Ramana Maharshi: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Ramana Maharshi''' ([[Sanskrit]]: रमण महर्षी Ramaṇa Maharṣī ''m.'') indischer Weiser des 20. Jahrhunderts (1879 - 1950). Er verwies den Fragenden immer wieder auf sich selbst. Er empfahl , sich immer wieder zu fragen: "[[Wer bin ich]]?". Bekanntheit im Westen erlangte Ramana Maharshi durch den Schriftsteller Paul Brunton, der ihn in seinem Buch "Yogis - Verborgene Weisheit Indiens" beschreibt. {{#ev:youtube|rcvuctV0FJo}}
'''Ramana Maharshi''' ([[Sanskrit]]: रमण महर्षी Ramaṇa Maharṣī ''m.'') indischer [[Weise]]r des 20. Jahrhunderts (1879 - 1950). Er verwies den Fragenden immer wieder auf sich [[selbst]]. Er empfahl , sich immer wieder zu fragen: "[[Wer bin ich]]?". Bekanntheit im [[Westen]] erlangte Ramana Maharshi durch den Schriftsteller [[Paul Brunton]], der ihn in seinem Buch "Yogis - Verborgene Weisheit Indiens" beschreibt. {{#ev:youtube|rcvuctV0FJo}}


==Zusammenfassung==
==Zusammenfassung==
Ramana Maharshi erblickte unter dem Namen '''Venkataraman''' am 30.12.1879 in Tiruchuli, Tamil Nadu, das Licht der Welt. Seine religiösen Neigungen bewegte ihn dazu sich bereits in jungen Jahren in Tempeln aufzuhalten. Er gewann viele sportliche Wettbewerbe, die er mit seinen Freunden ausführte. Nach dem Studium des "Periya Puranam" spürte er eine tiefe Verbindung zu den darin erwähnten 63 tamilischen Heiligen und Weisen. Im Alter von 17 Jahren hatte er eine außergewöhnliche Erfahrung aufgrund einer Panikatacke, die ihn aus heiterem Himmel bei bester Gesundheit überkam. Er legte sich auf den Boden, hielt den Atem an und verweilte in Stille um zu sterben. Dabei erkannte er die Unberührbarkeit des transzendenten Geistes durch den Tod. Trotz dieser überwältigen Erfahrung führte er sein Leben nach außen hin unverändert fort bis er sechs Wochen später plötzlich seine Familie verließ. Auf einem Zettel, den er ließ stand "Sorgt Euch nicht um mich und sucht bitte nicht nach mir". Ramana begab sich zum Tempelbezirks von Arunachala, eines heiligen Berges in Tiruvanamalai. An diesem Ort der Verkörperung Shivas (aus hinduistischer Sicht) verweilte er bis zum Verlassen seines Körpers im Jahr 1950. Venkataramana entsagte sich allen materiellen Gütern, inklusive seiner Haare, bis auf einen Lendenschurz. Unbeeindruckt von Parasiten, die sich an seinen Beinen ausbreiteten, meditierte er in Trance in einer kleinen Zelle. Später wurde er von Sadhus an einen anderen Platz gebracht, danach verweilte er in Meditation in Berghöhlen. Er bekam den Namen '''Bhagavan Shri Ramana Maharshi''' (Bhagavan, Shri=Ehrentitel; Ramana=Ableitung von Venkataramana:"der geliebte (Gott) von Venkata" [https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p848_Das-Yoga-Lexikon/]) von Gelehrten, die zum kleinen Kreis seiner Anhängerschaft gehörten, welche sich langsam um ihn bildete. Diese erkannte, dass ihm eine einzigartige Verwirklichung innewohnt. Dieser Name sollte ihn als den geliebten Gott und großen Seher des Venkatas, einem heiligen Berg Tirupatis, ehren. Zunächst war er für die Menschen ohne viele Worte eine große Inspiration. Seine Ausstrahlung reichte weit und seine Kraftübertragung in Stille war äußerst beeindruckend. Um ihn herum bildete sich ein Ashram. Er war ein frei zugängliches Mitglied der Gemeinde und er beteiligte sich teilweise auch an einfachen Tätigkeiten. Seine Popularität nahm zu und es kamen Pilgerscharen um ihn aufzusuchen. Er beantwortete Besucherfragen in einer zentral gelegenen kleinen Halle des Ashrams. Die aufgezeichneten Gespräche stellen neben ein paar Sanskritübersetzungen von Shankara und ein paar kurzen Texten seine einzigen Schriften dar. Maharshi war ständig im spirituellen Selbst verankert und so kreisten die Konsultationsthemen wiederkehrend um die Frage "Wer bin ich?", die sich über die Intellektuelle Hülle hinaus bewegten. Er betonte stets das wahre Bewusstsein als innerer Kern des Selbst. Seine Verehrung als Guru ließ er zwar zu, lehnte jedoch jegliche seinerseitige Bezeichnung als solcher oder auch nur als Lehrer kategorisch ab. Ununterbrochen stellte Maharshi mit seiner enormen Ausstrahlung eine Personifizierung von Atman dar. Westliche Prominente wie Arthur Osborne (Schriftsteller) oder Henri Cartier Bresson (Fotograf) kamen zu ihn in den Ashram um sich von ihm inspirieren zu lassen. Cartier Bresson wurde auch Zeuge eines Naturphänomens als Bhagavan Shri Ramana Maharshi am 14. April 1950 um 20:47 Uhr Mahasamadhi erreichte. Henri befand sich mit ein paar Freunden draußen vor Maharshis Haus, dessen gesundheitlicher Zustand äußerst schlecht war. Am Himmel erblickten sie einen außerordentlich hell aufleuchtende Sternschnuppe, die sich langsam mit einem Schweif über den Himmel bis zum Gipfel des Arunachalas fortschritt und dahinter verschwand. Allen Beteiligten war sofort gegenwärtig dass dieses Ereignis eine mächtige Bedeutung hatte. So schauten sie auf die Uhr und eilten in den Ashram und sahen dass Maharshi soeben seinen Körper zurück gelassen hatte. Maharshi betonte stets die mit dem Ego einhergehnde Illusion im Gegensatz zu der unveränderlichen immerwährenden Wirklichkeit. Die Selbstverwirklichung ist von Natur aus vorhanden, worum man sich kümmern muss ist die Klärung der Illusion.
