Gheranda Samhita 1. Unterweisung

Aus Yogawiki

Gheranda Samhita, 1. Unterweisung, "Kriyaprayoga" genannt: Die Gheranda Samhita ist eine der 4 Hauptschriften des Hatha Yoga. Das erste Kapitel behandelt die Kriyas, also die Reinigungstechniken. Es geht um die Shatkriyas, auch Shatkarmas genannt, also die 6 Reinigungstechniken. Hier die Verse der 1. Unterweisung bzw. des ersten Kapitels der Gheranda Samhita. Übersetzung von Lore Tomalla, bearbeitet von Mitarbeitern von Yoga Vidya. Texte von Swami Digambarji vom Kaivalya Dham Institut, Lonavla, Maharashtra, Indien.

Gherandha Samhita 1. Unterweisung, Text

Ehrerbietung

Ich verneige mich vor dem ursprünglichen Gott (Adinatha), der zu Beginn aller Wissenschaft den Hatha Yoga lehrte, eine Wissenschaft, die auf der untersten Stufe der Leiter steht, die zu den höchsten Höhen des königlichen Trainings (Raja Yoga) führt. Merke: Das Körpertraining ist der erste Schritt, um den Geist zu trainieren. Ein gesunder Geist kann nur in einem gesunden Körper existieren. So ist Hatha Yoga oder Körpertraining die erste Stufe zum geistigen Training.

Gheranda und Chandakapali - Lehrer und Schüler

1. Einst ging Chandakapali zur Hütte des Gheranda. Nachdem er sich voller Höflichkeit und Verehrung verneigt hatte, fragte er ihn :

2. Oh Herr, oh Meister des Yoga , ich möchte jetzt den Ghatashtha Yoga kennenlernen, durch den man die höchste Wahrheit erfährt.

3. Gut, dass Du fragst, höre aufmerksam zu.

4. Es gibt keine größere Fessel als die Täuschung, es gibt keine größere Kraft als Yoga, es gibt keinen größeren Freund als Wissen und keinen schlimmeren Feind als Egoismus.

5. Wie eine Person zuerst das Alphabet lernt und dann die Shastras (Lehrbücher) lernen kann, so gewinnt man, indem man die Yogatechniken meistert, Kenntnis von der höchsten Wirklichkeit.

6. Der Körper aller Lebewesen ist zurückzuführen auf gute und schlechte Handlungen (Karma). Dieser Körper wieder lässt neue Handlungen entstehen und auf diese Weise geht der Kreislauf weiter wie das Ghatiyantra (Wasserschöpfrad).

7. Wie das Ghatiyantra, dass die Ochsen bewegen, auf- und niedergeht, so ähnlich wird Samsara Chakra, der Kreislauf von Leben und Tod eines Individuums durch sein Karma bewegt.

8. Der Körper vergeht ausnahmslos wie ein ungebranntes irdenes Gefäß, das ins Wasser getaucht wird. Deshalb sollte die körperliche Verfassung durch Yoga gestählt werden.

Die sieben Praktiken des Hatha Yoga

9. Die sieben Hilfen, die Kondition des Körpers zu verbessern sind: Shodhana (Reinigung), Dridhata (Kräftigung), Sthairam (Stetigkeit), Dhairyam (Gelassenheit), Laghavam (Leichtigkeit), Pratyaksham (Verwirklichung), und Nirliptam (Unberührtheit).

10. Die Shatkarmas reinigen den Körper; Asanas kräftigen ihn; Mudra bewirkt Stetigkeit; Pratyahara bewirkt Sanftmut.

11. Pranayama führt zu lichthafter Leichtigkeit; Dhyana bewirkt Verwirklichung des Selbst; Samadhi führt zur Befreiung.

Die Shatkarmas (Kriyas)

12. Man sollte die folgenden Shatkarmas üben: Dhauti, Basti, Neti, Lauliki, Trataka und Kapalabhati.

Dhauti

13. Die Übenden sollen die Unreinheiten des Körpers entfernen durch die Praxis des 4-fachen Dhauti (Reinigung). Antardhauti (innere Reinigung); Danta Dhauti, Hrid Dhauti und Mulashodana.

14. Antardhauti für die innere Reinigung des Körpers hat vier Arten : Vatasara Dhauti, Varisara Dhauti, Vahnisara Dhauti, und Bahishkrita Dhauti.

15. Forme den Mund wie einen Krähenschnabel, ziehe die Luft langsam ein, bewege den Bauch und dann bringe die Luft auf dem unteren Wege wieder hinaus.

16. Vatasara reinigt den Körper, vertreibt alle Krankheiten, steigert die Körperwärme und sollte geheim gehalten werden.

17. Man sollte langsam Wasser trinken, als ob man den Magen bis zur Kehle füllen wollte. Danach bewege den Bauch und schüttele es und bringe es durch den After wieder heraus.

