Sanskrit Verb: Unterschied zwischen den Versionen

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Da die Verben des Sanskrit verschiedenen Bildungstypen folgen, werden sie in '''10 Klassen''' eingeteilt. Diese sind im sogenannten [[Dhatupatha]] ("Wurzellese") aufgelistet.
Da die Verben des Sanskrit verschiedenen Bildungstypen folgen, werden sie in '''10 Klassen''' eingeteilt. Diese sind im sogenannten [[Dhatupatha]] ("Wurzellese") aufgelistet.


=== Übersicht: Die Beugung der Verben der 1. Klasse in der Gegenwart ===
== Verbalwurzel, Verbalstamm und gebeugte Verbform ==
 
Um ein Sanskritverb im Wörterbuch zu finden, muss man die Verbalwurzel ([[Dhatu]]) kennen, von der die gebeugte Form abgeleitet ist. Es steht also nicht wie im Deutschen der Infinitiv eines Verbs im Wörterbuch, sondern die Verbalwurzel (z. B. [[bhu|bhū]] "sein, werden").
 
Von dieser Verbalwurzel werden verschiedene Verbalstämme abgleitet, wobei der wichtigste der Präsensstamm ist, von dem die Formen der Gegenwart ([[Vartamana]]) gebildet werden. Dies geschieht durch Anfügen der jeweiligen Personalendungen ([[Vibhakti]]). Mitunter unterscheidet sich die Form des Präsenstammes deutlich von der Verbalwurzel, wie im Falle von '''bhū''' (Präsensstamm '''bhava-''').
 
== Thematische und athematische Konjugation ==
 
Alle Verben des Sanskrit folgen entweder der thematischen oder der athematischen Konjugation. Die 10 Verbklassen, die im [[Dhatupatha]] gelehrt werden, lassen sich somit in zwei Hauptgruppen unterteilen.
 
Zur '''thematischen Konjugation''' gehören die folgenden vier Verbklassen:
 
*1. Klasse oder [[Bhu Klasse]] 
*4. Klasse oder [[Div Klasse]]
*6. Klasse oder [[Tud Klasse]] 
*10. Klasse oder [[Chur Klasse]]
 
Zur '''athematischen Konjugation''' gehören die übrigen sechs Verbklassen:
 
*2. Klasse oder [[Ad Klasse]] 
*3. Klasse oder [[Hu Klasse]] 
*5. Klasse oder [[Su Klasse]] 
*7. Klasse oder [[Rudh Klasse]] 
*8. Klasse oder [[Tan Klasse]] 
*9. Klasse oder [[Kri Klasse]]
 
=== Beispiel der thematischen Konjugation ===
 
*[[bhu|bhū]] (Wurzel, 1. Klasse bzw. [[Bhu Klasse]]) "sein, werden" > '''bhava-''' (Präsensstamm) + '''-ti''' (Personalendung 3. Person Singular Indikativ Präsens) > '''bhavati''' "er (sie, es) ist" bzw. "er (sie, es) wird"
 
'''Bildung:''' Zwischen die ursprüngliche Verbalwurzel (die im Einzelfall noch gewissen Veränderungen unterliegt) und die Personalendung tritt der zum Verbstamm gehörige Themavokal '''-a''': bhav-'''a'''-ti "er (sie, es) ist".
 
=== Beispiel der athematischen Konjugation ===
 
*[[ad]] (Wurzel, 2. Klasse bzw. [[Ad Klasse]]) "essen" > '''ad-''' (Präsensstamm = Wurzel) + '''-ti''' (Personalendung 3. Person Singular Indikativ Präsens) > '''atti''' "er (sie, es) isst"
 
'''Bildung:''' Zwischen die ursprüngliche Verbalwurzel (die im Falle der 2. Klasse identisch mit dem Präsensstamm ist) und die Personalendung tritt '''kein''' Themavokal '''-a''', d.h. die Personalendung tritt direkt an die Wurzel bzw. den Präsensstamm, dessen Auslaut gemäß den Regeln des [[Sandhi]] an den Anfangskonsonanten der Endung angeglichen (assimiliert) wird: ad-ti > atti "er (sie, es) isst".
 
== Übersicht: Die Beugung der Verben der 1. Klasse in der Gegenwart ==


In der folgenden Übersicht wurde das Verb "gehen" (Wurzel: '''[[gam]]''', Stamm: '''gaccha-''') in der Gegenwart für alle drei Personen und Numeri im Indikativ Aktiv konjugiert. Diesem Bildungstyp folgen alle Verben der sogenannten [[Themavokal|thematischen]] Konjugation, nämlich die der 1. Klasse ([[Bhu Klasse]]), 4. Klasse ([[Div Klasse]]), 6. Klasse ([[Tud Klasse]]) und der 10. Klasse ([[Chur Klasse]]), d.h. die Mehrzahl der Verben im Sanskrit.
In der folgenden Übersicht wurde das Verb "gehen" (Wurzel: '''[[gam]]''', Stamm: '''gaccha-''') in der Gegenwart für alle drei Personen und Numeri im Indikativ Aktiv konjugiert. Diesem Bildungstyp folgen alle Verben der sogenannten [[Themavokal|thematischen]] Konjugation, nämlich die der 1. Klasse ([[Bhu Klasse]]), 4. Klasse ([[Div Klasse]]), 6. Klasse ([[Tud Klasse]]) und der 10. Klasse ([[Chur Klasse]]), d.h. die Mehrzahl der Verben im Sanskrit.
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=== Verbalwurzel, Verbalstamm und gebeugte Verbform ===
== Praxistipp ==
 
Um ein Sanskritverb im Wörterbuch zu finden, muss man die Verbalwurzel ([[Dhatu]]) kennen, von der die gebeugte Form abgeleitet ist. Es steht also nicht wie im Deutschen der Infinitiv eines Verbs im Wörterbuch, sondern die Verbalwurzel (in diesem Falle '''gam''' "gehen").
 
Von dieser Verbalwurzel werden verschiedene Verbalstämme abgleitet, wobei der wichtigste der Präsensstamm ist, von dem die Formen der Gegenwart gebildet werden. Dies geschieht durch Anfügen der jeweiligen Personalendungen ('''-mi''', '''-si''', '''-ti''' usw.). Mitunter unterscheidet sich die Form des Präsenstammes deutlich von der Verbalwurzel, wie im Falle von '''gam''' (Präsensstamm '''gaccha-''').
 
Eine weitere Besonderheit der Verben, die der sogenannten thematischen 1. Verbalklasse angehören, ist die Längung des '''-a''' vor den Endungen der 1. Person Singular, Dual und Plural zu '''-ā-'''. Hier noch einmal die Bildung der 1. und 2. Person Singular Indikativ Präsens zum Vergleich:
 
*'''gam''' (Wurzel) > '''gaccha-''' (Präsensstamm) + '''-mi''' (Personalendung 1. Person Singular) > '''gacchāmi''' "ich gehe" (Längung des stammauslautenden '''-a-''' zu '''-ā-''')
 
*'''gam''' (Wurzel) > '''gaccha-''' (Präsensstamm) + '''-si''' (Personalendung 2. Person Singular) > '''gacchasi''' "du gehst" (ohne Längung)
 
=== Praxistipp ===


Man sollte sich nicht von der Komplexität und Vielfalt der Bildung der Sanskritverben abschrecken lassen, auch wenn für ein ernsthaftes Erlernen des Sanskrit ein gewisses analytisches Verständnis von Wortbildung und Grammatik unerlässlich ist.  
Man sollte sich nicht von der Komplexität und Vielfalt der Bildung der Sanskritverben abschrecken lassen, auch wenn für ein ernsthaftes Erlernen des Sanskrit ein gewisses analytisches Verständnis von Wortbildung und Grammatik unerlässlich ist.  