Ramana Maharshi erblickte unter dem Namen '''Venkataraman''' am 30.12.1879 in Tiruchuli, Tamil Nadu, das Licht der Welt. Seine [[Religion|religiösen]] Neigungen bewegte ihn dazu sich bereits in jungen Jahren in [[Tempel]]n aufzuhalten. Er gewann viele [[sport]]liche Wettbewerbe, die er mit seinen Freunden ausführte. Nach dem Studium des "[[Periya Puranam]]" spürte er eine tiefe Verbindung zu den darin erwähnten 63 [[tamil]]ischen [[Heilige]]n und Weisen. Im Alter von 17 Jahren hatte er eine außergewöhnliche Erfahrung aufgrund einer [[Panikatacke]], die ihn aus heiterem Himmel bei bester [[Gesundheit]] überkam. Er legte sich auf den Boden, hielt den [[Atem]] an und verweilte in [[Stille]] um zu sterben. Dabei erkannte er die Unberührbarkeit des [[Transzendenz|transzendenten]] [[Geist]]es durch den [[Tod]]. Trotz dieser überwältigenden Erfahrung führte er sein Leben nach außen hin unverändert fort bis er sechs Wochen später plötzlich seine Familie verließ. Auf einem Zettel, den er hinterließ stand "[[Sorge|Sorgt]] Euch nicht um mich und sucht bitte nicht nach mir". Ramana begab sich zum Tempelbezirks von [[Arunachala]], eines heiligen [[Berg]]es in [[Tiruvanamalai]]. An diesem Ort der Verkörperung [[Shiva]]s (aus [[Hinduismus|hinduistischer]] Sicht) verweilte er bis zum Verlassen seines [[Körper]]s im Jahr 1950. Venkataramana entsagte sich allen [[Materialismus|materiellen]] Gütern, inklusive seiner Haare, bis auf einen Lendenschurz. Unbeeindruckt von Parasiten, die sich an seinen [[Bein]]en ausbreiteten, [[Meditieren|meditierte]] er in [[Trance]] in einer kleinen Zelle. Später wurde er von [[Sadhu]]s an einen anderen Platz gebracht, danach verweilte er in Meditation in Berg[[höhle]]n. Er bekam den Namen '''Bhagavan Shri Ramana Maharshi''' ([[Bhagavan]], [[Shri]]=Ehrentitel; [[Ramana]]=Ableitung von Venkataramana:"der [[Leibe|geliebte]] ([[Gott]]) von Venkata" [https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p848_Das-Yoga-Lexikon/]) von Gelehrten, die zum kleinen Kreis seiner Anhängerschaft gehörten, welche sich langsam um ihn bildete. Diese erkannte, dass ihm eine einzigartige Verwirklichung innewohnt. Dieser Name sollte ihn als den geliebten Gott und großen Seher des Venkatas, einem heiligen Berg Tirupatis, ehren. Zunächst war er für die Menschen ohne viele Worte eine große Inspiration. Seine Ausstrahlung reichte weit und seine Kraftübertragung in Stille war äußerst beeindruckend. Um ihn herum bildete sich ein Ashram. Er war ein frei zugängliches Mitglied der Gemeinde und er beteiligte sich teilweise auch an einfachen Tätigkeiten. Seine Popularität nahm zu und es kamen Pilgerscharen um ihn aufzusuchen. Er beantwortete Besucherfragen in einer zentral gelegenen kleinen Halle des Ashrams. Die aufgezeichneten Gespräche stellen neben ein paar Sanskritübersetzungen von Shankara und ein paar kurzen Texten seine einzigen Schriften dar. Maharshi war ständig im spirituellen Selbst verankert und so kreisten die Konsultationsthemen wiederkehrend um die Frage "Wer bin ich?", die sich über die Intellektuelle Hülle hinaus bewegten. Er betonte stets das wahre Bewusstsein als innerer Kern des Selbst. Seine Verehrung als Guru ließ er zwar zu, lehnte jedoch jegliche seinerseitige Bezeichnung als solcher oder auch nur als Lehrer kategorisch ab. Ununterbrochen stellte Maharshi mit seiner enormen Ausstrahlung eine Personifizierung von Atman dar. Westliche Prominente wie Arthur Osborne (Schriftsteller) oder Henri Cartier Bresson (Fotograf) kamen zu ihn in den Ashram um sich von ihm inspirieren zu lassen. Cartier Bresson wurde auch Zeuge eines Naturphänomens als Bhagavan Shri Ramana Maharshi am 14. April 1950 um 20:47 Uhr Mahasamadhi erreichte. Henri befand sich mit ein paar Freunden draußen vor Maharshis Haus, dessen gesundheitlicher Zustand äußerst schlecht war. Am Himmel erblickten sie einen außerordentlich hell aufleuchtende Sternschnuppe, die sich langsam mit einem Schweif über den Himmel bis zum Gipfel des Arunachalas fortschritt und dahinter verschwand. Allen Beteiligten war sofort gegenwärtig dass dieses Ereignis eine mächtige Bedeutung hatte. So schauten sie auf die Uhr und eilten in den Ashram und sahen dass Maharshi soeben seinen Körper zurück gelassen hatte. Maharshi betonte stets die mit dem Ego einhergehnde Illusion im Gegensatz zu der unveränderlichen immerwährenden Wirklichkeit. Die Selbstverwirklichung ist von Natur aus vorhanden, worum man sich kümmern muss ist die Klärung der Illusion.


