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Version vom 22. August 2012, 17:23 Uhr
Aspirant: der spirituell suchende Mensch; stetes Bemühen in Sadhana, der spirituellen Praxis; Adhikari - Schüler, der auf Befreiung von der weltlichen Illusion hofft.
(aspirare...lateinisch aspirare: anhauchen, hinstreben).
Bist Du ein spiritueller Aspirant?
Von Sri N. Ananthanarayanan (direkter Schüler von Swami Sivananda).
Ein mit mir befreundeter Sannyasin (Asket) erzählte mir eine interessante Geschichte. Dieser Swamiji hieß, bevor er sich zurückzog und Sannyasin wurde, Mr. Rao und arbeitete bei der Armee, wo er anderen das Schreibmaschine schreiben beibrachte. Dies war in den Tagen vor der Unabhängigkeit, als Indien noch von den Briten besetzt war. Einer der Schüler in Mr. Raos Klasse war ein junger Engländer namens Thomas. Trotz der besten Schulung machte er weiterhin viele Tippfehler. Eines Tages reichte es Mr. Rao und er fragte ihn ganz unverblümt: „Mr. Thomas! Sie sind schon so lange in meiner Klasse. Ich habe mir mit Ihnen alle erdenkliche Mühe gegeben. Sagen Sie, wie kommt es, dass Sie immer noch die gleichen Fehler machen?“ Darauf antwortete Mr. Thomas: „Mr. Rao, der erste Fehler, den ich gemacht habe, war in diese Welt geboren zu werden. Alle anderen Fehler sind eine natürliche Folge davon.“ Ich werde nie diese treffende Bemerkung von Thomas vergessen, wie sie mir sinngemäß von meinem lieben Swami-Freund erzählt worden war. Unsere Misere in dieser Welt ist, dass wir in sie hineingeboren wurden. Was ist diese WLink-Textelt eigentlich? Nur eine Falle von Maya (Täuschung, verhüllende Kraft Brahmans), umJivas (individuelle Seelen) in ihrem Netz zu fangen und sie von Gott abzuhalten. Indem man in diese Welt geboren wird ist das gleiche wie in Mayas Falle zu geraten. Und kann es Glückseligkeit geben für einen Menschen, der in der Falle sitzt? In einem bemerkenswerten Satz, der stark an die Beschreibung in der Gita (Bhagavd Gita, heiliges Buch der Hindus) erinnert, beschreibt der englische Schriftsteller Thomas Hardy das Leben in dieser Welt: „Das Leben ist eine Zwiebel. Weine, während Du sie schälst.“ Wie wahr! Von der Wiege bis zur Bahre ist es Mühsal, Kampf und Plackerei auf der ganzen Linie. Für einige in dieser Welt ist es ein Kampf ums schiere Überleben. Für andere ist es ein Kampf um Geld, Frauen oder einen hohen Posten. Einige bemühen sich, Gewicht zu verlieren, andere streben danach zuzunehmen. Manche rennen 10 oder 20 Jahre von Pontius zu Pilatus und wünschen sich sehnsüchtig ein Kind. Andere weinen, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Kinder großzuziehen. Die Menschen sind die ganze Zeit verwirrt und abgelenkt. Einem weisen Mann erscheint diese ganze Welt wie eine Irrenanstalt, in der alle auf sehr reale Weise psychiatrische Fälle sind. Bei niemandem ist das Vorstellungsvermögen makellos und vollständig. Die einzige Ausnahme sind die Weisen mit Gottesverwirklichung, deren Weisheit absolut ist.
