Edelstein: Unterschied zwischen den Versionen
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Einmal zog er mit ihr in glühender [[Sonne]] eine schattenlose Straße und war schon etwas müde. Seine Frau schien noch etwas ermüdeter als er zu sein und blieb ein wenig hinter ihm zurück, indes er verbissen voranschritt. Da sah er vor seinen Füßen etwas im Staube blinken und hob es auf — es war ein großer Edelstein. Er ließ ihn schnell wieder fallen, als habe er sich die Hand an ihm verbrannt — aber dann fuhr es ihm durch den Kopf: Wenn meine Frau ihn hier findet, wird sie vielleicht versucht sein, ihn an sich zu nehmen und gegen das Gelübde der [[Armut]] zu fehlen, und wird sich den Weg zu Gott verschließen. Ich will ihn verbergen, dass sie ihn nicht gewahr wird. | Einmal zog er mit ihr in glühender [[Sonne]] eine schattenlose Straße und war schon etwas müde. Seine Frau schien noch etwas ermüdeter als er zu sein und blieb ein wenig hinter ihm zurück, indes er verbissen voranschritt. Da sah er vor seinen Füßen etwas im Staube blinken und hob es auf — es war ein großer Edelstein. Er ließ ihn schnell wieder fallen, als habe er sich die Hand an ihm verbrannt — aber dann fuhr es ihm durch den Kopf: Wenn meine Frau ihn hier findet, wird sie vielleicht versucht sein, ihn an sich zu nehmen und gegen das Gelübde der [[Armut]] zu fehlen, und wird sich den Weg zu Gott verschließen. Ich will ihn verbergen, dass sie ihn nicht gewahr wird. |
Version vom 8. Januar 2015, 16:27 Uhr
Der Edelstein im Staube
Indische Geschichte aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Weisheit Indiens. Märchen und Sinnbilder" 1938 im L.C. Wittich Verlag in Darmstadt erschienen. S. 21/22.
Ein Mann war der Welt müde geworden und suchte den Weg zu [Gott]. Er ließ sein Haus und alle Habe seinen Kindern und begab sich mit seiner Frau auf die Pilgerschaft zu den heiligen Stätten und Wallfahrtsorten, wo Gott sich in vielerlei Gestalt den Menschen offenbart hat. Mit frommem Eifer wanderte er viel umher, aber er hatte Gott noch nicht gefunden. Seine Frau begleitete ihn geduldig.
Einmal zog er mit ihr in glühender Sonne eine schattenlose Straße und war schon etwas müde. Seine Frau schien noch etwas ermüdeter als er zu sein und blieb ein wenig hinter ihm zurück, indes er verbissen voranschritt. Da sah er vor seinen Füßen etwas im Staube blinken und hob es auf — es war ein großer Edelstein. Er ließ ihn schnell wieder fallen, als habe er sich die Hand an ihm verbrannt — aber dann fuhr es ihm durch den Kopf: Wenn meine Frau ihn hier findet, wird sie vielleicht versucht sein, ihn an sich zu nehmen und gegen das Gelübde der Armut zu fehlen, und wird sich den Weg zu Gott verschließen. Ich will ihn verbergen, dass sie ihn nicht gewahr wird.
Er scharrte etwas Staub über den Edelstein und wollte weitergehen, aber seine Frau hatte im Herankommen bemerkt, dass er sich am Boden zu schaffen gemacht hatte — sie trat herzu, suchte und fand den Edelstein. Sie wog ihn ein wenig in der Hand, dann ließ sie ihn leise zu Boden tropfen, blickte ihren Mann an und sagte nur: „Geh zu, mein Lieber! Solange du noch den Edelstein vom Staube unterscheidest, ist unser Weg zu Gott noch weit."
Siehe auch
- Heinrich Zimmer
- Indische Geschichten
- Bettler
- Chamäleon
- Einweihung
- Geruch
- Gopala
- König
- Leise
- Lendenschurz
- Maya
- Name
- Projektion
- Rätsel
- Schaf
- Tun
- Verliebtheit
- Wasser
- Wunschbaum
Literatur
- Heinrich Zimmer: "Weisheit Indiens. Märchen und Sinnbilder" 1938, L.C. Wittich Verlag, Darmstadt.