Ramana Maharshi: Unterschied zwischen den Versionen

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==Biografie==
==Biografie==
==Biografie==
aus „der Weg zum Selbst“ von Heinrich Zimmer
===Ramanas Geburtsort - Tiruchuzhi===
[[Shri]] Ramana Maharshi, der [[Heilige]] von [[Tiruvannamalai]], entstammt einer alten [[Brahmane]]nfamilie. Er ist aus [[Tiruchuzhi]] im Distrikt [[Ramnad]] gebürtig, einem Landflecken von etwa fünfhundert Häusern, überragt von einem alten [[Shiva]][[tempel]], dessen Herrn die beiden größten unter den klassischen Sängern seliger [[Gott]]esversenkung [[Südindien]]s, [[Sundaramurti Svamin]] und [[Manikka Vashagar]] in begeisterten [[Hymne]]n gefeiert haben, Die Seelenluft mittelalterlicher Frömmigkeit des [[Tamil]]landes, die in ihren Liedern Sprache fand und zu Ende des 11. Jahrhunderts im »[[Tirumurai]]«, dem »[[Heilige]]n Buch« (auch »[[Veda in Tamil]]« genannt), ihre literarische Überlieferung erlangte, ist an diesem weltfernen Flecken noch lebendig: [[Tiruchuzhi]] ist etwa 40 km von Madura entfernt, dem berühmten Wallfahrtsort [[Südindien]]s, Ziel zahlloser [[Pilger]] und jährlich erneuter Touristenströme, und liegt 27 km abseits der nächsten Bahnstation [[Virudunagar]].
===Maharshis Vater – Sundaram Ayyar===
Shri Ramanas Vater, [[Sundaram Ayyar]], fing klein an: mit zwölf Jahren lernte er als Dorfschreiber bei zwei Rupee Monatsgehalt (etwa 5 Schweizer Franken) Buchhaltung und Rechnungsführung. Dann etablierte er sich als Rechtskonsulent, verfasste Eingaben und Gesuche für Klienten und brachte es schließlich zum unstudierten Rechtsanwalt vor örtlichen Behörden. Er muss eine bemerkenswerte [[Persönlichkeit]] gewesen sein: hilfreich und tätig, schließlich wohlhabend und voll Gewicht im engen Umkreis seines Lebens. Er wusste sich mit jedermann gut zu stellen; sein gastliches Haus war allen offen, sein Rat ward viel gesucht, Neue Beamte stiegen bei ihm ab, bis sie eine andere Unterkunft gefunden hatten, und bedienten sich seiner gern bei ihren Angelegenheiten, Auch die zweifelhaften Elemente der Gegend mochten ihn, sie schätzten [[Charakter]] und Güte an ihm und ließen ihn ungeschoren, wenn er nachts allein über Land fuhr.
Er war keine ausgesprochen [[Religion|religiöse]] [[Natur]], aber die heilige Überlieferung trug ihn wie seinesgleichen: mit alltäglich häuslichem Kult vor den kleinen Götteridolen, mit gelegentlichen [[Wallfahrt]]en zu [[Tempel]]n der Umgegend und mit Erbauungsstunden, in denen er und die Seinen dem Vortrag heiliger Schriften und ihrer Auslegung lauschten. Das allumfassende [[Leben]]s[[ritual]] des [[Hinduismus]], ver[[körper]]t im [[Guru]], dem geistlichen Lehrer und erblichen Hauspriester der Familie, der zum Vollzug aller [[Sakrament]]e und vieler Riten unentbehrlich ist, war der fraglose [[Seele]]nraum seines Aufstiegs zu irdischem Wohlstand.
Wie der rechte Vater in zahllosen Märchen und Geschichten hatte er drei Söhne: [[Nagasvamin]], Venkata Raman und [[Nagasundaram]]. In seiner Familie besprach man den eigentümlichen Zug, dass jeweils ein Glied jeder Generation dem Weltleben entsagt habe und in den geistlichen Stand des [[Asket]]en und [[Yogi]]n getreten sei. Ein Bruder seines Vaters hatte das gelbe Gewand [[brahma]]nischer Mönche angelegt und war mit Wanderstab und Bettelnapf ein [[pilgern]]der Asket geworden. Sundaram Ayyars eigener älterer Bruder war eines Tages aus dem Dorf verschwunden und verschollen geblieben: augenscheinlich hatte auch er sich auf die Pilgerfahrt zum Ewigen begeben, war in die Schar der Namenlosen untergetaucht und in den Strom der Wandernden gemündet, die, ohne Besitz und Ich, Erlösung vom Kreislauf der [[Geburt]]en, Vollendung bei Lebzeiten und Ruhe im Meer des Göttlichen finden wollen.
Dazu erzählte man sich die Geschichte von einem wandernden Bettelasketen, der vor Zeiten ins Haus gekommen sei, aber keine gastliche Aufnahme gefunden habe, ja nicht einmal ein Essen bekam er, wie es in [[Indien]] seit unvordenklichen Zeiten jeder [[Heilige]], jeder [[Brahmane]] (ja jeder Bettler) erwarten darf, der in die Tür tritt und das Haus durch sein Verweilen heiligt. Er lässt die Hausbewohner an der Segenskraft seines Wesens teilhaben, indem er entgegennimmt, was sie ihm bereitwillig abgeben mögen. Wer ihn aber abweist, schneidet sich von seinem [[Segen]] ab und erntet Fluch. So verließ der abgewiesene Bettelasket das ungastliche Haus mit der Verheißung, die seinen Bewohnern eine Verwünschung dünken mochte; dass in jeder Generation eines seiner Glieder ein Asket werden solle wie er, haus- und besitzlos, um Essen bettelnd.
Indes versprach [[Nagasvamin]], der älteste Sohn, ein Ebenbild des Vaters zu werden und, von leichteren Anfängen begünstigt, es höher hinaus zu bringen: nach Absolvierung der nötigen Prüfungen zu einem gutbezahlten Posten in der Verwaltung. Von der Zukunft des Kleinsten, Nagasundaram, konnte füglich noch nicht die Rede sein, er hing noch ganz an der Mutter, als die Verheißung des bettelnden Heiligen sich jählings am Mittleren erfüllte, und Venkata Raman 1896 in seinem siebzehnten Lebensjahre zu seiner Berufung erwachte.
===Ramana Maharshi wurde als Venkata Raman geboren===
Venkata-Raman ist am 30. Dezember 1879 eine Stunde nach Mitternacht geboren (nach indischer Rechnung: [[Pramathi]], 16. [[Margali]]), — in einer heiligen Nacht. Jubel des Volkes erfüllte den Ort: eben beendete [[Shiva]] [[Mahadev]], der Große [[Gott]], den feierlichen Umgang seines Bildes bei nächtlichem Fackelschein durch die geschmückten Straßen von [[Tiruchuzhi]] und kehrte, nachdem er sich den Augen aller leibhaft gezeigt hatte, wieder ins Dämmerdunkel seines Heiligtums zurück, — da schlug das Kind in stiller Kammer zum ersten Mal die [[Auge]]n auf. Ein großer Tag im Jahreslauf war wieder vorüber; seine Heiligkeit beruhte darauf, dass der Gott immer wieder an ihm im Gange der Zeiten großen Heiligen leibhaft erschienen war: [[Gautama]], dem vorzeitlichen vedischen Seher und Stammvater vieler Brahmanengeschlechter, dem »tigerfüßigen« Heiligen [[Vyaghrapada]] epischer Legende, und [[Patanjali]], dem großen [[Yogalehrer]] im 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. So stand der Tag für alle im Zeichen, ihn, den Gott, zu schauen: »[[Rudra]]«, den Furchtbaren, als »a-Rudra«, den Unfurchtbaren, Gnädigen. Den »Gnädigen zu schauen« (a-Rudra-[[darshana]]), war die Losung des Tages mit Wallfahrten zu heiligen Bade
teichen voll entsühnenden Wassers, mit Tempelbesuch zu seinem Bilde im Lampendämmer der Cella und mit feierlichem Umgang, indem seine Erscheinung vorüberwandelnd Volk, Häuser und Straßen [[Segen|segnete]].
===Venkata Raman/Ramana Mahrshi war ein „Sandwichkind“===
[[Indien]] hat eine eigene Ansicht über die Rolle, die dem mittleren von drei [[Bruder|Brüder]]n zufallen kann. Der Älteste ist das zweite Ich des [[Vater]]s, seine leibhafte [[Wiedergeburt]], bestimmt, seine [[Leben]]slinie fortzusetzen, wie der Vater selbst die Reihe aller heimgegangenen [[Ahne]]n im Licht des Lebens fortsetzt. Er wird dem Vater und allen Vorvätern einst mit Ahnen[[opfer]]n die [[Dankbarkeit|Dank]]esschuld seines Daseins abzahlen, wie dieser es [[jetzt]] tut, und damit den [[Tot]]en die [[Nahrung]] spenden, deren sie zu ihrem Fortleben in der Väterwelt bedürfen. Die unsichtbare Verwandtschaft hat in Gestalt ihres greifbaren jüngsten Vertreters, des Vaters, Beschlag auf den Ältesten gelegt. Der Jüngste gehört der [[Mutter]], er hält sich an sie, wie sie ihn umklammert hält, um dieses letzte Stück ihrer selbst zuletzt und spät an die Mächte des Lebens wegzuschenken, Der Mittlere aber ist keinem der Eltern so elementar verbunden, ist dem Bann der [[Familie]], der heischenden Gewalt des [[Blut]]s minder untertan, Das bedeutet [[Freiheit]] und Preisgegebensein in einem.
Der mittlere Sohn [[Sundaram Ayyar]]s gab als Kind durch keine besonderen Zeichen seine Berufung zum [[Heilig]]en, [[Lehrer]] oder [[Vorbild]] zu erkennen. Venkata-Raman besuchte drei Jahre lang die Volksschule in [[Tiruchuzhi]], danach ein Jahr in [[Dindigul]], dann kam er nach [[Madura]] auf die höhere Schule, Damit geriet er in den Kreis der [[Chtristentum|christlichen]] [[Mission]], zuerst in der Scotts Middle School, dann der American Mission High School. Inzwischen war — viel zu früh für ihn — sein Vater [[sterben|gestorben]]. Ein Onkel in Madura hatte die beiden älteren Söhne in seine Familie auf genommen und sorgte für ihre Ausbildung; der ältere Bruder ging ins College.
===Venkata-Raman’s Schulzeit===
Venkata-Raman war kein hervorragender Schüler; augenscheinlich fiel ihm das [[Lernen]] leicht, aber er fand keine besondere Beziehung zum Lernstoff. Oft kam er unvorbereitet in die Schule; aber wenn er andere die Tageslektion aufsagen hörte, fasste er schnell so viel davon auf, wie nötig war, um vor dem Lehrer zu bestehen. [[Sport]] und [[Spiel]]e schienen ihm mehr zu sagen: Im Ringen und Boxen, beim Schwimmen, Wettlauf und Turnen stand er seinen [[Mann]]. Sein gesunder [[Körper]] war wohl entwickelt, seine [[Kraft]] und [[Geschicklichkeit]] imponierten auch größeren Jungen und verschafften ihm allseitige Achtung. Diese leibliche Wohlgeratenheit ward nachmals die unerlässliche Grundlage für die schweren Belastungsproben seiner strengen [[Askese]] und half ihm zur [[Meister]]ung alles Leiblichen in [[Yoga]].
Mit dem [[Sanskrit]] und der [[heilig]]en Überlieferung des [[Hinduismus]] bis zu den ehrwürdigen [[Veden]] und [[Upanishad]]s hinauf, die sich mit seiner Kenntnis erschließt, machte er keine Bekanntschaft.
Die selbstverständliche Atmosphäre [[Shivaismus|shivaitischer]] Frömmigkeit umgab ihn, ohne Besonderes in ihm zu wecken; die [[Bibel]]stunden der [[Mission]]sschulen schienen ihm so wenig zu sagen wie den meisten [[Hindu]]knaben und glitten offenbar so spurlos an ihm ab wie der übrige Lernstoff. Immerhin muss sich ihm die Vorstellung des väterlichen [[Gott]]es dort eingeprägt haben, die der Gestalt [[Shiva]]s wie anderer [[Götter]] des [[Hinduismus]] in ihrem Verhältnis zu den [[Mensch]]en völlig fremd ist; sie wurde zum Leitwort des [[Vater]]losen, als er, zu sich selbst erwacht, aufbrach und Haus und [[Familie]] verließ, um als heimatloser [[Pilger]] [[Gott]] zu suchen.
===Der Klang aus Arunachala verkündet Venkataraman ein neues Leben===
Der erste Bote aus der [[Welt]] seines künftigen Lebens kam zu ihm nach Madura Ende November 1895: in Gestalt eines älteren Verwandten aus [[Tiruchuzhi]], der gerade von einer Wallfahrt heimkehrte. »Wo kommst du her?« fragte der Junge den Älteren, — »von [[Arunachala]]« war die [[Antwort]]. »Arunachala« hat in den [[Ohr]]en frommer [[Hindu]]s [[Südindien]]s einen hohen [[Klang]]; ein bekannter Spruch stellt den [[Ort]] den [[heilig]]sten [[Wallfahrt]]splätzen [[Indien]]s gleich, ja höher als sie: »Wer [[Chidambaram]] schaut, wer in [[Tiruvarur]] geboren wird, wer in [[Benares]] stirbt, und wer nur an Arunachala denkt, wird sicher [[Erlösung]] finden.« Ein glorreich hingespreiztes Dreieck über der weiten Ebene, mit feierlich gedehnten Hängen, ragt »Arunachala«, der »[[Berg]] ([[Achala]]) des Morgenrots ([[Aruna]])«, in die Leere des Himmels. »Morgenrot«, nach indischer Anschauung männlich gedacht, als Wagenlenker des [[Sonnengott]]es, schwebt dem strahlenden Tagesgestirn auf der Deichsel seines Achtgespanns hockend vorauf, wenn es täglich sich über dem Berge erhebt. Zu [[Fuß|Füßen]] des Berges liegt Tiruvannamalai mit seinem Riesentempel: Ein Viereck langgestreckter Mauern, von himmelhohen Tor[[pyramide]]n überragt, ein [[Götter]]palast, aus Himmelswelten den Menschen als Gnadenort zur [[Erde]] herabgesenkt; seine pyramidalen Bauten, von himmlischen Gestalten wimmelnd, sind wie erhabene Stiegen von der Erde zu höheren und immer reineren Sphären der Überwelt.
Der Name »Arunachala«, dem Knaben geläufig, aber ohne erregenden Inhalt, fiel wie mit einem neuen [[Klang]] in seine [[Seele]], — »wo ist das?« fragte er begierig und erhielt zur Antwort: »Kennst du [[Tiruvannamalai]] nicht? Das ist Arunachala.« — Es blieb einstweilen ungreifbar, welche [[Wurzel]]n die beiden Namen in seiner [[Seele]] schlugen, und welches Bild und [[Ziel]] aus diesem Keim erwuchs. Ein paar Monate später fiel das »[[Periya Purana]]« dem Knaben in die [[Hand|Hände]], das volkstümlichste [[Legende]]nbuch der [[Tamil]]-Literatur vom Anfang des 12. Jahrhunderts. Sein Onkel hatte sich das Buch geliehen, und Venkata-Raman verschlang die Geschichten der dreiundsechzig großen [[Heilige]]n des [[Tamil]]-Landes, die ihr Leben in glühender [[Gottesliebe]] zu [[Shiva]] verbrachten, wie ein Märchenbuch, Die Vorwelt seiner [[Ahne]]n griff nach ihm mit diesem ersten frommen Buch, das abseits der Schullektüre ihm zuhanden kam, und füllte sein [[Herz]] mit den alten [[Glaube]]nskräften, die seine Heimat, [[Baum|Bäume]] und [[Berg]]e, [[Tempel]] und Teiche belebend, über die Zeiten hin genährt haben in einsamer Inbrunst häuslichen [[Kult]]s und innerer Schau, in [[Pilger]]schaft und [[Singen|Gesang]], und in [[fest]]licher [[Andacht]] entzückter Menge. Er wusste nicht, in was er tauchte und versank, und als er, am Ende des Buches angelangt, es aus der [[Hand]] legte, umfing ihn wieder die Oede der Schule und ein gleichgültiger [[Alltag]].