In dieser leidenden, verwirrten Menschheit gibt es solche, deren Stolz es nicht zulässt zuzugeben, dass sie leiden. Denen ist schwer zu helfen. Dann gibt es eine zweite Gruppe von Menschen, deren Mitgieder glauben, dass ihr Leiden gelindert oder gar beseitigt werden kann und zwar nicht durch spirituelle Lösungen, sondern durch weltliche. Und in dieser Gruppe gibt es zwei Kategorien. In der ersten Kategorie befinden sich die Millionen Hungernden dieser Welt. Sie möchten Nahrung gegen den Hunger, einen Job gegen die Arbeitslosigkeit und ein Dach über dem Kopf. Sie sind in ihrem Zustand nicht am religiösen Prediger interessiert (und in ihrem Zustand können sie das auch gar nicht), der ihnen eine goldene Zukunft verkündet: „Nach dem Tod erwartet Euch das Paradies.“ Die hungernden Massen wollen etwas zum Essen um zu leben, und nicht erst nach dem Tod. Und sie haben Recht. Man kann mit Religion keine hungrigen Mäuler stopfen. In der zweiten Kategorie dieser zweiten Gruppe sind die reichen Materialisten, die trotz alle ihren Reichtums, ihrer Frauen und ihrer Macht und Stellung ihre eigenen Probleme haben – die Probleme und Krankheiten der Reichen. In ihrem Unverstand sind sie aber nicht willens, Religion und Spiritualität als Ausweg aus ihrer Qual zuzulassen. Das sind die Leute, die knietief im irdischen Sumpf stecken, und nur die Zeit und endloses Leiden kann ihnen die Augen für Weisheit öffnen. In der dritten und letzten Gruppe sind die Menschen, die schon über materiellem Verlangen stehen und auch davon überzeugt sind, dass eine dauerhafte Lösung ihrer Probleme nur durch spirituelles Bemühen gefunden werden kann. Sie haben genug in der Welt gesehen um zu erkennen, dass irdische Lösungen nichts wie Stückwerk sind und nicht alle Probleme lösen können, die den menschlichen Geist die ganze Zeit quälen. Sie verstehen, dass es kein Ende der Probleme in dieser Welt gibt und dass diese Probleme ständig ihre Farbe und ihr Aussehen ändern wie das sprichwörtliche Chamäleon. Dies sind die Menschen, die alle nur erdenklichen Tricks ausprobiert haben und darin gescheitert sind, das reine Glück in dieser Welt festzuhalten. Sie haben die trügerische Anziehungskraft der irdischen Objekte erkannt. Sie haben viel herumprobiert und herausgefunden, dass ein Wechsel des Ortes, der Umgebung oder der Umstände keine langfristige Änderung zum Besseren hin bewirkt, sondern dass man nur vom Regen in die Traufe gelangt. Jeder Ort und jedes Ding ist belastet mit Leiden. Jede irdische Erfahrung ist begleitet von Leiden und Strapazen. Diese Menschen haben die Nutzlosigkeit irdischer Anstrengung erkannt, sie haben die wahre Natur dieser Welt als Schule des Leidens erkannt. Gegen dieses Leiden ist Sadhana (spirituelle Praxis) verordnet und ein spirituelles Leben wird empfohlen. Sie sind die Sadhaks oder spirituellen Sucher oder spirituelle Aspiranten.
Ein spiritueller Aspirant fühlt sich erdrückt von Pflicht. Er erfährt ein Gefühl von Erstickung, Versteifung und Ungeduld mit Samsara (irdisches Leben), - ein Gefühl wie „ich habe es satt“. Normalerweise, wenn jemand sagt „mir reicht’s“ oder „ich komme nicht mehr klar“, hat er dieses Gefühl nicht auf der ganzen Linie. Was ihm reicht sind bestimmte schlechte Situationen, in die er gerät. Sein Geist ist voll von Wünschen und er würde gerne die ganze Welt genießen, wenn er könnte. Das ist nicht genug für einen spirituellen Aspiranten. Er muss allem in Samsara überdrüssig sein. Ein echter Sadhak ist daher jemand, der versucht sich von allen irdischen Bindungen zu lösen. Er bemüht sich, sich von der Welt abzukoppeln und sich bei Gott anzukoppeln. Er rackert sich beständig ab, den „ersten Fehler“ (siehe Anfang) ungeschehen zu machen. Er möchte fest im Geist verankert sein. Ein weltlicher Mensch hingegen ist an den Verstand gebunden, an die Sinne und an die Welt. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen einem Sadhak und einem weltlichen Menschen.
