Yoga für Demokratie
Yoga für Demokratie, auch bekannt unter Yoga for Democracy ist eine von Henrike Fröchling und Sukadev Volker Bretz im September 2020 gegründete Initiative, um gerade in Zeiten von Pandemie, rechtsradikalen und verschwörungstheoretischen Strömungen in der Gesellschaft Yoga Übenden Orientierung zu geben.
Die Initiative dazu kam Henrike Fröchling von Yoga Easy, der führenden Yoga Video Plattform im deutschsprachigen Bereich. Sie sprach darüber mit Sukadev Volker Bretz im September. So entstand ein Statement, das von vielen wichtigen Menschen aus der Yogaszene unterzeichnet wurde.
Statement der Initiative "Yoga für Demokratie"
Dieses Statement ist ca. 24. September 2020 von Henrike Fröchling und anderen bei Yoga Easy nach einem Zoom Gespräch mit Sukadev und anderen Yogalehrenden entworfen und unter Einarbeitung der Vorschläge ab 27.9. veröffentlicht worden:
Wir sind Teil der deutschen Yogaszene und lieben unser demokratisches System. Wir sehen mit Besorgnis, dass unter Yogis und Yoginis Verschwörungsglauben kursiert. Wir befürchten, dass dies unsere demokratische Gemeinschaft gefährdet. Warum? Kritik und Argumente gehören zur Demokratie. Viele Verschwörungsmythen stellen legitime Fragen: Wird der Staat übergriffig? Sind 5G-Strahlen schädlich? Wird die Politik zu sehr von großen Firmen beeinflusst? Diese Frage müssen diskutiert werden, aber bitte aufgrund von Fakten und mit immer besserer Wissenschaft. Einer handvoll Wissenschaftler auf Youtube, die oft aus dem Kontext gerissene Scheinfakten verbreiten, darf nicht das gleiche Gewicht zugestanden werden wie 97% der gesamten Wissenschaft. Warum nicht? Weil dann nicht mehr die Fakten Grundlage unserer Entscheidungen werden, sondern Propaganda.
Der reflexhafte Zweifel an jedem seriösen Medienbericht, die stumpfe Verunglimpfung aller Politiker unterminieren das demokratische System, denn die Politiker sind von der Mehrheit gewählt. Sie kommen aus unserer Mitte. Wären sie alle fremdgesteuert oder mit böser Absicht am Werk, müssten wir nicht mehr zur Wahl gehen. Die Algorithmen von Facebook und Youtube fördern jedoch diese Radikalisierung. Diese Radikalisierung wiederum führt Esoteriker, Islamisten und Rechte Schritt für Schritt in eine Welt der alternativen Fakten.
Wir haben noch keine Yogini und keinen Yogi getroffen, die nicht gute und reine Intentionen hätten. Es mag einige wenige geben, die für esoterisch-rechte Rassenideologien anfällig sind, aber die Mehrheit ist geprägt von einem gesunden Skeptizismus und einem natürlichen Freiheitsdrang. Abenteuerliche Theorien geistern durchs Netz und füttern das Misstrauen in die Wissenschaft. Diese Stimmung machen sich Nazis und Islamisten zunutze. Als Yogalehrer ohne Störgefühl neben Rechtspopulisten, Reichsbürgern und Nazis auf die Straße zu gehen, verletzt unser wichtigstes Credo als Yogis: dass alle Menschen gleich sind, dass Yoga für alle ist, dass Yoga nicht Hass und Angst fördert, sondern Mitgefühl und Integration.
Wir möchten daher unsere Studios, Ashrams und Online-Plattformen nicht als Podium benutzt sehen, um diesen Verschwörungsglauben weiter zu verbreiten. Daher werden wir uns schweren Herzens von Lehrern trennen, die politischen Verschwörungsglauben verbreiten, Wissenschaft und die Existenz des Coronavirus leugnen, Medien und Politiker als Ganzes verunglimpfen. Wir heißen ausdrücklich alle Yogis, wirklich jeden Einzelnen, als Schüler bei uns willkommen. Wir respektieren, dass jeder Mensch das Recht auf seinen eigenen Glauben hat. Wir haben als Yogis so viel beizutragen an den entscheidenden Baustellen dieses Jahrhunderts: dem Klimawandel, dem Welthunger, dem Tierwohl, dem Zusammenwachsen der Gesellschaft. Die Corona-Maßnahmen treffen die Yogaszene hart, aber wir dürfen jetzt nicht die Solidarität über Bord werfen. Lasst uns an diesem gemeinsamen, wichtigen Anliegen festhalten, auch wenn uns im Alltag unbequeme Maßnahmen, nun ja, unbequem sind. Das ist Loving Kindness. Unser Land ist im Vergleich zu den meisten anderen frei. Wir leben im Wohlstand. Wir dürfen sagen, was wir wollen, und leben, wie wir wollen. Das wollen wir bewahren.