===Venkataramanas plötzlicher Lebenswandel===
1896, als er siebzehn Jahre alt war, überkam ihn das große [[Erwachen]]. Viel später hat er seinen gläubigen [[Schüler]]n auf ihr inständiges [[Frage]]n davon erzählt, und sie haben seinen Bericht mit ihren [[Wort]]en aufgezeichnet:
»Es war etwa sechs Wochen, ehe ich [[Madura]] verließ, um nicht zurückzukehren, dass der große Wandel in meinem Leben eintrat. Das geschah ganz plötzlich. Eines Tages saß ich allein in einem Raum des ersten Stocks im Hause meines Heims, Ich fühlte mich frisch und wohl wie gewöhnlich. Ich muss überhaupt bemerken, dass ich nur selten [[krank]] war. Mein [[Schlaf]] war tief. 1891, als ich in [[Dindigul]] zur Schule ging, sammelten sich eine Menge [[Mensch]]en nahe bei dem Hause, in dem ich schlief, und wollten mich mit ihrem Geschrei aufwecken; sie schrien und klopften an die Tür: — Umsonst, Sie mussten hereinbrechen und mich heftig schütteln, um mich aus meiner Starre aufzuwecken. Dieser tiefe Schlaf spricht eher für meine gute [[Gesundheit]]. Ich hatte auch Anfälle von Dämmerzuständen im Halbschlaf bei Nacht, Arglistige [[Spiel]]kameraden, die sich hüteten, mich unter Tags zu necken, wenn ich wach war, stahlen sich nachts zu mir, wenn ich schlief, weckten mich, schleppten mich rings um den [[Spiel]]platz der Schule, schlugen mich, pufften mich, trieben ihren Mutwillen mit mir und brachten mich wieder in mein Bett zurück, — und die ganze Nacht über ließ ich sie mit einer Sanftheit, [[Demut]] und Nachsicht gewähren, die mir ganz fern lagen, wenn ich wach war. Aber diese Anfälle machten mich nicht schwach oder lebensunfähiger und konnten nicht als Leiden gelten.
Eines Tages also saß ich allein und fühlte mich keineswegs schlecht, — da packte mich jäh und unzweideutig der Schrecken des [[Tod]]es. Ich fühlte, ich müsse sterben. Warum ich das fühlte, lässt sich durch nichts, was ich in meinem [[Körper]] empfand, erklären. Ich konnte es mir auch nicht erklären, Aber ich bemühte mich auch gar nicht, herauszufinden, ob meine Todes[[angst]] begründet sei. Ich fühlte einfach: ,ich muss jetzt [[sterben]]' und überlegte sofort, was ich tun solle. Ich dachte nicht daran, einen Arzt oder Verwandte oder gar Fremde zu fragen. Ich fühlte: Diese [[Frage]] musste ich selber lösen, hier und [[jetzt]], auf der Stelle.
Dieser Schreck der Todesangst wandte mich nach innen. Ich sagte innerlich zu mir [[selbst]], ohne einen Laut zu sprechen: ,jetzt ist der [[Tod]] da. Was hat das zu bedeuten? Was ist das: [[Sterben]]? Mein Leib hier stirbt.' Sogleich fing ich an, meine Sterbeszene zu spielen. Ich streckte meine Glieder lang und hielt sie steif, als wäre die Todesstarre eingetreten, Ich ahmte einen Leichnam nach, um meinem weiteren Erforschen den äußeren Schein der [[Wirklichkeit]] zu leihen, hielt den [[Atem]] an, schloss den Mund und hielt die Lippen fest aufeinander gepresst, dass mir kein Laut entfahren konnte. Lass nicht das Wort ,Ich' oder irgendeinen Laut dir entschlüpfen! — ,Gut', sprach ich dann zu mir selber, ,dieser Leib ist tot. Starr, wie er ist, werden sie ihn zur Leichenstätte tragen; dort wird er verbrannt und wird zu [[Asche]]. Aber wenn er tot ist, — bin dann ,Ich' tot? Ist der Leib ,Ich'? — Dieser Leib ist stumm und dumpf. Aber ich fühle alle [[Kraft]] meines [[Wesen]]s, sogar die [[Stimme]], den Laut ,[[Ich]]' in mir, — ganz losgelöst vom Leibe. Also bin ich ein ,[[Geist]]iges', ein Ding, das über den Leib hinausreicht. Der stoffliche Leib stirbt, aber das Geistige, über ihn hinaus, kann der [[Tod]] nicht anrühren. Ich bin also ein todlos Geistiges.'
All das aber war nicht bloß ein Vorgang in meinem [[Denken]], es stürzte als lebendige [[Wahrheit]] in Blitzen auf mich ein: Ich ward es unmittelbar gewahr, ohne Überlegen oder Folgern. ,Ich' war ein höchstes Wirkliches, das einzige [[Wirkliche]] in diesem Zustande, und alles bewusste Geschehen, das an meinem Leibe hing, war darauf versammelt. Dieses ,[[Ich]]' oder mein ‚[[Selbst]]' blieb von diesem Augenblick an mit allmächtiger Anziehungskraft im Brennpunkt meiner wachen [[Aufmerksamkeit]], Die [[Furcht]] vor dem Tode war ein für allemal vergangen, Dieses Verschlungensein ins ,Selbst' hat von jener Stunde an bis heute nicht aufgehört, Andere Vorstellungen und [[Gedanke]]n mögen kommen und gehen wie viele Töne einer [[Musik]], aber dieses Ich dröhnt als Grundbass fort, der sie alle begleitet und sich mit ihnen verbindet. Ob mein [[Körper]] mit Sprechen, Lesen oder sonst etwas befasst war, immer blieb ich auf dieses ,Ich 'versammelt.
Vor dieser Wandlung hatte ich keine klare [[Erfahrung]] von meinem Selbst, ich war nicht bewusst darauf gerichtet. Ich empfand kein unmittelbares merkliches Interesse daran, geschweige denn eine dauernde Verfassung, darin zu verweilen, Die Folgen meiner neuen Einstellung wurden bald an meiner veränderten Lebensweise sichtbar,
Zunächst verlor ich den Rest von Interesse, den ich noch an Freunden und Verwandten, an meinem Lernen und dergleichen hatte, ganz; — ich arbeitete nur mehr mechanisch. Ich nahm wohl ein Buch zur Hand und starrte auf die aufgeschlagenen Seiten, um meinen Angehörigen die Genugtuung zu geben, ich lerne; — aber mein Sinn war ganz woanders, wirklich weit weg von so oberflächlichen Dingen wie Lernen. Im Umgang mit Verwandten und [[Freund]]en entwickelte ich Ergebenheit, Sanftmut und Gleichgültigkeit, Wenn mir früher im Kreis der anderen Jungen eine lästige Arbeit zugefallen war, beklagte ich mich wohl zuweilen über die ungerechte Einteilung; wenn andere Jungen mich aufzogen, gab ich ihnen Widerrede oder drohte ihnen, um mich selbst zur Geltung zu bringen. Wenn einer seinen Mutwillen mit mir treiben oder sich etwas herausnehmen wollte, brachte ich ihm geschwind bei, er sei bei mir an den Falschen geraten, Das alles hatte sich jetzt gründlich verändert: Allen unangenehmen Arbeiten, allen Neckereien und schlechten Späßen begegnete ich mit Sanftmut, Das frühere [[Wesen]], das darunter litt und sich dagegen zur Geltung brachte, war verschwunden. Ich ging nicht mehr mit meinen Freunden aus zu [[Sport]] und [[Spiel]], und blieb lieber mir selber überlassen. Ich saß viel ganz für mich allein, besonders in der Haltung, die sich zum [[Meditieren]] eignet, machte die [[Auge]]n zu und verlor mich in die alles in sich saugende Sammlung auf mich selbst, auf das [[Geist]]ige, den Strom oder die bannende Macht ([[Avesha]]), die mein [[Selbst]] ausmachte. Daran hielt ich fest, trotzdem mich mein älterer Bruder ständig verhöhnte und mich spöttisch einen ,Erleuchteten'([[Jnanin]]) oder ,höchsten aller Yogin' (Yogishvara) nannte und mir den Rat gab, mich in den tiefsten Dschungel zurückzuziehen, wie die heiligen [[Seher]] der Vorzeit ([[Rishi]]) taten, Alle Vorliebe oder Abneigung in Essensdingen war mir vergangen; was ich bekam: Lecker oder schal, gut oder unfrisch, schluckte ich, ohne auf Geschmack, Geruch oder Güte zu merken.
Ein anderer Zug meiner verwandelten Lebensweise war die Rolle, die der große Tempel der [[Göttin]] [[Minakshi]] (die ,[[Fisch]][[Auge|äugige]]') und ihres Gemahls ([[Shiva]]-) [[Sundareshvara]] für mich zu spielen begann, Bis dahin suchte ich ihn nur selten auf und in [[Gesellschaft]] von Freunden, betrachtete die Figuren, zeichnete meine Stirn mit [[heilig]]er [[Asche]] und Zinnober und kehrte nach Hause zurück, ohne sonderlich etwas dabei empfunden zu haben'. Seitdem ich aber zu meinem neuen [[Leben]] erwacht war, ging ich fast jeden Abend zu dem [[Tempel]], Ich ging allein und stand in langem Verweilen vor dem Bilde [[Shiva]]s oder der Minakshi oder vor dem tanzenden Shiva ([[Nataraja]]) und vor den Bildern der dreiundsechzig [[Heilige]]n. Wellen der Rührung und tiefen Ergriffenheit fluteten über mich hin. Mein [[Geist]] hatte den Halt ([[Alambana]]), den er bislang am [[Körper]] gehabt hatte, fahren gelassen, seit er die Vorstellung abgestreift hatte: ,Ich bin der Leib' oder ,der Leib ist mein Selbst und mein Wesen' ([[Deha]] [[Atma]] [[Buddhi]]), Mein Geist verlangte daher nach einem neuen Halt; darum ging ich häufig in den [[Tempel]], und meine Seele floss in Strömen von Tränen über. Dies war das Spiel des Höchsten [[Wesen]]s ([[Isvara]]) mit meiner einzelnen [[Seele]]. Ich stand vor dem Höchsten Wesen, dem Walter des Alls und aller Geschicke, dem Allwissenden, Allgegenwärtigen, und betete zuweilen, seine [[Gnade]] möge auf mich herniedersteigen, dass meine glühende [[Hingabe]] wüchse und so unablässig würde wie die Hingabe der dreiundsechzig Heiligen. Meist betete ich aber gar nicht, sondern ließ die Tiefe in mir strömen und überströmen hinaus in die Tiefe außer mir. Tränen waren das äußere Zeichen dieses Überströmens der [[Seele]]; sie deuteten auf keinen [[Schmerz]], keine [[Freude]] besonderer Art.
=== mit 17 Jahren erleuchtet===
Ich war nicht dem [[Leben]] gram. Ich wusste nichts vom [[Leben]] und hatte keine Ahnung, dass es voll Kummer sei, Ich hatte kein Verlangen, dem Ring der [[Wiedergeburt]]en zu entgehen und [[Erlösung]] zu suchen, und [[Freisein]] von [[Leidenschaft]]en ([[Vairagya]]) und [[Seligkeit]] zu erlangen. Ich hatte nur das ,[[Periya Purana]]' gelesen, Lektionen in der [[Bibel]] und Stücke aus dem ,[[Devaram]]' , Meine Vorstellung von [[Gott]] oder [[Ishvara]], dem Höchsten Herrn, wie ich das unendliche, aber personenhafte Göttliche nannte, war ungefähr wie man sie in der [[heilige]]n Überlieferung der [[Purana]]s findet. Ich hatte damals noch nichts von [[Brahman]] gehört, dem überpersönlich gestaltlos Göttlichen Einen, das als einzig [[Wirkliche]]s hinter und in allen Erscheinungen steht, nichts von [[Sansara]], dem endlosen Kreislauf durch [[Geburt]]en und [[Tod]]e, und anderes dergleichen. Ich hatte keine Idee, dass es ein wesenhaft Wirkliches gebe hinter und über allem, und daß ich selbst und der Höchste Herr ([[Ishvara]]) beide nichts anderes seien als eben es. Als ich später in [[Tiruvannamalai]] zuhörte, wie die ,[[Ribhu Gita]]' und ähnliche [[heilig]]e Texte vorgelesen wurden, griff ich diese Dinge auf und entdeckte, daß diese Bücher benannten und zergliederten, was ich zuvor unwillkürlich gefühlt hatte, ohne es benennen oder zergliedern zu können. In der Sprache dieser Bücher könnte ich den Zustand, in dem ich mich nach meinem [[Erwachen]] befand, als ,[[Reinigung|gereinigtes]] [[Gemüt]]' ([[Shuddham Manas]]) oder ,[[Erkenntnis]]' ([[Vijnana]]) bezeichnen: Als die [[Intuition]] des [[Erleuchtet]]en,«
Sich vorstellen, dass man schon [[tot]] ist, vielmehr vom Schauer dieser Gewissheit überfallen sein, — was ist dann noch schwer? Eine stille [[Kraft]], die allem standhält, ist allein übrig, in sich leuchtend wie eine Kerzenflamme steil in unbewegter Luft, und sie fragt Tod und Leben: »Wen oder was willst du treffen? diesen Leib? — er ist tot ... — dieses Ich? — sein Schein hat sich aufgelöst. Alle Schrecken und Bitternisse, vor denen die Kreatur sich bäumt, sind schon voraus geschmeckt und abgetan.« Die durchgestandene Einverleibung des Todes befähigt zu einem höheren [[Leben]]. Das Ich, das überall als Vehikel und als Widerstand im [[Weg]]e ist, hat sich zerlöst. Die reine innere Erfahrung hat alle [[Erfahrung]] der [[Welt]], alle [[Beziehung]] zur Welt verwandelt, Keine Worte sind darüber zu verlieren; aber eine Kraft ist aufgestanden, still, unversieglich, allem gewachsen. Da man gestorben ist, so ist man todlos, unsterblich. Alles [[Raga Dvesha|Mögen und Nichtmögen]] fällt dahin. Willigkeit zu allem, Bereitschaft, [[Last]]en zu tragen, [[Gleichmut]] zum Schwersten sind an ihre Stelle getreten, Das Fragezeichen des [[Dasein]]s hat sich aufgelöst; alles Äußere ist nur ein immer anderes Wie, das nicht an einen herankommt. Die Reihe der Reize wie der Widerstände für dieses Wie wechselnder Situationen ist überwunden. Man ist geschlechtslos geworden, »Sterben«, — spricht einer, der durch diese Erfahrung gegangen ist, — »[[sterben]] kann ich nicht. Das habe ich schon hinter mir, wie einer das Rindsein und Jungsein.« Wie alle Lasten gewichtlos werden, wächst ein ahnendes unwillkürliches Verstehen der Umgebung: Sie wird durchsichtig. Ein physiognomisches Durchschauen der [[Gestalt]]en und Gebärden ringsum stellt sich ein, ein Sinn für die umfassende »signatura rerum« der [[Erscheinung]]en, da das trübende Ich nicht mehr verwölkend zwischen dem ursprünglichen Blick und die [[Welt]] tritt. Dem Verwandelten bleibt nichts stumm, seine Teilnahmlosigkeit ist allem offen; gleichsam durchlässig geworden, hat er [[Intuition|intuitiv]] an allem teil.