===Ramana Maharshi's Mahasamadhi (Englisch)===  
===Ramana Maharshi's Mahasamadhi (Englisch)===  

Version vom 13. August 2013, 17:16 Uhr

Ramana Maharshi (Sanskrit: रमण महर्षी Ramaṇa Maharṣī m.) indischer Weiser des 20. Jahrhunderts (1879 - 1950). Er verwies den Fragenden immer wieder auf sich selbst. Er empfahl , sich immer wieder zu fragen: "Wer bin ich?". Bekanntheit im Westen erlangte Ramana Maharshi durch den Schriftsteller Paul Brunton, der ihn in seinem Buch "Yogis - Verborgene Weisheit Indiens" beschreibt.

Zusammenfassung

Ramana Maharshi erblickte unter dem Namen Venkataraman am 30.12.1879 in Tiruchuli, Tamil Nadu, das Licht der Welt. Seine religiösen Neigungen bewegte ihn dazu sich bereits in jungen Jahren in Tempeln aufzuhalten. Er gewann viele sportliche Wettbewerbe, die er mit seinen Freunden ausführte. Nach dem Studium des "Periya Puranam" spürte er eine tiefe Verbindung zu den darin erwähnten 63 tamilischen Heiligen und Weisen. Im Alter von 17 Jahren hatte er eine außergewöhnliche Erfahrung aufgrund einer Panikatacke, die ihn aus heiterem Himmel bei bester Gesundheit überkam. Er legte sich auf den Boden, hielt den Atem an und verweilte in Stille um zu sterben. Dabei erkannte er die Unberührbarkeit des transzendenten Geistes durch den Tod. Trotz dieser überwältigenden Erfahrung führte er sein Leben nach außen hin unverändert fort bis er sechs Wochen später plötzlich seine Familie verließ. Auf einem Zettel, den er hinterließ stand "Sorgt Euch nicht um mich und sucht bitte nicht nach mir". Ramana begab sich zum Tempelbezirks von Arunachala, eines heiligen Berges in Tiruvanamalai. An diesem Ort der Verkörperung Shivas (aus hinduistischer Sicht) verweilte er bis zum Verlassen seines Körpers im Jahr 1950. Venkataramana entsagte sich allen materiellen Gütern, inklusive seiner Haare, bis auf einen Lendenschurz. Unbeeindruckt von Parasiten, die sich an seinen Beinen ausbreiteten, meditierte er in Trance in einer kleinen Zelle. Später wurde er von Sadhus an einen anderen Platz gebracht, danach verweilte er in Meditation in Berghöhlen. Er bekam den Namen Bhagavan Shri Ramana Maharshi (Bhagavan, Shri=Ehrentitel; Ramana=Ableitung von Venkataramana:"der geliebte (Gott) von Venkata" [1]) von Gelehrten, die zum kleinen Kreis seiner Anhängerschaft gehörten, welche sich langsam um ihn bildete. Diese erkannte, dass ihm eine einzigartige Verwirklichung innewohnt. Dieser Name sollte ihn als den geliebten Gott und großen Seher des Venkatas, einem heiligen Berg Tirupatis, ehren. Zunächst war er für die Menschen ohne viele Worte eine große Inspiration. Seine Ausstrahlung reichte weit und seine Kraftübertragung in Stille war äußerst beeindruckend. Um ihn herum bildete sich ein Ashram. Er war ein frei zugängliches Mitglied der Gemeinde und er beteiligte sich teilweise auch an einfachen Tätigkeiten. Seine Popularität nahm zu und es kamen Pilgerscharen um ihn aufzusuchen. Er beantwortete Besucherfragen in einer zentral gelegenen kleinen Halle des Ashrams. Die aufgezeichneten Gespräche stellen neben ein paar Sanskritübersetzungen von Shankara und ein paar kurzen Texten seine einzigen Schriften dar. Maharshi war ständig im spirituellen Selbst verankert und so kreisten die Konsultationsthemen wiederkehrend um die Frage "Wer bin ich?", die sich über die Intellektuelle Hülle hinaus bewegten. Er betonte stets das wahre Bewusstsein als innerer Kern des Selbst. Seine Verehrung als Guru ließ er zwar zu, lehnte jedoch jegliche seinerseitige Bezeichnung als solcher oder auch nur als Lehrer kategorisch ab. Ununterbrochen stellte Maharshi mit seiner enormen Ausstrahlung eine Personifizierung von Atman dar. Westliche Prominente wie Arthur Osborne (Schriftsteller) oder Henri Cartier Bresson (Fotograf) kamen zu ihn in den Ashram um sich von ihm inspirieren zu lassen. Cartier Bresson wurde auch Zeuge eines Naturphänomens als Bhagavan Shri Ramana Maharshi am 14. April 1950 um 20:47 Uhr Mahasamadhi erreichte. Henri befand sich mit ein paar Freunden draußen vor Maharshis Haus, dessen gesundheitlicher Zustand äußerst schlecht war. Am Himmel erblickten sie einen außerordentlich hell aufleuchtende Sternschnuppe, die sich langsam mit einem Schweif über den Himmel bis zum Gipfel des Arunachalas fortschritt und dahinter verschwand. Allen Beteiligten war sofort gegenwärtig dass dieses Ereignis eine mächtige Bedeutung hatte. So schauten sie auf die Uhr und eilten in den Ashram und sahen dass Maharshi soeben seinen Körper zurück gelassen hatte. Maharshi betonte stets die mit dem Ego einhergehnde Illusion im Gegensatz zu der unveränderlichen immerwährenden Wirklichkeit. Die Selbstverwirklichung ist von Natur aus vorhanden, worum man sich kümmern muss ist die Klärung der Illusion.

