Klassische Upanishaden - Die Mandukya-Upanishad des Atharvaveda

Aus Yogawiki

Quelle:
Klassische Upanishaden
Die Weisheit des Yoga
Auszüge aus dem Werk
„Sechzig Upanishads des Veda“
von Paul Deussen
Originalausgabe F.A. Brockhaus, Leipzig, 1897
Neuauflage B. Kleine Verlag GmbH, Bielefeld, 1980

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32805 Bad Meinberg

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Erster Teil

§1

1. Om! Diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt. Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige, dieses alles ist der Laut Om. Und was außerdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om. 2. Denn dies alles ist Brahman, Brahman aber ist dieser Atman (die Seele), und dieser Atman ist vierfach. 3. Der im Stande des Wachens befindliche, nach außen erkennende, siebengliederige, neunzehnmündige, das Grobe genießende Vaishvanara ist sein erstes Viertel. 4. Der im Stande des Träumens befindliche, nach innen erkennende, siebengliederige, neunzehnmündige, das Auserlesene genießende Taijasa ist sein zweites Viertel. 5. Der Zustand, „wo er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet und kein Traumbild schaut“ (Brih. 4,3,19), ist der Tiefschlaf. Der im Stande des Tiefschlafes befindliche, „einsgewordene“ (Brih. 4,4,2), „durch und durch ganz aus Erkenntnis bestehende“ (Brih. 4,5,13), „aus Wonne bestehende“ (Taitt. 2,5), die Wonne genießende, das Bewusstsein als Mund habende Prajna ist sein drittes Viertel.

6. „Er ist der Herr des Alls“ (Brih. 4,4,22), er ist „der Allwissende“ (Mund. 1,1,9), er ist „der innere Lenker“ (Brih. 3,7), er ist die Wiege des Weltalls (vgl. Mund. 1,1,6), denn er ist „Schöpfung und Vergang“ (Kath. 6,11) der Wesen.

Zweitens:

1. Allwärts, außenbewusst Vishva, Innenbewußt ist Taijasa, Ganz nur Bewusstsein ist Prajna, Einer ist's, der für dreie gilt. 2. Aus rechtem Auge blickt Vishva, Im Manas drinnen Taijasa, Im Raum im Herzen weilt Prajna, So ist dreifach im Leib sein Stand. 3. Grobes genießend ist Vishva, Auserlesenes Taijasa, Wonne genießend ist Prajna, Dreifach so sein Genießen ist. 4. An Grobem sättigt sich Vishva, An Auserles'nem Taijasa, An Wonne sättigt sich Prajna, Dreifach ist seine Sättigung.

5. Wer ist in diesen drei Ständen Genießer? was GenussObjekt? Wem dieses wohlbewusst beides, Der genießt und wird nicht befleckt (Isha 2). 6. Ein Ursprung ist aller Wesen Als seiender, das ist gewiss: Der Geist (Purusha) als Lebenskraft (Prana) schuf sie Getrennt wie Sonnenstrahlen nur. 7. Manche halten die Weltschöpfung Für eine Machtentfaltung (vibhuti) nur, Andre wieder für Traum halten Die Schöpfung und für Blendwerk (maya) nur. 8. Viele lassen die Weltschöpfung Auf Wunsch Gottes allein entstehn, Andre glauben, die Zeit habe Alle Wesen hervorgebracht. 9. Zum Genuss sich, zum Spielzeuge Schuf sie Gott, meinen andere; Nein! sie ist Gottes Selbstwesen! Was kann wünschen, wer alles hat?

§2.

Nicht nach innen erkennend und nicht nach außen erkennend, noch nach beiden Seiten erkennend, auch nicht durch und durch aus Erkenntnis bestehend, weder bewusst noch unbewusst, unsichtbar, unbetastbar, ungreifbar, uncharakterisierbar, undenkbar, unbezeichenbar, nur in der Gewissheit des eignen Selbst gegründet, die ganze Weltausbreitung auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos, das ist das vierte Viertel, das ist der Atman, den soll man erkennen. 10. Allgenugsam zur Austilgung Aller Schmerzen, unwandelbar, Als Einheit alles durchdringend Ist der Gott, der der Vierte heißt. 11. WirkungundUrsachbehaftet Sind der Vishva und Taijasa, Ursachbehaftet ist Prajna, Beide gelten vom Vierten nicht. 12. Nicht der Wahrheit noch Unwahrheit, Nicht seiner selbst noch anderer Ist irgend sich bewusst Prajna, Ewig alles der Vierte schaut. 13. Im Nichterkennen der Vielheit Sind der Prajna und Vierte gleich; Doch Prajna liegt im Keimschlummer, Der Vierte keinen Schlummer kennt.

14. Traum und Schlaf sind der zwei ersten, Traumloser Schlaf des Prajna ist, Weder Träumen noch auch Schlafen Schreibt zu dem Vierten, wer ihn kennt. 15. Der Träumende erkennt irrig, Gar nicht erkennt der Schlafende; Beide irren; wo das schwindet, Da wird der vierte Stand erreicht. 16. In anfanglosem Weltblendwerk Schläft die Seele; wenn sie erwacht, Dann wacht in ihr das zweitlose Schlaf und traumlose Ewige. 17. Bestünde die Weltausbreitung, So müsste sie vergehen erst; Doch alle Vielheit ist Blendwerk, Vielheitlos ist die Wirklichkeit.