Venkata-Ramans [[Erleuchtung]], dass er den Schauer des [[Tod]]es ergriff, statt zurückzubeben, ihn vollzog und durchdrang, war eine
unwillkürliche »meditatio mortis«, wie sie der Kernpunkt vieler alter [[Einweihung]]en ist, im alten [[Ägypten]] wie in Griechenland. Die Nachtmeerfahrt auf der Barke des Osiris durch die Häuser der Unterwelt zur [[Wiedergeburt]] als neue [[Sonne]] im verwandelten [[Tag]], wie Apulejus sie als Einweihungs[[mysterium]] in seinem Roman beschreibt, ist das bekannteste Zeugnis des Altertums; das »Memento mori« als einziger Laut und Gruß der Brüder von La Trappe in der Friedhofstille ihrer Klöster, wo alle in ihren Särgen zu schlafen pflegen, ist die unheimlichste »meditatio mortis« [[Christentum|christlicher]] [[Askese]]. Venkata-Raman gelang die »meditatio mortis« ganz unwillkürlich; aber wie er, lang hingestreckt, den Leichnam und seine Starre spielte, vollzog er unbewusst eine alte autosuggestive Meditationsübung des Hathayoga: das »shava-asana«, die »Körperstellung als Leichnam«, die zum alten Bestande [[indisch]]er [[Askese]] gehört. Shivaitische Asketen sind angewiesen, auf Leichenverbrennungsplätzen zu [[meditieren]] und auf Leichnamen sitzend sich mit der Vorstellung des [[Tod]]es zu durchtränken, um [[Kraft]] des [[Erleben]]s der Vergänglichkeit von Leib und Ich zum Unvergänglichen in sich selbst und allen Erscheinungen durchzudringen. Eine ähnliche, weniger drastische »meditatio mortis« wird im [[Buddhismus]] geübt. »Alle [[Liebe]] zur [[Weisheit]]« — nämlich die »[[Philosophie]]«, — lehrten die Griechen, »ist Besinnen des Sterbens.« Durch die unmittelbare [[Antwort]] seines Wesens auf den jähen Schauer des Todes hatte Venkata-Raman in einem Blitz von [[Erleuchtung]] den [[Weg]] der [[Weisheit]] und des [[Yoga]] beschritten, ja hatte ihn in einem einzigen Sprunge bis an sein Ziel durchmessen.
===Beschlussfassung am Hausaufgabentisch===
So war er noch nicht von Hause fort und eigentlich schon am Ziel: Der [[Welt]] verlorengegangen und grenzenlos gleichgültig gegen den Leib und alles, was aus der greifbaren Sphäre sich vor die Tore der Sinne drängen mochte. Die tiefsten [[Kraft|Kräfte]] [[indisch]]en [[Wesen]]s langten nach ihm aus seinem Innersten, ihre [[Stimme]] erweckte ihn aus Kindheitsschlaf und Alltagstraum, und begierig folgte er ihrem Ruf in die Tiefe, die entrückt und verwandelt, wer in sie zu tauchen vermag, um in ihrer kristallenen Schärfe und Lauterkeit an ihm wegzuschmelzen, was nicht ihresgleichen ist, und dem [[kristall]]enen Kern, der in sie taucht, das ursprünglich reine Licht wiederzugeben, in dem er sich selber erleuchtet. Venkata-Ramans wachsende [[Selbst]]versunkenheit entging seiner Umgebung nicht; die zunehmende Vernachlässigung seiner Schulpflichten weckte die Mißbilligung seiner [[Lehrer]], der ältere [[Bruder]] und der Oheim hielten mit ihrem Tadel nicht zurück. Seine völlige [[Gleichgültigkeit]] trieb einer äußeren Entscheidung zu, Sie fiel am Vormittag des 29, August 1896, als er zu Hause über einer Strafarbeit sitzen mußte; er hatte eine Lektion aus Bains englischer Grammatik, in der er dank innerer Teilnahmlosigkeit wieder einmal gründlich versagt hatte, dreimal abzuschreiben, Er schrieb sie zweimal ab; als er über der dritten Abschrift saß, ging es nicht mehr weiter, — er packte Buch und Schreibheft zusammen und schob sie beiseite, richtete sich kerzengerade in [[Yogi]]haltung auf, schloß die [[Augen]] und versank in innere Betrachtung.
Sein Bruder, der im selben Zimmer arbeitete und all die letzte Zeit mit seiner Mißbilligung nicht zurückgehalten hatte, brach bei diesem Gebaren unmutig aus: »Warum soll einer all das haben, wenn er sich benimmt wie du?« — Venkata-Raman hörte seine [[Wort]]e und gab ihm schweigend recht: Was sollten ihm [[Schule]] und [[Familie]], das [[Leben]], das ihn umgab, mit seinen Forderungen und Aussichten, wenn er sich nur beflisse, — er öffnete die [[Auge]]n und erhob sich: Er wollte fort, — nach [[Arunachala]], und das sogleich.
==Biografie - Maharshis Aufbruch nach Tiruvannamalai zum Berg Arunachala==
Dem [[Bruder]] sagte er, daß er um zwölf zu einer Physikstunde in der Schule sein müsse, es ginge über Elektrizität, — »Dann vergiß nicht, die fünf Rupees Gebühren für mich im College zu bezahlen«, rief der Bruder ihm nach. Er ging ins Erdgeschoß, ließ sich von seiner Tante die fünf Rupees geben, schlang hastig einen Bissen hinunter und studierte auf einem veralteten Atlas, wo [[Tiruvannamalai]] liege, Die Bahnlinie, die bei [[Villupuram]] von der Hauptstrecke abzweigend ihn geradewegs bis ans [[Ziel]] gebracht hätte, war erst vier Jahre alt und noch nicht auf der Karte verzeichnet. So merkte er sich [[Tindivanam]] als nächste Bahnstation, überschlug, daß drei Rupees für die Fahrt ausreichen möchten, und behielt sie, Die zwei übrigen legte er zu Büchern seines Bruders und fügte einen Zettel bei, der sein Verschwinden erklärte. Auf dem Zettel stand:
Ich bin auf der Suche nach meinem [[Gott|Vater]] und in [[Erfüllung]] seines [[Gebot]]s von hier weggegangen, Dieser begibt sich nur auf ein edles Unterfangen. Daher soll sich niemand über dieses Ereignis betrüben. Wendet kein Geld auf, diesem nachzu
forschen,
Deine Collegegebühr ist noch nicht bezahlt. Beiliegend zwei Rupees.
Ein letztes [[Wort]] ohne Unterschrift. Er konnte nicht mehr mit seinem Namen unterzeichnen, setzte statt dessen ein paar Striche: Da war kein Ich mehr, das sich mit seinem Namen als Person bezeichnen konnte, Dieser leibhafte Venkata-Raman, der fortging, war ja nicht er selber, war nicht sein [[Selbst]], war nur ein Dieser oder Jener, ein [[Leib]], ein Er, von dem sich bloß in dritter Person berichten ließ, dieser habe sich auf ein edles Unterfangen begeben, und man solle diesem nicht nachforschen. Am Eingang der Zeilen drängt sich noch einmal ein »Ich« mechanisch in die Feder. Aber es ist ausgeronnen, eine Zeile weiter verschwimmt es mit einem fernen Jemand, der den Schreiber so wenig angeht, wie er die bekümmern sollte, die versucht sein möchten, seinen verlorenen Spuren nachzugehen, Venkata-Raman eilte zur Bahn und nahm einen Zug nach Norden. Im Abteil versank er in sich selbst und verbrachte die Fahrt gleichgültig gegen das Gespräch der Mitreisenden wie gegen die abwechslungsreiche, malerische Landschaft, die an den Fenstern vorüberzog. Ein Muslim mit silbergrauem Bart, ein »Mulavi«, der sich in frommer Überlieferung auskannte und eine angeregte Unterhaltung über Lehren und [[Leben]] verschiedener [[Heilige]]r führte, fand an dem stummen [[Brahmane]]nknaben Gefallen, fragte ihn nach dem [[Ziel]] seiner Fahrt und sagte, er reise auch nach [[Tiruvannamalai]], So erfuhr Venkata-Raman, daß er mit der Bahn bis ans Ziel hätte kommen können, aber seine Fahrkarte war falsch, und der Rest Geld, der ihm geblieben war, langte nicht mehr hin. Der Zug kam gegen Abend nach [[Trichinopoly]]; Venkata-Raman fuhr aus seiner Versunkenheit auf und spürte plötzlich, daß er recht hungrig sei, Er kaufte sich zwei Birnen, hatte aber kaum von der einen gegessen, als er nicht mehr mochte; sein Hunger war weg. Zu Hause hatte er herzhaft zugelangt; jetzt genügte ein Nichts, ihn satt zu machen. Zwischen [[Schlaf]] und Versunkenheit erreichte er mit der Bahn um drei Uhr morgens [[Villupuram]] und stieg aus. Er strich durch die morgenleeren Straßen und suchte die Richtung nach Tiruvannamalai, kannte sich aber nicht aus. Der frische Morgen machte ihn hungrig; er landete vor einem Gasthof, fragte nach Essen, wurde aber auf Mittag vertröstet, So saß er nieder und verlor sich alsbald in die innere [[Stille]], die ihn allmächtig in sich sog. Als er nach dem Essen dem Wirt zwei Annas als Zahlung bot, fragte der den schlanken [[Brahmane]]nknaben, der ohne Gepäck gekommen war, wieviel Reisegeld er bei sich führe, und als der sagte »zweiundeinhalb Annas«, wollte er nichts von ihm nehmen.
Venkata-Raman ging wieder zur Bahn und nahm eine Karte, soweit sein Geld reichte. In [[Mamabalapattu]] mußte er wieder aus dem Zuge und beschloß, den Rest der Strecke bis Tiruvannamalai zu wandern, Am Abend erreichte er den [[Tempel]] von [[Arayani Nallur]], erschöpft vom ungewohnten Marsch über Land unter der glühenden Augustsonne. Er wartete vor dem Torturm, bis die Tempeltür geöffnet wurde, trat in die große Pfeilerhalle, die nicht so dunkel wie der übrige Tempel schien, setzte sich nieder und versank in [[Meditation|innere Betrachtung]]. Hier überfiel ihn ein jähes Gesicht: Einen Augenblick lang schien die Halle von strahlendem [[Licht]] überrieselt, und er fuhr empor. »Das ist die [[Erscheinung]] des [[Gott]]es«, dachte er und tastete sich zur inneren Cella vor, um zu sehen, ob der Schein vom Bilde der [[Gottheit]] herstrahlte, Er fand die Cella in tiefem Dunkel liegen, das Licht kam nicht vom Bilde; so kehrte er zu seinem Platz zurück und versank aufs neue in sich [[selbst]]. In seiner Entrücktheit ward er nichts von der Abendfeier des Gottes gewahr und schrak erst auf, als der Tempelkoch rief: »Wer ist da in der Halle? Komm heraus! Ich muß den [[Tempel]] schließen.« Venkata-Raman kam heraus und bat um etwas Essen, »Hier ist kein Essen für dich«, war die Antwort. »Laß mich wenigstens hier bleiben«, bat er; aber der Priester sagte: »Hier darf keiner bleiben«.
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===Zwischenstopp in Kilur===
So schloß sich Venkata-Raman den übrigen an, die aus dem [[Tempel]] heimkehrten, und kam nach [[Kilur]]; dort, sagten sie ihm, bekäme er vielleicht zu essen, wenn die nächtliche Feier des [[Gott]]es vorüber sei. Aber während der [[Priester]] dort die »[[Puja]]« des Gottes vollzog, fiel er wieder in Entrückung, Als alles zu Ende war und der Priester sich zu gehen anschickte, mußte er ihn aus seiner Versunkenheit aufrütteln. Venkata-Raman bat ihn um Essen; aber der Priester wies ihn ab. Da sagte der Mann, der die Tempeltrommel rührte und der die ganze [[Zeit]] über seine tiefe Andacht gewahrt hatte: »Gib ihm mein Teil.« So nahm er den Teller Reis und folgte dem Manne zu dessen Haus, um [[Wasser]] zu trinken. Aber während er auf das Wasser wartete, fiel er in [[Schlaf]]; ja, er muß im Schlafe weitergewandert und vor [[Erschöpfung]] umgefallen sein. Als er nach einer Weile wieder zu sich kam, fand er sich ein Stück weiter weg am [[Weg]]e liegen, den Reis am Boden verschüttet und Leute um sich stehen, die ihn verwundert betrachteten. Er raffte den Reis auf, aß etwas davon und schlief auf derselben Stelle ein.
===Venkataramana verkauft seine Ohrringe für die Weiterfahrt zum Arunachala===
Am anderen Morgen wußte er nicht recht, wo er war, und kannte sich wieder mit den Wegen nicht aus. Er beschloß, auch den Rest mit der Bahn zu fahren; dazu brauchte er aber Geld. Er nahm seine beiden goldenen Ohrringe ab, die, mit [[Rubin]]en geschmückt, wohl zwanzig Rupees wert waren, und beschloß, sie zu Geld zu machen, Aber wie und bei wem? Vor einem Hause, das ihm richtig schien, bat er um Essen, — nichts Ungewöhnliches für einen Brahmanenknaben, der, wenn er seine Schülerzeit bei einem [[Guru]] verbringt, täglich seinen Bettelgang durch den [[Ort]] macht. Zudem war dieser Montag, der 31. August, ein [[heilig]]er Tag: Die [[Geburt]]s[[feier]] des [[Heiland]]s[[kind]]es [[Krishna]] ([[Gokulashtami]]), bei der die Frommen die festlichen [[Opfer]]gaben des Haus[[altar]]s, nachdem sie der [[Gottheit]] dargebracht sind, an Bettler und Kinder zu verschenken pflegen, Es war das Haus [[Muthukrishna]] [[Bhagavatar]]s, und der Junge wurde an die Hausfrau gewiesen, Sie war erfreut, daß er an diesem Tage, der dem [[göttliche]]n Knaben [[heilig]] war, vor ihre Türe kam, und nötigte ihm ein reichliches kaltes Mahl auf, obwohl er schon nach dem ersten Bissen keinen [[Hunger]] mehr spürte, Dann kam ihr [[Mann]] ins Spiel. Venkata-Raman bot ihm seine Ohrringe an; der Einfachheit halber erzählte er, sein Gepäck sei ihm unterwegs abhanden gekommen, und er brauche vier Rupees, um weiterzureisen, Bhagavatar fand das [[Gold]] und die Rubine der Ohrringe echt und nahm keinen Anstand, dem feinen und gewandten Brahmanenjungen, der den Schmuck seines Standes verpfänden mußte, aus einer Augenblicksverlegenheit zu helfen. Er nahm die Ringe und gab ihm das Geld, ließ sich die Zahlung quittieren, notierte sich Venkata-Ramans Adresse und gab ihm einen Schein über die Ringe, die der Junge auf der Rückreise abzuholen versprach.
[[
Bhagavatar]] und seine Frau waren fromme [[Hindus]] und glaubten, was die [[heilig]]e Überlieferung sie lehrte; so betrachteten sie jeden Ankömmling als eine willkommene Erscheinung [[Vishnu]]s selbst, zumal am heiligen Tage seiner [[Geburt]] als [[Erlöser]] [[Krishna]], Sie boten ihrem Gast nicht bloß ein Mittagsmahl, sondern packten ihm noch Süßigkeiten, die sie als [[Opfergabe]] zur [[Feier]] des [[Gott]]es bereitet hatten, als [[Weg]]zehrung ein, ohne sie zuvor dem Gotte dargebracht zu haben, Venkata-Raman eilte zur Bahn. Kaum aus dem Hause, zerriß er die Quittung über die Ringe. Er nächtigte am Bahnhof, nahm in der Frühe den ersten Zug und war eine Stunde später am Morgen des 1. September am [[Ziel]] seiner Fahrt.
==Ankunft am Arunachala==
Vor ihm der [[göttliche]] [[Berg]] »Morgenrot« — [[Arunachala]] — im Morgen[[licht]], zu seinen [[Fuß|Füße]]n der riesige [[Tempel]], und darin das
[[Göttliche]] noch einmal greifbar anwesend, das ihn zuinnerst erfüllte, seit er zu sich selbst erwacht war und den [[Weg]] zu ihm im Riesen[[tempel]] von [[Madura]] gefunden hatte, Das gleiche [[Göttliche]] noch einmal in ihm als sein [[Selbst]]: Ständige Gegenwart, [[Licht]] in sich selber und Quell reinen Seins, in den zu tauchen und zu versinken er nicht mehr satt wurde, wo er ging und stand, — hier kam er nun, und alle drei, die eines waren, fanden einander.