Ramana Maharshi's Mahasamadhi (Englisch)

Ramana Maharshi

Heinrich Zimmer und der Indische Heilige

Von C.G. Jung aus „der Weg zum Selbst“

für Heinrich Zimmer war Maharshi von Tiruvannamalai ein Avatar

Schon seit Jahren hatte sich Zimmer für den Maharshi von Tiruvannamalai interessiert, und die erste Frage, die er nach meiner Rückkehr aus Indien an mich richtete, galt diesem neuesten Heiligen und Weisen von Südindien. Ich weiß nicht, ob mein Freund es eine unverzeihliche oder mindestens unverständliche Sünde von mir fand, dass ich Shri Ramana nicht besucht hatte. Ich hatte das Gefühl, dass er diesen Besuch wohl kaum unterlassen hätte, so warm war seine Anteilnahme am Leben und Denken des Heiligen. Dies war mir um so weniger erstaunlich, als ich wusste, wie tief Zimmer in den Geist Indiens eingedrungen war. Sein sehnlichster Wunsch, Indien in Wirklichkeit zu sehen, ist leider nie in Erfüllung gegangen, und eine Möglichkeit dazu zerschlug sich in letzter Stunde vor dem einbrechenden Weltkrieg. Dafür hatte er eine um so großartigere Vision des geistigen Indiens. Er hat mir bei unserer Zusammenarbeit nicht nur durch seine reichen Fachkenntnisse, sondern vor allem auch durch seine geniale Er- Iassung des Sinngehaltes der indischen Mythologie unschätzbare Einblicke in die östliche Seele ermöglicht. Leider hat sich an ihm das Wort vom frühsterbenden Geliebten der Götter erfüllt, und uns bleibt die Klage um den Verlust eines Geistes, der die Begrenzung durch das Fach überwand und, an die Menschheit sich wendend, ihr die beglückende Gabe »unsterblicher Früchte« bot. Der Träger mythologischer und philosophischer Weisheit ist in Indien seit grauer Vorzeit der »Heilige« - welche abendländische Bezeichnung allerdings das Wesen und die Erscheinungsweise der östlichen Parallelfigur nicht ganz wiedergibt. Diese Gestalt verkörpert das geistige Indien und tritt uns in der Literatur ständig entgegen. Kein Wunder daher, dass sich Zimmer für die neueste und beste Inkarnation dieses Typus in der menschlichen Erscheinung in Shri Ramana leidenschaftlich interessierte. Er sah in diesem Yogi die avatarmäßige Verwirklichung jener durch die Jahrhunderte und die Jahrtausende wandelnden, ebensowohl legendären wie historischen Figur des Rishi, des Sehers und Philosophen.

C. G. Jung über Ramana Mahirshi

Zweifel an Maharshis Einmaligkeit

Wahrscheinlich hätte ich Shri Ramana doch besuchen sollen. Allein ich fürchte, wenn ich noch einmal nach Indien reiste, um das Versäumte nachzuholen, so ginge es mir wieder gleich: ich könnte mich, trotz der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit dieses zweifellos bedeutenden Menschen, nicht dazu aufraffen, ihn persönlich zu sehen. Ich zweifle nämlich an seiner Einmaligkeit: er ist ein Typus, der war und sein wird. Darum brauchte ich ihn auch nicht aufzusuchen; ich habe ihn in Indien überall gesehen, in Ramakrishna's Bild, in dessen Jüngern, in buddhistischen Mönchen und in unzähligen andern Gestalten des indischen Alltags, und die Worte seiner Weisheit sind das sous-entendu des indischen Seelenlebens. Shri Ramana ist in diesem Sinne wohl ein »hominum homo«, ein wahrhafter »Menschensohn« der indischen Erde. Er ist »echt«, und darüber hinaus ein »Phaenomen«, das, von Europa aus gesehen, Einzigartigkeit beansprucht. Aber in Indien ist er der weißeste Punkt in einer weißen Fläche (deren Weißheit man darum erwähnt, weil es auch ebenso schwarze Flächen gibt). Überhaupt sieht man in Indien so viel, dass man schließlich nur noch weniger sehen möchte, und das ungeheure Vielerlei von Ländern und Menschen erzeugt eine Sehnsucht nach dem ganz Einfachen. Auch dieses Einfache gibt es: es durchdringt wie ein Wohlgeruch oder eine Melodie das seelische Leben Indiens; es ist überall sich sel- ber gleich; aber nie monoton, sondern unendlich variierend. Um es kennen zu lernen, genügt es, eine Upanishad oder ein paar Gespräche des Buddha zu lesen. Was dort klingt, klingt überall, es spricht aus Millionen Augen, es drückt sich in unzähligen Gebärden aus, und es gibt kein Dorf und keine Landstraße, wo sich nicht jener breitastige Baum fände, in dessen Schatten das Ich nach seiner eigenen Aufhebung trachtet, die Welt der vielen Dinge im All und All-Eins sein ertränkend. Dieser Ruf war mir in Indien dermaßen vernehmlich, dass ich dessen Überzeugungskraft bald nicht mehr von mir abzuschütteln vermochte. So war ich denn durchaus sicher, dass niemand darüber hinaus zu gelangen vermöchte, am wenigsten der indische Weise selber; und sollte Shri Ramana etwas sagen, das mit dieser Melodie nicht stimmte oder den Anspruch erhöbe, darüber noch hinaus zu wissen, so hätte der Erleuchtete auf alle Fälle unrecht. Diese mühelose, der Hitze Südindiens klimagerechte Argumentation - hat der Heilige Recht, so tönt er Indiens alte Weise wieder und tönt er anders, so hat er Unrecht - vermochte mich, ohne dass ich es bereute, von einem Besuch in Tiruvannamalai abzuhalten.