18. Widerlegbar sind Annahmen Nur, wenn einer sie aufgestellt; Doch hier sind sie nur Lehrmittel; Dem, der weiß, ist die Vielheit nichts.

§3.

8. Dieser Atman nun ist in Bezug auf die Laute (adhyaksharam analog gebraucht wie adhidaivatam, adhyatmam) die Silbe Om, nämlich in Bezug auf seine Moren; die Moren sind die Viertel (des Atman), und die Viertel sind die Moren, nämlich der a-Laut, der u-Laut und der m-Laut. 9. Der im Stande des Wachens befindliche Vaishvanara ist der a-Laut, der erste Mora, von dem Erlangen (apti) oder von dem Erstersein (adimattvam). Der, fürwahr, erlangt alle Wünsche und wird zum Ersten, der solches weiß! 10. Der im Stande des Träumens befindliche Taijasa ist der u-Laut, die zweite Mora, von dem Hochhalten (utkarsha) oder von dem Beiderseitssein (ubhayavam). Der, fürwahr, hält hoch die Tradition des Wissens (in seiner Familie) und wird von beiden Seiten (Freund und Feind) gleich geachtet, und keiner, der nicht das Brahman kennte, wird in seiner Familie sein, der solches weiß! 11. Der im Stande des Tiefschlafes befindliche Prajna ist der m-Laut, die dritte Mora, von dem (durch mi minoti bezeichneten) Aufbauen (miti) oder auch von dem (durch mi minati bezeichneten) Vernichtetwerden (apiti). Der, fürwahr, baut (aus sich) diese ganze Welt auf und ist ihre Vernichtung, der solches weiß! 19. Sehr gleicht Vishva dem a-Laute Durch Ähnlichkeit des Ersterseins, Durch Moren-Übereinstimmung Sind auch gleich im Erlangen sie.

20. Taijasa gleicht dem u-Laute In dem Hochhalten offenbar, Durch MorenÜbereinstimmung Sind auch gleich sie im Beidessein. 21. Sehr gleicht Prajna dem mLaute Durch des Aufbauens Ähnlichkeit, Durch MorenÜbereinstimmung Sind auch gleich im Vernichten sie. 22. Weil er in den drei Zuständen Klar durchschaut diese Ähnlichkeit, Darum gebührt dem Hochweisen Von allen Wesen Ehr' und Preis.

23. Der A-Laut führt zum Ziel Vishva, Der U-Laut führt den Taijasa, Der M-Laut führt zum Ziel Prajna, Kein Ziel des Moralosen ist.

§4.

Om-Zeichen

12. Moralos ist der Vierte, unbetastbare, die ganze Weltausbreitung auslöschende, selige, zweitlose. In dieser Weise ist die Silbe Om der Atman (das Selbst). Der geht mit seinem (individuellen) Selbste in das (höchste) Selbst ein, wer solches weiß, wer solches weiß. 24. Nach Vierteln wissen den Om-Laut, Seine Moren die Viertel sind; er nach Vierteln den Om-Laut kennt, Braucht nichts weiter zu wissen mehr. 25. Im heil'gen Ruf geh' auf denkend, Er ist Brahman, das furchtlose, Wer stets im heil'gen Ruf aufgeht, Der fürchtet sich vor keinem mehr. 26. Der heil'ge Ruf ist das nied're, Er ist das höh're Brahman auch, „Ohne Früheres und Spät'res, Ohne Inn'res und Äußeres“ (Brih. 2,5,19).

27. Denn er ist aller Welt Anfang, Ist Mitte ihr und Ende auch, Wer so den heil'gen Ruf weiß, der Wird alsbald mit ihm eins sodann. 28. Den heil'gen Ruf als Gott wisse, Der im Herzen von allem thront; Der Weise, der den Om-Laut kennt Als allerfüllend, trauert nicht. 29. Unendlichteilig und teillos, Ist er der Zweiheit sel'ge Ruh; Wer als solchen den Om-Laut kennt, Ist ein Muni, kein anderer.

Zweiter Teil (genannt Vaitathyam, „die Unwahrheit“)

1. Alles, was wir im Traum sehen, Ist unwahr, sagen Weise uns, Weil alles dies nur inwendig, Weil es in uns beschlossen liegt; 2. Auch weil die Zeit zu kurz wäre Zum Besuch ferner Gegenden, Und weil wir ja beim Aufwachen Nicht sind in jenen Gegenden. 3. „Da sind nicht Wagen, nicht Straßen,“ Lehrt die Schrift (Brih. 4,3,10) und das Denken uns, So ist des Träumens Unwahrheit Erwiesen und auch offenbart. 4. Weil Vielheit hier nur inwendig, Ist sie es auch im Wachen nur; Hier wie dort ist nur Vorstellung, In uns beschlossen, hier wie dort. 5. Des Träumens Zustand und Wachens Als derselbe den Weisen gilt, Denn gleich ist beiden die Vielheit, Aus diesem wohl erwiesenen Grund.

6. Was nicht vorher und nicht nachher, Ist auch nicht in der Zwischenzeit; Obwohl es unwahr ist, wird es Für nicht unwahr doch angesehn. 7. Des Wachens Tun ist zweckmäßig, Aber nicht, wenn wir träumen mehr; Drum, weil es anfängt und aufhört, Kann auch es nur auf Trug beruhn. 8. Auch was am Traume neu, stammt nur Aus dem Geist, und wenn Götter ihm Erscheinen, schaut er sie so nur, Wie er über sie ward belehrt. 9. Was er träumend im Geist bildet Innerlich, das ist unreal, Wiewohl sein Geist es griff draußen, Als gesehn unwahr beides ist.