===Arunachalas zentrale Bedeutung in Maharishis Leben===
Diese [[Begegnung]], die ohne Ende blieb, bildete den Inhalt seines [[Dasein]]s und den [[Sinn]] des Beispiels, das sein lebenslanges Verweilen an dieser Stätte allen Frommen gab, die sich später in wachsender Schar verehrend zu seinen [[Fuß|Füßen]] sammelten, ohne dass er nach ihnen ausgeschaut hätte oder ihnen zu wehren vermochte. Viele Jahre später hat er die Bedeutung seiner Einkehr zur [[Gottheit]] [[Arunachala]] in einigen [[Hymne]]n umrissen, — am entschiedensten in den »Acht Strophen« auf den [[Berg]] Morgenrot, [[Gott]] und das [[Selbst]] ([[Shri]] [[Arunachala]] [[Ashtakam]]). Weitere Ausführungen zur zentralen Bedeutung des Arunachala für Ramana Maharishi sind auf der Seite [[Arunachala]] zu lesen.
==Shri Ramana Maharshis wachsende Beliebtheit==
Seit dem großen [[Tempel]][[fest]] für [Karttikeya] im Monat [[Karttika]] (November-Dezember) 1896, das wie alle Jahre einen Strom von Wallfahrern anzog, mehrte sich die Schar der Frommen, die [[Shri]] Ramana ihre Verehrung bezeigten; wer die [[heilig]]en [[Ort]]e aufsucht, verlangt sich ja, Heilige seinesgleichen zu sehen und, indem er sie [[Verehrung|verehrt]], aus ihrer gottgleichen Nähe [[Trost]] und Erbauung davonzutragen, nebst himmlischem Gnadenlohn für die milden Gaben, die der heilige Mann entgegenzunehmen geruht.
Durch [[Uddandi Nayinar]] kam [[Annamalai Tambiran]] zum [[Heilig]]en. Er zog mit anderen, die ihm folgten, herum, sang [[Lied]]er aus dem »[[Devaram]]« und sammelte Almosen; er speiste die [[Armen]] und versah den [[Dienst]] in einem Vorstadt[[tempel]], der [[Gurumurta]] hieß. Er schlug Shri Ramana diesen entlegenen [[Ort]] vor. Damals hatte dessen [[Gleichgültigkeit]] gegen Leib und [[Welt]] den höchsten Grad erreicht: Er war sehr schmutzig, sein [[Haar]], unmäßig gewachsen, war eine wirre, verfilzte Masse, und seine Nägel wuchsen so lang und krumm, daß er die [[Hand|Hände]] zu nichts gebrauchen konnte. Ständig verschlungen von der Tiefe des [[Selbst]], war er der Schale seines Leibes ganz entfremdet. Er saß wochenlang auf einem Fleck am Boden, von Ameisen umwimmelt, und spürte nicht, wie sie ihn bissen. Seine Freunde setzten ihn auf einen Stuhl an der Wand, dessen [[Fuß|Füße]] sie in [[Wasser]]krüge stellten, um ihn vor den Ameisen zu schützen; aber diese liefen die [[Wand]] hinauf und bissen ihn in den [[Rücken]], ohne daß er es merkte.
[[Annamalai Tambiran]] wurde [[Shri]] Ramana zu [[Zeit]]en mit seiner gläubigen [[Verehrung]] lästig; er wollte dem [[Heilige]]n wie einem [[Götter]]bild begegnen und ihm Darbringungen von Öl und [[Milch]], [[Wasser]] und Speisen über den [[Kopf]] gießen. Aber, als er zum zweitenmal damit anrückte, hatte der [[Svami]]n mit einem Stück Kohle den lakonischen Satz an die Wand geschrieben: »Dies ist alles, was dieser braucht« und wies mit stumm beredter Gebärde auf die Schrift und dabei auf »dies« als das Essen und auf »diesen« seinen Leib. Durch diese Schriftprobe kamen seine Verehrer allererst auf den [[Gedanke]]n, daß der stumme [[Yogi]]n, der jede Mitteilung verschmähte, lesen und schreiben könne, und zwar gewandt, und einer der verehrenden Besucher — es war ein Beamter auf [https://www.yoga-vidya.de/seminartipp/yoga-urlaub/ Urlaub] — drang in ihn, wer er sei, Shri Ramana blieb die [[Antwort]] lange schuldig; als aber der andere drohte, nicht eher in sein Amt heimzukehren, wo ohne ihn alles drunter und drüber gehen würde, bequemte er sich schließlich, die beiden Wörter »Venkata-Raman Tiruchuzhi« hinzuschreiben, und als der Beamte bekannte, den [[Name]]n des [[Ort]]es nie gehört zu haben, zeigte er ihm denselben in einem Exemplar des »[[Periya Purana]]«, So wurden sein Name und seine Herkunft den Leuten bekannt: Schalen, die längst von ihm abgefallen waren, die aber der bewundernden Welt bei seinesgleichen leicht wichtiger werden als der Kern, aus dem er lebte und den er als unwillkürliches Vorbild der [[Welt]] offenbarte.
Danach zogen [[Uddandi Nayinar]] und [[Tambiran]] auf verschiedenen Wegen weiter, Der [[Heilig]]e blieb allein und lebte von gelegentlichen Gaben frommer Besucher und von dem, was andere, die ihm anhingen, ihm täglich zutrugen, Dann fand sich [[Palanisvamin]] zu ihm; der lebte von den [[Opfer]]gaben, die [[Ganesha]] in einem [[Tempel]] dargebracht wurden. Jemand hatte ihn einmal in tiefer [[Andacht]] vor dem [[Bildnis]] des [[elefant]]enköpfigen [[Gott]]es gesehen und sprach zu ihm: »Was verbringst du dein [[Leben]] in [[Verehrung]] vor einem steinernen [[Svami]]n? Da ist ein lebendiger junger [[Svami]]n in [[Gurumurta]], in glühende [[Askese]] versenkt, wie [[Heilige]] alter [[Zeit]]en. Geh und [[Dienen|diene]] ihm und hange ihm an; dann erfüllt sich der [[Sinn]] deines [[Leben]]s.« So wurde [[Palinasvamin]] zur [[Verehrung]] des [[Heilige]]n gebracht und ward sein ständiger Begleiter,
Zu jener [[Zeit]] war Shri Ramana bei dauerndem Sitzen in Versenkung und völligem Mangel an [[Bewegung]] wie ein bettlägeriger Kranker nicht imstande, sich aufrecht zu halten, wenn er sich erhob, um ein paar Schritte zu machen, Nach achtzehn Monaten in [[Gurumurta]], die durch viele Besucher unruhig wurden, verzog er sich in einen [[Mango]]garten. [[Palanisvami]]n ging mit, und der Besitzer des Gartens, Venkata-Raman Naicker, ließ niemanden ungefragt hinein. Dort hausten die beiden in den Sitzen zweier Feldhüter an einem Mangobaum und waren ungestört. Palanisvamin brachte die schönsten Spruchsammlungen und Lehrtexte des [[Sanskrit]] in [[Tamil]]übersetzungen aus der Stadt, und so lasen die beiden »[[Kaivalya Navanita]]«, »[[Yoga Vasishtha]]« und die Sentenzensammlung des großen [[Shankara]] »Kronjuwel der [[Erkenntnis]]« (»[[Vivekachudamani]]«), worin der [[Geist]] des [[Vedanta]] in Sprüchen so volkstümlich wir [[kristall]]en seinen überwältigenden Ausdruck gefunden hat.
==Ramana Mahirshi's Wiederbegegnung mit seiner Familie==
Inzwischen hatte [[Annamalai Tambiran]], der auf seiner Wanderung nach [[Madura]] gelangt war, dort in frommer Begeisterung von einem jungen [[Heilige]]n erzählt, den er in [[Tiruvannamalai]] verehrt habe, der stamme aus [[Tiruchuzhi]], Ein junger [[Mensch]] von dort hörte ihn und hatte bald Gelegenheit, die Nachricht »Venkata Raman ist ein [[Heilige]]r in Tiruvannamalai« einem Oheim des Verschollenen weiterzugeben, den er im August 1898 in [[Madura]] beim Leichenbegängnis jenes anderen Oheims traf, aus dessen Hause Shri Ramana den [[Weg]] in die »Hauslosigkeit« angetreten hatte.
So erhielt die [[Familie]] endlich Kunde vom verschollenen Sohne und streckte alsbald ihre [[liebe]]nden [[Arm]]e nach ihm aus, Der Schwager der [[Mutter]] machte sich mit einem [[Freund]]e auf und fand den jungen Heiligen im [[Mango]]hain. Aber der Besitzer, der seinen [[Wille]]n zur [[Einsamkeit]] respektierte, ließ die beiden nicht ein: »Er ist ein ,[[muni]]' — ein stummer [[Heilig]]er. Was wollt ihr hinein und ihn stören?« Sie sagten vergebens, sie seien Verwandte von ihm. Schließlich durfte der Oheim einen Zettel hineinschicken und wurde vorgelassen. Da Venkata-Raman in hartnäckigem [[Schweigen]] verharrte, wandte sich der Oheim schließlich an seine beiden Gefährten [[Palanisvamin]] und Naicker: Die [[Familie]] wünsche nicht seinen [[heilig]]en Wandel zu stören, aber sie möchte ihn bei sich in [[Manamadura]] haben. Man werde auf alle seine [[Wunsch|Wünsche]] [[Rücksicht]] nehmen. Aber der junge [[Heilige]] blieb unbewegt wie ein Steinbild. Der Oheim gewahrte die Vernachlässigung seines Äußeren, die schmutzig zusammengeklumpten Haarsträhnen und die unmäßig langen Nägel, die sich nach innen krümmten, mit [[Kummer]] und [[Ehrfurcht]] und begriff, welche Wandlung in ihm vorgegangen und, daß alles weitere Reden fruchtlos sei. So brachte er der Mutter die tröstliche und traurige Nachricht, daß ihr Kind am Leben, aber ihnen allen verloren sei. Die Mutter gab sich damit nicht zufrieden, Noch im selben Jahre 1898, als ihr Ältester Weihnachtsurlaub nehmen konnte, machte sie sich auf, ihren »Mittleren« selbst zu suchen.
Indes hatte der Heilige den [[Mango]]hain verlassen, um wieder ganz allein zu sein, und war in einen kleinen [[Tempel]] der [[Schutzgott]]heit des [[Berg]]es Morgenrot — »[[Arunagirinathar]]« — übergesiedelt. Er wollte auch [[Palanisvamin]] nicht mehr um sich haben und hatte zu ihm gesagt: »Geh du deinen [[Weg]] und bettle dir dein Essen, und laß mich meinen gehen, mein Essen betteln. Laß uns nicht beisammenleben,« Aber nachdem er einen Tag für sich allein gewandelt war, fand sich Palanisvamin wieder bei ihm ein: »Wo soll ich hingehen? Du hast die Worte des [[Leben]]s,« So verbrachten sie zusammen einen Monat in dem kleinen [[Tempel]], danach eine Woche in den stillen Oberräumen der ragenden Tortürme des Riesen[[tempel]]s und in einem seiner Gärten, wo ihn viele seiner verehrenden Anhänger wieder aufspürten, Er entwich vor ihnen nach [[Pavazhakkunru]] an einem Ausläufer des [[Arunachala]], in einen [[Shivatempel]] und eine Höhle daneben, bei denen eine [[Quelle]] floß. Hier saß er in der [[Tempel]]cella in sich selbst versenkt und stieg in die Stadt hinab, sein Mahl zu betteln, wenn Palanisvamin nicht da war, es für beide zu tun. Der [[Priester]] des Tempels hatte nicht acht, ob der [[Heilige]] in seinem Winkel der dämmerigen Cella saß, und sperrte ihn öfters ein, wenn er den Tempel abschloß, nachdem er den Kult vor dem [[Götter]]bild vollzogen hatte. Auch hier suchten ihn viele [[Fromm]]e auf und standen geduldig wartend, ob er aus dem Innern der [[Höhle]] oder des Tempels auftauchte.
Hier fand ihn auch die [[Mutter]], als sie mit [[Nagasvamin]] kam, nachdem sie ihn vergeblich im [[Mango]]hain gesucht hatte. Er lag auf dem [[Fels]]en, schier unkenntlich mit seinem verwahrlosten Leib, nur mit einem schmutzigen Fetzen um die Lenden. Aber sie erkannte ihren Sohn sogleich und bat ihn, mit ihr heimzukehren.