C. G. Jung’s Begegnung mit Maharshis Schüler

Die Unergründlichkeit Indiens sorgte dafür, dass mir der Heilige doch noch, und zwar in einer mir bekömmlicheren Form entgegentrat, ohne dass ich ihn gesucht hätte: in Trivandrum, der Hauptstadt von Travancore, traf ich auf einen Schüler des Maharshi. Es war ein bescheidener Mann, von sozialem Status das, was wir als einen Primarschullehrer bezeichnen, und erinnerte mich des lebhaftesten an den Schuhmacher von Alexandrien, welcher (in der Darstellung von Anatole France) vom Engel dem Hl. Antonius als Beispiel des noch größeren Heiligen vorgeführt wurde. Wie dieser hatte auch mein kleiner Heiliger das vor dem großen voraus, dass er zahlreiche Kinder zu ernähren hatte und mit besonderer Aufopferung für seinen ältesten Sohn sorgte, damit dieser studieren konnte. (Ich will hier nicht auf die Nebenfrage abschweifen, ob Heilige immer auch weise sind, und umgekehrt alle Weisen unbedingt heilig. Es bestehen in dieser Hinsicht einige Zweife1.) Auf alle Fälle trat mir in diesem bescheidenen, liebenswürdigen, kindlich frommen Gemüt ein Mensch entgegen, der einerseits mit völliger Hingabe die Weisheit des Maharshi in sich gesogen hatte und andererseits seinen Meister dadurch überragte, dass er, über alle Klugheit und Heiligkeit hinaus, auch »die Welt gegessen« hatte. Ich anerkenne dieses Zusammentreffen mit großer Dankbarkeit; denn es hätte mir nichts Besseres geschehen können. Der Nur- Weise und Nur-Heilige interessiert mich nämlich ungefähr soviel wie ein seltenes Saurierskelett, das mich aber nicht zu Tränen rührt. Der närrische Widerspruch dagegen, zwischen dem der Maya entrückten Sein im kosmischen Selbst und der liebenden Schwäche, die sich fruchtbar mit vielen Wurzeln der schwarzen Erde einsenkt, um in alle Zukunft das Weben und das Zerreißen des Schleiers als Indiens ewige Melodie zu wiederholen - dieser Widerspruch tut es mir an; denn wie kann man anders das Licht sehen, ohne den Schatten, die Stille vernehmen, ohne den Lärm, die Weisheit erreichen, ohne die Narrheit? Am peinlichsten- ist wohl das Erlebnis der Heiligkeit. Mein Mann war - Gott sei Dank - nur ein kleiner Heiliger; kein strahlender Gipfel über finstern Abgründen, kein erschütterndes Spiel der Natur, sondern ein Beispiel, wie Weisheit, Heiligkeit und Menschlichkeit »einträchtiglich beieinander wohnen« können, lehrreich, lieblich, rührend, friedsam und geduldig, ohne Krampf, ohne Absonderlichkeit, unerstaunlich, keineswegs sensationell, kein besonderes Postbureau benötigend, aber auf Urältestem beruhende Kultur unter dem sanften Rauschen im Meerwinde sich fächelnder Kokospalmen, Sinn in der vorüberhuschenden Phantasmagorie des Seins, Erlösung in der Gebundenheit, Sieg in der Niederlage.

Nur- Weisheit und Nur-Heiligkeit, fürchte ich, präsentieren sich am besten in der Literatur, und da soll ihr Ruhm unbestritten sein. Lao-tse liest sich vortrefflich und unübertrefflich im Tao-teking: Lao-tse mit seiner Tänzerin auf dem Westabhang des Berges, des Lebens Abend feiernd, ist schon weniger erbaulich. Mit dem vernachlässigten Körper des Nur-Heiligen kann man sich aus leicht ersichtlichen Gründen schon gar nicht abfinden, besonders wenn man nicht anders kann als glauben, dass die Schönheit zum Vornehmsten gehört, das Gott erschaffen.