10. Was er wachend im Geist bildet Innerlich, das ist unreal, Wiewohl sein Geist es griff draußen, Folgerecht unwahr beides ist. 11. Wenn nun beiderlei Vielheiten Unwahr im Traum und Wachen sind, Wer erkennt beide Vielheiten, Wer stellt sie im Bewusstsein vor? 12. Durch Selbsttäuschung der Gott Atman Stellt sein Selbst durch sich selber vor, Erkennend beide Vielheiten, Feststeht dieser Vedantasatz. 13. Umwandelnd stellt er als andres Vor, was nur im Bewusstsein ist, Als draußen und als notwendig Stellt in sich es der Atman vor. 14. Geist ist des Innern Zeitmesser, Die Vielheit der des Äußeren, Ihr Unterschied liegt nur hierin, Als Vorstellung sind beide gleich.

15. Undeutlich ist die Welt drinnen Deutlich die Welt, die draußen liegt; Dem Sinnorgan nach verschieden, Sind als Vorstellung beide gleich. 16. Die Seele stellt man vor erstlich, Sodann der Dinge Sonderheit, Der äußeren und der drinnen, Wie man weiß, so erinnert man. 17. Wie ein Strick, nicht erkannt deutlich Im Dunkeln, falsch wird vorgestellt Als Schlange, als ein Strich Wasser, So wird falsch vorgestellt, das Selbst (Atman). 18. Wie, wenn der Strick erkannt deutlich, Und die falsche Vorstellung weicht, Er nur Strick bleibt unzweiheitlich, So, wenn deutlich erkannt, das Selbst. 19. Wenn er als Pranas, als alle Die vielen Dinge uns erscheint, So ist das alles nur Blendwerk (maya), Mit dem der Gott sich selbst betrügt.

20. Prana-Kennern ist er Pranas (Vaisheshikas), Elemente dem, der sie kennt (Lokayatikas), Guna-Wissern ist er Gunas (Sankhyas), Tattvas ist er dem, der sie kennt (Shaivas). 21. Viertelwissern ist er Viertel (Mandukya-Up.), Sinnlichkeitswissern Sinnlichkeit (Vatsyayana), Den Weltraumwissern Welträume (Pauranikas), Göttern den Götterkundigen (Veda-Angängern). 22. Den Vedawissern ist Vedas, Den Opferwissern Opfer er, Genießer denen die diesen, Genussobjekt, die dies verstehn. 23. Subtil für solche die dieses, Grob für solche, die dies verstehn, Gestaltet denen, die dieses, Ungestaltet, die dies verstehn. 24. Zeit ist er für die Zeitwisser, Für Raumkenner ist er der Raum, Künste ist er für Kunstkenner, Weltschichten dem, der diese kennt.

25. Für Manas-Kenner ist Manas , Für Buddhi-Kenner, Buddhi er, Geist ist er für die Geistwisser, Recht und Unrecht dem, der die kennt. 26. Fünfundzwanzigfach für diese (Sankhyas), Jenen als sechsundzwanzigster (Patanjalas), Einundreißigfach für andre (Pashupatas), Unendlich gilt für viele er. 27. Welten ist er dem Weltkenner, Lebensstadien, dem der sie kennt, Drei-Genushaft den Sprachlehrern, Andern nied'res und höheres (sc. Brahman). 28. Für Schöpfungwisser Weltschöpfung, Für Vergangwisser Weltvergang, Weltbestand für Bestandwisser, So ist alles er allerwärts. 29. Welches Sein man so andichtet Dem Atman, dafür hält er sich, Das hegt er und, zu ihm werdend, Gibt er ihm sich als Dämon hin.

30. Er selbst ist alle Seinsformen, Von denen er verschieden scheint, Wer dies weiß, wird sich vorstellen Ohne Scheu, wie es wirklich ist. 31. Wie Traum und Blendwerk man ansieht, Wie eine Wüstenspiegelung, So sieht an dieses Weltganze, Wer des Vedanta kundig ist. 32. Kein Vergang ist und kein Werden, Kein Gebundner, kein Wirkender, Kein Erlösungsbedürftiger, Kein Erlöster, der Wahrheit nach. 33. Als unreale Seinsformen Und als Einer wird er gedacht, Doch wer sie denkt, ist stets Einer, Drum die Einheit den Sieg behält. 34. Nicht auf den Atman stützt Vielheit Und auch nie auf sich selber sich, Nicht neben ihm und nicht durch ihn Kann bestehn sie, das ist gewiss.

35. Furcht, Zorn und Neigung ablegend, Schaut zweiheitlos und wandellos Der Weltausbreitung Aufhören Der Muni, der den Veda kennt. 36. Wer so erkannt der Welt Wesen, Der halte an der Einheit treu; Der Zweiheitlosigkeit sicher, Geht er kalt an der Welt vorbei. 37. Von Preisen frei und Lobsingen, Ja, auch ohne den Manenkult, In allem, was da lebt, heimisch, Lebt er so „wie es eben kommt“ (Brih. 3,5). 38. Das Wesen in sich selbst sehend, Das Wesen in der Außenwelt, Zu ihm werdend, in ihm ruhend, Hält er treu an dem Wesen fest.

