „startle response“-Veränderungen). Je stärker das motivationale System aktiviert ist, desto stärker ist die Schreckreaktion (Lang 2000).

Aus Studien von Paul Ekman mit den Mönchen des Dalai Lama ist bekannt, dass die Langzeit-Meditierenden (LM) die Schreckreaktion nach Präsentation eines auditiven Schreckreizes intentional unterdrücken konnten bzw. dass es nicht zu den typischen Reaktionen kam, die bei Nicht-Meditierenden (NM) auftritt. Den tibetischen Mönchen gelang es, die typischen Muskelkontraktionen und die physiologischen Veränderungen fast vollständig zu unterdrücken (Goleman 2003). Grundlegend bemerkenswert ist dabei, dass es bisher keiner, der von Paul Ekman untersuchten Versuchspersonen (Nicht-Meditierende) gelang die Auswirkungen einer Schreckreaktion willentlich zu unterdrücken.

In der derzeit laufenden Studie an der Universität Bremen werden LM und NM im Kernspintomographen (KT) untersucht, um die Unterschiede der Hirnaktivität und der Physiologie bei der Präsentation von auditiven Stimuli festzustellen. Dabei wird indirekt der emotionale Grundzustand in der Meditation untersucht.

Umsetzung der Studie an der Uni Bremen

Die Langzeit-Meditierenden (Achtsamkeitsmeditierende, z.B. mit der Praxis des Zen) werden mittels eines anerkannten bildgebenden Verfahrens zur Darstellung der Funktionalität des Gehirns untersucht. Dieses Verfahren wird funktionale Magnetresonanztomographie (kurz: fMRT oder auch Kernspintomographie) genannt. Dabei werden den Probanden auditiv über Kopfhörer sogenannte Startle-Stimuli (Schreckreize) im Kernspintomographen präsentiert. Die Präsentation findet sowohl im einfachen Wachzustand als auch im meditativen Bewusstseinszustand statt. Dabei werden der peripher Puls, die Atemfrequenz und der Hautwiderstand gemessen und die Bewegungen der Augen über eine Kamera auf Video aufgezeichnet.

Um die demographischen Daten der Versuchspersonen zu erfassen werden verschiedene Fragebogen ausgeteilt (Persönliche Daten, Fragebogen zur Praxis). Zur Erfassung der Meditationserfahrung wird die von H. Piron, U. Ott und T. Fehr entwickelte Fragebogensammlung (MTF, FFA & TAS) benutzt. Außerdem wird der häufig verwendete Persönlichkeitstest NEO-FFI (Five Factor Inventory) verwendet, welcher fünf Faktoren der Persönlichkeitsstruktur erfassen soll (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit & Gewissenhaftigkeit). Zur Angabe der subjektiven Meditationstiefe wird den Probanden die Möglichkeit gegeben per Knopfdruck („Button“) die Meditationstiefe anzugeben und des Weiteren nach dem Versuch auf einer Absorptionsskala den Grad der Absorption während der Untersuchung anzugeben. Um die Tagesform des Probanden zu erfassen wird eine eingehende Voranamnese und ein Nach-Interview gemacht, in welchen jeweils das Befinden und die verschiedenen Einflüsse vor und während der Untersuchung abgefragt werden.

Im KT verbringen die Probanden etwa 45 min., in denen zunächst im einfachen Wachzustand für etwa 10 min. das auditive Paradigma präsentiert wird. Danach werden die Meditierenden angewiesen während der 12-minütigen anatomischen Aufnahmen in Meditation zu kommen. Zur Unterstützung wird zu Beginn ein Gong geschlagen, der durch die Kopfhörer zu hören ist. Dabei soll der Proband per Knopfdruck angeben, wenn er subjektiv eine tiefe Meditationstiefe erreicht hat und meint nicht tiefer kommen zu können. Dieses ist dann für die Versuchsleiter das Zeichen, nach den 12 min. der anatomischen Aufnahmen, das zweite Paradigma zu starten, welches wieder 10 min läuft (dieses Mal im meditativen Zustand). Der letzte Durchlauf des Paradigmas, bei gleichzeitiger Aufnahme der Aktivität des Gehirns, wird direkt angeschlossen und läuft wieder ca. 10 min.