Jung über Shri Ramanas Erkenntnis (Selbst=Gott) aus westlicher Sicht

Shri Ramana's Gedanken sind schön zu lesen. Es ist reinstes Indien, das uns darin entgegentritt, mit seinem Hauch der weltentrückten und -entrückenden Ewigkeit, ein Lied der Jahrtausende, und, wie der Gesang der Grillen in der Sommernacht, aus Millionen Wesen wiedertönend. Diese Melodie ist aufgebaut über dem einen, großen Motiv, das ohne Ermüdung, seine Monotonie in tausend farbige Reflexe verhüllend, sich im indischen Geiste ewig verjüngt, und dessen jüngste Inkarnation eben Shri Ramana selber ist: es ist das Drama des Aham-kära (des »Ich-Machens« resp. des Ich- Bewußtseins) in seinem Widerspruch zum und in seiner unauflöslichen Gebundenheit an den Atman (das Selbst oder Non-ego). Der Maharsi nennt den Atman auch das »ICH-ICH«: bezeichnenderweise so, denn das Selbst ist erfahren als das Subjekt des Subjektes, als der eigentliche Quellgrund und Leiter des Ich, dessen (irrendes) Streben stets danach geht, sich jene Autonomie anzueignen, dessen Ahnung es ja gerade dem Selbst verdankt. Dieser Konflikt ist auch dem Abendländer nicht unbekannt: für ihn ist es die Beziehung des Menschen zu Gott. Das moderne Indien hat sich, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, weitgehend den europäischen Sprachgebrauch angeeignet: »Selbst« resp. Atman und Gott sind wesentlich synonym. Aber in einem gewissen Unterschied zum westlichen »Mensch und Gott« lautet der Gegensatz oder die Übereinstimmung »Ich und Selbst«. »Ich« ist im Gegensatz zu »Mensch« ein ausgesprochen psychologischer Begriff, ebenso »Selbst«, wie es uns erscheinen möchte. Wir wären daher geneigt, anzunehmen, dass das metaphysische Problem »Mensch und Gott« sich in Indien auf die psychologische Ebene verschoben hätte. Bei näherem Zusehen ist dem allerdings nicht so, denn der indische Begriff des »Ich« und des »Selbstes« ist nicht wirklich psychologisch, sondern - man könnte sagen - ebenso metaphysisch wie »Mensch und Gott«. Dem Inder fehlt der erkenntniskritische Standpunkt ebenso sehr wie unserer religiösen Sprache. Er ist noch »vor-kantisch«, Diese Komplikation ist in Indien unbekannt, wie sie auch bei uns noch weitgehend unbekannt ist. In Indien gibt es daher noch keine Psychologie in unserm Sinne. Indien ist »vor-psychologisch«, d. h. indem es vom »Selbst« spricht, setzt es ein Solches. Das tut die Psychologie nicht. Damit leugnet sie die Existenz des dramatischen Konfliktes keineswegs, aber sie reserviert sich die Armut oder den Schatz des Nichtwissens um das Selbst. Wohl kennen wir eine eigentümliche und paradoxe Phänomenologie des Selbst, aber wir sind uns des Umstandes bewusst, dass wir etwas Unbekanntes mit beschränkten Mitteln erkennen und in psychischen Strukturen ausdrücken, von denen wir nicht wissen, ob sie der Natur des zu Erkennenden angemessen sind oder nicht. Diese erkenntniskritische Beschränkung entfernt uns von dem, was wir als »Selbst« oder als »Gott« bezeichnen. Die Gleichsetzung Selbst = Gott will dem Europäer anstößig erscheinen. Sie ist daher, wie Shri Ramanas Äußerungen und viele andere dartun, eine spezifisch östliche Erkenntnis, zu welcher die Psychologie nichts weiteres beifügen kann, als dass es weit jenseits ihrer Kompetenz läge, überhaupt eine solche Unterscheidung vorzunehmen. Psychologisch kann nur festgestellt werden, dass der Tatbestand des »Selbstes« eine religiöse Symptomatologie aufweist, wie jenes Aussagengebiet. das mit der Bezeichnung »Gott« verknüpft ist. Obschon das religiöse Phänomen der »Ergriffenheit « alle Erkenntniskritik als inkommensurabel überbordet, was sie mit allen emotionalen Erscheinungen gemein hat, so setzt sich menschlicher Erkenntnisdrang mit »widergöttlicher « oder »Iuciferischer« Hartnäckigkeit, Eigensinnigkeit, ja mit Notwendigkeit immer wieder durch, sei es zum Gewinn oder zum Schaden des denkenden Menschen. Früher oder später wird sich daher der Mensch in erkennerischen Gegensatz zu seiner Ergriffenheit stellen und sich dem ergreifenden Griffe zu entziehen versuchen, um sich vom Geschehenen Rechenschaft ablegen zu können. Verfährt er dabei mit Besonnenheit und Gewissenhaftigkeit, so wird er stets wieder entdecken, dass wenigstens ein Teil seines Erlebnisses menschlich beschränkte Deutung ist, wie es z. B. Ignatius von Loyola geschah mit seiner Vision der Schlange mit den vielen Augen, die er zunächst als göttlicher Herkunft, später aber als teuflischer Provenienz auffasste. (Vg1. dazu auch die Ermahnung 1. Joh. 4, 1: »Glaubet nicht jeglichem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.«) Es ist dem Inder klar, dass das Selbst als seelischer Quellgrund von Gott nicht verschieden und, insofern der Mensch in seinem Selbste ist, er nicht nur in Gott enthalten, sondern Gott selber ist. Shri Ramana z. B. ist in dieser Hinsicht eindeutig. Unzweifelhaft ist diese Gleichsetzung Deutung. Ebenso ist es Deutung, das Selbst als »höchstes Gut« oder als erfüllendes, wünschenswertes Ziel aufzufassen, obschon die Phänomenologie dieses Erlebnisses keinen Zweifel darüber lässt, dass diese Charakteristica apriori vorhanden und unerlässliche Bestandteile der Ergriffenheit sind. Aber auch das wird den kritischen Verstand nicht abhalten, nach der Gültigkeit dieser Eigenschaften zu fragen. Es ist allerdings nicht abzusehen, wie er diese Frage je beantworten könnte, denn es fehlt ihm jeglicher Maßstab dazu. Was als Maßstab etwa dienen könnte, unterliegt ja seinerseits wieder der kritischen Frage nach der Gültigkeit. Hier entscheidet einzig die Präponderanz der psychischen Tatsache.