Dritter Teil (genannt Advaitam, „die Zweiheitlosigkeit“)

1. Verehrung das Gebot fordert Des Brahman als Gewordenen, Eh' es ward, war es noch nicht da, Drum armselig Verehrer sind. 2. Was nicht armselig, hört jetzo, Ungeboren, gleich allerwärts, Und warum nichts entsteht irgend, Obwohl entstanden überall. 3. Der Atman gleicht dem Weltraume, Der Jiva gleicht dem Raum im Topf, Die Töpfe sind die Leibstoffe, Was „entstehn“ heißt, dies Gleichnis zeigt. 4. Wenn die Töpfe zu Grund gehen, Was wird dann aus dem Raum im Topf? Er zergeht in dem Weltraume, So der Jiva im Atman auch.

5. Wie, wenn in einem Topfraume Staub sich vorfindet oder Rauch, Nicht alle Räume dies teilen, So die Jivas nicht Lust und Leid. 6. Ja, Formen, Wirkungen, Namen Sind verschieden nach ihrem Ort, Doch der Raum, den sie einnehmen, Ist sich gleich, so die Jivas auch. 7. Wie der Topfraum vom Weltraume Kein Produkt ist und auch kein Glied, So ist der Jiva vom Atman Kein Produkt, auch kein Glied von ihm. 8. So wie der Himmelsraum Kindern (Obwohl farblos,) als blau erscheint, So scheint behaftet mit Flecken Unerfahren der Atman auch. 9. Was Sterben und Entstehn angeht, Fortgehn und Wiederherkommen Und alle Körper Durchsetzen, Ist dem Raume vergleichbar er.

10. Doch traumgleich alle Leibstoffe Als Trug der Atman breitet aus; Weder als gleich noch als ungleich An Rang lassen sie denken sich. 11. Als Seele (jiva) in den fünf Hüllen, So lehrt das Taittriyakam (Taitt. Up. 2), Der höchste Atman versteckt ist, Er, den dem Raum verglichen wir. 12. Im Honigteile (Brih. 2,5) wird paarweis Das höchste Brahman aufgezeigt, Wie in der Erd' und im Leibe, Er, den dem Raum verglichen wir. 13. Wenn die Schrift Jiva und Atman Durch Gleichsetzung für eins erklärt, Verwerfend alles Vielheitsein, So ist das wahr in vollem Sinn. 14. Doch wenn auch vor der Weltschöpfung Sie beide auseinander hält (Chand. 6,3,2), So gilt das bildlich, nicht wörtlich, Und nur von dem, was werden soll.

15. Und wenn sie überhaupt Schöpfung Im Bild von Ton, Erz, Funken lehrt (Chand. 6,1,3. Brih. 2,1,20), So dient dies nur als Lehrmittel (vgl. 1,18), Denn „nicht ist Vielheit irgendwie“ (vgl. Brih. 4,4,19). 16. Schüler gibt es in drei Stufen, Schwache, mittlere, treffliche; Um ihrer willen, aus Mitleid Verehrungsobjekt Brahman wird. 17. Auf ihrer Sätze Standpunkt stehn Zuversichtlich die Zweiheitler, Doch widersprechen sie selbst sich, Bei uns fehlt dieser Widerspruch. 18. In Wahrheit ist die Unzweiheit, Zweiheit nur in der Spaltungswelt; Sie lehren beiderseits Zweiheit, Bei uns fehlt solcher Widerspruch. 19. Als Blendwerk nur besteht Spaltung Jenes Einzigen, Ewigen, Denn wäre Spaltung in Wahrheit, Sterblich würde, was ewig ist.

20. Vom ungewordnen Sein nehmen Jene Lehrer ein Werden an, Was ungeboren, unsterblich, Wie könnte sterblich werden das? 21. Was unsterblich, kann nicht sterblich, Was sterblich, nicht unsterblich sein, Kein Ding kann anders sein jemals, Als es seiner Natur nach ist. 22. Wenn ein unsterblich Dasein Überginge in Sterblichsein, Nur scheinbar wär' es unsterblich, Wo bliebe seine Ewigkeit? 23. Von Wahrheit oder Schein redend, Stets von der Schöpfung Gleiches lehrt Die Schrift, sicher und grundhabend, Ist's, wie sie sagt, und anders nicht. 24. „Nicht ist hier Vielheit“ so heißt es (Brih. 4,4,19), „Durch Blendwerk vielfach Indra geht“ (Brih. 2,5,19), „Als ungeboren wird vielfach“ Durch Blendwerk nur geboren er.

25. Durch Bestreitung der Sambhuti (Isha 12) Wird ein Entstehen abgewehrt; „Wer könnte ihn hervorbringen?“ Dies Wort zeigt ihn als ursachlos. 26. Das Wort: „er ist nicht so, nicht so“ (Brih. 4,2,4), Absprechend alles Sagbare, Kann, wie die Unerkennbarkeit Zeigt, auf Ihn sich beziehen nur. 27. Das Seiende kann nicht werden, Es wäre denn durch Blendwerk nur; Wer es in Wahrheit lässt werden, Lässt werden, was schon war vorher. 28. Nicht in Wahrheit, noch als Blendwerk Kann je entstehn Nichtseiendes; Ein Sohn der Unfruchtbaren wird Nicht in Wirklichkeit, noch im Schein. 29. Wie im Traume der Geist regt sich, Als viel scheinend durch Täuschung nur, So im Wachen der Geist regt sich, Als viel scheinend durch Täuschung nur.