===Venkataramana trifft seine Mutter wieder===
Doch er blieb unbewegt. Tag für Tag stieg sie mit Nagasvamin hinauf, brachte ihrem Sohne Süßigkeiten und flehte ihn an, mitzukommen, — aber er gab ihr keine [[Antwort]]. Als sie ihn schließlich einmal schalt und in [[Träne]]n ausbrach, erhob sich der [[Heilige]] stumm und entfernte sich. Sie kam noch einmal und sprach auf ihn ein; aber der Sohn saß wie ein Steinbild, — da wandte sie sich an die Leute, die dabei waren, und klagte ihnen, sie sei die Mutter, und bat sie, bei dem Heiligen ein Wort für sie einzulegen. Da sagte einer zu [[Shri]] Ramana: »Deine Mutter weint und fleht; warum antwortest du ihr nicht wenigstens mit einem Wort? Ob ,Ja' oder ,Nein', — warum gibst du ihr keine [[Antwort]]? Deswegen brauchst du das [[Gelübd]]e des [[Schweigen]]s nicht zu brechen. Hier sind Stift und Papier: Schreib wenigstens auf, was du zu sagen hast.«
Da nahm der Heilige Papier und Stift und schrieb: »[[Gott]] waltet über dem Schicksal der [[Seele]]n gemäß ihrem [[Karma]]n aus früheren [[Leben]] ([[Prarabdhakarma]]n). Was nicht geschehen soll, geschieht nicht, trotz allem Mühen. Was geschehen soll, wird geschehen; du kannst es nicht aufhalten. Darum ist das beste zu [[schweigen]].« Das war ein Wort, das seine gläubige, [[gott]]ergebene Mutter begreifen konnte. So mußte sie ohne ihn heimkehren. »Sind wir dazu hergekommen?« klagte sie, als sie mit ihrem Ältesten den [[Berg]] hinunterstieg,
Nach Jahren kam es schließlich doch zu einer [[Leben]]sgemeinschaft zwischen dem [[Heilige]]n und seinen Angehörigen; aber sie formte sich ganz nach dem [[Askese|asketischen]] Gesetz seines [[Leben]]s. Der ältere Bruder starb 1900 bald nach seiner Rückkehr aus Tiruvannamalai; der jüngere, [[Nagasundaram]], wurde Schreiber in einem [[Tempel]], 1901 kam er zum [[Heilige]]n und wollte ganz bei ihm bleiben, kehrte aber auf dessen [[Wunsch]] noch einmal heim. Die Mutter und andere Verwandte besuchten den Heiligen in den nächsten Jahren gelegentlich; als sie 1914 auf dem Heimweg von einer [[Wallfahrt]] nach [[Tirupati]] bei ihm einkehrte, erkrankte sie an [[Typhus]]. Als es bedenklich um sie stand, dichtete Shri Ramana ein [[Gebet]] in vier Strophen, die seine Nähe zu der leidenden Kreatur, die ihn geboren hatte, auflösen in das Wissen, das den [[Tod]] auflöst:
»[[Berg]] meiner Zuflucht, du [[Heilung|heilst]] die [[Leid]]en des kreisenden Stromes der [[Wiedergeburt]]en, du kannst auch meiner Mutter [[Fieber]] heilen, Du schlägst sogar den [[Tod]]; du, meine einzige Zuflucht, schenke deine Gnade meiner Mutter und beschirme sie vor dem Tode! — Was ist der Tod, wenn man ihn ergründet? O [[Arunachala]], blendendes [[Licht]] der [[Erkenntnis]], hülle meine Mutter in deinen Flammenschein und mach sie eins mit dir, — was bedarf sie dann des Scheiterhaufens der Toten? O Arunachala, du vertreibst den Wahn der [[Maya]], — was säumst du, den Fieberwahn meiner Mutter zu vertreiben? Wer außer dir hält seine mütterliche Fürsorge schirmend über die flehende [[Seele]] und wehrt die Schläge des [[Schicksal]]s ab?«
===Ramana Maharshis Mutter zieht zu ihm in den Ashram===
Die Mutter [[Genesung|genas]] und kehrte nach Hause zurück, 1915 starb die Frau des jüngsten Sohnes, und die häuslichen Verhältnisse verschlechterten sich. Es zog die alte Frau erneut zu ihrem »Mittleren«; sie kam 1916 nach [[Tiruvannamalai]] und blieb dort bis zu ihrem Tode am 19. Mai 1922. Shri Ramanas [[Anhänger]] wollten sie erst nicht haben; sie fürchteten, er könnte, wenn sie ganz bei ihm [[leben]] wollte, den [[Ort]] verlassen, um ihre [[Nähe]] zu meiden, Aber was ihm zehn Jahre früher unmöglich gewesen war, ließ er jetzt [[schweigen]]d geschehen. Bald kam auch der jüngere Bruder; sie selber hatte es gewünscht, sie wollte auf ihre alten Tage beide Söhne um sich haben, [[Nagasundaram]] nahm das gelbe [[Gewand]] des [[Asket]]en und ward ein [[Schüler]] seines [[Bruder]]s, Als [[Svami]]n »[[Niranjananda]]« — »dessen [[Seligkeit]] das unverschminkt Fleckenlose (d. i. das Unbedingte) ist« — kümmerte er sich um die [[Lebensgemeinschaft]], die sich um [[Shri]] Ramana als eine Art [[Einsiedelei]] gesammelt hatte. Die [[Mutter]] richtete sich eine Küche ein, um für ihre Söhne, und wer mit ihnen lebte und zum [[Heilig]]en kam, zu sorgen. So bekam die Einsiedelei, die von Bettelgängen in den [[Ort]], von milden Gaben und Geschenken ihren Unterhalt fristete, eine Art Haushalt, ohne der asketischen [[Verpflichtung]] abzudanken, nicht für den anderen Tag zu sparen und zu sorgen, Hier wie zu allen [[Zeit]]en [[indisch]]en [[Asket]]enlebens — am greifbarsten bei der Blüte des [[Buddhismus]] mit seinen [[Kloster|Klöstern]] und [[Reliquien]][[schrein]]en, Schulen und Stiftungen — war es die [[Welt]], die sich ergriffen und [[Ehrfurcht|ehrfürchtig]] an das Überweltliche drängte, das lautlos in ihrer Mitte greifbare Gestalt angenommen hatte, um es dankbar zu schmücken, zu erhöhen und zu betreuen, So lebte der [[Heilig]]e scheinbar halb wie ein Haus[[vater]]; aber er gab seiner [[Mutter]] keine Antwort, wenn sie zu ihm redete; er blieb der einsame [[Asket]], sie war nicht Mutter für ihn, da war kein [[Familienleben]]. Er äußerte: Alle [[Frau]]en seien für ihn wie [[Mutter|Mütter]].
[[Alagamal]] fand sich in ihre neue Rolle, mütterlich sorgen zu dürfen, ohne mütterlich zu herrschen oder nur als Mutter zu gelten. Diese [[Entsagung]] ward ihr vom Sohne als der [[Weg]] zur [[Vollendung]] gewiesen, der ihrem [[Leben]]sstande gemäß war, und sie ging ihn sechs Jahre gehorsam bis zu ihrem [[Tod]]e, Sie nahm das gelbe Gewand des [[Weltverzicht]]s und ward eine [[Bettelasket]]in und tat in ihren Gebärden die lebenslange Rolle ihres Ich, die Mutterschaft, ab, Im Umgange mit dem Sohn und den Seinen lauschte sie seiner Belehrung und nahm sein Wesen in sich auf. Ihre werkgläubige [[Frömmigkeit]] weitete sich zum Begreifen des Namen- und Gestaltlosen, auf das die gestaltige Vielfalt des [[Hinduismus]] mit seinen [[Kult]]en, Bildern und Übungen zielt.
===Tod der Mutter===
Als es mit ihr zu [[Ende]] ging, saß ihr [[Sohn]], der [[Heilig]]e, an ihrem Lager; seine Linke lag auf ihrer [[Stirn]], die Rechte auf ihrer [[Brust]], bis ihr der letzte, mühsame [[Atem]]zug entflohen war. Einige [[Schüler]] sagten [[heilig]]e Sprüche her und murmelten [[Vishnu]]s [[Name]]n »[[Rama]]«, um der scheidenden [[Seele]] die Richtung zu geben. — Sie hatten alle nichts geg[[essen]], solange sie dem [[Ende]] der alten [[Frau]] beiwohnten; als es vorüber war, erhob sich der [[Heilige]] und sagte: »Jetzt dürfen wir essen, Kommt — dabei ist keine [[Befleckung]],« Und er setzte sich mit den anderen und aß, Einer seiner [[Jünger]] verzeichnete in seinem Tagebuch: »Der [[Svamin]] fühlte sich jetzt besonders [[Heiterkeit|heiter]]; die Brüder sangen die ganze Nacht über [[heilige]] [[Weise]]n, Wahrscheinlich war die [[Pflege]] der [[Mutter]] eine drückende [[Bindung]] gewesen, und mit ihrem Hinscheiden fühlte er sich [[frei]]er. Kein Grund mehr, am selben [[Ort]] zu bleiben; kein Grund mehr, sich von anderen helfen zu lassen. Keine [[Sorge]], — frei wie ein [[Vogel]], der aus dem Käfig ist. Ich kann mich irren, aber ich empfand es so,«.
An den [[Totenbrauch|Totenbräuchen]] beteiligte sich der [[Heilige]] nicht; als [[Yogin]] sah er ihnen [[schweigen]]d zu. Er hatte Jahre vorher einmal gesagt, eine [[heilige]] [[Frau]] solle, wie ein Yogin, nicht verbrannt, aber begraben werden, So geschah es. Man dachte es in der [[Stille]] zu tun, aber die Nachricht hatte sich herumgesprochen, und so kam viel Volk. Die [[Tot]]e wurde in eine Grube gelegt und [[heilige]] [[Asche]], [[Salz]], [[Kampfer]] und [[Weihrauch]] darüber geschüttet; die Grube ward mit Mauerwerk geschlossen und darauf ein [[Shivalingam|Lingam Shiva]]s errichtet. So erhielt die [[Mutter]] ihr »[[Samadhi]]«: die Stätte ihrer »[[Vereinigung]] mit [[Gott]]«. Ihr Eingehen zum Göttlichen war vollzogen; sie wird, mit [[Shiva]] im Zeichen des [[Lingam]] vereint, als »[[Matribhuteshvara]]« verehrt: als der »Höchste [[Gott]] in Gestalt der [[Mutter]]«, Der alte [[Kult]] der Mütter als [[Göttin]]nen [[Südindien]]s hat sich ihres [[Grab]]es dabei als [[Kultort]] bemächtigt; sie ist die mütterliche [[Schutzgottheit]] der Stätte, die zuvor durch ihren Sohn, den [[Heilige]]n, geheiligt ward. In ihrem [[Name]]n und im [[Geist]]e ihres sichtbaren Wirkens geschieht täglich die Ausspeisung der Wallfahrer, die den Weg zu [[Shri]] Ramana finden. Die [[göttliche]] [[Verehrung]], die der Heilige selbst, soweit er es vermag, von seiner sterblichen [[Erscheinung]] abwehrt, darf sich der Entrückten zuwenden, wenn das [[Lingam]] auf ihrem Grabe mit dem üblichen [[Ritual]] der [[Tempel]]: [[Wasser]]güssen, [[Opfer]]gaben und Hersagen der [[Namen]]slitanei der neunmal zwölf Namen [[Shiva]]s, alltäglich verehrt wird und jeder Wallfahrer zur [[Einsiedelei]] [[Shri]] Ramanas vor dem [[göttliche]]n [[Zeichen]] seine [[Andacht]] verrichtet, die in Versenkung in das [[Symbol]] des [[Gott]]es ihm die Vereinigung ([[Samadhi]]) des [[Gemüt]]s mit dem [[Göttliche]]n schenken soll, das in ihm greifbar ist.
==Ramana Maharshi und seine Schüler==
Im Beieinander des [[Heilig]]en mit seinen [[Jünger]]n erfüllte sich wieder einmal der alte [[indisch]]e Vers: »Seltsam und wundersam: Unterm [[Feigenbaum]] sind alte Schüler um einen jungen [[Meister]] geschart, und [[Schweigen]] ist des Meisters Unterweisung, aber es zerstreut alle Zweifel der Schüler.« Die [[Mensch]]en, die sich zu ihm fanden, wurden durch sein schweigendes Dasein belehrt, und die unter ihnen Zugang zum [[Sanskrit]] und seiner heiligen Überlieferung hatten, sahen das Ziel der [[Lehre]]n und [[Weg]]e, um das ihr [[Kopf]] wußte und dem ihre [[Sehnsucht]] galt, in ihm leibhaft erfüllt. Sie brachten ihre [[heilige]]n Texte in [[Sanskrit]] und Volkssprache vor ihn und rezitierten sie dem [[Schweigen]]den; sie knüpften [[Frage]]n daran und breiteten ihren geistigen Besitz aus, Zuweilen entlockten sie ihm knappe Antworten, die er auf kleine Zettel schrieb, denn seine [[Lippe]]n blieben meist unbewegt, Mit all ihrem [[Wissen]] um die große Überlieferung konnten sie ihm, der aus sich selbst zur [[Wirklichkeit]] erwacht war und meist in ihrer Tiefe versunken saß, nichts Neues bringen, nichts eigentlich geben, Aber sie setzten sein stummes, überwältigendes [[Dasein]] in [[Beziehung]] zu der [[heilige]]n Sprache, die von dem [[Geheimnis]] handelt, das er unmittelbar durch Versenkung in die eigene Tiefe besaß und allzeit in sich selber verschlungen neu erlebte. Indem sie dieses [[Ziel]] und [[Geheimnis]] [[geist]]ig entfaltet ihrem eigenen [[Verstehen]] erschlossen, bildeten sie unversehens die Formen aus, es der [[Welt]] zu vermitteln, und liehen dem Heiligen aus dem Schatze der alten Überlieferung die Ausdrucksmittel für sein reines Innesein des Unbedingten.
[[Uddandi Nayinar]] und [[Annamalai Tambiran]] waren die ersten, die das Buchwissen [[heilig]]er Überlieferung ihm nahebrachten, das ihren eigenen [[Pilger]][[weg]] begleitete und trug; dann kam [[Padmanabhi Svamin]], ein [[sanskrit]]kundiger [[Gelehrter]] ([[Shastrin]]) aus [[Chidambaran]]. Der [[Heilige]] hörte ihnen zu, wie sie ihr [[Wissen]] auswendig [[Rezitieren|rezitierten]] oder aus Büchern in [[Sanskrit]] und [[Tamil]] laut vortrugen, las auch selbst die Tamilfassungen der heiligen Texte, die sie in [[Sanskrit]] vorsagten, So ward ihm unwillkürlich der große Begriffs- und Bilderschatz zu eigen, mit dem die [[Überlieferung]] seit Jahrtausenden [[Erlebnis]]se wie das seine ausgeformt hatte, Er konnte, was ihm als [[Wissen]] und Kunde, [[Wort]] und Gleichnis entgegenkam, an der [[Wahrheit]] des eigenen [[Wesen]]s messen, mit dem eigenen [[Sein]] erfüllen, gliedern und deuten.
1900 kam G. Sheshier als Beamter nach [[Tiruvannamalai]]; er schloß sich an den [[Heilige]]n an und stellte ihm Fragen über vielerlei, was er gelesen hatte, [[Shri]] Ramana schrieb, in [[Schweigen]] verharrend, seine Antworten auf kleine Zettel; Sheshier sammelte sie zu einem Heft Aufzeichnungen, — so entstand Überlieferung. Ihr enstammt der Bericht über Venkata Ramans »Erwachen« im Hause des Oheims, [[Shivaprakasham Pillai]], ein Steuerbeamter, der Philosophie studiert hatte, kam 1902 zu Shri Ramana und zeichnete [[Frage]]n und Antworten in [[Tamil]] auf; sie wurden 1924 als Gespräche veröffentlicht. S, Sheshu Iyer, ein Anwalt aus Cocanada, der später ganz nach Tiruvannamalai übersiedelte, besorgte die englische Übersetzung, die mit einigen Abänderungen 1930 erschien, 1937 erschien auf den [[Wunsch]] vieler eine verbesserte Neuausgabe, die der Leiter der [[Einsiedelei]], [[Svamin]] [[Niranjananda]], besorgte, Ein schmales Heft, in dem Begegnungen mit Shri Ramana Maharshi festgehalten waren, erschien 1936 aus der Feder seines Jüngers [[Ramananda]] (unter dem Titel »Crumbs from his table«). So fand sich allmählich das schmale Bündel von Gesprächen und Lehrreden zusammen, die von Shri Ramana Zeugnis ablegen. Es kann nicht mehr die Aufgabe des [[Wissen]]den sein, sich selber darzustellen; aber die Welt, die an seinem Wesen teilzuhaben begierig ist, muß seine Gestalt und Botschaft stilisieren, wie es einst die Jünger [[Buddha]]s taten, indem sie Gespräche, Reden und Strophen des Erleuchteten bewahrten und weitergaben, oder wie die erste Christengemeinde mit den [[Wort]]en des Herrn verfuhr.
===Ganapati Shastri===
Die in sich selbst vollkommene, wahre [[Stille]] wirkt auf die [[Unruhe]] der [[Welt]] als saugender [[Wirbel]]; so zog der [[Heilig]]e den schweifenden, vielbegabten und immer unerfüllten [[Ganapati Shastri]] an, der hochfliegender Pläne und öffentlicher Ehren, seines [[Wissen]]s und seiner Schriftstellerei überdrüssig, zu seinen [[Fuß|Füßen]] so viel [[Frieden]] fand, wie seiner Art möglich war und, von dieser [[Begegnung]] [[Inspiration|inspiriert]], zum literarischen Wegbereiter Shri Ramanas wurde, Er war kaum zwei Jahre älter als der [[Heilige]]; als [[Kind]] schwächlich, erwies er bei vielseitiger [[Begabung]] eine erstaunliche Frühreife, Mit zehn Jahren schon dichtete er in [[Sanskrit]] und erhielt 1900 mit zweiundzwanzig Jahren auf einer Tagung sanskritkundiger Gelehrter und Schriftsteller für seine Virtuosität in poetischen Improvisationen den Ehrennamen »[[Kavya Kantha]]«, d. h, »[[Kehle]] der Poesie«.