Maharshis Ansicht über das Selbst im Vergleich zu Ramakrishna

Das Zie1 östlicher Praktik ist dasselbe wie das der west- liehen Mystik: der Schwerpunkt wird vom Ich zum Selbst, vom Menschen zu Gott verschoben; was bedeuten will, dass das Ich im Selbst, der Mensch in Gott verschwindet. Es ist evident, dass Shri Ramana entweder wirklich vom Selbst weitgehend aufgesogen ist, oder doch wenigstens ernstlich und lebenslang danach strebt, sein Ich im Selbst aufzulösen. Ein ähnliches Streben verraten auch die ex ecercitia spirituaIia, indem sie den »Eigenbesitz«, das Ichsein in möglichst hohem Maße der Besitznahme durch Christum unterordnen. Der ältere Zeitgenosse Shri Ramana's, Ramakrishna, hat in Hinsicht auf die Beziehung zum Selbst dieselbe Einstellung wie jener, nur scheint bei ihm das Dilemma zwischen Ich und Selbst etwas deutlicher hervorzutreten. Während Shri Ramana zwar »verständnisvolle« Duldung mit dem weltlichen Berufe seiner Jünger zeigt, aber doch unmissverständlich die Auflösung des Ich zum eigentlichen Ziel der geistlichen Übung erhebt, zeigt Ramakrishna eine etwas mehr zögernde Haltung in dieser Hinsicht. Er sagt zwar: »So lange Ichsucht besteht, sind weder Erkenntnis (jnana) noch Befreiung (mukti) möglich, und der Geburten und Tode ist kein Ende« Aber er muss die fatale Zähigkeit des Ahamkara doch anerkennen: »Wie wenige vermögen die Einung (samadhi) zu erlangen und sich von diesem Ich (aham) zu befreien. Es ist selten möglich. Diskutiere so viel du willst, sondere unaufhörlich – dennoch wird dieses Ich immmer zu dir zurückkehren. Fälle heute die Pappel, und du wirst morgen finden, dass sie von neuem ausschlug.«  Er geht sogar so weit, die Unzerstörbarkeit des Ich mit den Worten anzudeuten: »Wenn ihr schließlich dieses ‚Ich' nicht zerstören könnt, so behaltet es als ‚Ich, der Diener".« Gegenüber dieser Konzession an das Ich ist Shrî Raman entschieden der Radi¬kalere, resp. im Sinne der indischen Tradition der Konservativere. Der ältere Ramakrishna ist damit der Modernere von beiden, was wohl auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass er von der west¬lichen Geisteshaltung weitaus tiefer und stärker berührt ist, als Shri Ramana.

Wenn wir das Selbst als Inbegriff seelischer Ganzheit (d. h. als Totalität von Bewusstem und Unbewusstem) fassen, so stellt es Tatsächlich etwas wie ein Ziel seelischer Entwicklung dar, und dies jenseits aller bewussten Meinungen und Erwartungen. Es ist Inhalt eines Prozesses, der in der Regel sogar außerhalb des Bewusstseins abläuft und seine Gegenwart nur durch eine Art Fernwirkung auf dieses 'verrät. (Ich habe einen derartigen Prozess dargestellt im I. Teil meines Buches "Psychologie und Alchemie«, Zürich 1944.) Eine kritische Einstellung zu diesem Naturprozess erlaubt uns Fragen, welche die Formel Selbst = Gott eigentlich von vornherein ausschließt. Diese Formel zeigt als eindeutiges religiös-ethisches Ziel die Auflösung des Ich im Atman, wie das Leben und Denken Shri Ramana's beispielhaft dartut. Selbstverständlich gilt dies auch von der christlichen Mystik, die sich ja im Grunde genommen nur durch eine andere Terminologie von der östlichen Philosophie unterscheidet. Dabei ist die Minderbewertung und Aufhebung des physischen und psychischen Menschen (des lebenden Leibes und des Ahamkara) zugunsten des pneumatischen Menschen unvermeidliche Folge. Shri Ramana z. B. nennt seinen Körper »diesen Klotz da«. Im Gegensatz dazu und in Erwägung der komplexen Natur des Erlebnisses (Emotion + Deutung) belässt der kritische Standpunkt dem Ichbewusstsein die Bedeutsamkeit seiner Rolle, wohl wissend, dass ohne Ahamkara auch gar niemand vorhanden wäre, der um solches Geschehen wüsste. Ohne des Maharshi's persönliches Ich, das erfahrungsgemäß nur mit seinem ihm zugehörigen »Klotz« (= Leib) gegeben ist, hätte es einen Shri Ramana überhaupt nie gegeben. Auch wenn wir ihm zugestehen wollen, dass nunmehr nicht mehr sein Ich, sondern der Atman spricht, so ist es doch die psychische Bewusstseinsstruktur sowohl als auch der Leib, welche sprachliche Mitteilung überhaupt ermöglichen. Ohne den gewiss sehr anfechtbaren physischen und psychischen Menschen ist auch das Selbst völlig gegenstandslos, wie Angelus Silesius schon sagte:

»Ich weiß, dass ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, Werd' ich zu nicht, er muss Von Noth den Geist aufgeben.«

Der apriori vorhandene Zielcharakter des Selbst und der Drang, dieses Ziel zu verwirklichen, bestehen, wie schon gesagt, selbst ohne Teilnahme des Bewusstseins. Sie können nicht geleugnet werden, aber ebensowenig kann man des Ichbewusstseins entraten. Auch es meldet seine Forderung unabweisbar an, und zwar sehr oft in lautem oder leisem Gegensatz zur Notwendigkeit der Selbstwerdung. In Wirklichkeit, d. h. abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, besteht die Entelechie des Selbst in einem Wege endloser Kompromisse, wobei Ich und Selbst sich mühsam die Waage halten, wenn alles gut gehen soll. Ein zu großer Ausschlag nach der einen oder anderen Seite bedeutet daher in tieferem Verstande oft nicht mehr als ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Das heißt nun keineswegs, dass Extreme, wo sie sich natürlicherweise einstellen, eo ipso von Übel wären. Wir machen von ihnen wohl den richtigen Gebrauch, wenn wir ihren Sinn erforschen, wozu sie uns dankenswerterweise reichlich Gelegenheit geben. Ausnahmemenschen, sorgfältig umhegt und eingefangen, bedeuten stets ein Geschenk der Natur, das uns bereichert und den Umfang unseres Bewusstseins vergrößert, dies alles aber nur, wenn' unsere Besonnenheit nicht Schiffbruch leidet. Ergriffenheit kann ein wahres Göttergeschenk sein oder eine Ausgeburt der Hölle. Bei der Maßlosigkeit die ihr anhaftet, fängt das Verderben an, auch wenn die damit verknüpfte Bewusstseinsvernebelung die Erreichung höchster Ziele in scheinbar größte Nähe rückt. Wahrer und haltbarer Gewinn ist nur erhöhte und erweiterte Besonnenheit.