30. Als viel erscheint, der nur eins ist, Im Traum der Geist, das ist ja klar; Als viel erscheint, der nur eins ist, Der wache Geist, auch das ist klar. 31. Alles wird nur im Geist sichtbar, Was als Vielheit hier geht und steht; Und wenn der Geist von sich selbst kommt, Ist die Vielheit nicht sichtbar mehr. 32. Sobald der Geist nicht mehr vorstellt, Weil ihm aufging das Atmansein, Nimmt, als Nichtgeist, er nicht wahr mehr, Weil nichts mehr wahrzunehmen bleibt. 33. Als ewig wandellos Wissen, Vom Gewussten verschieden nicht, Das Brahman wird gewusst allzeit. Vom Ew'gen Ew'ges wird gewusst. 34. Dieser Vorgang besteht darin, Dass zwangweis alle Regungen Des Geistes unterdrückt werden, Anders ist es im tiefen Schlaf.

35. Der Geist erlischt im Tiefschlafe, Nicht erlischt er, wenn unterdrückt, Sondern Brahman, das furchtlose, Wird er, ganz nur Erkenntnislicht, 36. Das ew'ge, schlaf und traumlose, Das ohne Namen und Gestalt, „Mit eins aufleuchtend“ (Chand. 8,4,1), allwissend, Ihm gilt keine Verehrung mehr. 37. Von ihm weicht alle Wehklage, In ihm ist keine Sorge mehr, Ganz befriedigt, mit eins Licht, ist Festes, furchtloses Sinnen es. 38. Kein Nehmen ist da, kein Geben, Wo keine Sorge mehr besteht, Dann ist nur in sich selbst ruhend Das ew'ge Wissen, selbst sich gleich. 39. Das heißt der UngefühlYoga, Schwer zu schauen dem Yogin selbst, Da auch selbst Yogins ihn scheuen, Vor dem Furchtlosen fürchtend sich.

40. Der Geist muss unterdrückt werden, Damit zu teil dem Yogin wird Das Furchtlose, das Schmerzlose, Die Erweckung, die ew'ge Ruh. 41. Wie wenn zerfließt im Weltmeere Der Tropfen, der am Grashalm hing, So des Geistes Unterdrückung Erfolgt ohne Beschwerlichkeit. 42. Man unterdrücke methodisch Den Geist, den Wunsch und Lust zerstreut, Ganz ruhig wird er dann schwinden, Sein Schwinden ist wie Liebeslust. 43. Man weiß, dass alles voll Schmerzen, Und wendet sich von Wunsch und Lust; Man weiß, dass alles nur Brahman, Und sieht nicht das Gewordne mehr. 44. Weckt den Geist, will er nichts werden (einschlafen), Sammelt ihn, will er sich zerstreun; Beides wisse man als sündhaft; Ward er brahmangleich, stört ihn nicht!

45. Freilich schmeckt er dann nicht Lust mehr, Keiner Begierde sich bewusst; Sein Denken, ungestört wirkend, Strebe eifrig zur Einheit hin. 46. Wenn dann weder im Schlaf schwindet Der Geist, noch auch Zerstreuung sucht, Dann tritt hervor er als Brahman, Regungslos und vom Scheine frei. 47. Als frei, beruhigt und leidlos, Als unaussprechlich höchste Lust, Als ewig, ewigen Objekts Allbewusst, schildern Kenner es. 48. Keine Seele entsteht jemals, Kein Entstehn ist der ganzen Welt, Das ist die höchste Heilswahrheit, Dass es nirgend ein Werden gibt!

Vierter Teil (genannt Alatashanti, „die Beilegung des Feuerbrandes“)

Die Hüllen des Menschen verbergen den Atman

1. Der wie Wolken im Weltraume Die Vielheiten im Einen weiß, Das Subjekt und zugleich Objekt Ist, ihm ehr' ich, den Purusha! 2. Den wir als UngefühlYoga, Allem Seienden freund und gut, Widerspruchlos, unanfechtbar, Aufgezeigt (3,39), ihm Verehrung sei! 3. „Ein Werden ist nur des, was ist“, So sagen manche Denker uns; „Nein! des, was nicht ist“, so andre, Gegenseitig in Widerspruch. 4. „Was ist, das kann doch nicht werden!“ „Was nicht ist, kann auch werden nicht!“ So streitend, für das Nichtwerden, Gleich Nichtzweiheitlern, zeugen sie. 5. Uns freut, wenn sie dadurch zeigen, Dass ein Werden unmöglich ist; Dass wir uns nicht, wie sie alle, Widersprechen, das höret jetzt.

6. Des Ungewordenen Werden Nehmen jene Behaupter an, Doch, was nicht ward, was unsterblich, Wie könnte sterblich werden das? 7. Was unsterblich, kann nicht sterblich, Was sterblich, nicht unsterblich sein, Kein Ding kann anders sein jemals, Als es seiner Natur nach ist (= 3,21). 8. Wenn ein unsterbliches Wesen Überginge in Sterblichsein, Nur scheinbar wär' es unsterblich, Wo bliebe seine Ewigkeit (= 3,22)? 9. Wesenseigen, bestandbildend, Angeboren und ungemacht, Das eigne Sein nie aufgebend, So ist, was „die Natur“ (Prakriti) man nennt. 10. Ungeboren und unsterbend Sind Selbstheiten (dharma) dem Wesen nach; Der ist der Selbstheit unkundig, Der sie entstehn und sterben lässt.