Am Anfang mag es genügen, den Wortstamm und die Endung zu erkennen und die dem Wortstamm zugrunde liegende Verbalwurzel zu identifizieren, um sie im Wörterbuch nachschlagen zu können. Kennt man die am häufigsten vorkommenden Endungen der '''1., 2. und 3. Person Singular''' Indikativ Aktiv ('''-mi''', '''-si''' und '''-ti''') sowie der '''1. und 3. Person Plural''' ('''-maḥ''' und '''-nti'''), so ist bereits eine gute Basis für ein tieferes Eindringen in die Welt der Sanskritverben gelegt. Diese fünf wichtigsten Formen sind in der obigen Übersicht fett hervorgehoben.
Am Anfang mag es genügen, den Wortstamm und die Endung zu erkennen und die dem Wortstamm zugrunde liegende Verbalwurzel zu identifizieren, um sie im Wörterbuch nachschlagen zu können. Kennt man die am häufigsten vorkommenden Endungen der '''1., 2. und 3. Person Singular''' Indikativ Aktiv ('''-mi''', '''-si''' und '''-ti''') sowie der '''1. und 3. Person Plural''' ('''-maḥ''' und '''-nti'''), so ist bereits eine gute Basis für ein tieferes Eindringen in die Welt der Sanskritverben gelegt. Diese fünf wichtigsten Formen sind in der obigen Übersicht fett hervorgehoben.


==Siehe auch==   
==Siehe auch==   
*[[Sanskrit Kurs Lektion 10]]  
*[[Sanskrit Kurs Lektion 10]]  
*[[Sanskrit Verbalwurzel]]
*[[Sanskrit Verbalwurzeln Liste aller Dhatus mit deutscher Übersetzung]]
*[[Sanskrit Verbalwurzeln Liste aller Dhatus mit deutscher Übersetzung]]
    
    

Version vom 16. Februar 2015, 16:08 Uhr

Das Verb

Wie im Deutschen werden die Verben (Akhyata) im Sanskrit gebeugt (konjugiert). Dabei treten an einen Verbalstamm, der von einer Verbalwurzel (Dhatu) abgeleitet wird, verschiedene Personalendungen (Vibhakti). An diesen Endungen erkennt man, um welche Person (Purusha) und Zahl (Numerus, Vachana) es sich handelt. Daher muss das Personalpronomen ("ich", "du" usw.) im Sanskrit nicht eigens ausgedrückt werden, so wie im Italienischen: amo "ich liebe", credo "ich glaube".

Eine Besonderheit des Sanskrit ist, dass es neben der Einzahl (Singular, Ekavachana) und der Mehrzahl (Plural, Bahuvachana) auch eine "Zweizahl" (Dual, Dvivachana) gibt. Der Dual bezieht sich stets auf zwei Personen (z.B.: gacchāvaḥ "wir beide gehen").

Darüber hinaus gibt es die Zeitformen der Vergangenheit (Atita), Gegenwart (Präsens, Vartamana) und Zukunft (Futur, Bhavishyat) sowie verschiedene Modi wie Indikativ (Wirklichkeitsform), Imperativ (Befehlssform), Optativ (Möglichkeitsform), Konditional (Bedingungsform) u.a.

Schließlich unterscheidet man noch zwischen Aktiv (Kartari Prayoga) und Passiv (Karmani Prayoga) bzw. Medium.

Da die Verben des Sanskrit verschiedenen Bildungstypen folgen, werden sie in 10 Klassen eingeteilt. Diese sind im sogenannten Dhatupatha ("Wurzellese") aufgelistet.

Verbalwurzel, Verbalstamm und gebeugte Verbform

Um ein Sanskritverb im Wörterbuch zu finden, muss man die Verbalwurzel (Dhatu) kennen, von der die gebeugte Form abgeleitet ist. Es steht also nicht wie im Deutschen der Infinitiv eines Verbs im Wörterbuch, sondern die Verbalwurzel (z. B. bhū "sein, werden").

Von dieser Verbalwurzel werden verschiedene Verbalstämme abgleitet, wobei der wichtigste der Präsensstamm ist, von dem die Formen der Gegenwart (Vartamana) gebildet werden. Dies geschieht durch Anfügen der jeweiligen Personalendungen (Vibhakti). Mitunter unterscheidet sich die Form des Präsenstammes deutlich von der Verbalwurzel, wie im Falle von bhū (Präsensstamm bhava-).

Thematische und athematische Konjugation

Alle Verben des Sanskrit folgen entweder der thematischen oder der athematischen Konjugation. Die 10 Verbklassen, die im Dhatupatha gelehrt werden, lassen sich somit in zwei Hauptgruppen unterteilen.