Maharshi ist ein Sinnbild für das innere Streben der indischen Völker nach dem Urgrund der Erlösung

Außer Banalitäten gibt es leider keine philosophischen oder psychologischen Sätze, die nicht sofort auch umgedreht werden müssten. So bedeutet Besinnung als Selbstzweck nichts als Beschränktheit, wenn sie sich nicht im Wirrwarr chaotischer Extreme behauptet, wie auch bloße Dynamik um ihrer selbst willen zur Verblödung führt. Jegliches Ding bedarf zu seiner Existenz seines Gegensatzes, ansonst es bis zum Nichtsein verblasst. Das Ich bedarf des Selbstes und umgekehrt. Die wechselnden Beziehungen zwischen diesen beiden Größen stellen ein Erfahrungsgebiet dar, welches die introspektive Erkenntnis des Ostens in einem dem westlichen Menschen fast unerreichbaren Maße ausgebeutet hat. Die von der unsern so unendlich verschiedene Philosophie des Ostens bedeutet für uns ein überaus wertvolles Geschenk, das wir allerdings »erwerben müssen, um es zu besitzen«. Shri Ramana's Worte, die uns Zimmer als letztes Geschenk seiner Feder in trefflichem Deutsch hinterlassen hat, fassen noch einmal das Vornehmlichste zusammen, was der Geist Indiens im Laufe der Jahrtausende an innerer Schau aufgehäuft hat, und das individuelle Leben und Wirken des Maharshi verdeutlicht noch einmal das innerste Streben der indischen Völker nach dem erlösenden Urgrunde. Ich sage »noch einmal«, denn Indien steht vor dem verhängnisvollen Schritt, zum Staat zu werden und damit in jene Völkergemeinschaft einzutreten, deren leitende Prinzipien alles auf dem Programm haben, nur gerade nicht die »Abgeschiedenheit« und den Frieden der Seele.

Die östlichen Völker sind von einem raschen Verfall ihrer geistigen Güter bedroht, und was an deren Stelle tritt, kann nicht immer zum Besten abendländischen Geistes gerechnet werden. Man kann daher Erscheinungen wie Ramakrishna und Shri Ramana als moderne Propheten auffassen, denen in Bezug auf ihr Volk die gleiche kompensatorische Rolle zukommt, wie den Propheten des Alten Testamentes in Bezug auf das »abtrünnige« Volk Israel. Sie erinnern nicht nur an die tausendjährige Geisteskultur Indiens, sondern sie verkörpern diese geradezu und bilden damit eine eindrucksvolle Mahnung, über all dem Neuen westlicher Zivilisation und deren materialistisch-technischer und kommerzieller Diesseitigkeit den Anspruch der Seele nicht zu vergessen. Der atemlose Bemächtigungsdrang in politischer, sozialer und geistiger Hinsicht, welcher mit anscheinend unstillbarer Leidenschaft die Seele des Abendländers zerwühlt, breitet sich unaufhaltsam auch im Osten aus und droht, unabsehbare Folgen zu zeitigen. Nicht nur in Indien, sondern auch in China ist Vieles bereits untergegangen, in welchem einstmals die Seele lebte und gedieh. Die Veräußerlichurig der Kultur kann zwar einerseits mit vielen Übelständen aufräumen, deren Beseitigung als höchst wünschenswert und vorteilhaft erscheint, aber dieser Fortschritt ist andererseits, wie die Erfahrung zeigt, mit einem Verlust seelischer Kultur nur allzu teuer erkauft. Es ist zwar unzweifelhaft viel komfortabler, in einem wohlgeordneten und hygienisch eingerichteten Hause zu leben, aber damit ist die Frage noch nicht beantwortet, wer der Bewohner dieses Hauses ist, und ob sich seine Seele auch derselben Ordnung und Reinlichkeit erfreut, wie das zum äußern Leben dienende Haus. Erfahrungsgemäß begnügt sich der auf Äußeres eingestellte Mensch ja nie mit dem bloß Notwendigen, sondern strebt stets darüber hinaus nach noch Mehrerem und noch Besserem, das er, seinem Präjudiz getreu, stets im äußern sucht. Er vergisst dabei völlig, dass er selber, bei allem äußern Erfolg, innerlich derselbe bleibt und sich darum um seiner Armut willen beklagt, wenn er nur ein Automobil besitzt, statt, wie die meisten andern deren zwei. Gewiss erträgt das äußere Leben des Menschen noch viele Verbesserungen und Verschönerungen, aber sie verlieren ihre Bedeutung in dem Maße, als der innere Mensch damit nicht Schritt hält. Die Sättigung mit allem »Notwendigen« ist zweifellos eine nicht zu unterschätzende Glücksquelle, darüber hinaus aber erhebt der innere Mensch seine Forderung, die mit keinen äußern Gütern gestillt werden kann. Und je weniger diese Stimme ob der Jagd nach den Herrlichkeiten dieser Welt gehört wird, desto mehr wird der innere Mensch zur Quelle unerklärlichen Missgeschickes und unverstandenen Unglückes inmitten von Lebensbedingungen, welche ganz anderes erwarten ließen. Die Veräußerlichurig wird zu einem unheilbaren Leiden, weil niemand es verstehen kann, wieso man an sich selber leiden sollte. Niemand wundert sich über seine Unersättlichkeit, sondern betrachtet sie als sein gutes Recht und denkt nicht daran, dass die Einseitigkeit der seelischen Diät schließlich zu den schwersten Gleichgewichtsstörungen führt. Daran krankt der Abendländer und er ruht nicht, bis er die ganze Welt mit seiner begehrerischen Rastlosigkeit angesteckt hat.

Siehe auch

Literatur

Literatur

  • Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage