Weiblichkeit und Spiritualität

Aus Yogawiki

Weiblichkeit und Spiritualität liegen nah beieinander. Das Weibliche steht für Geburt und neues Leben.Aber nicht nur. Spiritualität ist stärker von Weiblichkeit geprägt als von Männlichkeit. Letztendlich kennt Spiritualität keine Trennung zwischen männlich und Weiblich. Aber um die Weiblichkeit steht es bei weitem nicht so schlimm wie der Zeitgeist einem weiß machen will.

Weiblichkeit und Spiritualität - Spannungsfeld oder Symbiose?

Weiblichkeit und Spiritualität

Vortrag von Sukadev aus dem Tugendenlexikon

Was ist die Beziehung zwischen Weiblichkeit und Spiritualität?

Weiblichkeit und Spiritualität, was ist dort die Beziehung? Ein paar Gedanken, die mir jetzt dazu spontan einfallen. Zum einen natürlich, Spiritualität ist weder männlich noch weiblich, Spiritualität ist in Wahrheit über alle Dualitäten und Polaritäten hinaus, deine wahre Natur ist Satchidananda, Sein, Wissen und Glückseligkeit. Das innere Selbst aller Wesen ist eins. Es gibt eine unendliche Weltenseele und diese Weltenseele manifestiert sich in jedem Wesen als das Selbst, als die Seele, manifestiert sich, drückt sich aus als die ganze Welt, in diesem Sinne, jenseits von aller Weiblichkeit und Männlichkeit.

Aber dann gibt es die Polarität, in der Schöpfung gibt es männlich und weiblich, es gibt das Aktive und das Passive, es gibt Yin und Yang, es gibt Ha und Tha, Sonnenenergie, Mondenergie usw. Aber was ist überhaupt weiblich und was ist männlich? Das ist gar nicht so einfach, tatsächlich spricht man im Yoga nicht so sehr von männlich und weiblich, sondern man spricht von Ha und Tha. Ha ist Sonne, Tha ist Mond. Und jetzt im Westen ist man es gewohnt, männlich und weiblich, und dann wird oft Ha mit Sonne gleichgesetzt und Tha mit Mond gleichgesetzt. Aber im Yoga macht man diese Unterscheidung, mindestens im klassischen Yoga, so nicht.

Weiblichkeit im Götterkosmos Indiens

Wir finden allerdings in Indien männliche und weibliche Aspekte Gottes. Es gibt die Verehrung Gottes als Vater und als Herr und Meister, es gibt aber auch Gott in der Verehrung als die göttliche Mutter und man richtet sich an die Herrin, man richtet sich an die kosmische Energie, an die Shakti. Aber die männlichen Aspekte des Göttlichen können manchmal sehr weiblich sein. Z.B. wenn man Bilder sieht von Krishna oder von Shiva, ich habe es gar nicht selten gehabt früher, wo die indischen Götterfiguren noch nicht so bekannt waren, wo mich Menschen gefragt haben: „Wer ist diese Frau dort?“ Und da war Krishna oder da saß Shiva in Meditation, sie haben weibliche Züge.

Durga und ihre neun Aspekte

Umgekehrt, die Göttinnen, die haben oft männliche Züge. Durga hat Waffen und Lakshmi steht majestätisch da und schenkt, eigentlich Attribute, die wir mehr gewohnt sind, was mehr männliche Attribute sind im Westen. So also, Männlichkeit, Weiblichkeit, nicht ganz so einfach und die weiblichen Attribute Gottes entsprechen in Indien nicht ganz den westlichen Konzepten von Weiblichkeit.

Wenn wir z.B. jetzt von Göttinnen ausgehen, im Westen gibt es natürlich nur Gottvater: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.“ Und dann gibt es noch Gottsohn. Was ist weiblich? Früher gab es übrigens diese Triade, Vater, Mutter und Kind, in Ägypten war das üblich. Also, eigentlich die christliche Dreifaltigkeit, die Trinität stammt, da sind sich die Religionswissenschaftler einig und auch die christlichen Theologen widersprechen dem nicht, gibt es diese Trinität aus dem Ägyptischen her und das Christliche hat irgendwie damit etwas zu tun, ist davon inspiriert worden, Vater, Mutter und Kind.