Probleme und Lösungsansätze

Homogenität der Versuchsgruppe:

Um die Gruppe der Meditierenden möglichst homogen zu halten, müssen die Probanden folgende Kriterien erfüllen: Sie sollen im Alter zwischen 40 und 65 Jahre alt sein, damit die Unterschiede der „Hirnreife“ nicht so groß sind. Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass sich das Gehirn mit dem Alter sehr stark verändern kann und z.B. in der Leistung abnehmen kann. Spannend wäre dabei die Frage, ob dieses auch für die Gehirne der Meditierenden gilt. Des Weiteren sollte die Versuchsgruppe (sowohl die Meditierenden als auch die Nicht-Meditierenden) das gleiche Geschlecht haben, um Geschlechterunterschiede nicht berücksichtigen zu müssen. Da sich für die Gruppe der Meditierenden insgesamt mehr Männer finden ließen, werden in dieser Studie Menschen von entsprechendem Geschlecht untersucht. Außerdem wird eine Meditationserfahrung von mehr als zehn-jähriger, täglicher Praxis vorausgesetzt, sowie die Teilnahme an mehreren „Sesshins“ (längeren intensiven Meditationsperioden bzw. -seminaren). Alle Probanden sind „Achtsamkeitsmeditierende“ (z.B. Zen). Die freiwilligen Teilnehmer bringen eine intrinsische Motivation mit und werden nicht entlohnt für die Untersuchung. Außerdem sind diese offen für wissenschaftliche Untersuchungen.


Umgebung während der Untersuchung:

Die Untersuchung des meditativen Zustandes im KT hätte sich als schwierig erweisen können, da angenommen wurde, dass die relativ lauten Geräusche des Gerätes und die für die Meditation ungewöhnliche Liegeposition von der Konzentration ablenken würden. Teilnehmende Probanden berichteten jedoch, dass sie die Position des Körpers und die lauten Umgebungsgeräusche ausblenden konnten. Manche meinten sogar, dass sie besser meditieren konnten als Zuhause. Dies könnte mit der übermäßigen Wachheit (Alertness) der Probanden aufgrund der außergewöhnlichen Situation bei dieser Untersuchung und dem Interesse an der Studie gelegen haben. Möglicherweise hat auch das starke Magnetfeld des Gerätes (3 Tesla) Einfluss auf die Meditation gehabt.


Peripher physiologische Parameter und Lidschlagreflex:

Um die Atmung, den Puls und den Hautwiderstand zu messen, müssen speziell für den Kernspintomographen geeignete Geräte verwendet werden. Für die Messung des Hautwiderstandes wurde ein Gerät entwickelt, welches mit einem Magnetfeld von 3 Tesla kompatibel ist. Zur Messung und Aufzeichnung des Pulses und der Atmung liefern die Hersteller von Kernspintomographen inzwischen entsprechende Geräte und Software mit. Zur Erfassung des Lidschlagreflexes (EBR) konnte eine für den KT kompatible Kamera benutzt wurden, während die Daten außerhalb des Gerätes aufgezeichnet werden konnten. Da eine typische Schreckreaktion mit einer Kontraktion spezifischer Muskeln um das Auge herum einhergeht und die Augen gefilmt werden, müssen die Probanden die Augen offen halten. Somit kamen nur Probanden in Frage, die mit offenen Augen meditieren können.

Meditativer Zustand & Meditationstiefe:

Der meditative Zustand lässt sich schwer anhand von äußeren Korrelaten objektiv beschreiben, da es derzeit keine objektiv definierten Parameter gibt, die den meditativen Zustand oder die Meditationstiefe sicher beschreiben. In dieser Studie wurden die peripher physiologischen Parameter (Atmung, Puls & Hautwiderstand) gemessen, weil hier Veränderungen zwischen einfachem Wachzustand und meditativen Zustand vermutet bzw. erwartet werden. Des Weiteren konnten die Probanden ihre subjektiv empfundene Meditationstiefe per Knopfdruck angeben und nach dem Versuch anhand eines Absorptionsfragebogens beschreiben, wie sehr sie in der Meditation absorbiert waren.

Präsentation des auditiven Schreckreizes:

Die Präsentation des Schreckreizes muss ethisch vertretbar gestaltet sein. Damit die Probanden durch die lauten akustischen Reize keine Schäden davontragen, wurde sowohl die Art des Reizes („White Noise“), als auch die Lautstärke (ca. 95 db) mit den zuständigen Instanzen (Gesundheitsamt, Ethikkommission u.a.) und verschiedenen Publikationen im Bereich der Schreckforschung in einer eingehenden Vorrecherche geklärt und verglichen. Um den auditiven Stimulus zu präsentieren, wurden speziell für den KT gefertigte Kopfhörer von der Firma Confon verwendet.


Dauer der Untersuchung:

Um die Zeit der Untersuchung auf möglichst weniger als 2 Stunden zu halten, wurde den Probanden ein erstes und zweites Info-Paket vorausgesendet. Diese Pakete enthielten die meisten der aufgezählten Fragebögen. Um die Probanden schon vorab aufzuklären und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auf den Versuch einzustellen, wurden verschiedene Studien aus dem Bereich Meditationsforschung und Aufklärungen über die eingesetzte Methode (MRT) versandt. Bei einer funktionellen Untersuchung im Kernspintomographen muss einerseits die Struktur des Gehirns und andererseits das Gehirn in verschiedenen Zuständen (mit verschiedenen Aktivitäten) untersucht werden. Dabei wurde (a) die Anatomie des Gehirns gescannt, sowie (b) der Zustand während der Paradigma-Präsentation im einfachen Wachzustand und (c) im meditativen Zustand, sodass die Zeit im KT etwa 45 min betrug.

Bildgebende Verfahren:

Ein Vorteil der Methode des EEGs gegenüber der MRT, ist die Möglichkeit in einer Sitzhaltung zu meditieren und entsprechende Atmosphäre zu schaffen wie z.B. die Abdunklung des Raumes und der Einsatz von Räucherstäbchen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil des verwendeten bildgebenden Verfahrens des MRT, ist die hohe räumliche Auflösung (im Gegensatz zum EEG, welches eine hohe zeitliche Auflösung hat). Mit einer hohen räumlichen Auflösung können die Strukturen und die Aktivität des Gehirns in verschiedenen Regionen relativ gut unterschieden werden. Außerdem können so die subcorticalen und relativ kleinen Regionen des Gehirns relativ gut erfasst werden. Des Weiteren ist dieses Verfahren (die Kernspintomographie) eine non-invasive (nicht in den Organismus eingreifende) Methode, die weder mit Röntgenstrahlen, noch mit Kontrastmitteln arbeitet.

"You should be open-minded, but not so open-minded that your brain falls out." - Ken Wilber-

Untersuchungen dieser Art können die Akzeptanz von Meditation als Praxis zur Erhaltung und Förderung der psychischen, sowie der physischen Gesundheit in der Öffentlichkeit fördern.

Literatur

Daniel Goleman (2003): Dialog mit dem Dalai Lama- Wie wir destruktive Emotionen überwinden können, Carl Hanser Verlag, München, Wien 

James H. Austin (1998): Zen and the Brain, MIT Press

Kraft U. (2005) : Die neuronale Erleuchtung, in Gehirn & Geist, Spektrum Verlag, Nr.10/2005, Seite 12-17

Coromaldi E., Basar-Eroglu C, Stadler M A (2004): EEG-Rythmen während tiefer Meditation: Eine Einzelfallstudie mit einem Zen-Meister, Hypnose und Kognition, 21 (1+2)

Lazar S W, Bush G, Gollub R L, Fricchione G L, Khalsa G & Benson H (2000): Functional Brain Mapping of the relaxation response and meditation, NeuroReport, 11 :1581-1585

Davidson R J, Kabat-Zinn J, Schumacher J, Rosenkranz M, Muller D, Santorelli S F, Urbanski F, Harrington A, Bonus K, Sheridan J F (2003): Alterations in Brain and Immune Function Producted ba Mindfulness Meditation, Psychosomatic Medicine, 65:564-570

Lutz A, Greischar L L, Rawlings N B, Ricard M, Davidson R J (2004): Long-term meditators self-induce high-amplitude gamma synchrony during mental practice, PNAS, November 16, 2004, vol.101 no.46, p. 16369-16373

Lang P, Davis M, Öhman A (2000): Fear and Anxiety: animal models and human cognitive psychology, Journal of Affective Disorders 61, 137-159

Davidson R J, Abercrombie H, Nitschke J B, Putnam K (1999): Regional brain function, emotion and disorders of emotion, Current Opinion in Neurobiology, 9:228-234

Über die Referentin

Stefanie Tangeten studierte unter anderem Neurobiologie und Neuropsychologie an der Universität Bremen. Mit ihrer Diplomarbeit hatte sie die Gelegenheit Langzeit-Meditierende im Kernspintomographen untersuchen zu können. Als Zenpraktizierende ist sie im Vorstand des Zenkreises Bremen e.V. aktiv und leidenschaftliche Yoga-Praktizierende. Engagiert im Arbeitskreis Ken Wilber ist sie an einer integralen Sicht von Körper und Geist interessiert und veranstaltet zusammen mit Prof. Gottwald und Dennis Wittrock das Seminar „Jean Gebser & Ken Wilber – Integrales Bewusstsein in der Gegenwart„ an der Universität Oldenburg.

 

“Beides, Wissenschaft und die Lehren des Buddha erzählen uns von der fundamentalen Einheit aller Dinge.”

Dalai Lama-

Siehe auch