11. Für wen die Ursache wird Wirkung, Der lässt werden die Ursache, Wie kann, was ewig ist, werden? Wie, was eigen ist, trennen sich? 12. Wird die Ursache selbst Wirkung, Dann ist ewig die Wirkung schon, Und doch wird sie! und ihr Werden Lässt die Ursach verloren gehn! 13. Nein! Wer das Ew'ge lässt werden, Dem steht keine Erfahrung bei; Und wer Gewordnes lässt werden, Verfällt in ewigen Regress! 14. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung, Und der Grund Ursprung des Erfolgs, Dann wären anfanglos beide, Grund und Erfolg, wie kann das sein? 15. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung, Und der Grund Ursprung des Erfolgs, Dann ist wohl das Entstehn beider, Wie wenn der Sohn den Vater zeugt?

16. Grund und Erfolg, wenn entstanden, Erheischen Reihenfolge doch; Denn entstehen sie gleichzeitig, Wie zwei Hörner, so fehlt das Band. 17. Dass aus Erfolgen entspränge Der Grund selbst, ist beweisbar nicht, Und ist der Grund unbeweisbar, Wie kann er wirken den Erfolg? 18. Wenn aus Erfolg der Grund folgte Und aus dem Grunde der Erfolg, Welcher von beiden ist früher, Und sein Folgen nur relativ? 19. So legt Unmöglichkeit (4,14), Unsinn (4,15) Und Verwirrung der Zeitordnung (4,1618), In die die Gegner stets fallen, Für das Nichtwerden Zeugnis ab. 20. Der Fall von Samen und Pflanze Ist nur scheinbar beweisend hier; Was aber nur beweist scheinbar, Ist zum Beweisen tauglich nicht.

21. Der Widersinn der Zeitfolge (4,15) Bestätigt das Nichtwerden nur; Da Werdendes zurückweisen Sicher würde auf Früheres. 22. Nicht aus sich selbst, noch aus anderm Kann ein Wesen entstehen je; Nicht als seiend, noch nichtseiend, Noch als beides, kann er entstehn. 23. Grund und Erfolg, wenn anfanglos, Schließen das Werden von sich aus; Wofür es gibt kein Anfang, Dafür gibt keinen Anfang es. 24. Wahrnehmung müsse Grund haben, Weil unmöglich ihr Wechseln sonst, Auch sein von uns unabhängig Schmerz und Wahrnehmung, meinen sie. 25. Wahrnehmung müsse Grund haben, So beweisen sie künstlich uns, Doch dass der Grund keinen Grund hat, Das lehrt Wesensbetrachtung uns.

26. Der Geist berührt nicht Objekte Und auch nicht der Objekte Schein; Wenn unreal die Objekte, Ist's auch, vom Geist getrennt, ihr Schein. 27. Auch nicht, in den drei Zeitläuften, Berührt je ein Objekt den Geist; Grundloser Schein noch viel wen'ger; Wie könnte werden der zum Grund! 28. Darum ist nirgend ein Werden, Im Subjekt nicht, im Objekt nicht; Wer eins von beiden lässt werden, Der wandelt in den Wolken nur. 29. Weil sonst das Ewige würde, Ist unwerdend die Wesenheit; Kein Ding kann anders sein jemals, Als es seiner Natur nach ist (= 3,21. 4,7). 30. Wär' anfanglos das Samsara, So könnte er nicht endlich sein; Wär' die Erlösung anfangend, Sie könnte nicht unendlich sein.

31. Was nicht vorher und nicht nachher, Ist auch nicht in der Zwischenzeit; Obwohl es unwahr ist, wird es Für nicht unwahr doch angesehn (= 2,6). 32. Des Wachens Tun ist zweckmäßig, Aber nicht, wenn wir träumen, mehr; Drum, weil es anfängt und aufhört, Kann auch es nur auf Trug beruhn (= 2,7). 33. Was im Traume wir wahrnehmen, Ist irrig, weil im Körper nur; Wie ließen Dinge sich schauen In diesem eingeschlossnen Raum?

34. Auch ist die Zeit nicht hinreichend, Hinzugehen, um sie zu sehn; Auch finden wir beim Aufwachen Uns nicht da, wo wir sie gesehn (vgl. 2,2). 35. Und was mit andern man absprach, Besteht nicht mehr, wenn man erwacht; Und was im Traume man fasste, Hält man, erwacht, in Händen nicht. 36. Auch das, was wir von dem Leib träumen Ist unwahr und nicht wie es ist; Unwahr wie dieses, ist alles, Was der Geist nimmt im Wachen wahr. 37. Was wir, wie wachend, wahrnehmen Im Traum, hat seinen Grund in uns; So hat in uns seinen Grund auch, Was wir im Wachen nehmen wahr. 38. Unbegreiflich ist Entstehung; Alles als ewig lehrt die Schrift; Nimmermehr kann hervorgehen Aus Seiendem Nichtseiendes (Werdendes).