Der wahre [[Ehrgeiz]] seines [[Leben]]s zielte höher: Er wollte es den Heiligen der Vorzeit und Mythen gleichtun an glühender [[Askese]] ([[Tapas]]), die sich zu kosmischer Macht erhoben hatten; zugleich beschäftigten ihn immer wieder weitschichtige Weltverbesserungspläne, die das Antlitz Indiens veredeln und über seine Grenzen hinaus reformierend wirken sollten. Er schwor auf den [[Yoga]], der seine Kraft aus unablässiger [[Rezitation]] [[heilig]]er Formeln und [[göttliche]]r Namen zieht ([[Mantra]] [[Japa]]), und unternahm viele [[Pilger]]fahrten zu [[heilig]]en Stätten, ohne an ihrer magischen [[Kraft]] Erfüllung seiner [[Askese]] zu finden. Er hatte wohl einige Erlebnisse in dieser Richtung; aber sie ließen ihn unverwandelt, So kam er 1903 das erstemal zum Heiligen, zog aber, nicht wirklich von ihm berührt, nach Vellore weiter, wo er eine Stelle als Lehrer annahm, um dort mit einer Schülergruppe durch [[Mantra Japa]] um kosmische [[Kraft]] ([[Shakti]]) zu ringen, die ihn zur Reform der [[Heimat]], ja der [[Menschheit]] befähigen sollte. 1907 gab er diesen Posten auf; voll tiefer Un[[zufriedenheit]] mit all seinem [[Wissen]] und Können, seiner Virtuosität und Ohnmacht, kam er aufs neue nach [[Arunachala]]. Er erklomm den [[Berg]] in der Vormittagshitze während des [[Karttika]]festes und fand zu seinem [[Glück]] den [[Heilige]]n allein vor seiner [[Höhle]] sitzen. Er fiel vor ihm flach auf den Boden, ergriff seine Füße mit beiden Händen und sagte mit bebender Stimme: »Ich habe alles gelesen, was es zu lesen gibt, auch die Lehre des Vedânta habe ich ganz verstanden. Ich habe Flüstergebete ([[Japa]]) ohne Ende gesprochen, Aber ich habe bis heute nicht gefaßt, was [[Askese]] ([[Tapas]]) ist. Darum nehme ich meine Zuflucht zu deinen Füßen. [[Erleuchtung|Erleuchte]] mich über das Wesen der [[Askese]]!«
Der [[Heilige]] sah ihn eine Viertelstunde lang schweigend an, wie er, ganz Erwartung, zu seinen Füßen lag. Dann sagte er: »Wenn einer darauf acht hat, woher die Vorstellung ,Ich' entspringt, dessen [[Gemüt]] wird darein verschlungen, — das ist [[Askese]]. Wenn ein Spruch innerlich wiederholt und die [[Aufmerksamkeit]] darauf gelenkt wird, woher der innerliche Laut dieses Spruches entspringt, dann wird das Gemüt dahinein verschlungen, — das ist Askese,«
Diese [[Belehrung]] erfüllte [[Gartapati Shastri]] mit erlösendem [[Glück]]. Er verweilte einige Stunden und ließ sich von [[Palani Svamin]] den Namen des [[Heilige]]n sagen. Er erfuhr, es sei »Venkata Raman Ayyar«, und er dichtete sogleich fünf Strophen zu seinem Preise. In ihnen verkürzte er den Namen zu »Ramana«, und diese Bezeichnung ist dem Heiligen geblieben, Dann schrieb er gleich Briefe an seine Verwandten und Schüler und berichtete ihnen von der Unterweisung ([[Upadesha]]), die er von dem »[[Brahman]]a [[Svamin]] auf dem [[Berg]]e« empfangen habe, und tat kund, jedermann solle diesen hinfort den »Großen Seher« ([[Maharshi]]), seine Schüler ihn aber den »Erhabenen Großen [[Seher]]« ([[Bhagavan]] [[Maharshi]]) nennen.
In der Unterweisung, die ihm zuteil geworden war, erblickte der gelehrte Poet eine Gnade der von ihm besonders verehrten Gottheit: Der Weltkraft ([[Shakti]]) und [[Weltmutter]] [[Uma]], und er dichtete sofort eintausend Verse zu ihrem Preise. Er brauchte nur drei Wochen dazu und schrieb rund zweihundert Verse auf einen Sitz nieder, meist zwischen acht Uhr abends und Mitternacht. Die Weißglut seiner musischen Inspiration nährte sich dabei an der Nähe des Erhabenen Großen Sehers, Nach etwa drei Monaten zu dessen [[Fuß|Füßen]] wirbelte es ihn allerdings wieder aus der Bergeshöhe ins wimmelnde Flachland, dem er, getragen von der Weltkraft, die ihn begnadet hatte, als endlicher Erneuerer in vielen Dingen zu nahen gedachte.
Beim Abschied fragte er den Heiligen noch: »Genügt dieses Forschen nach der Quelle der Ichvorstellung, um alle meine Ziele zu erreichen, oder brauche ich auch innere Sammlung auf heilige Sprüche und Silben?« Der Heilige antwortete: »Das erste genügt«, — und als der andere nach dem [[Ziel]] fragte, gab er ihm den Rat: »Du solltest lieber deine ganze Last auf [[Gott]] werfen. Er wird alle Lasten tragen, und du wirst aller Last ledig sein. Er wird schon seine [[Pflicht]] tun,«
Aber [[Ganapati]], der Betriebsame, verstand diesen Wink nicht und stürzte sich vom [[Berg]]e ins Feld seiner [[Begabung]]en und Anliegen. In den nächsten Jahren kam er häufig auf Besuch, Sein beredtes, überströmendes Wesen brachte dem Meister vieles aus seiner virtuosen Kenntnis des Sanskrit und dessen [[heilig]]er Literatur nahe, Der Heilige griff aus Texten, die er in [[Sanskrit]] und seiner Muttersprache [[Tamil]] nebeneinander zu lesen begann, die alte Sprache göttlicher Offenbarung und Überlieferung auf und dichtete 1915 einen Vers in Sanskrit, der die Quintessenz seiner Lehre enthält:
»Mitten in der Höhle des [[Herz]]ens leuchtet allein das reine Unbedingte ([[Brahman]]) als ,ICH-ICH' offenbar in Gestalt des Selbst ([[Atman]]), Lass dein [[Gemüt]] sich selbst erforschen und im [[Herz]]en untertauchen und finde angehaltenen [[Atem]]s deinen Stand im Selbst,«
Zwei Jahre später dichtete er fünf [[Sanskrit]]strophen auf das [[Göttliche]], das sich im Berge »Morgenrot« verkörpert, und verfasste in Sanskrit die »Dreißig Merksprüche zum täglichen Gebrauch für die Jünger der Einsiedelei« ([[Upadeshasara]]).
Ein besonderes Verdienst Ganapati Shastris bestand darin, im Umgang mit dem [[Meister]] ihm Antworten zu entlocken und, seinem Gespräch mit andern lauschend, solche aufzuzeichnen. Was er während zweier Aufenthalte im Dezember 1913 und im Juli und August 1917 auffing, ward ihm zum Stoff für sein Lehrgedicht »[[Shri Ramana Gita]]«. Es folgt dem Vorbild der unsterblichen [[Bhagavad Gita]] und ihrer jüngeren Geschwister in der [[Sanskrit]]dichtung und ist als [[Apotheose]] des [[Heilige]]n gemeint, durch dessen [[Mund]] und [[Erscheinung]] das [[göttliche]] [[Wesen]] der Welt aufs neue leibhaft offenbar geworden ist, Hier wird bereits der [[Kult]] des Heiligen begründet: Seine Verklärung als [[Mensch]]werdung des [[Göttliche]]n, wie das Empfinden des Volkes ihn feiert, das wallfahrtet, ihn zu schauen. Er ist nichts anderes als [[Shiva]], der Höchste [[Herr]], und als dessen Sohn und zweites Ich, [[Karttikeya]], die volkstümliche [[Gottheit]] der Landschaft. Er ist, ganz [[Selbst]] ([[Atman]]) geworden, leibhaft greifbar das gestaltlos Unbedingte ([[Brahman]]), und ist nichts anderes als die [[Segen]]s[[gottheit]] uralten [[Berg]]kults, die Wesenheit des Berges »Morgenrot«, Wie sich der All[[gott]] [[Vishnu]] in einem früheren Weltalter als [[Krishna]], der Held, [[Heiland]] und [[Lehrer]] der [[Bhagavadgita]] offenbarte, ist das Allwesen unserer [[Zeit]], [[Shiva]], im erhabenen großen [[Seher]] und [[Meister]] Shri Ramana Fleisch geworden, Ein und dasselbe [[Wirkliche]], überweltlich und innerweltlich zugleich, hat sich in vielen seiner [[Erscheinung]]en zusammengefunden: Im steinernen [[Shivalingam|Lingam Shiva]]s, das, im innersten [[Heiligtum]] des großen [[Tempel]]s ragend, seine Gegenwart bezeugt, in Bildsäulen des Großen [[Gott]]es, seines Sohnes und anderer Gottheiten ringsumher, im mächtigen Berge, den die Pilger wallfahrtend umwandeln, wie in allen Heiligtümern, Tempeln Brunnen und Teichen, die den heiligen Ringweg säumen, und in den Klausen seiner Schlüfte, — dazu aber lebendig-menschlich in der Gestalt des Heiligen, der alles menschhafte Ich an sich vernichtet hat und das reine allwesende [[Selbst]] geworden ist, Lauterkeit ohne Rastlosigkeit und ohne Trübe, [[Vollendung]] ohne [[Schatten]].
==Zusammenfassung==
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Ramana Maharshi erblickte unter dem Namen '''Venkataraman''' am 30.12.1879 in Tiruchuli, Tamil Nadu, das Licht der Welt. Seine [[Religion|religiösen]] Neigungen bewegte ihn dazu sich bereits in jungen Jahren in [[Tempel]]n aufzuhalten. Er gewann viele [[sport]]liche Wettbewerbe, die er mit seinen Freunden ausführte. Nach dem Studium des "[[Periya Puranam]]" spürte er eine tiefe Verbindung zu den darin erwähnten 63 [[tamil]]ischen [[Heilige]]n und Weisen. Im Alter von 17 Jahren hatte er eine außergewöhnliche Erfahrung aufgrund einer [[Panikatacke]], die ihn aus heiterem Himmel bei bester [[Gesundheit]] überkam. Er legte sich auf den Boden, hielt den [[Atem]] an und verweilte in [[Stille]] um zu sterben. Dabei erkannte er die Unberührbarkeit des [[Transzendenz|transzendenten]] [[Geist]]es durch den [[Tod]]. Trotz dieser überwältigenden Erfahrung führte er sein Leben nach außen hin unverändert fort bis er sechs Wochen später plötzlich seine Familie verließ. Auf einem Zettel, den er hinterließ stand "[[Sorge|Sorgt]] Euch nicht um mich und sucht bitte nicht nach mir". Ramana begab sich zum [[Tempel]]bezirks von [[Arunachala]], eines heiligen [[Berg]]es in [[Tiruvanamalai]]. An diesem Ort der Verkörperung [[Shiva]]s (aus [[Hinduismus|hinduistischer]] Sicht) verweilte er bis zum Verlassen seines [[Körper]]s im Jahr 1950. Venkataramana entsagte sich allen [[Materialismus|materiellen]] Gütern, inklusive seiner Haare, bis auf einen Lendenschurz. Unbeeindruckt von Parasiten, die sich an seinen [[Bein]]en ausbreiteten, [[Meditieren|meditierte]] er in [[Trance]] in einer kleinen Zelle. Später wurde er von [[Sadhu]]s an einen anderen Platz gebracht, danach verweilte er in [[Meditation]] in [[Berg]][[höhle]]n. Er bekam den Namen '''Bhagavan Shri Ramana Maharshi''' ([[Bhagavan]], [[Shri]]=Ehrentitel; [[Ramana]]=Ableitung von Venkataramana:"der [[Leibe|geliebte]] ([[Gott]]) von Venkata" [https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p848_Das-Yoga-Lexikon/]) von Gelehrten, die zum kleinen Kreis seiner Anhängerschaft gehörten, welche sich langsam um ihn bildete. Diese erkannte, dass ihm eine einzigartige [[Verwirklichung]] innewohnt. Dieser [[Name]] sollte ihn als den geliebten [[Gott]] und großen [[Seher]] des Venkatas, einem heiligen Berg [[Tirupatis]], ehren. Zunächst war er für die Menschen ohne viele Worte eine große [[Inspiration]]. Seine [[Ausstrahlung]] reichte weit und seine Kraftübertragung in Stille war äußerst beeindruckend. Um ihn herum bildete sich ein [[Ashram]]. Er war ein frei zugängliches Mitglied der Gemeinde und er beteiligte sich teilweise auch an einfachen Tätigkeiten. Seine Popularität nahm zu und es kamen [[Pilger]]scharen um ihn aufzusuchen. Er beantwortete Besucherfragen in einer zentral gelegenen kleinen Halle des Ashrams. Die aufgezeichneten Gespräche stellen neben ein paar [[Sanskrit]]übersetzungen von [[Shankara]] und ein paar kurzen Texten seine einzigen Schriften dar. Maharshi war ständig im [[Spiritualität|spirituellen]] [[Selbst]] verankert und so kreisten die Konsultationsthemen wiederkehrend um die Frage "Wer bin ich?", die sich über die [[Vijnanamaya Kosha|Intellektuelle Hülle]] hinaus bewegten. Er betonte stets das wahre [[Bewusstsein]] als innerer Kern des [[Selbst]]. Seine Verehrung als [[Guru]] ließ er zwar zu, lehnte jedoch jegliche seinerseitige Bezeichnung als solcher oder auch nur als [[Lehrer]] kategorisch ab. Ununterbrochen stellte Maharshi mit seiner enormen Ausstrahlung eine Personifizierung von [[Atman]] dar. Westliche [[Prominente]] wie [[Arthur Osborne]] (Schriftsteller) oder Henri [[Cartier Bresson]] (Fotograf) kamen zu ihn in den Ashram um sich von ihm inspirieren zu lassen. Cartier Bresson wurde auch Zeuge eines [[Natur]]phänomens als Bhagavan Shri Ramana Maharshi am 14. April 1950 um 20:47 Uhr [[Mahasamadhi]] erreichte. Henri befand sich mit ein paar Freunden draußen vor Maharshis Haus, dessen gesundheitlicher Zustand äußerst schlecht war. Am Himmel erblickten sie einen außerordentlich hell aufleuchtende Sternschnuppe, die sich langsam mit einem Schweif über den Himmel bis zum [[Gipfel]] des [[Arunachala]]s fortschritt und dahinter verschwand. Allen Beteiligten war sofort gegenwärtig dass dieses Ereignis eine mächtige Bedeutung hatte. So schauten sie auf die Uhr und eilten in den Ashram und sahen dass Maharshi soeben seinen Körper zurück gelassen hatte. Maharshi betonte stets die mit dem [[Ego]] einhergehnde [[Illusion]] im Gegensatz zu der unveränderlichen immerwährenden [[Wirklichkeit]]. Die [[Selbstverwirklichung]] ist von [[Natur]] aus vorhanden, worum man sich kümmern muss ist die Klärung der Illusion.
===Ramana Maharshi's Mahasamadhi (Englisch)===
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==Reflektion==
[[Datei:RamanaMaha2.jpg|thumb]]
Das alles aber gehört schon längst nicht mehr zur Geschichte Shri Ramana, sondern in die seiner unfreiwilligen [[Wirkung]], seines unwillkürlichen [[Ruhm]]es, — es ist Geschichte seiner Jünger, seiner Gemeinde und der [[Welt]]. Der Vollendete hat keine Geschichte mehr; sie ist der Bereich des Unvollkommenen und Unvollendbaren.
Als die Seinen 1912 zum erstenmal seinen [[Geburtstag]] feierten — wie seither unter dem Zustrom wachsender Scharen alljährlich, und dazu den Jahrestag der vergotteten [[Mutter]] —, gab er ihnen zwei Strophen zur Antwort: »Ihr, die ihr den Geburtstag feiern wollt, ergründet erst: Woher kam eure [[Geburt]]? — Das ist fürwahr der Geburtstag, wenn einer eingeht ins [[Jenseits]] von Geburt und [[Tod]], ins ewige [[Sein]]. Wenigstens an seinem Geburtstage soll einer seinen Eintritt in den Kreislauf von Geburt und [[Tod]] betrauern. An ihm frohlocken und ihn feiern, heißt einen Leichnam schmücken. Sein Selbst suchen und in ihm untertauchen ist: [[Weisheit]].«
Der Vollendete läßt der [[Welt]] ihren [[Weg]]. Unbewegt in sich selber wurzelnd, ein »Schweigender« ([[Muni]]), gibt er dem kreisenden Schein ringsum ein Beispiel in der Unwillkürlichkeit seines [[Dasein]]s und kann der Welt nicht wehren, was sie aus dem Schein seiner Person macht. Ein reicher Mann ließ eine lebensgroße Bildsäule vom [[Meister]] formen und stellte sie in [[Tiruvannamalai]] auf. Der [[Buddha]] und seine [[Mönch]]e konnten dem [[göttliche]]n [[Kult]], der seiner [[Erscheinung]], seinen [[Reliquien]] gezollt wurde, auch nicht wehren; die Geschichte des Buddhismus bis zu seinem Untergang in Vorderindien ist die mähliche Ueberflutung seines Gebäudes mit allen Gehalten der Volksreligion von den vorarischen [[Kult]]en der Schlangen-, Erd- und [[Baum]][[gottheit]]en bis zum [[Pantheon]] des jüngeren [[Vishnu]]- und [[Shiva]]glaubens mit ihren [[Ritual]]en und [[Jenseits]][[hoffnung]]en.
