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Version vom 11. Mai 2020, 10:55 Uhr
Unhörbarkeit bedeutet, dass etwas oder jemand nicht gehört wird oder werden kann. Normalerweise wollen Menschen gehört, gesehen, anerkannt werden. Wenn sich jemand kein Gehör verschaffen kann, wird das als sehr demütigend empfunden. Manchmal kann es aber auch von Vorteil sein, mal nicht gesehen und nicht gehört zu werden.
Unhörbarkeit
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2020 -
Kommentar zum Yoga Sutra Kapitel 3, Vers 22
Vers 22:
Patanjali schreibt: „Dies erklärt auch das Verschwinden von Lauten und anderem“
Dieser Vers ist die Fortsetzung des 21. Verses, in dem Patanjali gesagt hat, Samyama auf den eigenen Körper führt dazu, dass man nicht gesehen wird. Samyama auf den eigenen Körper führt auch dazu, dass man nicht gehört wird.
Umgekehrt könntest du sagen: Angenommen du gibst einen Vortrag. Denke da nicht ständig daran: „Sage ich das richtig? Ist das gut, wie ich das sage? Ist meine Stimme zu laut oder zu leise?“ Sondern schaue die Menschen an. Konzentriere dich auf die Menschen, zu denen du sprechen willst. Schaffe vielleicht erst eine Herz zu Herz Verbindung, eine Auge zu Auge Verbindung. Spüre sie und wenn du jetzt etwas sagst, werden sie dich hören. Wenn du die Menschen in der letzten Reihe anschaust, wirst du vermutlich die richtige Lautstärke finden. Daher: Um gehört zu werden, konzentriere dich auf die Menschen, mit denen oder zu denen du sprichst. Wenn du dich nur auf dich und auf deine Stimme konzentrierst, wirst du nur bei dir selbst sein.
Dies ist ja auch manchmal das Problem, wenn Menschen anfangen, Gesangsunterricht zu nehmen, um Mantras besser zu singen. Ich erlebe es immer wieder, dass Menschen viel Freude haben am Mantrasingen und sie berühren auch Menschen unter den Zuhörern und sie fühlen sich Gott sehr nahe. Dann nehmen sie einige Gesangsstunden und irgendwo verschwindet Bhava, das tiefe Gefühl. Sie achten, ob ihr Mund ausreichend aufgeht, ob sie richtig atmen, ob der ganze Klangkörper gefüllt ist und so weiter. So verlieren sie die Verbindung mit den Menschen, mit denen sie singen und sie verlieren die Verbindung zu Gott. Und dann ist es hohl und nicht mehr von Liebe erfüllt.
Natürlich muss das nicht immer so sein. Wir haben bei Yoga Vidya große Sänger, die Kirtanisten sind und die Menschen in der Tiefe berühren. Die spürt man, dass sie auch eine Tiefe haben. Und wenn man sieht, wie sich der Mund bewegt, weiß man, die haben Gesangunterricht genommen. Und wenn man sieht wie sie ihre Stimme modulieren, weiß man, sie haben Gesangunterricht genommen. Manchmal ist das wie ein Zwischenstadium. Man muss irgendwann auf die Stimme achten, man muss irgendwann auf die Art, wie man spricht achten. Aber dann muss man wieder die Verbindung zu Gott herstellen und die Verbindung zu den Menschen, zu denen man spricht.
Wenn du auch bei einem Vortrag hauptsächlich auf den Vortrag selbst achtest und nur überlegst, ob das rhetorisch gut ist und überlegst, wie komme ich an, dann wirst du nicht gehört werden. Deine Worte werden keine Wirkung haben. Wenn du aber bei deinem Vortrag voll konzentriert bist auf die Menschen, zu denen zu sprichst, werden deine Worte eine starke Wirkung haben, selbst wenn du vor dich hin stammelst.
Ich muss gerade daran denken: In meiner Anfangszeit auf dem Yoga Weg habe ich viele Vorträge von Swami Vishnu-Devananda transkribiert, das heißt niedergeschrieben und mir ist dabei aufgefallen, wie häufig Swami Vishnu-devananda seine Sätze nicht vervollständigt hat, wie viele Gedankensprünge es dort gab. Während ich im Vortrag war, war ich voll absorbiert darin und ich habe mich tief berühren lassen und irgendwo hatte ich immer das Gefühl, dass er voll zu mir spricht. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass sein englisch stellenweise ziemlich lücken- und fehlerhaft war. Ich bin überzeugt, Swami Vishnu-devananda war bei seinen Vorträgen mit dem Geist bei Gott, bei seinen Zuhörern und es ist aus ihm geflossen. Wenn man das nur nachher transkribiert, niederschreibt, dann wird es etwas schwieriger. Glücklicherweise muss das dann ja ins Deutsche übersetzt werden und so konnte man sehr kreativ mit dem Material umgehen und so gute Artikel für das damalige Sivananda-Yoga-Journal schreiben. Aber es bedurfte einer Menge von Editieren, damit das Material publizierfähig war. Das war nicht bei allen Vorträgen, aber paradoxerweise insbesondere bei denen, bei denen ich am meisten berührt war.
Also, wenn du Musiker bist, wenn du mit Menschen sprichst, wenn du zu Menschen sprichst, Yogastunden gibst, Vorträge gibst: Ja, Technik ist auch gut. Aber wichtiger ist, dass du dich auf die Menschen konzentrierst, zu denen du sprichst. Sonst wirst du nicht gehört. Deine Worte haben keine Wirkung. Willst du Wirkung mit deinen Worten haben, dann konzentriere dich auf die Menschen, zu denen du sprichst.
Video - Unhörbarkeit – Yoga Sutra III 22
Hier ein Vortrag zum Thema Unhörbarkeit – Yoga Sutra III 22 von und mit Sukadev Bretz aus der Reihe Yoga Vidya Schulung, Vorträge zum ganzheitlichen Yoga.
Siehe auch
Literatur
- Sukadev Bretz: Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Sukadev Bretz: Meditieren lernen in 10 Wochen - Übungsbuch mit MP3-CD
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Pfad zur Gelassenheit
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Yoga Vidya: Das große Yoga Vidya Hatha Yoga Buch
Seminare
Yogalehrer Ausbildung
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