39. Nichtseiendes sehn wir wachend; Das Traumbild ist aus gleichem Stoff; Nichtseiendes sehn wir träumend; Wenn wir erwachen, ist es nichts. 40. Nichtsein gebiert doch nicht Nichtsein, Nichtsein gebiert auch nicht das Sein; Und auch das Sein gebiert Sein nicht; Sein kann Nichtsein gebären nicht. 41. Wie man im Wachen aus Irrtum Unmögliches als seiend fasst, So auch im Traume aus Irrtum Sieht man Wesen erscheinen sich. 42. Aus Wahrnehmung und Herkommen Halten am Realismus sie; Was sie kennen ist nur Werden, Zurückschreckend von dem, was ist. 43. Manche, vom Sein zurückschreckend, Wenn auch nicht bloße Wahrnehmler, Des Werdens Mängel nicht meiden; Mängel bleiben es, wenn auch klein.

44. Durch Wahrnehmung, durch Herkommen Heißt auch ein Blendwerk Elefant; Durch Wahrnehmung, durch Herkommen Heißt auch das Ding ein seiendes. 45. Werden ist Schein, Bewegung Schein, Das Dingliche ist bloßer Schein; Nichtwerdend, unbewegt, dinglos, Still, zweiheitlos die Wahrheit ist. 46. So ist kein Werden im Subjekt, Im Objekt kein Werden ist; Wer dieses hat erkannt einmal, Fällt nicht zurück ins Gegenteil. 47. Wie Funkenschwingung den Schein gibt Grader und krummer Linien, So den Schein Bewusstseinsschwingung Von Auffassen und Auffasser.

48. Wie ungeschwungen der Funke Nicht erscheint, nicht entsteht (als Kreis), So Bewusstsein ungeschwungen Erscheint nicht und entsteht auch nicht. 49. Schwingt der Funke, so kommt der Schein Nicht von außen her irgendwie, Nicht von anderm als dem Schwingen, Nicht ist Zuwachs dem Funken er. 50. Auch nicht entflieht er dem Funken, Weil er nicht hat ein Wirklichsein, Ebenso ist's beim Erkennen, Denn auch dieses ist bloßer Schein. 51. Schwingt Erkenntnis, so kommt der Schein Nicht von außen her irgendwie, Nicht von anderm als dem Schwingen, Nicht ist Bewusstseinszuwachs er.

52. Nicht entflieht er dem Bewusstsein, Weil er nicht hat ein Wirklichsein; Weil Verursachtsein unwirklich, Ist als wirklich undenkbar er. 53. Ein Ding, so meint man, sei Ursach Des Daseins für ein andres Ding, Doch für die Wesenheit gibt es Kein Dingsein und kein Anderssein. 54. Weder aus Geist entspringt Dasein, Noch aus Dasein entspringt der Geist; Drum nehmen Weise kein Werden Des Grunds oder Erfolges an. 55. Wer noch Grund oder Erfolg annimmt, Dem entstehn aus einander sie; Wer frei von dieser Annahme, Für den entstehen sie nicht mehr.

56. Wer noch Grund und Erfolg annimmt, Für den streckt der Samsara sich; Wer frei von dieser Annahme, Der ist auch vom Samsara frei. 57. Wer geistumnachtet, sieht werdend Alles, ein Ew'ges kennt er nicht; In Wahrheit alles ist ewig, Vernichtetwerden gibt es nicht. 58. Die Wesenheiten, die werden, Die werden nicht in Wirklichkeit; Ihr Entstehen ist nur Blendwerk, Und Blendwerk ist nicht Wirklichkeit.

59. Wie, wo der Same nur Blendwerk, Auch die Pflanze ein solches ist, Nicht wesenhaft noch austilgbar, So steht's mit allen Dingen hier. 60. Da alle Dinge nicht wirklich, Gibt nicht Dauer es noch Vergang; Wo alle Farben wegfallen, Ist keine Unterscheidbarkeit. 61. Wie in des Traumes Scheinvielheit Der Geist irrtümlich ist verstrickt, So in des Wachens Scheinvielheit Ist irrtümlich der Geist verstrickt. 62. Wie träumend eine Schein-Vielheit Erblickt der vielheitlose Geist, So wachend eine Schein-Vielheit Erblickt der vielheitlose Geist. 63. Was man, im Traum umherschweifend In allen Himmelsgegenden, An Tieren, Vögeln, Insekten Nur immer wahrzunehmen meint,

64. Das besteht nirgendwo anders Als im Geiste des Träumenden; Drum alles, was er dann sieht, ist Nur Bewusstsein des Träumenden. 65. Was man, wachend umherschweifend In allen Himmelsgegenden, An Tieren, Vögeln, Insekten Nur immer wahrzunehmen meint, 66. Das besteht nirgendwo anders Als im Geiste des Wachenden; Drum alles, was er dann sieht, ist Nur Bewusstsein des Wachenden. 67. Das Ding und seine Vorstellung Bedingen gegenseitig sich; Bestandlos ist für sich jedes, Nur im Bewusstsein stehn sie da. 68. Wie wir von einem bloß träumen, Dass er geboren wird und stirbt, So sind all diese Weltwesen Wirklich und doch auch wirklich nicht.