Lakshmi - die Göttin der Fülle und des Wohlstands

So gibt es in Ägypten immer wieder diese Dreiheiten in den Götterfiguren. Und so nimmt man manchmal an, Gottvater ist das männliche Prinzip, Heiliger Geist ist das weibliche Prinzip, und dann gibt es Jesus Christus als Kind Gottes. Nur irgendwann wurde auch der Heilige Geist vermännlicht. Im katholischen Christentum hat dann die Maria die Funktion der Weiblichkeit eingenommen, aber Maria ist irgendwo demütig, sie ist freundlich, sie ist bescheiden, sie ist zwar auch Himmelskönigin, aber sie hat ein bestimmtes Ideal des Weiblichen, was mehr von Freundlichkeit, Liebe, Nachgiebigkeit geprägt ist.

Und Gottvater, der ist der Strenge und der Harte und so muss Maria irgendwo intervenieren und sich an Gott wenden und bitten für die Gläubigen. Es gibt sogar Darstellungen von Maria, das ist nur ein Mantelbild, wo die Gläubigen unter ihrem Mantel Zuflucht nehmen, unter dem Zorn Gottes. Gott ist dann der Zornige, Gottvater, und Mutter Maria lässt alle irgendwo unter ihren Mantel und beschützt sie. Man könnte sagen, eigenartiges Bild, Maria schützt die Gläubigen vor Gott. Aber es drückt zwei Aspekte des Göttlichen aus und ich meine, da steckt etwas sehr Kluges dahinter, dass nämlich alles letztlich göttlich ist, dass die verschiedenen Aspekte Gottes etwas sind, womit wir uns verbinden können.

In Indien, Weiblichkeit in den Göttinnen kann unterschiedlich sein. Da gibt es Kali, die tanzend ist auf Shiva, die eine Totenkopfkette um sich herum hat, Schwert in der Hand, Zunge rausgestreckt, Augen weit aufgerissen und mehr will ich sie jetzt gar nicht beschreiben. Nicht das, was man im Westen als Weiblichkeit empfinden würde. Dann gibt es die Durga, die ist ein bisschen freundlicher als Kali, sie lächelt dabei, aber sie reitet auf einem Tiger, hat auch sowohl schöne Werkzeuge in den Händen, sie hat ja, je nach Darstellung, um die zehn Hände, aber auch Waffen. Sie kann auch wütend werden und wenn die Durga „Hum“ sagt, dann zerfallen alle Dämonen zu Asche.

Eigentlich, Durga und Kali sind diejenigen, die am kriegerischten dargestellt werden. Man könnte sagen, eigenartige Vorstellung von Weiblichkeit, überhaupt eigenartige Vorstellung des Göttlichen. Und ich muss zugeben, da habe ich auch immer wieder ein gewisses Problem, weil ich vom Herzen her Pazifist bin und meine, die meisten Probleme der Welt könnten viel besser gelöst werden ohne Waffen und ohne Krieg. So kann man es im übertragenen Sinn sehen, manchmal muss man aufstehen und manchmal mit Vehemenz etwas tun, manchmal muss man gegen die Ungerechtigkeiten der Welt auch das Wort erheben und manchmal darf man sich auch nicht zu schnell ins Bockshorn jagen lassen, das ist Kali und Durga.

Und dann gibt es Lakshmi, Lakshmi in vielerlei Hinsicht ist so wie Maria, sie ist freundlich, sie ist vergebend, sie gibt alles, sie ist aber auch die Himmelskönigin und ihr kann man sich hingeben. Aber sie ist auch die Göttin der Kaufleute, auch die Göttin des Kommerzes, der Großartigkeit, aber auch die Schönheit der Natur. Und dann gibt es Saraswati, Saraswati ist so etwas wie die Heilige Sophia im alten Rom. Pallas Athene entspricht es nicht ganz, aber Sophia, die Göttin der Weisheit, die gleichzeitig die Göttin der Künste ist.