Mit seiner [[Erscheinung]] im [[Schein]] der [[Welt]] gibt der [[Heilige]] sich unbeteiligt ihrem Scheinspiel dar, wie der überweltliche [[Gott]], dem nichts zu tun aufgegeben ist, nach dem Wort der [[Bhagavadgita]] im Weltschein waltet und sein Gewebe mit keiner überweltlichen Gebärde zerreißt.
Er wehrt die greifbare Ver[[gott]]ung ab, daß [[Wasser]] oder [[Milch]], Öl oder Honig ihm wie einem [[Götterbild]] oder [[Lingam]] übers Haupt gegossen wird ([[Abhisheka]]), so sehr es die eifrigen Frommen nach dieser [[Verehrung|verehrenden]] Gebärde der »[[Puja]]« verlangt; er duldet nicht, daß er wie eine Kultfigur mit [[Sandel]] oder Farben bemalt wird; aber er kann nicht hindern, daß die Wallfahrer den Staub vor seinen [[Fuß|Füßen]] mit den [[Finger]]n aufnehmen und gläubig an [[Stirn]] und [[Lippe]]n führen. So wenig er vermag, daß Kokosnüsse als Darbringung zu seinen Füßen aufgebrochen werden und Kampfer zu weißer Flamme entzündet wird, kann er wehren, daß am großen [[Fest]]tage des [[Gott]]es [[Arunachala]], der [[Berg]][[gottheit]] und [[Shiva]]s in einer Person, auch die dritte [[Gestalt]] desselben göttlichen Wesens. Er selbst, in sich selber versunken, von dem weißen Jubelfeuer angestrahlt wird, das im gleichen Augenblick vor seinen Füßen aufflammt, wie das weiße Flammenlingam sich auf dem nächtlichen [[Gipfel]] des [[Berg]]es erhebt. Denn er [[Ehren|ehrt]] die alte Lehre: »Wer [[Gott]] ganz [[Hingabe|hingegeben]] ist und seinem [[geist]]lichen [[Meister]] ([[Guru]]) ganz wie Gott, — dem Großgemuten wird alle [[Wahrheit]] offenbar.« Er weiß, daß die [[Verehrung]], die ihm dargebracht wird, eine Anfangsstufe der [[Erkenntnis]] in gläubiger [[Hingabe]] ([[Bhakti]]) ist, über die sich der [[Weg]] der [[Befreiung]] zu der [[Erkenntnis]] zu erheben vermag, daß der Gläubige und der verehrte Gegenstand seiner [[Andacht]] ein und dasselbe sind: Beides [[Erscheinung]]en des einen [[Sein]]s, das ohne Namen und Gestalt in allem west.
So ist es ganz in Ordnung, daß er, wenn er sich morgens zwischen drei und vier Uhr erhoben und seine Waschungen vollzogen hat, auf seinem [[Ruhe]]lager Platz nimmt und zuhört, wie seine [[Jünger]] ihren Tag mit Gesängen aus einem Preislied auf ihn selbst beginnen, das über 1500 Verse lang ist, oder daß er Strophen, die er einst selbst für die jährlich mehrfach wiederholte [[Prozession]] rings um den heiligen [[Berg]] und für den Bettelgang der Seinen in die Stadt gedichtet hat, aus ihrem [[Mund]]e vernimmt, die jetzt ihm selber gelten, wie er sie einst für die [[Gottheit]] des Berges Morgenrot gemeint hat:
»Du tratest in mein Haus und locktest mich mit dir hinweg, — was hältst du mich in deines [[Herz]]ens Höhle gefangen, o [[Arunachala]]?
Viel [[Zärtlichkeit|zärtlicher]] bist du als die eigene [[Mutter]], — ist das deine alliebende [[Gnade]], o Berg Morgenrot?
Du süße Frucht in meiner Hand, reiß mich hin in den Rausch der Entrückung, trunken von der [[Seligkeit]] deines Saftes!
Schenke mir [[Wissen]], ich flehe dich an, daß ich nicht vor [[Liebe]] zu dir vergehe, in [[Unwissenheit]]!
Die Dirne Gemüt wird nicht mehr gassenauf, gassenab herumstreichen, könnte sie nur zu dir gelangen! O zeige dich und gib dich zu erkennen und halte sie in deinem Bann!
Die [[Lotos]]knospe öffnet sich dem [[Sonne]]n[[licht]], — was kamst du zu mir wie eine Biene und sprachst: ,Dein [[Herz]] ist noch nicht aufgeblüht'?«
In diesen Klagen eines [[Liebe]]nden erwachte die gläubige [[Hingabe]] und glühende [[Gottesliebe]] der großen Sänger und [[Heilige]]n
des süd[[indisch]]en Mittelalters zu neuer Blüte; die »Hochzeitliche
Blumenkette aus neunmal zwölf Strophen für [[Shiva]], der im [[Berg]]e Morgenrot als dessen [[Herr]] zugegen ist« ([[Shri]] [[Arunachala]] [[Akshara]]
[[Mana]] [[Malai]]) und das »Geschmeide aus neun Juwelen für Shri Arunachala« (Shri-Arunâchala-nava-mani-malai) bewegen sich in der großen Überlieferung der Sänger und Heiligen des »[[Devaram]]«):
»In meinem liebeleeren Ich wecktest du die [[Leidenschaft]] zu dir; darum verlaß mich nicht, o Berg Morgenrot!
Verschrumpfte und verdorrte Frucht ist wertlos; nimm mich und iß mich, da ich reif bin, o Berg Morgenrot!
Führe mich heim, ich flehe dich an, und laß mein [[Gemüt]], das jetzt dir anvermählt ist, der [[Vollkommenheit]] vermählt sein!
Laß uns umschlungen liegen auf dem Blumenbette des Gemüts in der Kammer meines Leibes, o [[Berg Morgenrot]]!
Ich dachte dein und ward von deiner [[Gnade]] gefangen, und wie eine Spinne in ihrem Netz hieltest du mich gefangen, um mich zu nehmen zu deiner Stunde.
Nimm mich hin in dich, sonst muß ich vergehen mit meinem Leibe, der im Strom meiner Tränen zerschmilzt.
[[Wort]]los sprachst du: ,steh und schweig' und warst Schweigen. Zu [[schweigen]] wie ein Stein, der keine Blüten treibt, — ist das wahrhaftes Schweigen, [[Herr]]?
Im [[Herz]]en scheint ein [[Licht]], sich selber inne, einzig wirklich: Das bist du.
Im [[Tempel]] von [[Chindambaran]] tanzt [[Shiva]], der Regungslose, seinen selbstberauschten [[Tanz]] im Angesicht seiner [[göttliche]]n [[Kraft]] und Gattin ([[Shakti]]), die regungslos vor ihm steht. — Aber wisse: Im Berge Morgenrot steht er in seiner [[Herrlichkeit]] reglos da, und sie, die rastlos spielende [[Welt]][[kraft]], ist zur [[Stille]] eingegangen in sein regungsloses [[Selbst]].«
Begreiflich, daß der Heilige selbst für seine Jünger der bevorzugte Gegenstand innerer [[Meditation]] ist, wie ein Kultbild leibhaft angeschaut und verehrt oder in innerer Schau betrachtet wie die Gestalt einer [[Gottheit]]. In dieser geistigen Berührung vollzieht sich vornehmlich sein Wirken, daneben in gelegentlichen Aussprüchen, Beantwortung von [[Frage]]n, erläuternden Bemerkungen zu [[heilig]]en Texten, die im Kreise der Gemeinde rezitiert werden. Er verbreitet aus sich die Kraft zur Versenkung, er kehrt das [[Wesen]] des anderen nach innen, auf den [[Weg]] zum [[Selbst]], den er lehrt.
Dem [[Heilige]]n fällt nicht schwer, was schon seinen besten Schülern kaum erreichbar ist. Wäre ihm eine andere Wahl geblieben, sich irgendwie zu verwirklichen, so wäre er nicht an diesen ausgefallensten [[Beruf]] geraten, der auch wo Adepten der [[Heiligkeit]] — [[Yogin]]s und [[Asket]]en — zahlreich sind, ausgefallen bleibt durch den Grad der [[Vollendung]], der [[Shri]] Ramana Maharshi zu eigen geworden ist. Die Vollkommenheit des Heiligen ist ebensosehr Anlage und [[Natur]] wie zurückgelegter steiler [[Weg]]: Anlage und [[Natur]] wie das musikalische [[Genie]] etwa bei [[Schumann]] oder [[Chopin]]. Was sie als große [[Kunst|Künstler]] konnten in Erfüllung und Gestaltung, war ihnen die kleinere Mühe, die leichtere Last; aber mit sich selber, der Welt und dem Leben fertig zu werden, all diesem standzuhalten bei der Hellsichtigkeit und [[Sensibilität]] ihres Genius, das war die Aufgabe, die immer wieder an die Grenze ihrer Kräfte ging, um immer wieder in zauberhaften, nie zuvor gehörten Klängen ihre Lösung zu finden. Nur einer, der keine Aussicht hat, es ihnen schattenhaft je gleichzutun, sich aber doch zu [[musik]]alisch schöpferischer Tätigkeit hingezogen fühlt, kann wünschen und meinen, einmal auch zu können, was sie konnten und was ihrer angeborenen [[Meister]]schaft in guten Stunden ein hohes [[Spiel]] war.
So denken auch die [[Schüler]] von [[Erleuchtete]]n und [[Heilige]]n. Was ihnen als [[Versenkung]] und Sammlung größte Mühe und lange Technik kostet, ist dem [[Meister]] als Anlage seiner [[Natur]], als Leichtigkeit zu einem exzentrischen [[Erkenntnis]]- und [[Glück]]szustand geschenkt, — als »[[karma]]n«, Das [[Selbst]], in das jene zu tauchen sich mühen, und können dabei die Schichten kaum durchstoßen, die sie davon trennen, saugt ihn begierig auf, zieht ihn unwiderstehlich und alltäglich an; er kann nicht anders, als sich unaufhörlich darein verlieren und es finden.
Er ist ein einwärts Gekehrter, nicht nur nach seelischer Anlage, auch nach leiblich angeborener Disposition. [[Schicksal]]haft für die anderen wird, daß diese Anlage bei ihm in ihrer [[Erfüllung]] beispielgebend und [[Inspiration|inspirierend]] auf die Umwelt wirkt; der [[Heilige]] selbst, der auf keine Umwelt wirken will, vielmehr ihr unwillkürlich lebenslang den [[Rücken]] wendet, sobald er zu seinem Wesen einwärts gekehrten Versinkens erwacht ist, folgt nur seiner innersten [[Natur]]. Daß er sich durch kein Urteil der [[Welt]], keine Plage, Beschwer und Entbehrung des Lebens, durch kein [[Mutter]]wort irre machen läßt, diesen Weg, den ihm sein »[[karma]]n«, seine Anlage vorzeichnet, ewig zu Ende zu gehen, macht seine Größe in den [[Auge]]n der [[Welt]] aus.
Wieweit die Schüler, die, von seinem Anblick getroffen, ihm auf seinem Wege nacheifern, durch Zucht und Mühe erreichen können, was ihm als einzig angemessene [[Leben]]sform seiner einsamen Art leicht fällt, — diese Frage ist die Ironie aller Schülerschaft und Ordensgründungen. Der [[Buddhismus]] hat das in der [[Mahayana]]lehre begriffen, wenn er am Leben des [[Buddha]] abliest, daß [[Mönchsgelübd]]e, Orden und Lehrbetrieb nicht das Entscheidende sind, um Erleuchtung und [[Nirvana]] zu erlangen. Alles das gab es ja in der Form des [[Buddhismus]] nicht, als der Erleuchtete, noch unerleuchtet, aber unwiderstehlich hinausgezogen wurde aus dem umhegten Gartenidyll, aus [[Ehe]][[glück]] und prinzlichem Glanz, und in die [[Wildnis]] hinauszog, um als Asket Erleuchtung zu suchen und Nirvana zu finden und schließlich mit wenig Glauben an mögliche Wirkung und voll tiefster Gleichgültigkeit gegen die [[Welt]] sich herbeiließ, [[Mensch]]en zu belehren, Schüler zu haben und einen Orden zu gründen, der nachmals »alle vier Weltgegenden« mit dem Licht seiner Lehre erhellte.
Der Berufene bedarf keines Lehrers und keiner Einweihung, keines Ordens als Lebensrahmen und -regel; er kommt ohne sie ans Ziel. Wieweit die Schüler mit alledem kommen, ist eine [[Frage]] ihres individuellen »[[karman]]«. Der Meister folgt seiner [[Natur]]: Gegen die Welt, das ist seine Größe. So führt sie ihn zur [[Erfüllung]]. Was andere nach ihm in seinen [[Fuß]]stapfen mit allen Mühen sich kaum abzuringen vermögen, ist ihm geschenkt, da seine Mühen die notwendige, einzig erwünschte Erfüllung seiner begriffenen Anlage sind: Das einzige, das ihm in seiner »letzten Geburt« noch zu tun übrigblieb. Daher die Warnung des [[Heilige]]n an die Welt[[kind]]er, die ihm nachfolgen wollen, im Glauben, das Verlassen der Welt und ihrer Pflichten verbürge allein schon [[Erfolg]]: Sie sollen sich prüfen, ob sie reif sind. Die [[Loslösung]] aus der Welt will unwiderstehlich und ganz von selbst als die einzige Möglichkeit, wirklich zu werden, in übermächtigem Zuge geschehen.
Als greifbare Spur, die das flüchtige Dasein des Heiligen bezeugt, bleiben für die Ferne von Raum und Zeit die Leitsätze und Stichwörter, Merkverse, Klärungen und Antworten, die er gab. Ihre gültige Fassung ist bereits vom Leiter seiner Einsiedelei in einer Reihe kleiner Schriften festgelegt, die jeder Wallfahrer nach Tiruvannamalai im Book Depot des Shri Ramanasramam erhalten kann: Der Hindu auf [[Sanskrit]] und [[Tamil]]; wer beider Sprachen unkundig ist: Auf englisch, Dieses schmale Schrifttum kreist einzig um die zeitlose Frage: [[Wer bin ich?]] So umschließt es die Mahnung des delphischen Gottes und das Anliegen der Philosophie: Erkenne dich selbst! Wer diese Frage für sich gelöst hat, »der ist befreit von allem Streit«; eingegangen zur verborgenen Wirklichkeit, bewohnt er die Mitte völliger Meeresstille, die das Zentrum im Zyklon des Geschehenden bildet.
[[Weise]] reden nicht viel und schreiben keine Bücher. Das erste überlassen sie den Fragern, das zweite ihren Jüngern. So entspringt die faßbare Überlieferung ihres schwer faßlichen [[Wissen]]s. Eine Summe von Mißverständnissen ist die Ebene der meisten Begegnungen zwischen den Weisen und der Welt.