69. Wie wir im Wahngebild schauen, Dass einer lebt und wieder stirbt, So sind all diese Weltwesen Wirklich und doch auch wirklich nicht. 70. Wie Zauberkunst uns lässt schauen, Dass einer lebt und wieder stirbt, So sind all diese Weltwesen Wirklich und doch auch wirklich nicht. 71. Keine Seele entsteht jemals, Kein Entstehn ist der ganzen Welt; Das ist die höchste Heilswahrheit, Dass es nirgend ein Werden gibt (= 3,48). 72. Was zweifach als Subjekt-Objekt Scheint, ist Bewusstseinsschwingung nur (4,47); Der Geist ist ewig objektlos, „An ihm haftet nichts“, lehrt die Schrift (Brih. 4,3,15). 73. Wie es künstlich durch Annahme (3,15), So ist es nicht in Wirklichkeit; Was andre Schulen annehmen, Ist für sie, nicht in Wirklichkeit.

74. Was als ewig sie annehmen Künstlich, ist wirklich ewig nicht; Das Resultat andrer Schulen Zeigt als Irrtum und werdend es. 75. An das, was nicht ist, Anpassung Beweist nicht, dass es Zweiheit gibt; Ist ihr Nichtsein erkannt, dann fällt Die Anpassung als zwecklos weg. 76. Wenn man nicht annimmt Ursachen In allen Reichen der Natur, So auch nicht ihre Vorstellung; Mit der Ursach' die Wirkung fällt. 77. Geist ist grundlos; das Nichtwerden, Zweiheitlos, ist ihm eigen stets; Geisterscheinung nur ist Zweiheit Des Ewigen, das alles ist. 78. Grundlosigkeit als wahr wissend, Verwerfend Einzel-Ursachen, Gelangt man zu dem furchtlosen, Wunschlosen, kummerlosen Ort.

79. Sich anpassend dem, was nicht ist, Bleibt in solches verstrickt der Geist; Der Dinge nichts erkannt habend, Kehrt er zum Anhaftlosen (4,72) sich. 80. Wer dies ergreift und nicht lässt mehr, Des Stand bleibt unbeweglich dann; Der Weisen Ziel ist dies ew'ge Zweiheitlose Identischsein. 81. Das schlummerlose, traumlose Ew'ge ist dann sich selber Licht (Brih. 4,3,14. Kath. 5,15); „Für immer licht“ (Chand. 8,4,1) ist dies Wesen, Ist diese Wesenheit an sich. 82. Gar leicht verbirgt er uns immer, Gar schwer enthüllt sein Wesen er, Solang wir einzeln auffassen Die Dinge, er, der heilige. 83. „Er ist!“ „Ist nicht!“ „Ist und ist nicht!“ „Er ist nicht nicht!“ so denkend ihn Unstät, stät, zwiefach, neinsagend, Verbirgt sein Wesen sich der Thor. 84. Durch diese vier Gesichtspunkte Verfolgung bleibt verborgen stets Der Heil'ge, unberührt durch sie, Doch allschauend ist, wer ihn schaut.

85. Wer voll besitzt die Allschauung, Den zweiheitlosen BrahmanOrt, An dem nicht Anfang, Mitt', Ende, Dem bleibt nichts zu erstreben mehr. 86. Das heißt echte Gemütsruhe, Das ist die wahre Priesterzucht, Das ist der Selbstnatur Zähmung, Wer sie kennt, geht zur Ruhe ein. 87. Wahrnehmungshaft und objekthaft Ist die zweithafte Weltlichkeit (Wachen); Wahrnehmungshaft und objektlos Ist geläuterte Weltlichkeit (Traum). 88. Wahrnehmungslos und objektlos, Das heißt die Überweltlichkeit; Ihr Subjekt ist zugleich Objekt, So lehrten Weise aller Zeit. 89. Subjekt und die drei Objekte (4,8788) Stufenweis als in sich erkannt, Daraus entsteht die Allschauung, Allerwärts des Hochsinnigen.

90. Erst frage man: was soll werden Geflohn, erkannt, erlangt und reif? Für's Erkennen gilt Wahrnehmung, Und so auch für die andern drei. 91. Alle Wesen sind ursprünglich Unbegrenzt und dem Raume gleich (3,3 fg.), Und nicht ist irgendwo Vielheit Unter ihnen, in keinem Sinn. 92. Alle Wesen sind ursprünglich Urerweckte (adibuddha), das ist gewiss; Wer dieses sich genug sein lässt, Der ist reif zur Unsterblichkeit. 93. Sie alle sind auch ursprünglich Urberuhigt, voll Seligkeit; Sich gleich alle und unteilbar, Ew'ge, reine Identität. 94. Doch diese Reinheit ist nicht mehr, Wenn sie vielfach zersplittern sich; Vielheitversunken, zwiespältig Heißen darum armselig (3,1) sie.

95. Doch wem hier zur Gewissheit ward Die ewige Identität, Der weiß in dieser Welt Großes, Die Welt aber versteht es nicht. 96. Wissen des Ew'gen ist ewig Auch, mit nichts sonst befassend sich; Als nichtbefassend sich, heißt dies Wissen das unanhaftende (4,72. 79). 97. Doch wo die kleinste Ungleichkeit Für wahr hält der unweise Geist, Da ist weder Nichtanhaftung Noch Weichen der Verdunkelung. 98. Alle Seelen sind ursprünglich Frei vom Dunkel und fleckenlos, Urerweckt schon und urerlöst Erwachen sie, der Meister spricht. 99. Wie die Sonne durch sich leuchtet, So Wissen ohne Dinge auch; Alle Dinge sind nur Wissen, Unsagbar dem Erweckten selbst. 100.Die dunkle, überaus tiefe Ew'ge, reine Identität, Der Einheit Stätte nach Kräften Erkannt habend, verehren wir!

Siehe auch