Zur thematischen Konjugation gehören die folgenden vier Verbklassen:

Zur athematischen Konjugation gehören die übrigen sechs Verbklassen:

Beispiel der thematischen Konjugation

  • bhū (Wurzel, 1. Klasse bzw. Bhu Klasse) "sein, werden" > bhava- (Präsensstamm) + -ti (Personalendung 3. Person Singular Indikativ Präsens) > bhavati "er (sie, es) ist" bzw. "er (sie, es) wird"

Bildung: Zwischen die ursprüngliche Verbalwurzel (die im Einzelfall noch gewissen Veränderungen unterliegt) und die Personalendung tritt der zum Verbstamm gehörige Themavokal -a: bhav-a-ti "er (sie, es) ist".

Beispiel der athematischen Konjugation

  • ad (Wurzel, 2. Klasse bzw. Ad Klasse) "essen" > ad- (Präsensstamm = Wurzel) + -ti (Personalendung 3. Person Singular Indikativ Präsens) > atti "er (sie, es) isst"

Bildung: Zwischen die ursprüngliche Verbalwurzel (die im Falle der 2. Klasse identisch mit dem Präsensstamm ist) und die Personalendung tritt kein Themavokal -a, d.h. die Personalendung tritt direkt an die Wurzel bzw. den Präsensstamm, dessen Auslaut gemäß den Regeln des Sandhi an den Anfangskonsonanten der Endung angeglichen (assimiliert) wird: ad-ti > atti "er (sie, es) isst".

Übersicht: Die Beugung der Verben der 1. Klasse in der Gegenwart

In der folgenden Übersicht wurde das Verb "gehen" (Wurzel: gam, Stamm: gaccha-) in der Gegenwart für alle drei Personen und Numeri im Indikativ Aktiv konjugiert. Diesem Bildungstyp folgen alle Verben der sogenannten thematischen Konjugation, nämlich die der 1. Klasse (Bhu Klasse), 4. Klasse (Div Klasse), 6. Klasse (Tud Klasse) und der 10. Klasse (Chur Klasse), d.h. die Mehrzahl der Verben im Sanskrit.

Person Zahl Personalendung Devanagari Transliteration Transkription deutsche Wiedergabe
1. Person Singular -mi गच्छामि gacchāmi gachchhami "ich gehe"
2. Person Singular -si गच्छसि gacchasi gachchhasi "du gehst"
3. Person Singular -ti गच्छति gacchati gachchhati "er geht"
1. Person Dual -vaḥ गच्छावः gacchāvaḥ gachchhavah "wir beide(n) gehen"
2. Person Dual -thaḥ गच्छथः gacchathaḥ gachchhathah "ihr beide(n) geht"
3. Person Dual -taḥ गच्छतः gacchataḥ gachchhatah "diese beiden gehen"
1. Person Plural -maḥ गच्छामः gacchāmaḥ gachchhamah "wir gehen"
2. Person Plural -tha गच्छथ gacchatha gachchhatha "ihr geht"
3. Person Plural -nti गच्छन्ति gacchanti gachchhanti "sie gehen"

Praxistipp

Man sollte sich nicht von der Komplexität und Vielfalt der Bildung der Sanskritverben abschrecken lassen, auch wenn für ein ernsthaftes Erlernen des Sanskrit ein gewisses analytisches Verständnis von Wortbildung und Grammatik unerlässlich ist.

Am Anfang mag es genügen, den Wortstamm und die Endung zu erkennen und die dem Wortstamm zugrunde liegende Verbalwurzel zu identifizieren, um sie im Wörterbuch nachschlagen zu können. Kennt man die am häufigsten vorkommenden Endungen der 1., 2. und 3. Person Singular Indikativ Aktiv (-mi, -si und -ti) sowie der 1. und 3. Person Plural (-maḥ und -nti), so ist bereits eine gute Basis für ein tieferes Eindringen in die Welt der Sanskritverben gelegt. Diese fünf wichtigsten Formen sind in der obigen Übersicht fett hervorgehoben.


Siehe auch