18. Varisara reinigt den Körper. Es sollte geheim gehalten werden und mit großer Anstrengung beherrscht werden. Davon wird der Körper strahlend, als wenn er göttlich wäre.

19. Wirf den Nabel hundertmal gegen die Wirbelsäule. Auf diese Weise von Verdauungsstörungen befreit, steigert man das gastrische Feuer.

20. Vahnisara Dhauti bringt dem Übenden Erfolg im Yoga. Diese sollte geheim gehalten und nicht preisgegeben werden.

21. Man formt Kaki Mudra, füllt den Magen mit Luft, hält sie 1 ½ Stunden zurück und zwingt sie dann am unteren Ausgang wieder heraus.

22. In nabeltiefen Wasser stehend drückt man die Shakti Nadi (Rektum) und wäscht sie mit den Händen, bis sie wieder sauber ist.

23. Wenn die Nadi sauber ist, zieht man sie wieder ein. Dieser Reinigungsvorgang sollte geheim gehalten werden. Sie ist auch von Göttern nicht leicht durchzuführen.

24. Solange die Person es nicht fertig bringt, die Luft 1 ½ Stunden anzuhalten , ist diese große Reinigung, die man Bahishkrita nennt, unmöglich.

25. Danta Dhauti nennt man die Reinigung der Zahnhälse, des Zungengrundes, der Gehörgänge und Nasen- und Nebenhöhlen.

26. Man sollte die Zahnhälse mit dem Extrakt der Khadirapflanze (Acacia Catechu) oder mit Heilerde reiben, bis Unreinheiten beseitigt sind.

27. Die Zahnreinigung gehört zu den Yogapraktiken. Wer Yoga kennt, tut dies jeden Morgen, um die Zähne zu schützen. Diese Zahnreinigung betrachten die Yogis als eine von vielen Reinigungsvorgängen.

28. Nun werde ich den Vorgang der Zungenreinigung erklären. Eine verlängerte Zunge verhindert Krankheiten, Alter und Tod.

29. Den Zeigefinger, Mittel- und Ringfinger steckt man zusammen in die Kehle und reibt die Unreinheiten heraus. Dadurch wird allmählich der Zungengrund gereinigt und man kann frei werden von Krankheiten, die der Schleim verursacht.

30. Man hält die Zungenspitze, zieht sie vorsichtig heraus, reibt sie mit Butter ein und drückt sie wieder und wieder, wie man es beim Melken tut.

31. Man sollte dies regelmäßig und sorgfältig tun, morgens und abends. Wenn man dieses regelmäßig tut, wird die Zunge verlängert.

32. Man sollte den Gehörgang reiben, indem man die Spitze des Zeigefingers hineinsteckt. Durch regelmäßige Praxis wird eine Hörempfindung erfahren.

33.-34. Täglich nach dem Aufwachen, nach dem Essen und vor dem Schlafengehen sollte man das Bhalarandhra reiben, indem man den Daumen der rechten Hand benutzt. Bhalarandhra ist der hinterste Teil des Gaumendaches. Auf diese Weise durch regelmäßige Praxis wird man von Krankheiten, die mit Schleimabsonderung zusammenhängen, befreit. Die Nadi wird gereinigt und die Sicht wird geklärt.

35. Man sollte das dreifache Hrid Dhauti durchführen mit einem Stäbchen durch Erbrechen und mit einem Stück Stoff.

36. Man sollte einen Bananenstängel ,Kurkuma- oder Bambusstängel in den Schlund stecken, dort auf und ab bewegen und dann langsam wieder herausziehen.

37. Man sollte durch den oberen Weg (Mund) Schleim, Galle und Verdorbenes herausbringen. Durch die Praxis von Danda Dhauti kann man sich von Erkrankungen des Schlundes befreien.

38. Bei Übelkeit sollte man Wasser trinken, bis es zur Kehle kommt, eine Weile aufwärts blicken und dann das Wasser herausbringen. Indem man das regelmäßig praktiziert, wird man von Magenkrankheiten befreit.

39. Man sollte langsam einen schmalen Streifen Stoff schlucken. Der Stoffstreifen sollte vier Finger breit sein und 19 bis 25 Ellen lang, und ihn dann langsam wieder herausziehen. Dies nennt man den Dhauti-Vorgang.

40. Diese heilt Geschwulst, Fieber, vergrößerte Milz, Hautkrankheiten und Störungen von Galle und Schleim. Tag für Tag bringt es Gesundheit, Kraft und Wachstum.


41. Die Ausscheidungsfunktion bleibt gestört, solange der Enddarm nicht sauber ist. Man sollte darauf achten, dass er leer ist.