Was ist Männlichkeit bei soviel Weiblichkeit?

Kali tanzend auf Shiva

Saraswati ist die Göttin der Künste, des Wissens und der Weisheit. Mit anderen Worten, alle Künste, alle Wissenschaften, alle Weisheit werden auch als Weiblichkeit angesehen. Da bleibt die Frage, was ist dann noch Männlichkeit, wenn all das Weiblichkeit ist? Da bleibt nicht mehr viel übrig. Aber wenn man jetzt die männlichen Aspekte Gottes ansieht, die haben auch all diese Aspekte und das ist eben das Interessante, eigentlich die indische Mythologie, die folgt keinem Männlichkeits- und keinem Weiblichkeitsideal im engeren Sinne. Im Grunde genommen drückt es aus, Männlichkeit und Weiblichkeit, so unterschiedlich sind sie gar nicht.

Man mag jetzt antworten: „Ja, aber in Indien, warum wird die Frau so unterdrückt?“ Das ist auch relativ, wird die indische Frau unterdrückt? Zum Teil ja, es gibt Abirrungen, die es auch heute noch, im Jahr 2015, gibt, andererseits, Indien ist das Land, das schon, ich glaube, es war in den 70er und 80er Jahren, eine Premierministerin hatte, die Indira Gandhi, und die gilt bis heute als die mächtigste indische Premierministerin. Oder auch, jetzt ist das Jahr 2015, eine der beiden großen Parteien in Indien wird von einer Frau geleitet.

Und eine ganze Menge von indischen Bundesstaaten hat als Ministerpräsidentin, würde man sagen, eine Frau. Also, es gibt sehr wohl Aufstiegschancen und soweit ich es verstanden habe, in Indien im Parlament waren vor ein paar Jahren schon mehr Frauen als in Deutschland. Also, schon Weiblichkeit dort, aber es gibt auch Abirrungen. Woher kommen die? Vermutlich aus einer Zeit des indischen Mittelalters, vermutlich aus einer Zeit durch die Einwanderung durch die Moguls usw.

Wenn man in früheren Zeiten Statuen von Frauen sieht, die sind leicht bekleidet, ähnlich wie Männer auch. Irgendwann dann im 16./17. Jahrhundert waren die Frauen in Indien alle verschleiert, also nicht Gesichtsschleier, aber Kopftuch und bis oben zu und sie sind aus dem öffentlichen Leben verschwunden, bis sie im 19./20. Jahrhundert wieder gekommen sind. Vermutlich hatten die Engländer dort noch eine ganze Menge mit zu tun, denn die Engländer wollten grundsätzlich sich nur mit indischen Männern zusammensetzen und nicht mit den Frauen. Vermutlich hat die Ungleichbehandlung der Frau sehr viel mit der englischen Kolonialherrschaft zu tun. Also, das sind ein paar Gedanken dazu.

Weiblichkeit ist gleich wichtig und gleichberechtigt

Jetzt hieß der Vortrag eigentlich „Weiblichkeit und Spiritualität“. Jetzt kannst du aber selbst überlegen, ich habe jetzt mehr über indische Götter und Göttinnen gesprochen und wie die Göttinnen weibliche Spiritualität ausdrücken. Und vielleicht kannst du deinen Begriff von Weiblichkeit erweitern. Weiblichkeit kann heißen, wie Kali und Durga, auch durchsetzen und kämpfen für eine gute Sache.

Weiblichkeit kann heißen, Lakshmi, Großartigkeit, Natur, auch Erfolg, auch Geben, uneigennütziges Dienen, Helfen, das heißt auch, deine eigenen Kräfte und Fähigkeiten entwickeln. Weiblichkeit kann heißen, Saraswati, Weisheit, Wissen, Wissenschaften, Musik, Künste, Literatur. All das könnten weibliche Aspekte von Spiritualität sein.

Siehe auch

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