Die Fragegespräche mit dem [[Meister]] sind, wie das nicht anders sein kann, zuweilen von großem objektivem Humor, Jedem Weisen sein Eckermann. Mancher fragt alles, was ein Tor gern umsonst und gefahrlos über Dinge erfahren möchte, die jenseits seines Horizonts sind und von denen er spürt, in ihnen könne das Eigentliche stecken. Und er erfährt sie sogar, umsonst und gefahrlos, aus der spendenden [[Gelassenheit]] des [[Weise]]n, der weiß, daß man selten jemandem geben kann, was er nicht schon hat, auch wenn er es gerade noch nicht aus eigener [[Kraft]] ergreifen kann, — nichts, wozu er nicht fast auch aus eigener Reife und Wandlung hinlangen könnte.
Es ist das Los der Toren, daß sie eben Toren sind, meist noch ohne es wahr zu haben; aber das Los der weisen Meister ist, daß sie viel törichten Fragen Rede stehen müssen, — um so mehr, je tiefer sie in das [[Schweigen]] unwillkürlicher Vereinsamung, das [[Weisheit]] und [[Erkenntnis]] um sie legen, versinken. Keine selbstgewählte Unzugänglichkeit wird sie davor bewahren, daß der Raum zu ihren Füßen zum Marktplatz der Meinungen und Fragen wird, zum Kreis der Andacht überströmender [[Gefühl]]e, [[Indisch]]e Geschichten ohne Zahl erweisen, daß [[Berg]] und [[Höhle]] im dichtesten Dschungel den Weisen nicht bergen können vor dem Strom der [[Welt]], die sich den Weg zu ihm bahnt und ihre dumpfe Ahnung
an seinem [[Licht]] erhellen will, Die [[Einsiedelei]] wird zum Wallfahrtsort, der [[schweigen]]de [[Yogin]] zum lehrenden Weisen, und der nur sich selber im tiefsten Kern inne sein wollte, wird unwillkürlich unaufhaltsam zum [[Licht]], das auf dem [[Gipfel]] leuchtet.
Das [[Wort]] »Ein Tor fragt mehr, als zehn Weise antworten können« stammt nicht von echten Weisen, die jedem Frager in Worten oder mit sprechendem [[Schweigen]] Genüge tun. Es wird von beredten Halb[[weise]]n im [[Mund]]e geführt, denen die [[Sprache]] vor dem unersättlichen Fragedurst ahnungsloser Torheit versiegt. Wenn aber die Toren nicht so wißbegierig wären, käme die [[Weisheit]] nicht unter die Leute, Denn die Weisen machen kein Gerede von ihrem [[Wissen]]; es ist ihnen selbstverständlich.
Wenn reine Toren fragen, ist das Schöne, daß sie kein Dünkel hemmt, die [[Zweifel]] und den Verständnismangel zu äußern, die jedes [[intellekt]]befangene [[Welt]][[kind]] dem [[Heilige]]n entgegenbringen muß, der aus sich selber weiß. Aus dem Zusammenprall der von sich selber geladenen Trivialität mit der [[Erleuchtung]] springen wie Funken höchst [[ehre]]nswerte und sehr verständliche Antworten, Auf ein literarisch angeschmecktes [[Verstehen]]wollen und ein [[psychologisch]]-[[philosophisch]]es Einfühlen könnte der [[Meister]] kaum so substanziell und blitzend antworten wie auf spitzfindiges Schulwissen und bocksteifen [[Zweifel]], da [[Einfühlsamkeit|einfühlendes]] Fragen intellektuell nachäffend vorwegnähme, wovon es in schöner Plötzlichkeit betroffen werden könnte.
Bei manchen Fragern schärft sich die natürliche Bosheit unfruchtbaren [[Intellekt]]s mit wißbegieriger Wichtigkeit und fragefrohem Leerlauf bei dem Wunsche, um keinen Preis vor ein wirkliches Ereignis gestellt zu sein, das Folgen hätte, zur Spitzfindigkeit unnachgiebiger und abschweifender Neugier, die eigentlich immer nur erfahren möchte, daß sie nichts erfahren kann, und die mit gelassener Antwort abgeblitzt wird. Das sind keine erfundenen Dialoge, wie eine hochstilisierte Nachfolge [[Platon]]s sie bei uns als erlesenes Genre dichterischer Prosa pflegt, aber echte Dokumente des immer erneuten Zusammenstoßes zwischen »[[Wissen]]« und »Nichtwissen«, zwischen [[Licht]] und Finsternis: Ein Schauspiel, dem beizuwohnen sich immer lohnt.
Der bemerkenswerte Zug der Lehre [[Shri]] Ramanas im Rahmen der großen herkömmlichen Scholastik des [[Vedanta]] und [[Yoga]] ist sein Fragen nach innen als eine Abstiegsleiter zur Ergründung des [[Selbst]]. Alle Regungen der Ichbefangenheit, also gerade die Sphäre aller Hindernisse zur [[Erfahrung]] der [[Wirklichkeit]] des [[Selbst]], bilden Ausgangsmaterial und Mittel zu ihrer Überwindung. Sie werden befragt; was spricht in mir? was verlangt oder leidet? und woher steigt es auf? — so treten sie in den [[Dienst]] der [[Selbstfindung]]. Was seinem Wesen nach das [[Selbst]] verschleiert und von ihm fernhält, muß eben dazu herhalten, es [[frei]]zugeben.
Dabei kann es sich gegenüber fremdartigem Detail, das [[Erfahrung]]en umschreibt, die nicht jedermanns Sache sind, nicht darum handeln, durch kritische Fragezeichen, flink gesetzt, sich den Zugang zum Ganzen zu verbauen. Es gilt, das Detail als Glieder eines [[Ganze]]n, das erfaßt sein will, vorerst hinzunehmen, bis das Gesamtgefüge den Schlüssel für den [[Sinn]] des einzelnen an seiner Stelle hergibt.
Shri Ramanas Reden und Antworten sind so einfach wie lebendig. So bringen sie die alte Botschaft [[Indien]]s dem Menschen von heute in einer Form, die ihm eher eingeht als die scholastischen Traktate des [[Vedanta]] und [[Yoga]] mit ihrer voraussetzungsreichen, geheimniswahrenden Stilisierung in rätselhaft knappe Stichwortsentenzen und streitfroh argumentierende Kommentare. Es ist [[Indien]]s alte [[Botschaft]] noch einmal, wie vor zweieinhalb Jahrtausenden, als der [[Buddha]] das wunderbare »Rad der Lehre« in [[Bewegung]] setzte, das sonnengleich die [[Erde]] umkreist und erleuchtet, — die Botschaft aus den Zeiten alter [[Seher]], dem Buddha lange vorauf. Es ist die Botschaft, die Lust als vergänglich und daher leidvoll zu meiden und das [[Leid]]en zu fliehen, weil es [[Schmer]]z ist; das Ich zu überwinden, dem Schein der [[Welt]] abzudanken, ein Überwinder zu werden, der ein [[Heil]]bringer mit [[Erlösung|erlösendem]] Wissen ist, da er des Vollkommenen und Unbedingten inne ward, das unser tiefstes wahres Wesen ist und das einzig wahrhaft Wirkliche aller [[Welt]]. Es ist die [[Botschaft]], die im Vielklang und Streit der [[Geist]]er[[stimme]]n Indiens immer wieder triumphierte, zuletzt und endgültig in Gestalt des [[Vedanta]], dessen Formeln und Bilder Shri Ramana dazu [[dienen]], geistig geformt und begrifflich benannt in faßbarer Gestalt den Fragern zu entfalten, was, als er es in sich selbst erfuhr, keinen Namen hatte und jenseits aller Gestalt war: [[Erfüllung]] in Entformung.
Entgegen dieser ursprünglichen, weitverbreiteten und fast [[tier]]haften Abwehr des [[Schmerz]]es hat das Abendland, einzig in seiner Art, zu seinen großen [[Zeit]]en eine andere [[Haltung]] gegenüber dem Leiden hervorgebracht. Die dionysische Tragödie der Griechen feiert in ausgehaltener Anschauung die grauenhaften Leiden, die den Heros als Sinnbild der [[Menschheit]] zerreißen, und heißt den Menschen in der Lust an diesem [[Opfer]] sich reinigen von [[Gefühl]]en, die das Ich klein machen: Furcht und [[Mitleid]], — im Anblick des gnadenlosen [[Schicksal]]s, das mit der Dämonie der starken Menschen spielt. Mit dem Sinnbild des Gekreuzigten aber, der als christlicher Heros an seinem Marterpfahl hangend alle antiken Brüder überwuchs, stellt das Christentum den kühnsten und umfassendsten Versuch dar, den Schmerz als Grundelement des Lebens anzuerkennen und das [[Leiden]], statt es zu meiden, dem [[Leben]]sbewußtsein einzuverleiben als [[göttliche]]n [[Sinn]] des Lebens.
Warum soll man der [[Lust]], weil sie vergänglich ist, abdanken und dem Leiden zu entfliehen trachten, weil es [[Vergänglichkeit]] selber ist, — durch [[Verzicht]] auf [[Ich]] und [[Welt]]: Werkzeug und Sphäre ursprünglicher [[Erfahrung]]en? Warum die Sphäre reinen Inneseins erhöhen über die [[Offenbarung]], die Welt, Leib und [[Geist]] ursprünglich bieten, von außen gegeben und glorreich erneuert bei Tag und bei Nacht? Ist nicht die [[hoffnung]]slose Verschlungenheit von [[Schmerz]] und Lust, von Trübe und [[Erkenntnis]], von [[Wissen]], das Wahn ist, und von [[Wahnsinn]], aus dem [[Weisheit]] blitzt, — ist nicht das Leiden und die allseitige Unvollkommenheit des Daseins eine [[Offenbarung]] des [[Göttliche]]n, das die [[Maya]] der [[Welt]] als ihren Schleier webt und in ihm zu greifen ist — seine Offenbarung so gut wie seine all-einsam [[kristall]]ene [[Vollkommenheit]] es ist? Und ist eine Form der [[Einweihung]] so gut wie jene andere, wenn man sie zu begreifen vermag?
Das ist der tiefere [[Sinn]] des [[Christentum]]s, wenn sich das höchste [[Göttliche]], weltenthoben und rein in seinem [[Jenseits]], ins Wirrsal der [[Welt]] hinabläßt und sich verlarvt zum leidenden Geschöpf, wenn es, unverwoben ins Weltleid, wie es an sich selber ist, »es nicht als Raub achtet«, die leidende Kreatur in schauerlich hinfälliger Maske zu tragieren, und, ganz unschuldig, daher freiwillig, sich hinschenkt an den Abgrund des Leidens, der befleckenden Schmach und des [[Erde]]nschmutzes.
Die [[indisch]]en [[Tantra]]s lehren mit vielfältigem [[Ritual]], daß überall in der grenzenlos vermischten [[Erscheinungswelt]] [[Offenbarung]] des [[Göttliche]]n und [[Einweihung]] zu seinem überweltlichen [[Wesen]] sei: Etwa im [[Geheimnis]] des [[Geschlecht]]s und in der schweigenden Größe des [[Lingam]]. Für den [[Christ]]en aber ist die [[Offenbarung]] im unschuldig Gehenkten am Galgenholze, der durch das Geheimnis verschwiegen freiwilligen [[Tod]]es am Kreuze, an das er gehenkt ist, seinen [[Sinn]] gibt.
Ein kleiner Spruch unter einem Rokokokruzifix auf dem Mönchsberg über Salzburg bringt gegenüber den Allgefühlen der [[Natur]]
vergottung, die das 18. Jahrhundert im Zuge der [[Zeit]] mit sentimentaler Unverbindlichkeit und romantischer Dämonie herauf
führte, zart und entschieden zum Ausdruck, was das Abendland in seiner christlichen Blüte mit dem Leiden als [[Element]] des Lebens und [[Offenbarung]] des [[Göttliche]]n anzufangen wusste:
»Im schönen [[Tempel]] der [[Natur]] Siehst du des großen [[Gott]]es Spur; Doch willst du ihn noch größer sehn, Mußt du zu seinem Kreuze gehn,«
Der Ertrag des anderen [[Weg]]es, mit dem [[Leid]]en fertig zu werden, den [[Indien]] weist, ist freilich eine [[Einsicht]] in die schichtenreiche [[Wirklichkeit]] der menschlichen Tiefe innen, die dem Westen bislang abgeht und die für uns wesensgetreu zu erarbeiten zu einer neuen [[Erkenntnis]] unser selbst Indiens Auftrag an eine gemeinsame [[Zukunft]] bleibt.


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 28. März 2014, 11:37 Uhr

Ramana Maharshi (1879 - 1950) (Sanskrit: रमण महर्षी Ramaṇa Maharṣī m.) ist ein indischer Heiliger und einer der berühmtesten Weisen des 20. Jahrhunderts. Er verwies den Fragenden immer wieder auf sich selbst. Mittels seiner Methode der Selbsterforschung (Self-enquiry) und der Frage "Wer bin ich?" ist es dem Suchenden möglich, seine wahre Natur zu erkennen und zu verwirklichen.

Sri Ramana Maharshi

Geboren wurde er unter dem Namen Venkataraman, seine Schüler nannten ihn liebevoll Bhagavan Sri Ramana Maharshi. Bekanntheit im Westen erlangte Ramana Maharshi durch den Schriftsteller Paul Brunton, der ihn in seinem Buch "Yogis - Verborgene Weisheit Indiens" beschreibt.

Arunachala - der "heilige Berg der Morgenröte"

Biografie

Siehe auch

Literatur

  • Ramana Maharshi, Die Botschaft des Ramana Maharshi: Antworten von Shri Ramana Maharshi an seine Schüler (2011)
  • Ramana Maharshi, Über die Wirklichkeit: 40 Verse mit Ergänzungsversen (Ulladu Narpadu mit Anubandham): mit Bildern von Nanyar (2009)
  • Ramana Maharshi , "Wer bin ich?": Der Übungsweg der Selbstergründung (2009)
  • Ramana Maharshi, Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung (Upadesa Saram): aus dem Sanskrit übersetzt und kommentiert von Nanyar (2007)
  • Ramana Maharshi, Gespräche des Weisen vom Berge Arunachala (2006)
  • Ramana Maharshi, Die essenziellen Lehren: Eine Reise in Bildern (2005)
  • Ramana Maharshi, Nan Yar? Wer bin ich? (2003)
  • Sri Ramana Maharshi, Die Botschaft des Ramana Maharshi (2001)
  • Ramana Maharshi, Geistige Unterweisung (1996)
  • Sri Ramana Maharshi, Über das Selbst: Vierzig Verse (1996)
  • Arthur Osborne, Ramana Maharshi. Seine Lehren: Eine Einführung (2012)
  • Arthur Osborne, Ramana Maharshi und der Weg der Selbsterkenntnis: Eine Biografie über Ramana Maharshi (2012)
  • David Godman (Hrsg.), Sei, was du bist!: Die wichtigsten Lehren des großen indischen Weisen (2010)
  • Devaraja Mudaliar, Tagebuch der Gespräche mit Ramana Maharshi: 16.3.1945 - 4.1.1947 (2011)
  • Gabriele Ebert, Ramana Maharshi: Sein Leben (2011)
  • Gabriele Ebert, Ramana Maharshi und seine Schüler: Band 1 (2006)
  • Heinrich Zimmer, Der Weg zum Selbst: Lehre und Leben des indischen Heiligen Shri Ramana Maharshi aus Tiruvannamalai (1944)
  • Suri Nagamma, Ausgewählte Briefe aus dem Ramanashram: Aus Leben und Lehre Ramana Maharshis (2011)
  • Suri Nagamma, Mein Leben im Ramanashram: Erinnerungen an Ramana Maharshi (2008)
  • T. K. Sundaresa Iyer, Mein Leben mit Ramana Maharshi: Aus dem Tagebuch eines Schülers (2007)
  • [1] Das Yoga-Lexikon von Huchzermeyer, Wilfried

Weblinks

Seminare

Multimedia

  • Ramana Maharshi, Wer bin ich? (Audiobook, 2013)
  • Premananda, Arunachala Shiva - Die Lehre von Ramana Maharshi (OmU) (DVD, 2009)