Wer uns unterstützen will, teilt diesen Beitrag!
- Anna Trökes, Autorin und Yogalehrerin
- Henrike Fröchling, YogaEasy
- Jürgen Laske, Bausinger GmbH
- Kai Hill, Yogatribe
- Kristin Rübesamen, Autorin und Yogalehrerin
- Michael Kern, Jivamukti Yoga München
- Nicole Bongartz, Lord Vishnus Couch
- Patricia Thielemann, Spirit Yoga Berlin
- Patrick Broome, Patrick Broome Yoga
- Rebecca Randak und Ulrike Schäfer, Fvck Lucky Go Happy
- Sukadev Bretz, Yoga Vidya
- Young Ho Kim, Inside Yoga
Yoga Vidya und Demokratie
Yoga Vidya wurde 1992 gegründet von Sukadev Volker Bretz aufgrund einer Vision, dass klassischer spiritueller Yoga verbunden werden sollte mit Demokratie, gewaltfreier Kommunikation, mit Wissenschaft und moderner Gesellschaft. Gehörte Yoga in den 1960er - 1980er Jahren häufig zur "alternativen Szene" oder wurde gänzlich säkularisiert, war es die Vision von Yoga Vidya, dass Yoga in all seinen Aspekten, gerade auch seinen spirituellen Aspekten, gelöst werden sollte von manchen Aspekten von Gurugehorsam und Autoritätshörigkeit und verbunden werden sollte mit einer positiven Sichtweise auf das westliche Gesellschaftssystem, auf demokratische Entscheidungsfindung, auf Rechtsstaat, Naturwissenschaft, Psychotherapie etc.
Yoga kann der Gesellschaft viel geben - und sollte deshalb in die Gesellschaft integriert werden. Damit das geschehen kann, muss umgekehrt Yoga, auch klassischer Yoga, manche Prinzipien der westlichen Gesellschaft, integriert werden.
Yoga kann vieles in der Gesellschaft befruchten:
- Yoga in Kindergarten und Schule hilft Kindern zu besserem Körpergefühl, Selbstvertrauen, Bewusstheit. Yoga im Sportunterricht entwickelt Körperbeherrschung etc. in besonderem Maße, auch und gerade kooperativ und nicht als Wettbewerb. Yoga als Stressvorbeugung kann helfen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, unbestimmtes Bauchweh vorzubeugen
- Yoga in der Primärprävention als krankenkassenbezahlte Maßnahme kann vorbeugend gegen eine Reihe von Krankheiten wirken
- Yoga als Therapie kann eine sinnvolle Ergänzung sein zu schulmedizinischen und komplementärmedizinischen Ansätzen
- Yoga als religionsübergreifende spirituelle Praxis kann den Dialog zwischen den Religionen fördern und auch Atheisten ein spirituelles Zuhause bieten
- Yoga als individuelle Wohlfühlpraxis kann Menschen helfen, eine Insel des Wohlbefindens inmitten einer hektischen Welt zu finden
- Yoga als psychologische Yogatherapie kann sehr hilfreich sein gegen Ängste, Depressionen, psychische Erkrankungen
- Yoga im Alter kann Menschen auch im fortgeschrittenen Lebensalter Halt, Gesundheitspraxis, klareren Geist und spirituelle Orientierung bieten
Darüberhinaus kann Yoga Menschen helfen, Zufriedenheit in sich zu finden, mehr Mitgefühl zu allen Wesen zu entwickeln, innere Gelassenheit und Freude auszustrahlen.
Die Welt steht vor großen Herausforderungen:
- Klimawandel erfordert erhebliche Veränderungen im Lebensstil - Klimaschutz ist ein Gebot der Stunde
- Die Einkommensunterschiede zwischen reich und arm, zwischen reichen und armen Ländern sind enorm - hier gilt es zu teilen, eine gerechtere Ordnung zu finden
- Im Zuge von Veränderungen gibt es Radikalisierungen
- Religiösität wird oft als Hindernis für den Frieden wahrgenommen - anstatt die ihr zustehende Rolle als Friedenskraft zu erfüllen
Damit all diese Herausforderungen bewältigt werden können, braucht es
- Demokratie
- Freiheitliche Grundordnung
- Rechtsstaat
- Funktionierende, sich weiterentwickelnde Wirtschaftsordnung
- Naturwissenschaft und kritische Wissenschaft
- Bürgerbeteiligung und Engagement
- Grundkonsens
- Solidarität
- Sozialstaat
- Ökologisches Bewusstsein und Engagement
Das Ringen um den richtigen Weg bzw. um die richtigen Schritte zeichnet eine Demokratie aus. Yoga kann dabei eine Hilfe sein.
Damit Yoga hilfreich sein kann für die Weiterentwicklung der Gesellschaft, muss sich Yoga lösen von manchem Traditionellen:
- Reiner Traditionsglaube
- Autoritätshörigkeit
Damit die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft angegangen werden können, will Yoga Vidya auf der Basis des bestehenden Gesellschaftssystem mitwirken. Auf der Basis eines von den Idealen von Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit, Wissenschaft und Sozialstaat geprägten Gesellschaftssystems kann Yoga mithelfen, eine bessere Welt zu entwickeln.
Ein Kampf gegen die bestehende Ordnung oder ein Aufbauen einer Parallelgesellschaft ist gerade nicht das Anliegen von Yoga Vidya.
Yoga für Demokratie: Versuchungen widerstehen
Yoga Übende haben oft eine Odysee von Ablehnung hinter sich, von unwissenschaftlichen Verurteilungen durch Presse, Mitmenschen etc.
- Manche langjährig Übende kennen noch die Zeit als sog. "Sektenbeauftragte" vor jeder Form von spirituellem Yoga, ja sogar säkularem Hatha Yoga warnten. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei.
- Manche Yoga Vidyaner erinnern sich an manche kritische Verrisse in manchen Medien, wo in jedem Absatz Fakten nachvollziehbar falsch waren. Glücklicherweise sind über 95% der Presseberichte positiv und faktentreu :-)
- Manche langjährig Yoga Übende kennen noch die Zeit als Vegetarismus und Fasten von der Medizin kritisch, Veganismus als gefährlich gesehen wurden. Heutzutage ist die Medizin und die Ökotrophologie (Ernährungskunde) weiter und steht den Yoga geprägten Ernährungsweisen positiv gegenüber
- Manche medizinische Maßnahmen (wie manche Operationen, manche Hormontherapien, manche Impfungen) werden ohne ausreichende medizinische Evidenz propagiert - Alternativmedizin abgelehnt
- Manche Yoga Übende stammen noch aus der Atomkraft Nein Danke Szene, aus der Alternativszene, hatten in den 1970er Jahren Berufsverbot, haben sich engagiert in Greenpeace, Amnesty International etc. - und haben starke Ablehnung erfahren durch Politik, Regierung, Polizei etc.
- Manche haben erfahren, wie Pharmakonzerne, Fleischindustrie andere Wirtschaftslobbys Einfluss auf Gesetze haben, die als zutiefst ungerecht empfunden werden
- Manche Yoga Übende haben erfahren, dass ihre alternative Lebensweise in ihrem Umfeld auf große Skepsis, Ablehnung, Ausgrenzung gestoßen ist, dass ihre tief spirituelle Erfahrungen als krankhaft bezeichnet werden und dass sie als Spinner abgetan wurden - und werden.
- Manche Yoga Übende aus den östlichen Bundesländern haben in den 1960er, 1970er, 1980er Jahren gelernt, dass man einem Staat und seinen Medien, ja sogar seinen Mitmenschen nicht trauen kann, dass man belogen und betrogen und verraten werden kann
- Manche Yoga Übende haben über eine psychische Erkrankung zum Yoga gefunden. Diese psychische Erkrankung ist durch Yoga stabilisiert, kann aber jederzeit wieder ausbrechen. Psychisches Leiden kann dann zu Ängsten führen, die wiederum in schräge Ansichten münden können
Solche und viele weiteren Erfahrungen in gesellschaftlichen, politischen, sozialen, ökologischen Kontesten haben in manchen Yoga Übenden eine generelle Skepsis gegenüber dem "etablierten System", gegen Politik, Wissenschaft, "Mainstream Medien" etc. entstehen lassen. Daher haben manche Yoga Übende eine allgemeine Ablehnung gegen Politik, Gesellschaftsordnung, Medien, Wissenschaft entwickelt.
Daraus ergeben sich Gefahren wie
- Gänzlicher Ausstieg und Rückzug aus der Gesellschaft
- Einstieg in eine Parallelwelt, in der ein Guru allen sagt, wie sie sich zu verhalten haben
- Verschwörungsglauben, das hinter allen Problemen dieser Welt eine geheime wie auch immer geartete Elite sieht, welche alles so steuert, dass sie alles beherrschen kann
- Reichsbürgerbewegungen, welche den idealen Staat, das ideale Gesellschaftssystem versprechen
In seltenen Fällen können