In diesen Zeiten des Materialismus, in denen Selbstsucht zur aktuellen Mode wurde, wird ein Egoist, der bereit ist die Interessen anderer zu opfern, um seine eigenen zu erfüllen, zu einem nachahmenswerten Modell. Jede Person und jedes Ding wird unter dem Aspekt betrachtet und gewertet, ob es/sie brauchbar ist für die eigenen Zwecke. Solche Zeiten sind anfällig dafür, dass Gott und Heilige wie Multifunktionswerkzeuge benutzt werden. Wie kann Gott mir nützlich sein? Auf welche Weise kann der Heilige mir helfen? Nur das ist die Frage. Kann Dein Gott mir helfen, meine Wünsche zu befriedigen? Kann Dein Heiliger mir helfen, meine ehrgeizigen Ziele zu erreichen? Wenn ja, Hut ab vor Deinem Gott oder Heiligen. Andernfalls möchte ich weder den Gott noch den Heiligen. Das ist die Einstellung vieler Menschen. Was ist der Nutzen, der Wert eines Gottes? Kann er mir helfen, mein Examen mit Auszeichnung zu bestehen? Kann er mir helfen, vor Gericht zu gewinnen? Kann er mich mit einem Sohn segnen? Kann er mich von einer Krankheit heilen, von der die Ärzte sagen, dass sie unheilbar sei? Kann er meine Feinde vernichten? Meine Bank möchte mich nach Bombay versetzen. Ich mag aber Delhi und möchte hierbleiben. Kann nicht Dein Gott diesen kleinen Wunsch von mir erfüllen? Kann nicht der Segen Deines Heiligen dieses vollbringen? Die Erfüllung dieser und unzähliger anderer selbstsüchtiger Erwartungen streben die Menschen durch die Zuflucht zu Gott und Heiligen an.
Gott wäre nicht Gott, wenn er nicht die aufrichtigen Gebete seiner Anhänger erhören würde. Er segnet die Menschen mit der Erfüllung ihrer Wünsche. Er beantwortet ihre Gebete, vorausgesetzt, es wird von ganzem Herzen und voller Glauben gebetet. Menschen, die sagen, dass ihre Gebete nicht erhört werden, haben nicht viel Glauben in Gott und beten nur für den Fall, dass er nach allen doch helfen möge. Im großen und ganzen gehört die Mehrheit der Anhänger nur zu dieser Kategorie. Sie beten aus selbstsüchtigem Motiv. Materialismus ist ihr Glaubensbekenntnis. Irdischer Erfolg ist ihr Ziel. Sie sind nicht an der Theorie der Wiedergeburt interessiert und auch nicht an spiritueller Erlösung. Wenn Gott ihnen in ihrem materiellen Ehrgeiz helfen kann, so weit, so gut. Diese Leute wenden sich an Gott in völliger Verzweiflung und Hilflosigkeit, wenn sie in Schwierigkeiten geraten und dann merken, dass sie diese mit ihrem ganzen scharfsinnigen Verstand nicht lösen können. Das sind die Leute, die normalerweise keinen Tempel aufsuchen in Verehrung, aber eines Tages den Puja-Raum reinigen, Kerzen anzünden und Blumengirlanden kaufen, um die Murtis zu schmücken. Wenn dann das Gebet erhört wurde, gehen die Kerzen im Puja-Raum aus und in den Girlanden machen sich Spinnweben breit. Mit Gott haben sie dann nichts mehr im Sinn. So wie man ein Auto nach der Fahrt in der Garage abstellt, so verbannen sie Gott in den Hintergrund, nachdem er seine Arbeit für sie getan hat und sie ihn nicht mehr brauchen. Aber in Fällen wie diesem kann man nicht verallgemeinern. Es gibt Menschen, die einen aufrichtigen und dauerhaften Glauben in Gott entwickeln, nachdem sie einmal in einer Krise seine rettende Gnade erfahren haben. Die Krise im Privatleben und die darauf folgende Hilflosigkeit wendet ihren Geist, vielleicht zum ersten Mal, in Richtung Gott und Religion. Und nachdem sie einmal Gottes Gnade erfahren durften, wendet sich ihre ursprünglich halbherzige Annäherung an Gott in lebendigen Glauben.
Menschen, die sich an Gott um Gottes Willen wenden, bilden eine mikroskopisch kleine Minderheit unter den Anhängern. Aber es gibt sie! Sie haben die Welt erfahren, die völlige Wertlosigkeit eines Erdenlebens erkannt, seine Vergänglichkeit verstanden, sein Elend mitbekommen und möchten aus all dem heraus kommen. Sie haben davon gehört, dass beständiger Frieden nur in Gott zu finden ist und sie wollen wissen, wie sie zu Ihm finden können. Das sind die wahren spirituellen Aspiranten. Sie suchen den Glauben. In ihrem Geist ist die Verlockung der Dinge und der Welt gestorben, wenn auch nur vorübergehend.
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