42. Man sollte den After mit einem Kurkumastängel sanft reinigen oder mit dem Mittelfinger und Wasser immer wieder.

43. Dieses Mulashodhana behebt Verstopfung und Verdauungsstörungen, bewirkt strahlenden Teint, wohlgenährten Körper und regt die Verdauungsorgane an.

Basti, Darmreinigung

44. Man sagt, Basti ist von zweierlei Art: Jala Basti und Shushka Basti. Jala Basti übt man im Wasser und Shushka Basti wird immer an Land ausgeführt.

45. Man nimmt die Utkatasana ein, während man nabeltief im Wasser steht. In den After wird ein Röhrchen eingeführt. Um Jala Basti zu praktizieren, wird der Anus zusammengezogen und wieder entspannt.

46. Durch Jala Basti kann man Darmkrankheiten und Blähsucht loswerden. Wer auch immer Jala Basti übt, hat seinen Körper unter Kontrolle und sieht sehr schön aus.

47. Indem man den unteren Teil des Rückens hebt (aus Pavanamuktasana) sollte man den Anus anspannen und entspannen durch Ashvini Mudra.

48. Durch diese Übung hat man nie Verstopfung. Es regt Agni, das gastrische Feuer an und heilt Verdauungsstörungen.

Neti, Nasenreinigung

49. Man sollte in ein Nasenloch einen feinen Streifen Stoff (9 Zoll lang) stecken und durch den Mund wieder herausziehen. Diesen Vorgang nennt man Neti.

50. Die Neti-Übung erleichtert den Khecharivorgang, beseitigt Störungen des Schleims bzw. Kapha und bewirkt gutes Sehen.

Nauli

51. Beweg den Bauch schnell von einer Seite zur anderen. Dieses Lauliki (Nauli) vertreibt alle Krankheiten und steigert die Körperwärme.

Tratak

52. Ohne Zwinkern sollte man eine Minute auf ein Objekt starren, bis die Augen anfangen zu tränen. Dies nennen die Weisen Trataka.

53. Indem man dieses Trataka ständig übt, gelingt Shambavi Mudra viel leichter, Augenkrankheiten werden geheilt und die Sehfähigkeit geschärft.

Kapalabhati

54. Bhalabhati (Kapalabhati) sollte auf drei verschiedene Weisen geübt werden: Vatakrama, Vyutkrama und Sitkrama. Auf diese Weise heilen Störungen des Schleims bzw. von Kapha.

55. Man sollte die Luft durch Ida (das linke Nasenloch) einziehen und durch Pingala (rechtes Nasenloch) ausatmen, dann die Luft wieder durch Pingala einziehen und ausblasen durch Chandra Nadi.

56. Nach dieser raschen Ein- und Ausatmung wird der Atem nicht angehalten. Wenn man das auf diese Weise übt, befreit man sich von Schleimstörungen.

57. Nachdem man Wasser durch beide Nasenlöcher gezogen hat, sollte man es durch den Mund wieder herausbringen. Wiederholt auf diese Weise Wasser einziehen, das nennt man Vyutkrama (Bhalabhati). Dadurch werden Schleimstörungen geheilt.

58. Wenn man mit dem Mund Wasser einzieht, so wie man es tut, um einen Zischlaut hervorzubringen, sollte man es durch die Nasenlöcher wieder ausstoßen. Durch diese Praktik wird man schöner.

59. Alterserscheinungen setzen nicht ein, man leidet nicht unter fieberhaften Erkrankungen. Der Körper wird unter Kontrolle gebracht und ist frei von Schleimstörungen.

60. Auf diese Weise endet die erste Unterweisung, die man Shatkarma Sadhana des Ghatashtha Yoga nennt im Dialog zwischen Gheranda und Chandakapali in der Gheranda Samhita.

Gheranda Samhita, vollständiger Text

Du findest hier im Wiki den vollständigen Text der Gheranda Samhita in der deutschen Übersetzung:

  1. Gheranda Samhita - Viele Infos zu diesem Hatha Yoga Text.
  1. Gheranda Samhita 1. Unterweisung
  2. Gheranda Samhita 2. Unterweisung
  3. Gheranda Samhita 3. Unterweisung
  4. Gheranda Samhita 4. Unterweisung
  5. Gheranda Samhita 5. Unterweisung
  6. Gheranda Samhita 6. Unterweisung
  7. Gheranda Samhita 7. Unterweisung

Siehe auch

  • Hatha Yoga Pradipika - der bekannteste klassische Hatha Yoga Text, geschrieben von Yogi Swatmarama
  • Goraksha Shataka - die Hundert Verse des Goraksha - dre kürzeste der Hatha Yoga Texte
  • Shiva Samhita - Die Sammlung des Shiva - ein ausführlicher Text, der Hatha Yoga und Vedanta miteinander verbindet

Literatur

Ausgaben der Gheranda Samhita

Weblinks